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Ende des Faschisten-Mausoleums in Navarra

Auf dem Weg zur Aufarbeitung des Franquismus kommt es in Pamplona (baskisch: Iruñea) zu einem historischen Schritt, der für die Opfer von Krieg und Diktatur einen Hoffnungsfunken darstellt. Die linksliberale Stadtverwaltung will die Leichen der Putsch-Generäle Emilio Mola und José Sanjurjo exhumieren, die bisher in einer Art Mausoleum begraben sind, in dem in der Vergangenheit regelmäßig Gottesdienste und Ehrungen stattfanden. Die navarrische Rechte protestiert gegen den Wegfall der Ehrenstätte.

Seit den 50er Jahren sind die Gebeine der franquistischen Generäle Mola und Sanjurjo in Pamplona im sog. „Denkmal für die Gefallenen“ begraben, einem für diesen Zweck gebauten Mausoleum, das gleichzeitig faschistische Pilgerstätte war.

Achtzig Jahre und ein Regierungswechsel waren notwendig, um diesen Schritt von historischer Bedeutung in die Wege zu leiten, denn die bisher in der Region Navarra regierenden Parteien hatten nicht das geringste Interesse an der Aufarbeitung von Krieg und Diktatur. Zusammen mit den Resten der beiden Generäle sollen in der Halle acht weitere Gräber exhumiert werden, ebenfalls Tote von der faschistischen Seite. Die Entscheidung wurde auf einer Pressekonferenz von Joseba Asiron, dem Bürgermeister Iruñeas (Pamplona) bekannt gegeben und rief umgehend Polemik hervor, weil der postfranquistischen Rechten einer ihrer Ehrenorte und den spanischen Neonazis eine Pilgerstätte verloren geht. Begleitet wurde der Bürgermeister von Paco Exteberria, einem international bekannten Forensiker, der gleichzeitig Präsident der wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi ist. Etxeberria untersucht seit Jahren Massengräber aus dem Spanienkrieg, hat bereits hunderte von Leichen geborgen, und hat nun den Auftrag, die Exhumierung der toten Generäle in aller Form durchzuführen. (1)

Proteste

Proteste gegen die Entscheidung der Stadtverwaltung ließen nicht lange auf sich warten, sie kam wie erwartet von den Postfranquisten der im Staat regierenden PP und von den Regionalisten der UPN (Unión Popular de Navarra), von politisch gleichem Zuschnitt. Ein Kommentator der Tageszeitung Diario de Noticias nennt sie „jene, die in der Vergangenheit blockiert, weggeschaut oder den Franquismus verteidigt haben“ (2). Doch weil die Rechte politisch an Boden verloren hat, sind ihre Kommentare vorsichtiger geworden. Ihre Vertreterinnen äußern sich nicht zu den beiden Faschisten und auch nicht direkt zur Exhumierung. Stattdessen verweisen sie auf den Protest der Sanjurjo-Familie, die die Exhumierung als „Schikane und Barbarei“ bezeichnet und fordern, den Familien solle „ein Vetorecht eingeräumt werden“.
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Mit dieser Entscheidung steht die navarrische Hauptstadt vor einem wichtigen Schritt in der Aufarbeitung des Faschismus, einem Prozess, der im Baskenland und im spanischen Staat „Historische Erinnerung“ heißt: Memoria Histórica. Der Bürgermeister erklärte, seit Oktober des vergangenen Jahres habe sein Regierungsteam „diskret und seriös“ an dem Vorgang gearbeitet, man habe mit den Familien und Nachkommen der beiden Generäle gesprochen „mit dem Ziel den Friedhof der Krypta zu schließen“, der zum Denkmal für die Gefallenen gehört. Asiron versicherte, bei dem Vorgang gäbe es „nicht die Spur von Revanchismus“, im Gegenteil, die Auflösung der Totenstätte sei ein Gebot des Erinnerungs-Gesetzes aus dem Jahr 2007, das Verherrlichung oder Andenken von Faschismus verbietet und laut dem Orte des faschistischen Gedenkens beseitigt werden sollen (3). Im Übrigen sei diese Auflösung „der Wunsch eines großen Teils der Bevölkerung der Stadt, und das schon lange". Im Vordergrund stehe die Befolgung der geltenden Gesetze, es solle Gerechtigkeit geschaffen werden in einem wichigen Bereich der navarrischen Geschichte. „Denn diese Situation kann nicht verlängert werden. 80 Jahre sind zu viel, wir können nicht verstehen, warum nicht schon vorher mit diesem Prozess begonnen wurde“.

