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Foltertod im Baskenland

Fast 35 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod durch die Polizei kommt der Fall von Mikel Zabalza auf die Leinwand. Der Dokumentarfilm von Amaia Merino und Miguel Ángel “Pitu“ Llamas wurde vor wenigen Tagen beim Internationalen Filmfestival Zinemaldia 2020 in Donostia / San Sebastián öffentlich vorgestellt. Darin kommen Personen zu Wort, die von persönlich erlittener Folter berichten, sowie Familienangehörige von Mikel Zabalza, die von behördlicher Seite nach wie vor Aufklärung und Wahrheit fordern.

Im Rahmen einer Personenfahndung wurde der Busfahrer Mikel Zabalza (gleichzeitig mit drei anderen Personen) im November 1985 festgenommen, gefoltert und getötet. Die Polizei erfand zu ihrer Entlastung eine Geschichte. Bis heute fordert die Familie vergeblich Aufklärung und Gerechtigkeit. Ein Dokumentarfilm.

“Non dago Mikel?“ – “Wo ist Mikel?“

Der Dokumentarfilm, den Amaia Merino und Miguel Ángel Llamas mit Ahötsa.info und IZAR-Films erarbeitet haben, geht chronologisch vor und beschreibt die Lebensumstände und das Personen-Umfeld, in dem Mikel Zabalza lebte, bis er am 26. November 1985 in Donostia wegen des Verdachts der ETA-Mitgliedschaft verhaftet und in die Kaserne der Guardia Civil im Stadtteil Intxaurrondo gebracht wurde. Der Autor des Original-Artikels hatte die Gelegenheit, den Film zusammen mit Mikels Verwandten zu sehen. (1)

Mit Hilfe verschiedener Zeugen-Aussagen werden die Ereignisse jener Tage erzählt. Mehrere Personen wurden festgenommen und in mehrtägiger Inkommunikationshaft (Kontaktsperre ohne Besuche und Anwältinnen) in der Guardia-Civil-Kaserne Intxaurrondo in Donostia-San Sebastián gefoltert. Zwei der damaligen Gefangenen berichten über ihre jeweilige Sicht derselben Polizeiaktion. Zabalzas Familie versuchte damals erfolglos, Mikel ausfindig zu machen. Von Seiten der Polizei wurde eine angebliche Flucht des Verschwundenen inszeniert und als offizielle Version verbreitet. Zwanzig Tage später wurde sein toter Körper in den Gewässern des Bidasoa-Flusses gefunden, an einem Ort der vorher schon intensiv abgesucht worden war. Die Geschichte wird mit Bildern aus dem Archiv des baskischen Regional-Fernsehens EiTB (Euskal Irrati Telebista) und aktuellen Fotos untermauert, was den Film zu einem schockierenden Zeitdokument macht.

zab02Vor allem die Momente, in denen der spätere Schriftsteller und Drehbuchautor Ion Arretxe (2) über die von ihm selbst in Intxaurrondo erlittenen Folterungen berichtet, sind sehr hart. Er enthüllt das Erlebte nach und nach in einem Gespräch mit dem Gerichtsmediziner und Anthropologen Paco Etxeberria vom Institut Aranzadi (3). Sein Zeugnis wird ergänzt durch die Aussagen von Mikels Geschwistern und Mikels damaliger Lebensgefährtin Idoia Aierbe.

Obwohl es sich für einen großen Teil des Publikums um eine traurige und bekannte Geschichte handelt, löst alles, was gesprochen und gezeigt wird, unweigerlich Schaudern aus. Auf der großen Leinwand wird auch die überwältigende Reaktion der baskischen Gesellschaft dargestellt, die der offiziellen Polizei-Version Paroli bietet, und die praktisch niemand glaubte, nicht einmal diejenigen, die sie auf Gedeih und Verderb verteidigten. Das Ende der Filmvorführung wurde von einem tiefen, fast feierlichen Schweigen begleitet, als bräuchten die Zuschauer*innen zusätzlich Zeit, die drastischen Darstellungen von “Non dago Mikel?“ in sich aufzunehmen. Bis sich die Anspannung in einem lauten Applaus Bahn brach.

