Wo allein der Nachwuchs zählt
Athletic Bilbao, auch bekannt als Athletic Club de Bilbao, ist neben Real Sociedad San Sebastián, Deportivo Alavés, SD Eibar und CF Osasuna einer der großen Clubs im Baskenland. Gleichzeitig auch der erfolgreichste, acht Mal wurde die spanische Liga gewonnen, 24 mal der Pokal. Seit Ligagründung 1928 ist der Verein ununterbrochen dabei. In der „ewigen Tabelle“ liegt Athletic auf dem dritten Platz und ist neben Real Madrid und dem FC Barcelona die einzige Mannschaft, die nie absteigen musste.
Der Fußball-Club Athletic Bilbao ist insbesondere deshalb weltbekannt, weil in seinen Teams ausschließlich Baskinnen und Basken spielen und solche, die im Baskenland das Fußballspielen gelernt haben. Nur in Mexiko gibt es einen weiteren Club mit ähnlicher Philosophie. (2015-11-19)
Der Beiname „Leones“ - die Löwen, wie die Spieler von Athletic auch genannt werden, kommt vom Namenspatron des Stadions „San Mamés“, dem Heiligen Mamés. Die Legende sagt, Mames sei ein Christ gewesen, den die Römer den Löwen zum Fressen vorgeworfen hätten. Da die Löwen ihn jedoch verschonten und nicht fraßen, wurde Mamés später heiliggesprochen. Diese Legende passt zum Club, der sich das Besondere immer bewahrt hat. Doch nicht nur die Spieler haben einen Beinamen, das Stadion selbst wird „La Catedral“ geanannt, die „Kathedrale des Fußballs“. Soweit zu den Legenden, die den Verein umgeben.
Athletic darf nicht verwechselt werden mit Atletico, dem Club aus Madrid. Immerhin haben beide Vereine einen gemeinsamen Ursprung: auch Atletico Madrid wurde 1903 von baskischen Ingenieuren und Studenten gegründet, die in der Hauptstadt lebten. Zeichen dieser Gemeinsamkeit ist bis heute das rot-weiß gestreifte Trikot. Der Athletic Club Bilbao wurde 1898 gegründet, die Inspiration dazu kam von in England studierenden Bilbainos, außerdem hielten sich zu jener Zeit eine ganze Reihe englische Arbeiter und Ingenieure in Bilbao auf, die in den Bergwerken und in der Industrie beschäftigt waren. Nicht von ungefähr spielten in den ersten Jahren immer ein paar Engländer im Team.
Vor hundert Jahren, Anfang des 20. Jhs. entschied sich der Athletic Club Bilbao für eine Philosophie, die zumindest in Europa einmalig ist. Denn hier spielen nur Spielerinnen und Spieler, die entweder aus den südbaskischen Provinzen Bizkaia, Gipuzkoa, Álava und Navarra (Spanien), den nordbaskischen Provinzen Labourd, Soule und Nieder-Navarra (Frankreich) stammen, oder die in einem Fußballklub aus den besagten Provinzen fußballerisch ausgebildet wurden. Aus diesem Grund pflegen viele Spieler von Athletic eine deutlich größere Loyalität zum Verein als dies heutzutage im millionenschweren und kurzlebigen Sportgeschäft üblich ist. Manche verbingen ihre gesamte Karriere im rot-weißen Trikot und verzichten auf viel Geld, das sie anderswo verdienen könnten. Auch ist Bilbao nicht gerade das beste Pflaster, um Titel zu sammeln, was sich viele Spieler zumindest ein Mal in ihrer Karriere wünschen. Seit dreißig Jahren hat Athletic keinen richtigen Titel mehr gewonnen. Der kürzlich erzielte Triumpf gegen den FC Barcelona im Supercup 2015 wurde zwar gefeiert, gilt aber nicht als richtiger Titel, nur als Verlierer des Pokalfinales durfte Bilbao um jenen wenig beliebten Cup spielen, weil Barca das Double geholt hatte.