Die Stadtverwaltung von Iruñea arbeitet seit Monaten an der Frage der Aufarbeitung des Franquismus. Im April 2016 wurde der Straßenname „Conde de Rodezno“ durch „Plaza de la Libertad" ersetzt – Rodezno war ein karlistischer Traditionalist und Justiz-Minister bei Franco. Bereits im Oktober 2015 begannen die Kontakte mit den Nachkommen der Generäle und mit dem Erzbischof von Pamplona. Joseba Asiron erwähnt die „Bereitschaft zur Zusammenarbeit“ und hofft, dass dies auch in der Zukunft so bleibe.

Zweifelhafte Argumente

Frontal angegriffen wird die Option der Verwaltung, die Krypta eventuell abreißen zu lassen. Dabei entdeckt die Rechte plötzlich das Prinzip der Erinnerung (memoria), die sie (zum Beispiel) im Fall des Berg-Gefängnisses Ezkaba sträflich vernachlässigt hatte. Dort waren nach der Flucht von 1938 immerhin 200 Gefangene umgebracht worden. Das Mausoleum soll nun überraschenderweise zum „Erinnerungs-Gebäude“ werden. In der rechten Tageszeitung Diario de Navarra wird tunlichst übersehen, dass das Gebäude erst 1950 gebaut wurde, fälschlicherweise wird behauptet, die Generäle lägen bereits seit den 30er Jahren in diesen Gräbern. Man solle sich doch ein Beispiel nehmen an der Rioja-Stadt Logroño, wo die beiden Generäle noch problemlos im Straßenverzeichnis vertreten seien.

Das gerade mal 55 Jahre alte Mausoleum wird als „Bauwerk von unschätzbarem historisch-künstlerischem Wert“ und als „historisches spanisches Kulturgut“ bezeichnet, das „den Alltag vieler Bürger von Pamplona begleitet“ habe und dem nun alle Sorge zukommen soll. Anders als im Fall des Castillo-Platzes im Stadtzentrum, als beim Bau einer Tiefgarage Jahrtausende alte römische und maurische Fundstücke wissentlich zerstört wurden. „In Anbetracht der Ignoranz, die sie während der vergangenen Jahrzehnte haben walten lassen, als es um die Rettung von Kulturgut ging, ist nun zynisch zu hören, dass das Gebäude historisch und schützenswert sei, letztendlich handelt es sich lediglich um ein weiteres faschistisches Relikt“, so der besagte Kommentar zu diesem Thema.
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Eine PP-Sprecherin sagte: „Priorität der Arbeit des Rathauses muss es sein, die Stadt für neue Investitionen konkurrenzfähig und attraktiv zu machen, Arbeitsplätze zu schaffen, für Tourismus und Reichtum zu sorgen, und auf diese Art den allgemeinen Wohlstand zu verbessern“. Dem hält der Kommentator entgegen, die Bemerkung, die Stadtregierung zeige sich weiterhin unfähig, „sich um die wirklichen Probleme der Stadt zu kümmern, und schaut mehr in die Vergangenheit als in die Zukunft, zeigt die aktuelle Orientierungslosigkeit der Rechten. Sie wagen nicht einmal mehr, ihren alten franquistophilen Diskurs weiterzuführen“.

Exhumierung im November

Vorgesehen ist, die Exhumierung am 16. November 2016 vorzunehmen, falls nicht verwaltungs-technische Hürden dazwischen kommen. Als ersten Schritt beantragte die Stadtverwaltung bei der Gesundheits-Behörde der Region Navarra, die Krypta im Monument für die Gefallenen – die im Amtsverständnis als Friedhof gilt – zu schließen. So sehen es die Normen für Todeshygiene in Navarra vor.

