bau001Baskischer Schnellzug mitbetroffen

Angesichts der Dauerkonjunktur im Baugeschäft weltweit gehören die entsprechenden Riesen-Firmen zu den großen Gewinnern des aktuellen Kapitalismus. Als wäre das nicht genug, bilden sie illegale Kartelle, treffen Preisabsprachen und verlagern die “Schweinearbeit“ auf Subfirmen, die mit Arbeitern aus Niedrig-Lohn-Ländern und erhöhten Profiten operieren. Bis sie erwischt werden. Die folgenden Millionen-Strafgelder sind Tropfen auf den heißen Stein. Auch der Schnellzug in Euskadi ist ein “lohnendes“ Geschäft.

Illegale Kartelle sind der perfekte Widerspruch im auf offene Konkurrenz und Profit angelegten Kapitalismus. Die Großen sichern sich einen Extraprofit – und werden mit Witz-Strafen belegt, wenn sie erwischt werden.

Sie trafen sich heimlich zu Preisabsprachen, bewarben sich für öffentliche Bauprojekte auf eine Art, dass die Zuschläge reihum eingingen und niemand zu kurz kam (außer der nicht am Betrug beteiligten Konkurrenz). Seit 1992 praktizierten sie diese Kartell-Praxis, die in jedem kapitalistischen System verboten ist und eigentlich auch der vielgelobten “Marktwirtschaft der freien Konkurrenz“ zuwiderläuft. Was einmal mehr deutlich macht, dass es diesen freien Unternehmer-Wettbewerb in Wirklichkeit gar nicht gibt. Dass vielmehr auch hier die Großen die Kleinen über den Tisch ziehen und letztendlich zum Verschwinden bringen. Mit allen legalen und illegalen Mitteln, moralisch oder nicht.

Das spanische Kartell

Im spanischen Staat trafen sie jahrzehntelang Absprachen, inoffiziell nannten sie ihren Zusammenhang in präpotenter Art “G7“. Bis sie von den Kartellbehörden und der Guardia Civil erwischt wurden: die Creme-de-la Creme des iberischen Hoch- und Tiefbau-Geschäfts (dessen nationaler Hauptakteur im Übrigen der Präsident des Fußballclubs Real Madrid ist: Florentino Perez mit dem Baugiganten ACS).

Die korrupten Bau-Kapitalisten sind selbstverständlich auch im Baskenland zugange. Hier wird seit mehr als 15 Jahren ein unsinniger und unnützer Hochgeschwindigkeits-Zug gebaut, dessen alleiniger Sinn die Verbindung von Paris mit Madrid darstellt, der im Baskenland selbst jedoch keinerlei Transportprobleme löst. “Baskisches Y“ (Y Vasca) wird die im Bau befindliche Strecke genannt, nach ihrem Dreiecks-Verlauf zwischen den drei Hauptstädten Donostia, Gasteiz und Bilbo. Ursprünglich teilten sich die Zentralregierung und die baskische Regionalregierung die Bauaufträge zwischen den Provinzen auf, mittlerweile haben die Basken die Gesamt-Verantwortung übernommen.

Auffällig ist, dass 15 der 17 Abschnitte der Hochgeschwindigkeits-Strecke in Gipuzkoa auf das Konto der mit Geldbußen belegten Bauunternehmen der "G7" gehen. Was selbstverständlich Verdacht erregt und Fragen nahelegt, wie es dazu kam. Nichts davon, der Kuchen wurde brüderlich geteilt. Die Vergabe-Kompetenz für diesen Provinz-Abschnitt lag ausgerechnet bei den baskischen Behörden (im Gegensatz zu Araba und Bizkaia, die von der spanischen Regierung “verteilt“ wurde). (1)

Strafgelder

bau002Die “Nationale Markt- und Konkurrenz-Kommission” (CNMC - Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia) verhängte kürzlich millionen-hohe Geldstrafen gegen sechs große Bauunternehmen, die zusammen mit einem weiteren Unternehmen jenen sogenannten Eliteclub "G7" bildeten, die sich seit 1992 zur Aufteilung öffentlicher Aufträge zusammengefunden hatten. Gegen diese sechs plus eins wurde bereits 2014 ein Bußgeld verhängt.