Gründung
Fußball wurde von zwei verschiedenen Gruppen von jungen Spielern nach Bilbao gebracht, beide hatten Verbindungen zu England, dem sogenannten „Mutterland des Fußballs“. Britische Stahl- und Werftarbeiter waren es zusammen mit baskischen Studenten, die in England studiert hatten und auf dem Rückweg den Fußball mitbrachten.
„Im späten 19. Jahrhundert war Bilbao eine der wichtigsten Hafenstädte Spaniens und mit seinen Minen und Werften eine der bedeutendsten Industrieregionen des Landes. Die Stadt war ein Motor der spanischen Wirtschaft und zog deshalb eine Vielzahl von ausländischen Arbeitskräften an. Darunter waren viele Minenarbeiter aus dem Nordosten Englands sowie Werftarbeiter aus Sunderland, Southampton und Portsmouth. Diese britischen Arbeiter brachten den Fußball mit und gründeten in den frühen 1890er Jahren den Bilbao Football Club. Währenddessen machten baskische Studenten den umgekehrten Weg, sie gingen nach Großbritannien, um dort Universitäten zu besuchen. Hier kamen sie mit dem Fußball in Berührung, den sie bei ihrer Rückkehr mitbrachten. 1898 gründeten Studenten des Gymnasiums Zamacois den Athletic Club, in Anlehnung an die englische Schreibweise“. (1)
Im Jahr 1902 wurden beide Vereine zusammengeführt, um beim erstmals ausgetragenen spanischen Pokal (Copa del Rey) eine gemeinsame „Vizcaya“ genannte Mannschaft auf den Rasen zu schicken. Prompt gewannen sie das Turnier, im Finale wurde der FC Barcelona besiegt. Das war Motivation genug, 1903 beide Vereine definitiv zum Athletic Club de Bilbao zu vereinigen.
Erfolgreiche Jahre (1903 bis 1936)
„1903 gewann der neu gegründete Athletic Club wiederum die Copa del Rey und wurde auch im folgenden Jahr zum Sieger erklärt, nachdem der Gegner Club Español de Madrid nicht angetreten war. Nach einem weiteren Sieg 1911 gewann Bilbao zwischen 1914 und 1916 den Pokal dreimal in Folge. Star dieses Teams war der legendäre Stürmer Pichichi (Rafael Moreno Aranzadi), der am 21. August 1913 das erste Tor überhaupt im San Mamés schoss und im Finale der Copa del Rey von 1915 einen Hattrick folgen ließ. Heute erhält der beste Torjäger der spanischen Liga die Trophäe, die nach Pichichi als Pichichi-Trophäe benannt ist“ (1), was sich allemal besser anhört als „Bomber der Nation“ oder „Torjäger-Kanone“. Auch in den 20er und 30er Jahren – mittlerweile spielten nur noch Basken im Team – war der Erfolg ein ständiger Begleiter der Bilbainos. Unter anderem, weil englische Trainer neuartige Spieltaktiken einführten, die das Athletic-Spiel revolutionierten.
„Als 1928 die Primera División ins Leben gerufen wurde, nahmen neben Athletic mit Real Sociedad, Real Unión Irún und Arenas Club de Getxo drei weitere baskische Mannschaften daran teil. Als 1930 Deportivo Alavés folgte, waren fünf von zehn Klubs der Liga aus dem Baskenland. 1929 übernahm der Engländer Fred Pentland zum zweiten Mal das Traineramt bei Bilbao (erstmals 1921 bis 1927) und revolutionierte die Mannschaft, indem er ihr das Kurzpassspiel beibrachte. Er führte die Mannschaft zu zwei Double-Siegen 1930 und 1931 sowie vier Siegen in der Copa del Rey (Königs-Pokal) zwischen 1930 und 1933. In dieser Zeit wurde dem FC Barcelona beim 12:1 dessen höchste Niederlage aller Zeiten zugefügt. Nach zwei weiteren Meistertiteln 1934 und 1936 hatte Bilbao in den ersten acht Jahren der Liga viermal den ersten Platz belegt“. (1)
Nur noch Basken im Team
1912 wurde bei Athletic dann beschlossen, nur noch Basken in der Mannschaft spielen zu lassen. Hintergrund waren Stress und Neid zwischen den Teams wegen der Teilnahme englischer Spieler. Denn in jenen ersten Jahren spanischer Meisterschaften spielten in allen Teams englische Spieler, England war fußballerisch einen oder mehrere Schritte voraus. Bedingung für den Einsatz von Engländern sollte sein, dass diese wenigstens sechs Monate vor Ort lebten und nicht extra für die Meisterschafts-Turniere verpflichtet werden. Da die Industrialisierung im gesamten Staat nach wie vor in vollem Gang war, gab es überall englische Ingenieure und Arbeiter, die das technische Knowhow mitbrachten – und darüber hinaus fußballerische Fähigkeiten. Die eingesetzten Engländer waren keine Profis, denn englische Gesetze verboten englischen Profis, im Ausland zu spielen.