Derzeit ist das Rathaus von Iruñea Eigentümer des Gebäudes, nachdem es 1998 als Schenkung des Erzbistums in seinen Besitz übergegangen war. Deshalb hat die Stadtverwaltung das Recht, die Schließung und Verlegung der sterblichen Reste zu beantragen. Gebaut wurde der Komplex in den 50er Jahren von der Bezirks-Regierung auf einer Parzelle, die von der Stadt zur Verfügung gestellt worden war. Der offizielle Name des Gebäudes war „Navarra-Monument für die Toten des Kreuzzugs“. 1963 ging es in den Besitz des Erzbistums und 1998 an das Rathaus. Sobald von der Gesundheitsbehörde die Genehmigung vorliegt, wird die Stadtverwaltung die Entfernung der Leichen öffentlich bekannt geben, mit wenigstens zwei Monaten Vorlaufzeit über das offizielle Amtsblatt Navarras. Bis dahin müssen die Familien der Toten entschieden haben, was sie mit den Resten anfangen wollen, die ihnen übergeben werden. Laut Bürgermeister und juristischen Beratern ist dies auch der adäquate Weg, um dem navarrischen Memoria-Gesetz von 2013 genüge zu tun: Anerkennung und moralische Wiedergutmachung für die in Navarra ermordeten Bürgerinnen und Bürger und für die Opfer der Repression nach dem Militärputsch von 1936.

Der Forensiker und Präsident der wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi, Paco Etxeberria, den das Rathaus mit der Exhumierung beauftragt hat, erklärte hinsichtlich des Vorgehens, dass die Arbeit von fünf Personen „mit dem größten Respekt“ erledigt werde. Aranzadi, so Etxeberria, habe seit dem Jahr 2000 aus mehr als 400 Massengräbern ca. 8.000 Leichen geborgen. Zwei der Bergungen seien wie im nun anstehenden Fall von der „nationalen Seite“ gewesen, auf ausdrücklichen Wunsch der Familien.

Die Putsch-Generäle

General Emilio Mola wurde 1887 in der damaligen spanischen Kolonie Kuba geboren. Als Militär machte er Karriere in der spanischen Kolonie Marokko und zeichnete sich im Rif-Krieg durch große Brutalität aus. Mola war unter den Putschisten der Aufstands-Planer und später der Verantwortliche für die Nordfront (Baskenland und Asturien), er starb während der Nordoffensive im Juni 1937 bei einem Flugzeugabsturz in Burgos, kurz bevor er sein Ziel erreichte, das republikanische Bilbao einzunehmen. 1961 wurde seine Leiche in die Gefallenen-Krypta gebracht.

José Sanjurjo wurde 1872 in Iruñea geboren und begann seine Militär-Karriere in den spanischen Kolonien, auf Kuba und in Marokko. Bereits 1932 unternahm er einen Putschversuch in Sevilla, der kläglich scheiterte, er wurde zum Tode verurteilt, die Strafe wurde auf Gefängnis reduziert. Von der Rechts-Regierung wurde er 1934 begnadigt und ging nach Portugal ins Exil. Als alter Karlist war Sanjurjo wichtig bei der Planung des Militäraufstands von 1936, bei dem er den Oberbefehlshaber abgeben sollte. Zwei Tage nach dem Militäraufstand sollte er aus dem Exil zurück kehren, um die Zügel in die Hand zu nehmen, ein Flugzeugabsturz verhinderte das. Nachdem 10 Monate später auch Mola verunglückte hatte Franco keine Konkurrenten mehr im Kampf um den Chefposten. Ebenfalls 1961 kamen Sanjurjos Überreste in die Krypta.
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Klartext-Kommentar