Fünfzehn der siebzehn Abschnitte des Hochgeschwindigkeits-Zugs (span: Tren de Alta Velocidad, bask: Abidadura Handiko Trena) in Gipuzkoa wurden somit von Unternehmen gebaut, die nach Ansicht der Nationalen Wettbewerbs-Kommission (CNMC) und der Guardia Civil systematisch kriminell agiert haben. Falls diese Praxis nicht sogar fortgesetzt wurde. Erstaunlicherweise hat in der baskischen Regional-Verwaltung jedoch niemand öffentlich Alarm geschlagen. Nach einem zweiten Untersuchungsverfahren wegen “illegalen unlauteren Wettbewerbs“ hatte die CNMC am 7. Juli 2022 bekanntgegeben, dass sie gegen sechs große Bau-Unternehmen Geldstrafen in Höhe von 203,6 Millionen Euro verhängt hat, weil “sie den Wettbewerb bei Ausschreibungen für den Bau von Infrastrukturen über 25 Jahre lang manipuliert“ hatten.

Nach den bei der Untersuchung erzielten Daten trafen sich diese sechs Unternehmen seit 1992 wöchentlich mit einem siebten Unternehmen und entschieden über die öffentlichen Aufträge, bei denen sie sich mit ihren Angeboten die technische Arbeit teilten. Sie erkannten sich gegenseitig als “G7“ an und tauschten Informationen über ihre Angebots-Strategien aus. Diese Maßnahmen und Absprachen betrafen Tausende von öffentlichen Ausschreibungen und Bau-Projekte.

Unternehmen, Geldbuße, Strecken-Abschnitt

Im Folgenden sind die Unternehmen aufgeführt, gegen die Geldstrafen verhängt wurden, dazu die Höhe der Strafe und die AHT-Strecken-Abschnitte in Gipuzkoa, die seinerzeit vergeben wurden. Die höchste Strafe erhielt Dragados mit einem Bußgeld von 57,1 Millionen Euro. Das Unternehmen hat auch die meisten AHT-Zuschläge, nämlich fünf, in den Abschnitten Beasain Ost, Zizurkil-Andoain, Urnieta-Hernani und Tolosa eingeheimst. Gegen FCC wurde eine Geldstrafe von 40,4 Millionen Euro verhängt. Dieses Unternehmen war für drei Abschnitte verantwortlich: Bergara-Antzuola, Ezkio-Itxaso und Ordizia-Itxasondo. Ferrovial musste eine Geldstrafe von 38,5 Millionen Euro berappen. Sie hatte den Abschnitt Andoain-Urnieta gebaut.

Acciona hatte die Ausschreibungen für die Abschnitte Antzuola-Ezkio / Itxaso Oeste, Legorreta und Hernialde-Zizurkil für sich entschieden. Deren Geldbuße betrug 29,4 Millionen. Obrascón Huarte Lain (OHL) wurde mit 21,5 Millionen Euro Strafe belegt. Construcciones Adolfo Sobrino, ein Teil dieser Gruppe, hatte die Konzession für Antzuola-Ezkio / Itxaso Este erhalten. Zuletzt das Unternehmen Sacyr, das mit 16,7 Millionen Euro bestraft wurde, es hatte sich die Abschnitte Bergara-Bergara und Hernani-Astigarraga ins Auftragsbuch schreiben lassen.

Corsán, deftige Vorgeschichten

bau003Das siebte G7-Unternehmen, gegen das die CNMC in diesem Fall keine Geldbuße verhängt hat, ist ebenfalls einschlägig vorbestraft. Im Jahr 2014 führte die Guardia Civil eine Operation durch, bei der neun hochrangige Beamte der privatisierten staatlichen Eisenbahn-Gesellschaft Adif und dem Unternehmen Isolux Corsán-Corviam festnahm, weil sie die Preise für Abschnitte des Schnellzugs in Barcelona nach oben manipuliert hatten. Corsán bestach systematisch Manager des öffentlichen Unternehmens Adif.