1909 gewann Real Sociedad die Meisterschaft. 1910 gewann Athletic mit drei Engländern im Team, Real hatte einen Franzosen und zwei Madrilenen. Das Turnier 1911 wurde in Bilbao ausgetragen, Athletic hatte erneut englische Spieler in der Mannschaft, Real schaffte keine Verpflichtung. Es kam zu Protesten, die dazu führten, dass Athletic seine Engländer zurückzog, darunter einen Spieler, der im Vorjahr an der Meisterschaft beteiligt gewesen war. Dem FC Barcelona wurde verboten einen französischen Torhüter aufzustellen. Athletic wurde ein Titel aberkannt, der Club wurde aus einem Turinier ausgeschlossen, wieder zugelassen … polemische Zeiten. In jener Phase entschieden die Verantwortlichen von Athletic, nur noch baskische Spieler einzusetzen, um der ewigen Diskussion ein Ende zu bereiten.
Athletic und baskischer Nationalismus
Als Club, der nur baskische Fußballer einsetzt, läge es nahe, beim Club eine kontinuierliche Verbindung zum baskischen Nationalismus zu suchen. Doch ganz ungebrochen ist diese Geschichte nicht. Tatsache ist, dass sich die politischen Führer der 1910 gegründeten Baskisch Nationalistischen Partei PNV über lange Jahre bemühten, den Club Athletic als Vehikel für ihre politische Ziele zu benutzen oder zu mobilisieren. Seit seiner Gründung im Jahr 1898 gab es Präsidenten und Spieler, die Parteimitglieder waren. (2)
In den 20er und 30er Jahren benutzte die städtische PNV den Fußball zur Transmission ihrer Ideologie, als immer klarer wurde, dass dieser Sport als Massenphänomen ein Übertragungs-Medium vor allem für junge Leute war. Über den Sport wurde Athletic mit dem baskischen Vaterland identifiziert. Doch fand diese Anstrengung Widerstand in den eigenen Reihen. Denn die ländlichen, eher konservativ eingestellten Parteimitglieder sahen den Fußball als Gefahr für den Katholizismus, ihnen war er zu liberal und kam zudem aus dem Ausland. Sie befürchteten, dass weniger Leute zur sonntäglichen Messe kommen und dafür Fußball spielen oder schauen gehen. Dieser Sektor des baskischen Nationalismus setzte stattdessen auf das Pelota-Spiel, das zwar aus Frankreich kam, aber als ursprünglich baskisch betrachtet wurde.
Während der Zweiten Republik ab 1931 unterstützte Athletic die Anstrengungen der PNV, innerhalb des spanischen Staates ein Autonomie-Statut zu erlangen. Dieses Ziel wurde im Oktober 1936 erreicht, als nach dem militärischen Aufstand der Generäle um Franco bereits Krieg herrschte. Der PNV-Politiker José Antonio Aguirre, selbst Spieler bei Athletic Bilbao von 1921 bis 1923, wurde am 7. Oktober 1936 als erster baskischer Ministerpräsident vereidigt. Aguirre veranlasste auch die Aufstellung einer baskischen National-Mannschaft, in der unter anderem Spieler aus Bilbo beteiligt waren (2). Damit sollte einerseits Propaganda gemacht werden, zum anderen sollte zur Finanzierung der Militärausgaben etwas Geld eingenommen werden. Ab Sommer 1936 war die spanische Meisterschaft suspendiert, die Selekzioa (Auswahl) hatte Zeit, eine sportliche Tour durch Frankreich, Polen, die Sowjetunion, Norwegen, Dänemark, Mexiko und Kuba zu machen. Viele Spieler blieben im Exil, nachdem der Krieg im Baskenland im Juni 1937 verloren ging. (3).
