Republikanische Gefangene in Nazi-KZ`s
In der Absicht, die historische Erinnerung nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, begann der Kulturverein Aritza (Aritza Kultur Elkartea, „aritza“ bedeutet Eiche) in Villabona-Amasa (Gipuzkoa) mit einer Nachforschung über Personen aus dem Ort und ihre Geschichte während und nach dem Spanienkrieg von 1936 bis 1939. Dabei entdeckten sie das Schicksal eines Bewohners aus Amasa, der im Konzentrationslager Mauthausen in Österreich zu Tode gekommen war. Die Nachforschungen führten sie nach Österreich.
Adolfo Lozano Olazabal war ein Bewohner des gipuzkoanischen Ortes Villabona-Amasa, der im Krieg von 1936 für die spanische Republik kämpfte, flüchten musste und in die Fänge der Nazis geriet, die ihn ins KZ Mauthausen brachten.
Dem Beispiel vieler anderer Organisationen folgend, die in Euskal Herria vor langer Zeit begonnen haben, die Geschichte des Krieges von 1936 und der folgenden Diktatur aufzuarbeiten, begann der Aritza Kulturverein in Villabona-Amasa im Jahr 2012 mit der Arbeit, um klarzustellen, was während und nach dem Krieg im Ort und mit den Bewohnern und Bewohnerinnen geschehen war. Bei diesen Nachforschungen stießen sie auf Adolfo Lozano Olazabal, der ins österreichische Konzentrationslager Mauthausen geschickt wurde, weil er auf der republikanischen Seite gekämpft hatte. Dort starb er im Jahr 1941, vermutlich an einer Lungenentzündung. (1)
Die Aktivistinnen des Kulturvereins stießen auch auf Alberto Beaufort, einen Mann, der „zufällig” in der gipuzkoanischen Stadt geboren worden war und später in Baiona und London lebte. Ihm war es vergönnt, Mauthausen zu überleben, zusammen mit den übrigen Gefangenen wurde er im Mai 1945 von den Alliierten befreit.
Ein dritter Baske war ebenfalls im KZ Mauthausen, Marcelino Bilbao war seine Name, er stammte aus Alonsotegi (Bizkaia). Auch er überlebte den Terror, nachdem er fünf Jahre lang in Mauthausen interniert war und Opfer grausamer Experimente von Nazi-Medizinern wurde. Er starb am 25.1.2014, Baskultur.info berichtete über sein Schicksal (2).
Im Kulturverein wird davon ausgegangen, dass es neben der offiziellen Geschichte eine zweite Geschichte gibt, die verschwiegen wurde: „Die Franquisten hatten alle Möglichkeiten der Welt, mit ihren Gedenk-Veranstaltungen ihre Legitimität zur Schau zu stellen“. Mit dieser Prämisse wurde von Aritza nach den verschwiegenen und verschollenen Kapiteln der Geschichte gesucht, sie begannen mit Nachforschungen, um herauszufinden, welche Personen von den Faschisten umgebracht wurden oder an den Folgen ihrer Aktionen starben.
Die ersten zwei Jahre waren die Leute des Vereins damit beschäftigt, Personen zu dokumentieren, die aus der offiziellen Geschichte gestrichen worden waren und eine „Landkarte“ mit ihren Schicksalen anzufertigen. In verschiedenen Publikationen wurde die gefundene Information unter die Leute gebracht, zuletzt mit „Hotzikararen kronikak“, einer Chronik über Folter in den Jahren 1960 bis 2011. Gleichzeitig wurde eine Webseite konzipiert (3). Über die Nutzung moderner Technologie wollen die Leute von Aritza auch junge Menschen ansprechen und für die Geschichte interessieren und ihnen auf einfache Art Zugang zu dieser Information verschaffen.
Reise nach Österreich
Die dritte Etappe der Forschungsarbeit bestand darin, die bis dahin gefundene Information zu vertiefen. Um der Spur von Adolfo Lozano zu folgen, suchte Aritza Kultur Elkartea den Kontakt zur Lozanos Tochter und lud sie nach Villabona-Amasa ein, wo eine Gedenk-Veranstaltung organisiert wurde.
Was die weitere Forschungsarbeit anbelangt, beschlossen Nora Urbizu und Esti Amenabarro (beide von Aritza) im April 2016 nach Mauthausen zu reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen im Konzentrationslager, in das insgesamt 90.000 republikanische Kämpfer gebracht worden waren. Sie machten Fotos und informierten sich über den Horror, den die Gefangenen dort über sich ergehen lassen mussten, viele überlebten den Holocaust nicht, nur wenig kamen mit dem Leben davon.