Beim “baskischen Ypsilon“ ist Corsán für den Abschnitt Tolosa-Hernialde auf der Gipuzkoa-Seite zuständig und für drei weitere Abschnitte der von Madrid vergebenen Abschnitte in Bizkaia. Trotz des Skandals versicherte die baskische Regierung im Moment der Bekanntgabe der Strafgelder, dass man sich um den Fall keine Sorgen mache und keine Maßnahmen ergriffen habe. (1)

Gründe zur Besorgnis

In einem Kommentar der linken baskischen Tageszeitung Gara heißt es: “Das war schon 2014 so, und es scheint auch jetzt nicht anders zu sein. Damals entdeckte die Guardia Civil, dass die Firma Corsán-Corviam einige Adif-Manager bestochen hatte, um überhöhte Preise zu erzielen, die mehr Geld in die Unternehmenskassen spülten. Obwohl Adif jenes staatliche Unternehmen ist, das die Aufträge am Baskischen Y in Bizkaia vergab, und das korrupte Unternehmen Corsán einige Aufträge der von der baskischen Regierung ausgeschriebenen Arbeiten erhalten hat, zeigte sich die zuständige Senatorin Ana Oregi nicht besorgt. Auch die derzeitigen Direktoren der AHT-Bauarbeiten haben offenbar nichts unternommen, als sie erfuhren, dass die von ihnen beauftragten Unternehmen seit 1992 den Markt nach ihrem Gutdünken aufteilen. Das ist ein Grund zur Sorge“. (2)

“Zum anderen haben die Verantwortlichen, obwohl das gesamte Projekt aus einer langen Reihe von Brücken und Tunneln besteht, kein Unternehmen gefunden, das sich in einem der beiden technischen Bereiche ausgezeichnet hätte“. Das ist sicher kein Zufall. Die großen Baufirmen gehen mit anderen lokalen Unternehmen in die Ausschreibungen für das "baskische Y" (UTE – Unión Temporal des Empresas, Zeitweilige Unternehmens-Union) und keine zwei der siebzehn Abschnitte wurden von demselben Unternehmens-Verbund gewonnen. “Auch hier könnte man meinen, dass es eine Art konzertierte Verteilung gegeben hat. Zumindest als Hypothese“. Das ist aus juristischen Gründen vorsichtig formuliert, es darf getrost von weiterer Schieberei ausgegangen werden.

Wie alles anfing

Alles begann im glorreichen Jahr 1992, dem Jahr der glorreichen Events vor der Jahrhundertwende. In Barcelona fanden die Olympischen Spiele, in Sevilla die Weltausstellung statt, Madrid war Europäische Kulturhauptstadt. Die Betontransporter kamen den Bauaufträgen nicht mehr hinterher. Sechs große Bau-Unternehmen gründeten eine Gruppe, um die verschiedenen Ausschreibungen für Bauarbeiten “zu analysieren“. (3)

Die erste Kerngruppe bestand aus Agromán, Auxini, Entrecanales y Távora, Ferrovial, Huarte und OCISA. Später schloss sich FCC dieser Gruppe an, von Zeit zu Zeit wurde die Gruppe aufgrund von Unternehmens-Umstrukturierungen im Sektor umstrukturiert. Der Beginn der G7 bestand aus Treffen der Unternehmen, um Entscheidungen zu treffen, einen Teil oder die Gesamtheit der ausgeschriebenen Arbeiten unter allen zu teilen oder in einer Untergruppe. Der große Umbruch kam 2004 mit dem Zusammenschluss von ACS und Dragados, bei dem der derzeitige Präsident von Real Madrid und Chef des Bauunternehmens, Florentino Pérez, mehr Gewicht in der Branche erlangte.

Die G7 der Ausschreibungen

bau004Die Tätigkeit der Sieben (ACS, FCC, Ferrovial, Acciona, OHL und Sacyr) war klar. Hinter dem Rücken der Auftraggeber Austausch von technischer Information, die bei den Ausschreibungen berücksichtigt werden sollten; sowie Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen über die Einreichung der einzelnen Unternehmen bei diesen Ausschreibungen. Als Resultat erhofften sie sich weniger Unsicherheit bei öffentlichen Ausschreibungen, Kosteneinsparungen und einen Wettbewerbsvorteil für die G7-Mitglieder gegenüber anderen Konkurrenten.