Zum Führergruß verpflichtet
Die baskisch-nationalistische Hegemonie wurde nach dem Krieg und im Franquismus brachial gestoppt. Fortan waren es Falangisten, Karlisten und Faschisten, die die Geschicke des Clubs leiteten. Von den 3.000 Mitgliedern der Vorkriegszeit blieben gerade mal 587 übrig. Das erfolgreiche Team der 30er Jahre ging im Exil verloren, nach dem Krieg wurde 1939 begonnen, ein neues Team aufzubauen. Dabei wurde von den neuen Machthabern die Exklusivität baskischer Spieler respektiert. Im Gegenteil, sie wurde propagandistisch benutzt als Beispiel für die „Reinhaltung der spanischen Rasse“. Der Name des Clubs wurde vom englischen Athletic zum spanischen Atletico geändert, das Regime machte aus dem baskischen Team eine Personifizierung spanisch-maskuliner Werte. In den letzten zwei Jahrzehnten der Diktatur wurde der Club aus Bilbao sogar außerhalb des Baskenlandes populär, im ganzen Staat wurden Fangruppen gegründet. „Atletico Bilbao“ erhielt das Aushängeschild eines Arbeiter-Clubs, der keine hohen Löhne zahlte. Das und die Tatsache einer eigenen Fußballschule zur Nachwuchs-Förderung führte dazu, dass viele Fans im gesamten franquistischen Staat dem Club aus der „Verräter-Provinz“ Bizkaia ihre Achtung zuteil werden ließen. Die einzigartige Philosophie des Vereins stand schon in den 60er Jahren im Gegensatz zu den Millionen-Verpflichtungen der reichen Clubs und machte Fans im Staat und der spanisch-sprachigen Welt auf die Bilbainos aufmerksam.
Stars im Schatten der Diktatur
Im Franquismus konnte der Club Atletico Bilbao an seine sportlichen Erfolge der Vorkriegszeit anknüpfen. Eine Handvoll Spieler erspielten sich internationalen Ruhm. Nach einem Erlass des spanischen Diktators Franco musste der Verein 1941 seinen Namen in Atlético Bilbao ändern, da ausländische Bezeichnungen in der Liga verboten waren. Im gleichen Jahr debütierte mit Telmo Zarra der beste Torjäger der Vereinsgeschichte. In dreizehn Jahren bei Athletic schoss er 333 Pflichtspieltore. 1943 gewann die Mannschaft nochmals ein Double, 1944 und 1945 jeweils den Pokal“ (1), der nach dem Diktator inzwischen „Copa del Generalisimo“ (Pokal des Super-Generals) genannt wurde.
„Eine der tragenden Säulen des Teams der 50er Jahre war Telmo Zarraonaindía Montoya, genannt Zarra, (1921-2006), bis heute eine Legende im baskischen und spanischen Fußball“. Als Mittelstürmer war Zarra in den 40er und 50ern sechsmal Torschützenkönig der Liga. 1950/51 erzielte er 38 Tore, ein Rekord, der erst 1990 egalisiert wurde. Für die spanische Auswahl traf er in 20 Partien 20 Mal. Sein wichtigster Treffer war das Tor bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1950 in Brasilien zum 1:0 über England. Damit zog Spanien in die Finalrunde ein und unterlag erst im Halbfinale.