„Die Exhumierung der Reste des Kriegsverbrechers Mola aus der Krypta des Mausoleums am Platz der Freiheit ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Eliminierung der Spuren der Verherrlichung der franquistischen Diktatur, die es in Pamplona-Iruñea noch gibt. Mit zwei Jahren Verspätung bedeutet sie die Umsetzung des Regionalgesetzes für Symbole und des Memoria-Gesetzes“, so der Kommentar, der im Klartext formuliert, was der Stadtvorsteher eher diplomatisch umschreibt. Darin wird erinnert, dass bis heute Messen abgehalten werden zu Ehren der Putschisten. „Diese Maßnahme bereitet der beschämenden Präsenz eines öffentlichen Ehren-Ortes für Mola ein Ende“, so der Text, der gleichzeitig erinnert: „Mola war der Verantwortliche für die Schlächterei, die auf den Militärputsch von 1936 folgte, er befahl, den Terror auszuweiten und all jene umzubringen, die nicht so dachten wie die Putschisten. In Navarra führte dieser schreckliche Befehl zu einem geplanten Genozid, das minutiös ausgeführt wurde, mit Hilfe von Politikern, Polizei, Militär, gesellschaftlichen und religiösen Kräften. In wenigen Wochen wurden mehr als 3.200 Personen ermordet, viele wurden abgeholt und verschwanden, bis heute liegen Hunderte in anonymen Massengräbern. Nie gab es eine juristische Aufarbeitung der Verbrechen in einem Territorium, in dem es noch nicht einmal eine Kriegsfront gab. 40 Jahre mussten nach der Diktatur vergehen, nötig war ein politischer und sozialer Wechsel in Navarra (4), um diese historische Schuld definitiv zu begleichen. Denn UPN und PP haben immer dagegen gestimmt oder sich für eine unwürdige Enthaltung entschieden in all jenen Fragen, die die Erinnerung und die Opfer des Franquismus betreffen. Hier geht es nicht um Vergeltung, sondern um Gerechtigkeit und Anerkennung für die Opfer, und gleichzeitig um die Anklage der Verbrechen und der dafür Verantwortlichen, die über lange Jahre hinweg wie Helden verehrt wurden – eine Tatsache, die in Ländern wie Deutschland, Argentinien oder Kambodscha undenkbar wäre in Bezug auf die dortigen Völkermörder. In den Augen von tausenden von navarrischen Bürgerinnen wird hiermit eine demokratische Anomalie und historische Infamie beendet“.

Dass dies erst 80 Jahre nach dem Masenmord möglich wurde ist eine traurige Tatsache, die ein Licht auf die Geschichte Navarras wirft und auf die bisherigen Beschränkungen der Aufarbeitung des Faschismus.

ANMERKUNGEN:

(1) Artikel der baskischen Tageszeitung Deia vom 1.9.2016: “Iruñea exhumará los restos de Mola y Sanjurjo” (Iruñea exhumiert die Reste von Mola und Sanjurjo)

(2) Zitiert nach dem Artikel „Fin de una infamia democrática e historica”, Tageszeitung Deia 1.9.2016 (Ende einer demokratischen und historischen Infamie)

(3) Das navarrische „Erinnerungs-Gesetz” (Ley de Memoria de Navarra) wurde 2013 von der Opposition gegen die Stimmen der rechten Minderheitsregierung beschlossen. Die Sozialdemokraten, die die Rechts-Regierung stützten, wagten es nicht, dagegen zu stimmen und enthielten sich.

(4) Zum ersten Mal in der Geschichte des Post-Franquismus kam es in Navarra und Iruñea zu einem politischen Wechsel. Bis dahin hatten in den beiden wichtigen Institutionen jeweils spanisch-orientierte Parteien regiert, die sozialdemokratische PSN und die regionalistische Rechtspartei UPN. Beide hatten die Aufarbeitung der Geschichte komplett ignoriert und eine korrupte Politik betrieben; zwei der Ministerpräsidenten jener Epoche wurden zu Haftstrafen verurteilt. Im Mai 2015 kam es zu einem politischen Wechsel, die Regionalregierung wurde von einer sozialliberalen Viererkoalition übernommen, in der sowohl die baskischen Christdemokraten vertreten sind alsauch Podemos. Der neue Bürgermeister von Pamplona ist von der baskischen Linken, gestützt durch die Koalition. Auch wenn es sich nicht um originäre Linksregierungen handelt sind die bisher eingeleiteten politischen Änderungen beachtlich, insbesondere was die Euskara- und die Memoria-Politik anbelangt.

FOTOS:

(1) Das umstrittene Mausoleum „Navarra-Monument für die Toten des Kreuzzugs“ in Iruñea-Pamplona (Foto: eitb.eus)

(2) Treffen spanischer Militärs Juli 1936 in Teneriffa (Foto: diariocordoba.com)

(3) Der Anthropologe und Forensiker Paco Etxeberria von Aranzadi bei der Exhumierung eines Massengrabes (Foto: politica.elpais.com)

(4) Die beiden faschistischen Generäle Mola (li) und Sanjurjo (re), die in Iruñea-Pamplona exhumiert werden sollen (Foto: mediterraneodigital.com)

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