Die Gedenk-Veranstaltungen für die Opfer des Nazismus werden in Österreich vom Innenministerium organisiert, Aritza Kultur Elkartea wurde offiziell dazu eingeladen. Die Mitarbeiterinnen des Kulturvereins wurden außerdem gebeten, für das „Namens-Buch“ in der Gedenkstätte die Biografien der baskischen KZ-Opfer zu vervollständigen mit biografischen Daten der Gefangenen, dieses Namensbuch ist auf einer Webseite ausgestellt. Die Dokumentation über Adolfo Lozano in Mauthausen konnte somit vervollständigt werden.
Wächterin der Erinnerungen
Im Konzentrationslager gab es ein Fotolabor, in dem Identifikationsbilder der Gefangenen aufbewahrt wurden. Einigen gefangenen Republikanern gelang es, verschiedene Negative herauszuschmuggeln und sie Anna Pointner zu geben, einer Nachbarin aus Mauthausen, die diese Bilder versteckte und sie später veröffentlichte. Vor dem Haus, in dem sie lebte, steht ein Gedenk-Monument.
Überleben in den Baracken
Verschiedene Fotos dokumentieren den Horror des Lebens im KZ. Das Foto vom Gefangenen-Apell ist ein Beispiel für die Disziplin, die von den Gefangenen gefordert wurde. Auf dem Bild ist ein bemerkenswertes Detail zu sehen: alle Gefangenen machen den Hitlergruß mit der rechten Hand, mit Ausnahme des Gefangenen am unteren Bildrand, er hebt den linken Arm, während ihn die um ihn herum stehenden Gefangenen überrascht anschauen. Es ist nicht bekannt, ob es sich bei dieser Situation um einen Akt des Ungehorsams handelte.
Vom Foltersaal zum Versammlungssaal
Die Neuankömmlinge im KZ wurden in den Duschen empfangen, im Untergeschoss. Tausende starben hier an Unterkühlung, weil sie gezwungen wurden, stundenlang unter eiskaltem Wasser zu stehen. 1945 feierte die Kommunistische Partei Spaniens an diesem Ort ihre erste Versammlung, weil es angesichts der Franco-Diktatur unmöglich war, nach Spanien zurück zu kommen. Der katalanische Kommunist Francisco Boix arbeitete im Fotolabor von Mauthausen. Dieses alte Bild hat einen Titel des Autoren: „Holländischer Jude, der sich auf Anweisung der SS erhängt hat. Frühjahr 1942. Foto-Archiv Vereinigte Sozialistische Jugend und Kommunistische Partei Spaniens. Die Toilettenbecken existieren nicht mehr, geblieben sind die Rohre an der Wand.
Die Notwendigkeit zu flüchten
Viele Gefangene wollten flüchten, was sie von der Freiheit trennte war ein Zaun. In ihrer Verzweiflung rannten Gefangene manchmal auf diesen Zaun zu und versuchten, ihn zu überwinden, in der Hoffnung, dabei unverletzt zu bleiben. Weil sie wussten, dass der Zaun unter Strom stand, warfen sich manche Gefangene auch dagegen, um zu sterben und dem Leiden im KZ ein Ende zu machen. In vielen Situationen waren diese „Selbstmorde” jedoch von den SS-Offizieren provoziert, sie zwangen die Gefangenen, den Zaun zu berühren oder stießen sie direkt dagegen. Im Registerbuch der SS sind auch andere Formen des Todes verzeichnet, „erschossen beim Fluchtversuch“ heißt es da, „Lungenentzündung“ oder „Infarkt“. Berüchtigt war die Wand des Granit-Steinbruchs, sie wurde „Fallschirmspringer-Wand“ genannt, weil von oben Gefangene hinabgeworfen wurden.
Die „Todes-Treppen”
Das Reich wollte aus Mauthausen das härteste Konzentrationslager machen, es sollte eine beispiellos harte Bestrafung der Gefangenen symbolisieren. Diese Strafe bestand aus Zwangsarbeit im Granit-Steinbruch: beladen mussten 186 Stufen bewältigt werden, bis zur Erschöpfung. Die Nazis handelten mit Granit, mit diesem Material wurden in Deutschland unter anderem Mausoleen gebaut.