1956 schnappte Athletic dem über Jahre hinweg in Eurpoa übermächtigen Real Madrid sowohl Meisterschaft als auch Pokal weg und spielte im europäischen Meister-Cup. Im Viertelfinale war Manchester United dran, das Hinspiel auf Schnee ging 5:3 an die Basken, das Rückspiel allerdings ging 0:3 verloren gegen ein vielversprechendes englisches Team, das nur ein Jahr später bei einem tragischen Flugzeug-Unglück in München 23 Teammitglieder verlor. Nach Manchester war die Zeit von Jose Angel Iribar (*1943), der wahrscheinlich beste Athletic-Torwart aller Zeiten. 1962 kam der „chopo“ (Pappel) genannte Iribar zu Athletic, 1964 wurde er Torhüter der spanischen Auswahl. Mit Athletic gewann er 1969 und 1973 den Franco-Pokal, 1977 war er im UEFA-Finale gegen Juventus dabei. Insgesamt absolvierte Iribar 49 Länderspiele für die Auswahl des Landes, das Iribars Muttersprache Euskara illegalisiert hatte. Er nahm an der Weltmeisterschaft 1966 teil und stand auch bei der 1:2-Niederlage gegen die BRD im Tor. Sein größter internationaler Erfolg dürfte der Gewinn der ersten Europameisterschaft 1964 (Finale 2:1 gegen die Sowjetunion) gewesen sein. Doch obwohl er für das franquistische Spanien spielte, blieb Iribar immer dem Baskenland und seinen Werten und Symbolen treu. „Im Dezember 1976, vor dem Ligaspiel gegen Real Sociedad, hissten Iribar und Real Sociedads Spielführer Ignacio Kortabarria die baskische Flagge im Mittelkreis. Das war das erste öffentliche Zurschaustellen der Flagge seit dem Tod von General Franco. Iribar beendete seine Karriere 1980 nach 466 Ligaspielen für Athletic und wechselte in den Trainerstab. Von 1983 bis 1986 trainierte er die zweite Mannschaft Bilbaos in der Segunda División und in der Saison 1986/87 die erste Mannschaft“. (4)
Zarra, Iriondo, Gainza
„In den Fünfzigern konnte der Verein mit der legendären Angriffsreihe um Telmo Zarra, José Luis Panizo, Rafael Iriondo, Venancio Pérez García und Agustín Gaínza aufwarten. Nachdem mit Ferdinand Daučík einer der besten Trainer des Landes Athletic übernommen hatte, ließen weitere Titel nicht lange auf sich warten: Double 1956, Pokal 1955 und 1958“. (1) In der spanischen Liga waren zu jener Zeit drei Ausländer und acht Einheimische pro Team erlaubt. Real Madrid und Barça umgingen diese Regel, indem sie Spieler einbürgerten (z.B. Ferenc Puskás, Alfredo Di Stéfano, Ladislao Kubala), Athletic hingegen blieb seiner Philosophie treu und musste seine Führungsrolle im Vereinsfußball abgeben. In den Sechzigern und Siebzigern dominierten Real Madrid und der FC Barcelona den iberischen Fußball, während sich Bilbao meist im Mittelfeld der Tabelle wiederfand. Nur den Pokal mit dem fatalen Namen konnte das Team 1969 und 1973 noch zweimal erringen. (5)
Post-Franquismus
Der erste postfranquistische Präsident von Athletic (das sich nun wieder im englischen Schreibstil nennen durfte) war erneut ein PNV-Politiker: Jesús María Duñabetia wurde 1977 gewählt und gab dem Club wieder einen baskischen Anstrich. Baskische Tänzer kamen zum Einsatz, die baskische Fahne ebenfalls, die Bemühungen um eine baskische Autonomie im postfranquistischen Staat wurde offiziell unterstützt, es gab Spiele zur Unterstützung der baskischen Sprache. Doch nicht allein die PNV markierte das Leben im Club, auch die baskische Linke spielte ihre Rolle. Es gab auch Ehrungen für ETA-Leute (1978 Argala), die von spanischen Todesschwadronen umgebracht worden waren. Gleichzeitig blieb der Club trotz seiner vorwiegend baskisch-nationalistischen Orientierung auch ein Identifikations-Symbol für nicht-nationalistische und sich nicht als Basken definierende Bewohnerinnen Bilbaos, klassen- und ideologieübergreifend. Denn von keiner politischen Seite wurde je die ungeschriebene Regel in Frage gestellt, nur baskische Spieler einzusetzen.