Im Innersten berührt

Beim Verlassen des Kinosaals waren in vielen Augen Tränen zu sehen, zum Beispiel bei Idoia Zabalza, Mikels Schwester. Sie sagte: “Beim Anschauen des Films, kommen die Empfindungen, Gedanken und Erlebnisse von damals hoch und dringen in dein Innerstes vor“. Innerhalb der verschiedenen Handlungsstränge, aus denen sich der Dokumentarfilm zusammensetzt, hebt Idoia das Zeugnis von Ion Arretxe hervor, “der das Erlebte so beschreibt, als hörte sie Mikels Stimme oder als wäre es Mikel selbst, der dort spricht“.

Der Film lässt den alten Schmerz des Verlustes wieder aufleben und erinnert auch daran, dass “35 Jahre vergangen sind und wir immer noch am selben Punkt stehen, was Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung betrifft. Wie meine Mutter im Film sagt, stehen wir vor einer Wand, die sich weder öffnen noch niederreißen lässt“.

Idoia Zabalza hob die Tatsache hervor, dass mit diesem Dokumentarfilm “ein wichtiger Schritt nach vorne getan wurde, denn damit haben wir die Wahrheit dessen, was passiert ist, dokumentiert. Die Geschichte ist aufgezeichnet und hat für immer Bestand. Das bedeutet nicht, dass es sich um eine gerichtlich anerkannte Wahrheit handelt, aber immerhin ist die Wahrheit jetzt dokumentiert“.

zab03Auch in den Augen ihrer Tochter Garazi fanden die Emotionen ihren Ausdruck. Gemeinsam mit ihren Cousinen hat sie direkt an diesem Dokumentarfilm teilgenommen, mit dem sie “sehr zufrieden“ ist. “Das wühlt dich völlig auf und ich habe vor Rührung geweint. Es ist eine wirklich gute Arbeit.“

Garazi erinnert sich: “Seit wir klein waren, haben sie uns erzählt, was passiert ist, aber es hat uns immer ein Teil gefehlt. Wir wollten verstehen, was sie gefühlt haben, und warum auch wir diese Last spürten. Obwohl wir die Fakten kannten, fehlte uns etwas. Als sie anfingen, den Film zu drehen, begannen die Erwachsenen, sich zu öffnen. Nach und nach erzählten sie mehr und es gelang uns, die bis dahin gut verschlossenen Gefühle und Emotionen aus ihrem Gefängnis zu befreien.“

Garazi betonte, wie wichtig solche Arbeiten sind, “um bekannt zu machen, was geschehen ist. Wir kennen die Geschichte aus erster Hand, von der Familie und aus unserem Umfeld, aber darüber hinaus wenig mehr. Der Dokumentarfilm bietet die Möglichkeit nachzuvollziehen, was damals erlebt wurde, wie die politische Stimmung bis vor kurzer Zeit war. Der Film trägt dazu bei, die Geschichte unseres Volkes kennen zu lernen.“ (1)

Eine große Verantwortung

Die große Herausforderung für die Regisseure des Films, Amaia Merino und Miguel Ángel Llamas, bestand gerade darin, die Ereignisse um Mikel Zabalza geschah, so weit wie möglich zu verbreiten. Llamas erinnerte daran, “dass es nicht nur irgendeine Geschichte war, die erzählt werden sollte. Sie betrifft viele reale Personen. Jedes Mal, wenn wir diese Personen danach fragten, was sie erlebt haben, erlebten sie diese schmerzhafte Erfahrung erneut. Wenn du nach so vielen Jahren in ein Haus gehst und die Büchse der Pandora öffnest, übernimmst du eine sehr große Verantwortung gegenüber diesen Personen“.

