biair1… kolonisieren Bilbao

Die jüngste Studie der Tourismus-Abteilung der baskischen Regierung ist schlüssig: Bei Nachforschungen hat sich herausgestellt, dass ein großer Teil der auf Internet-Plattformen angebotenen Tourismus-Unterkünfte nicht offiziell registriert ist und somit nicht den Vorschriften entspricht. Die Zahl der Wohnungen für touristische Zwecke in Bizkaia ist im Jahr 2022 um 48%, in Bilbo um 35,7% in die Höhe geschnellt. Die Statistik geht von 1.859 "legalen" Wohnungen aus, die Anzeigenzahl ist deutlich höher.

Niemand weiß genau, wie viele an Touristen vermietete Wohnungen nicht offiziell registriert, also illegal sind. Branchenverbände und Fachleute auf dem Gebiet sind sich darin einig, dass die Zahl der “Illegalen“ in letzter Zeit stark gewachsen ist.

Die 1.859 Tourismus-Wohnungen, die in den offiziellen Registern der baskischen Regierung eingetragen sind und ihren steuerlichen Verpflichtungen nachkommen, geraten immer mehr zur Minderheit. Denn tatsächlich gibt es jedoch viel mehr, die nicht in den Listen der öffentlichen Verwaltungen auftauchen. Und sie erscheinen nicht, weil es sich um die so genannten "heimlichen" Wohnungen handelt. Das sind diejenigen, die keine Steuern für ihre Tätigkeit zahlen und die regionalen oder kommunalen Vorschriften nicht einhalten. (1)

Wie viele dieser Wohnungen ohne Genehmigung existieren, lässt sich relativ leicht anhand von Internetportalen (wie Airbnb) für den touristischen Immobilienmarkt ermitteln. Die baskische Regierung schreibt vor, dass die auf diesen Plattformen angebotenen Wohnungen deutlich sichtbar mit ihrer Lizenznummer gekennzeichnet sein müssen. Laut der jüngsten Studie der Tourismus-Behörde erfüllen in Bizkaia rund 48% der Anzeigen, die auf Plattformen wie Airbnb und Booking abrufbar sind, diese Anforderung nicht. Der Bericht weist auch darauf hin, dass in Bilbao die Zahl der Anzeigen mit irregulären Wohnobjekten in den letzten Jahren um 59% gestiegen ist.

Heißt das, dass alle Wohnungen, die keine Registrierungs-Nummer angeben, illegal sind? Nicht unbedingt, meint die Exekutive. Es könnte auch sein, dass die Personen, die die Anzeigen aufgegeben haben, den Hinweis aus "Unkenntnis" der Vorschriften oder wegen eines "technischen Problems" nicht angegeben haben.

biair2In diesem Zusammenhang hat eine baskische Tageszeitung eine Feldstudie durchgeführt, um das Ausmaß dieses Problems in Bilbao aus erster Hand zu ermitteln. Hier müssen die anbietenden Eigentümer auf ganz besondere Vorschriften achten, die die Verwaltung vorgegeben hat. Die gefundenen Daten sind aufschlussreich. Etwa die Hälfte der 50 überprüften Anzeigen entsprechen nicht den Anforderungen: Allein auf der Plattform Airbnb werden in der Bizkaia-Hauptstadt mehr als 650 komplette Wohnungen und 350 Zimmer angeboten. Die am häufigsten vorkommende Unregelmäßigkeit besteht darin, auf der Website die Lizenznummer nicht anzugeben. Festgestellt wurde aber auch, dass viele der Gebäude, in denen sich die Wohnungen befinden, kein entsprechendes Schild an der Fassade haben, das darauf hinweist, dass es sich um offiziell angemeldete Touristenunterkünfte handelt. In anderen Fällen waren es die Eigentümer selbst, die zugaben, dass sie keine Lizenz haben. Vor einigen Jahren häuften sich die illegalen Wohnungen vor allem in der Altstadt. Heute sind sie in praktisch jedem Stadtviertel der Provinz-Hauptstadt zu finden.

Unternehmen des Sektors kritisieren die "Passivität" der Institutionen

Die baskische Regierung insistiert darauf, dass es "schwierig" sei, an die Eigentümer heranzukommen, die Unregelmäßigkeiten begehen. Einer der Gründe, die in der Regel angeführt werden, besteht darin, dass Plattformen wie Airbnb den Standort der Objekte erst nach der Buchung bzw. Bezahlung durch Kunden bekannt geben. In diesem Sinne bestand die nun durchgeführte Untersuchung darin, sich für ein bestimmtes Wochenende als potenzielle Kunden auszugeben. Journalisten haben sich deshalb mit den Eigentümern von Wohnungen ohne Adresse in Verbindung gesetzt (in Licenciado Poza, im Barrio Irala, in der Altstadt, im Barrio Zorroza) und haben sie um die Adresse der Wohnungen gebeten. Als Begründung für diese Frage wurde angeführt, dass die Lage der Wohnung ein entscheidender Faktor für die Wahl des einen oder anderen Angebots sei.