Rückkehr zu Athletic Bilbao
Im Dezember 1975, gerade mal einen Monat nach dem Tod des Diktators Franco, als sich der gesamte spanische Staat in erwartungsvollem Aufbruch befand, traf Athletic Bilbao auf den Lokalrivalen Real Sociedad San Sebastián aus Gipuzkoa. Vor dem Anpfiff trugen Bilbaos Torwart-Legende José Ángel Iribar und Reals Kapitän Ignacio Kortabarria die Flagge des Baskenlandes (Ikurriña), die damals noch nicht legalisiert worden war, vor dem Spielbeginn aufs Feld. Dieser symbolische Akt des zivilen Ungehorsams war die erste öffentliche Demonstration der 40 Jahre lang verbotenen Flagge, bis heute sind diese Szene und ihre Protagonisten im baskischen Fußball legendär, das Foto kennt jedes Kind.
Die letzten Lorbeeren
1981 wurde der ehemalige Athletic-Spieler Javier Clemente neuer Cheftrainer bei Athletic. Als 18-Jähriger hatte der aus der Arbeiterstadt Barakaldo stammende Nachwuchsspieler sein erstes Spiel für Athletic absolviert, dazu kamen zwischen 1968 und 1971 nur 46 weitere Spiele in der Primera División für Bilbao. Clemente spielte im Team, das 1969 den Franco-Pokal gewann. Doch musste er seine Karriere mit nicht einmal 22 Jahren verletzungsbedingt beenden und begann eine Trainerlaufbahn, die ihn gleich mehrfach zu Athletic führte. Als nur 31 Jahre alter Trainer stellte Clemente ein Team aus Veteranen und jungen Spielern zusammen, 1983 wurde das Team wieder spanischer Meister, 1984 gleich noch einmal, dazu kam der Erfolg im Pokalfinale. Clemente wurde zwar für seine defensive Spielweise kritisiert, doch Effektivität konnte ihm niemand absprechen. Die beiden Titel mit Clemente von 1984 sollten (Stand 2015) die letzten bleiben. Obwohl hervorragende Spieler wie Joseba Etxeberria oder Julen Guerrero ins Team kamen und international erfolgreiche Trainer in Bilbo arbeiteten.
Veränderte Personalpolitik
Keine neuen Titel, aber durchaus Erfolge konnte Athletic Bilbao auch nach seinen letzten Meisterschaften erringen. Zuerst mit dem spanisch-französischen Trainer Luis Fernández, der das Team von 1996 bis 2000 betreute und Athletic 1998 zur Vizemeisterschaft führte. Lohn war die Teilnahme an der neu geschaffenen Champions-League. Erleichtert wurden die Erfolge des Trainers aus Tarifa von Veränderungen der Verpflichtungs-Philosophie bei Athletic, die bereits in den 50er Jahren begannen. Bizkaia war zu klein geworden, um das Team von Athletic in der 1. Liga zu halten. „Fernández profitierte von einer gelockerten Personalpolitik, die es ihm erlaubte, Spieler zu verpflichten, die in Jugendmannschaften auf baskischem Territorium ausgebildet wurden“, aber keine gebürtigen Basken waren (1). Spielen durften also gebürtige Basken, oder Fußballer aus aller Welt, die im Baskenland das Kicken gelernt hatten, wie zum Beispiel der aktuelle Star Iñaki Williams, ein Senegalese, der als Kind mit seiner Familie ins Baskenland kam. Erstmals wurde 1996 mit Bixente Lizarazu (später Bayern München) ein Baske aus dem französischen Teil des Baskenlandes eingesetzt.