Die Maschinerie der G7 war genau so effektiv wie die der Maschinen, mit denen die erlangten Aufträge ausgeführt wurden. Die Gruppe traf sich reihum wöchentlich in der Zentrale eines der Mitglieds-Unternehmen. Dabei gab es gemeinsam vereinbarte interne Regeln, die sich von Zeit zu Zeit änderten. Das ausrichtende Unternehmen schickte den anderen am Vortag per E-Mail eine Tagesordnung mit einer angehängten Excel-Datei mit den zu besprechenden Arbeiten, dem Austausch von technischen Aspekten und der Rolle der einzelnen Unternehmen. In den internen Regeln waren die Sitzungen, die Beziehung der Unternehmen zur öffentlichen Verwaltung, Eintritt und Austritt von Unternehmen bei G7, sowie die Form der Entscheidungsfindung festgelegt.

Jahre der Verwaltung und gewonnene Verträge

Jahrelang funktionierte alles perfekt. In einer E-Mail von FCC wurde die Funktionsweise von G7 detailliert erläutert. Man schrieb das Jahr 2016, alles lief nach Plan. " Ziel ist, Arbeiten zu teilen, die normalerweise an Subunternehmer vergeben, ausgelagert oder geteilt werden können, da durch die Teilung der Arbeit natürlich auch die Kosten geteilt und Geld gespart werden kann. Es gibt Arbeit aller Art“. Um die gemeinsamen Angebote zu definieren, beauftragte die Gruppe einen externen Berater mit der Ausarbeitung technischer Aspekte der Vorschläge, die die einzelnen Unternehmen einreichen sollten – eine Art Chef-Koordinator.

Auch selbstdefinierte Grenzen hatte die Gruppe, die nicht überschritten wurden. Zum Beispiel wurde abgelehnt, öffentliche Ausschreibungen mit einem Grundbudget von weniger als einer Million Euro zu teilen. Gleiches galt für Projekte mit einem Volumen von mehr als 50 Millionen Euro. Über Projekte mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen gibt es keine Aufzeichnungen.

Das Ende von G7

Seltsamerweise begannen ACS, FCC, Ferrovial, Acciona, OHL und Sacyr – angeblich - an der Rechtmäßigkeit ihrer Absprachen zu zweifeln. Die Unternehmen verließen nach und nach die Gruppe, 2017 kam es zur Auflösung. Völlig unverständlich ist das plötzlich vorhandene hohe Maß an Zweifeln, nach 25 Jahren gemeinsamer illegaler Praxis. Im April 2017 verließen ACS, Ferrovial und Sacyr die Gruppe. Die Unternehmen von Manuel Manrique und Florentino Pérez (Real Madrid) nahmen zuletzt an der letzten Sitzung am 20. April 2017 teil, das Unternehmen von Rafael del Pino verließ die Sitzung am 27. April 2017. (3)

ANMERKUNGEN:

(1) “Las constructoras del G7 multadas copan 15 de los 17 tramos del TAV en Gipuzkoa” ("Auf die G7-Bauunternehmen, gegen die eine Geldbuße verhängt wurde, entfallen 15 der 17 Abschnitte des AHT in Gipuzkoa", Tageszeitung Gara, 2022-07-21 (LINK)

(2) “Dos motivos de preocupación“ (Zwei Gründe zur Beunruhigung), Tageszeitung Gara, 2022-07-21 (LINK)

(3) “Así operaba el G7: normas internas, tráfico de información confidencial y contratos alterados” (Die Funktionsweise der G7: interne Regeln, Austausch von Insider-Information und manipulierte Verträge), Economiadigital.es, 2022-07-08 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Bau-Kartell (naiz)

(2) Bau-Geschäft (economiadigital)

(3) Florentino Perez (realmadrid)

(4) Bau-Kartell (sacyr)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-07-23)

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