Die meisten von ihnen gaben die Adresse an. Es wurde festgestellt, dass viele der Gebäude, in denen sich die untersuchten Tourismus-Wohnungen befinden (komplette Wohnungen oder Einzelzimmer) nicht über das obligatorische Schild an der Fassade verfügen. Gefragt wurde auch, ob die Anbieter eine Lizenz haben. Darauf erfolgte in den meisten Fällen Schweigen, obwohl einige Eigentümer auch zugaben, dass sie keine Lizenz besitzen.

Ergebnis der Feldarbeit: Die Hälfte der kontrollierten Wohnungen entspricht nicht den Anforderungen der baskischen Regierung. Im Falle einer Entdeckung drohen den Personen, die von illegalen Tourismus-Wohnungen profitieren, Geldstrafen, die in einzelnen Fällen bis zu 10.000 Euro betragen können. Im vergangenen Jahr verhängte die Exekutive 90 Sanktionsverfahren gegen Anbieter in der gesamten Region Euskadi. In den meisten Fällen wurden mehr Zimmer anboten als im Register angegeben, oder sie waren schlicht nicht ordnungsgemäß registriert. (1)

Kein Kavaliersdelikt

Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass es bei den Regelverletzungen nicht einfach um Formalitäten geht, um Steuerzahlen hin oder her. Es geht um große Themen wie Stadtentwicklung, Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung, um Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt und letztendlich um Verdrängung von finanzschwachen Gruppen aus den bei Touristen beliebten Gebieten. Um Gentrifizierung.

biair3Praktisch alle Stadtverwaltungen haben ein Interesse an immer mehr Tourismus, ihre Politik besteht in der Förderung auf verschiedenen Ebenen. Dass Stadtverordnungen wie in Bilbo oder Donostia erlassen wurden, ist nicht der Weitsicht der jeweiligen Verwaltung zuzuschreiben, sondern dem Protest von betroffenen Nachbarinnen und Nachbarn. Reagiert wird erst, wenn die Probleme derartige Ausmaße annehmen, dass die politisch Verantwortlichen nicht mehr “blinde Kuh“ spielen können – wenn wie im Sprichwort “das Kind in den Brunnen gefallen“ ist.

Selbst nach Verabschiedung von Normen ist das Problem nicht erledigt – wie das Beispiel Bilbao zeigt. Denn für rücksichtslose Geschäftemacher sind Regeln dazu da, übertreten zu werden. Normen haben nur einen Wert, wenn ihre Einhaltung überprüft wird. Daran hapert es erneut. Denn die notwendigen offiziellen Kontrolleure (wenn Journalisten oder Nachbarschafts-Vereinigungen ihnen nicht die Arbeit abnehmen) sind völlig überfordert, sodass das Risiko, erwischt zu werden, relativ gering bleibt.

Die Bilbo-Verordnung

Eigentümer von Ferienwohnungen und Ferienzimmern müssen ihre Vermiet-Absichten bei der Tourismus-Behörde der baskischen Regierung anmelden und eine entsprechende Genehmigung beantragen. Sie müssen zusätzlich die Anforderungen des Stadtverwaltung Bilbo erfüllen, die zusätzliche Einschränkungen für die Stadtteile Casco Viejo und Bilbao La Vieja festlegt.

"Unlauterer Wettbewerb

In verschiedenen Quellen wird betont, dass im Vergleich zur Zahl der in Euskadi angebotenen illegalen Tourismus-Wohnungen die Zahl der verhängten Sanktionen verschwindend gering ist. Organisationen wie Destino Bilbao, in der zahlreiche Hotels zusammengeschlossen sind, haben die "institutionelle Passivität" in dieser Hinsicht beklagt. NAchbarschafts-Vereinigungen und politische Parteien wie Elkarrekin Podemos bedauern, dass in Bilba nicht die "notwendigen Mittel" eingesetzt werden, um gegen die "enorme Zunahme" irregulärer Touristen-Immobilien vorzugehen. Xabi Jiménez, Stadtrat der Lila-Partei, besteht darauf, dass die institutionelle "Koordinierung" verbessert werden müsse und fordert mehr Mittel, da die Tourismus-Behörde nur über ein Team von 15 Inspektor*innen und die Stadtverwaltung von Bilbao über drei Steuer-Inspektor*innen verfügt". Es gehe darum, ein Problem einzudämmen, das "mehr negative Folgen" hat, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Nachbarschaftsvereinigungen prangern an, dass diese Praktiken zu "Spekulation" führen und die Mietpreise in die Höhe treiben