Immer wieder wurden Spieler verkauft, Karanka, Alkorta, Zubizarreta, vor allem Real Madrid und der FC Barcelona waren dankbare Abnehmer für die erstklassigen Spieler aus dem Baskenland. Umgekehrt hatte Athletic aufgrund seiner Philosophie nicht gerade eine große Auswahl, wenn es darum ging, das Team von außerhalb zu verstärken. In einigen Fällen musste der Club Spieler zurückkaufen, die als junge Spieler aussortiert worden waren und mittlerweile anderswo Karriere gemacht hatten (Aritz Aduriz, Beñat Etxeberria). Oder Spieler, die bei anderen baskischen Vereinen groß geworden waren wie Andoni Zubizarreta, Javi Martinez, Joseba Etxeberria oder Aitor Karanka.
Jüngste Entwicklungen
Nach Fernandez wurde es ruhiger bei Athletic, das Team verschwand im Mittelfeld. Spieler und Trainer kamen und gingen. 2006 konnte sich Athletic erst am 37. Spieltag vor dem Abstieg retten, gleichzeitig beendete das Idol Julen Guerrero seine Karriere. Mit Trainer Joaquin Caparros erreichte Athletic 2009 das Pokal-Endspiel, es ging verloren gegen den FC Barcelona, der zuvor die Meisterschaft und die Champions-League gewonnen hatte. 2012, diesmal mit dem eigenwilligen argentinischen Trainer Marcelo Bielsa, erreichte Athletic nach einem furiosen Jahr das Pokal-Finale und sogar das Endspiel der neu geschaffenen Europa-League. Dabei wurden große Teams wie Lokomotiv Moskau (Sechzehntelfinale), Manchester United (Achtelfinale), FC Schalke 04 (Viertelfinale) und Sporting Lissabon (Halbfinale) besiegt. Beide Finale gingen jedoch verloren. Auch 2015 qualifizierte sich Athletic für das Cup-Finale, zum dritten Mal in sechs Jahren ging es gegen den FC Barcelona verloren. Dass im folgenden Supercup derselbe Gegner 4:0 geschlagen wurde, war nur ein schwacher Trost, immerhin bedeutet er einen neuen Pokal in den Vitrinen des Museums, das im Jahr 2016 erneut eröffnet wird.
2010 wurde an der Stelle des alten Stadions mit dem Bau eines neuen begonnen, dem San Mamés Barria (baskisch: neues San Mamés), dort finden seit 2013 nun 53.000 Zuschauer Platz. Das heißt auch, dass Athletic nach langer Zeit wieder in der Lage war, neue Mitglieder zuzulassen, denn die Mitgliedschaft im Verein ist verbunden mit einer Dauerkarte, bloße Mitgliedschaft gibt es nicht.
Über die Jahrzehnte ist Athletic auch auf internationaler Ebene zu einem Aushängeschild geworden, wie Fußball auch organisiert werden kann, ohne auf die rein kapitalistischen Mechanismen zurückzugreifen. Zweifellos werden auch bei Athletic Millionen bewegt, dennoch ist der Club ein Club geblieben (keine Aktiengesellschaft) und ist mit seiner Nachwuchs-Förderung zum Beispiel für Fußball-Projekte in aller Welt geworden.
ANMERKUNGEN:
(1) Wikipedia Athletic Bilbao (Link)
(2) Athletic Bilbao und der baskische Nationalismus (Link)
(3) Athletic und die baskische Auswahl. Baskultur.info (Link)
(4) Jose Angel Iribar „El Chopo“ (Link)
(5) Telmo “Zarra” Zarraonaindia (Link)
FOTOS:
(1) Foto aus dem öffentlichen baskischen Fernsehen ETB2
(2) Fanszene in Bilbo. Foto Archiv Txeng (FAT)
(3) Foto aus dem öffentlichen baskischen Fernsehen ETB2
(4) Foto aus dem öffentlichen baskischen Fernsehen ETB2
(5) Foto Internet, unbekannte Herkunft
(6) Supercup-Feier 2015 Bilbo
(7) Foto Internet, unbekannte Herkunft
(8) Supercup-Feier 2015 Bilbo
(9) Supercup-Feier 2015 Bilbo