Geschichte des KZ Mauthausen
Mauthausen war das größte Konzentrationslager der Nationalsozialisten auf dem Gebiet Österreichs, der sogenannten Ostmark. Es befand sich 20 km östlich von Linz und bestand von August 1938 bis zu seiner Auflösung nach der Befreiung durch US-Truppen am 5. Mai 1945. Im KZ Mauthausen und seinen Nebenlagern kamen ca. 100.000 Menschen ums Leben. Am 22. März 1938, zehn Tage nach dem Anschluss Österreichs, kündigte Himmler die Gründung von Schutzstaffeln und Totenkopfverbänden an, ein indirekter Hinweis auf die Errichtung eines Lagers, weil zu diesem Zeitpunkt die SS-Totenkopfverbände ausschließlich in den Konzentrationslagern eingesetzt waren. (4)
Die 1938 gegründete „Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH“ (DEST) war verantwortlich für Erwerb und Inbetriebnahme von Steinbrüchen bei Flossenbürg, Gusen und Mauthausen. Dies war ausschlaggebend für die Errichtung von Konzentrationslagern nahe dieser Städte. Bei Mauthausen und Gusen lagen bedeutende Granitsteinbrüche. Granit wurde zu dieser Zeit in großen Mengen für die sogenannten „Führerbauten“ benötigt. Am 16. Mai 1938 nahm die SS den Steinbruch Mauthausen mit 30 Zivilarbeitern in Betrieb. Die ersten Häftlinge in Mauthausen waren 300 österreichische Häftlinge, sie kamen im August 1938 aus dem KZ Dachau. Im November traf der erste Transport ein. Bis 1945 wurden nach Mauthausen und in seine Nebenlager etwa 200.000 Personen deportiert. Es waren Menschen mit über 30 verschiedenen Nationalitäten. Etwa 2,5 Prozent der Insassen waren Frauen. Es wurden auch Jugendliche und Kinder inhaftiert und ermordet. Die letzte Häftlingsnummer wurde am 3. Mai 1945 ausgegeben, wobei die sowjetischen Kriegsgefangenen, die durch die „Aktion Kugel“ ermordet wurden, nicht gezählt wurden.
Das Konzentrationslager Mauthausen war aus nicht bekannten Gründen das einzige Konzentrationslager der Kategorie III auf dem Gebiet des Reiches, K-III bedeutete Vernichtung durch Arbeit. Ein Grund dafür kann die isolierte Lage des Lagers an den Steinbrüchen sein. Wörtlich heißt es in dem Erlass von Reinhard Heydrich (Chef der Sicherheitspolizei, des SD und SS-Obergruppenführer), die Lagerstufe III sei „für schwerbelastete, unverbesserliche und auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, das heißt kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge Mauthausens“. Insgesamt waren im Konzentrationslager 197.464 Häftlinge inhaftiert, von denen ungefähr 100.000 ermordet wurden bzw. starben. Etwa 120.000 Häftlinge kamen so in den unzähligen Kommandos und Nebenlagern des Lagers durch Zwangsarbeit um oder wurden ermordet.
In der Nacht zum 2. Februar 1945 unternahmen etwa 500 sowjetische Offiziere gemeinsam einen Fluchtversuch, fast alle wurden bei der folgenden dreiwöchigen Verfolgungsaktion ermordet. Große Bekanntheit erlangte dieses Kriegsverbrechen 1994 durch den Film „Hasenjagd - Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“. Einige der elf Überlebenden wurden von der Bevölkerung bis zum Kriegsende versteckt oder versorgt. Noch kurz vor der Befreiung wurden im KZ Häftlinge ermordet. Im April 1945 hatte die SS damit begonnen, alle Akten zu vernichten, die auf ihre Verbrechen im Lager hinwiesen. Darunter fiel auch das Abmontieren der Gaskammer, die 1941 im Keller des Krankenbaus eingerichtet worden war. Die technischen Einrichtungen der Gaskammer wie Gaseinfüllstutzen, Abluftventilator und Türen wurden demontiert, konnten aber später auf dem Lagergelände sichergestellt werden.
ANMERKUNGEN:
(1) Informationen aus dem Artikel „Presos republicanos en los campos de concentración nazis”, publiziert in der baskischen Tageszeitung Gara vom 24.7.2016 (Republikanische Gefangene in Konzentrationslagern des Nazis)
(3) Webseite des Aritza Kulturvereins (Link)
(2) siehe auch den Artikel „Basken in Mauthausen – Marcelino Bilbao“ bei Baskultur.info (Link)
(4) Konzentrationslager Mauthausen, Wikipedia
ABBILDUNGEN:
(1) Gefangene der Außenstelle Ebensee, die zum KZ Mauthausen gehörte, Aufnahme vom 7.Mai 1945 (Foto: Wikipedia KZ Mauthausen)
(2) Namensbuch in der Gedenkstätte des KZ Mauthausen (Foto: Gara)
(3) Gedenkmonument Mauthausen am Haus der Helferin der Gefangenen (Foto: Gara)
(4) Gefangenen-Appell KZ Mauthausen mit falschem Hitlergruß (Foto: Gara)
(5) Die berüchtigte Todes-Treppe im Granitsteinbruch beim KZ Mauthausen (Foto: Gara)
(6) Flucht, Selbstmord oder Mord am elektrischen Stacheldraht des KZ Mauthausen (Foto: Gara)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2016-08-04)