biair4Experten weisen insbesondere auf drei Punkte hin. Einerseits handelt es sich um ein Steuervakuum, da die illegalen Vermieter für ihre Tätigkeit nicht besteuert werden. Im Rahmen ihres Plans zur Bekämpfung des Steuerbetrugs hat die Finanzbehörde Bizkaia in diesem Jahr ein computer-gesteuertes Pilotprogramm gestartet, das Steuerhinterziehungen im Zusammenhang mit Ferienwohnungen in sozialen Netzwerken und auf Internet-Plattformen aufspürt.

Aber es gibt noch mehr Konsequenzen. Die Verbände der legal registrierten Ferienwohnungen bestehen darauf, dass die illegale Praxis auch einen "unlauteren Wettbewerb" gegenüber den Eigentümern darstellt, die sich an alle Vorschriften halten. Und schließlich folgern Gruppen wie Bihotzean, ein Nachbarschafts-Verein von Bewohner*innen der Altstadt von Bilbao, dass illegale Touristen-Unterkünfte zu "Spekulation" und einem "Preisanstieg" führen, der sich direkt auf die einheimischen Bewohner*innen auswirkt. "Die Verfolgung dieser Praktiken hat offenbar keine Priorität", beklagt Podemos-Politiker Jiménez.

Die Zahlen

* 10.000 Euro ist die Höhe der Geldstrafen, die Eigentümern auferlegt werden, die von illegalen Tourismus-Unterkünften profitieren.

* 90 Sanktionen wurden von der Tourismus-Behörde der baskischen Regierung im Jahr 2022 verhängt. Bei den meisten Verfahren ging es darum, dass mehr Zimmer als registriert angeboten wurden oder dass die Wohnungen nicht den Vorschriften der baskischen Regierung und der Stadtverordnungen entsprachen.

Maßnahmen

Maßnahmen gegen den Wildwuchs an Tourismus-Wohnungen (mit allen anschließenden Konsequenzen für die Bevölkerung) könnten am effektivsten die Stadt- oder Gemeinde-Verwaltungen ergreifen. Sowohl Vermieter-Verbände wie auch Bürger-Initiativen fordern dies. Doch ist der Vergleich nicht weit hergeholt, dass damit “der Bock zum Gärtner gemacht“ wird. Denn letzten Endes waren die Stadtverwaltungen von Anfang an verantwortlich für den Tourismus-Boom, der gewollt war und ist, und auf Tourismus-Messen weiter vorangetrieben wird.

Der geringste Weitblick – etwa ein Besuch in Barcelona oder Amsterdam, Städte, die den Kampf gegen die Tourismus-Kolonisierung längst verloren haben – hätten ausgereicht, um frühzeitig gegenzusteuern und das Schlimmste zu verhindern. Das genaue Gegenteil war der Fall. Donostia hatte 2016 seine Europäische Kulturhauptstadt und die Guggenheim-Stadt Bilbo hatte Sport- und Musik-Events aller Art und Größe und hat für 2023 die Tour de France eingekauft. Bereits jetzt sind alle Hotels für den betreffenden Zeitraum ausgebucht, bei zehnfachem Preis. Alle legalen und illegalen Vermieter werden versuchen, den Moment zum großen Reibach zu nutzen. Mit allen Konsequenzen für die arbeitende Bevölkerung.

Gentrifizierung ist der Begriff für die Verdrängung schwacher Bevölkerungs-Schichten aus ihren gewohnten Stadtteilen, die Gegenstand von Immobilien-Spekulation oder hemmungslosem Massen-Tourismus werden. Bilbo und Donostia nähern sich mit großen Schritten diesem Ziel.

ANMERKUNGEN:

(1) “Los pisos turísticos colonizan Bilbao” (Tourismus-Wohnungen kolonisieren Bilbao), Tageszeitung El Correo, 2023-01-23 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Gentrifizierung (elcorreo)

(2) Gentrifizierung (europapress)

(3) Gentrifizierung (bilbao)

(4) Gentrifizierung (elcorreo)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-01-24)

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