Merino fügte hinzu, “dass der Film eine Erfahrung ist, er stellt keine angenehme, aber eine wichtige Gelegenheit dar, das zu nachzuerleben, was die Beteiligten damals in erster Person erlebten. Und wir sind mit dem Endergebnis sehr zufrieden.“ Die Entstehung des Dokumentarfilms war gekennzeichnet durch einen langen Prozess, an dem Vereine, Institutionen und viele Einzelpersonen durch Crowdfunding beteiligt waren, um seine Umsetzung verwirklichen zu können. Besonders wichtig dabei war der Impuls, der von der Basisinitiative “Mikel Zabalza Gogoan Herri Ekimena“ (Volksinitiative Erinnerung Mikel Zabaltza) ausging, von der Familie Zabalza Garate in Orbaizeta (Navarra), sowie von Freund*innen und Nachbar*innen aus dem Altza-Viertel in Donostia.

Der Filmer “Pitu“ erinnert sich: "Wir haben mit diesem Projekt schon vor dem 30. Jahrestag von Mikel Tod angefangen. Während dieser ganzen Zeit haben wir an der Erinnerung dessen, was Mikel angetan wurde, gearbeitet und die Praxis der Folter angeprangert. All die Leute, die auf die eine oder andere Weise daran beteiligt waren, haben wesentlich dazu beigetragen, dass dieser Film realisiert werden konnte. Deshalb stehen alle ihre Namen im Vorspann. Wahrscheinlich haben wir jemanden vergessen, aber wenn so viele Namen aufgelistet sind, bedeutet das, dass es sich um einen Film handelt, der in Gemeinschaftsarbeit produziert worden ist.“ (1)

zab04Die offizielle Polizei-Version

Vieles spricht dafür, dass der aus dem navarrischen Orbaizeta stammende Mikel Zabalza der Folter nicht standhielt und schnell verstarb, weil er erst kurz zuvor operiert worden war. Seine mit festgenommene Freundin Idoia Aiarbe sah am Abend der Verhaftungen, wie Polizisten auf einer Trage einen Körper abtransportierten. Weil Mikel Zabalza verschwunden blieb, kam die Guardia Civil in Erklärungsnot.

Offizielle Version ist, dass Zabaltza im Verhör zugegeben haben soll, den Standort eines ETA-Waffenlagers zu kennen. Er sei zu dem Standort gebracht worden, habe einen Polizisten attackiert, sei mit Handschellen durch einen Tunnel am Bidasoa-Fluss geflohen und nicht auffindbar geblieben. An diese Version glaubte niemand mit normalem Verstand, es entstand soziale Unruhe mit der Forderungen, die Ereignisse in der Intxaurrondo-Kaserne aufzuklären. Die anderen Verhafteten wurden ohne Anklagen freigelassen, berichteten von Folter und nährten so den Verdacht, dass Mikel etwas geschehen sein könnte.

Trotz der Verdachtsmomente folgte der Untersuchungsrichter der offiziellen Version und ließ den Bidasoa von einem Suchtrupp 4 Tage lang durchkämmen. Am 14. Dezember, achtzehn Tage nach Mikels Verhaftung, wurde die Suche eingestellt. Genau einen Tag später, am 15. Dezember, wurde Mikels Leiche von der Guardia Civil gefunden an einem Ort, der vorher mehrmals abgesucht worden war. Für diesen überraschenden Fund gab es keine Erklärung.

Bei späteren richterlichen Befragungen konnten die Guardia Civiles nicht erklären, weshalb jemand, der nicht zu ETA gehörte, wie ETA selbst später erklärte und wie der Innenminister bestätigte, von einem Waffenlager hätte wissen können. Und warum er hätte flüchten sollen. Ebenfalls keine Erklärung, wie er gefesselt hätte entwischen können, um auf der anderen Seite des Flusses die Grenze zu Frankreich zu erreichen. Sie konnten nicht erklären, warum sie beim Fluchtversuch nicht geschossen hätten. Der Jäger, der sich zur selben Zeit am “Fluchtort“ aufhielt, sah keine Fahrzeuge und keine Bewegungen. Eigentlich ausreichend Anhaltspunkte, den Fall genauer zu betrachten. Aber die spanische Justiz ist wie sie ist, folgte der Polizei-Version und verwarf die Anklage.

1995 wurde der Fall nach einer Recherche der Tageszeitung El Mundo wieder aufgenommen, wegen des Verdachts, dass Beweisstücke von der Guardia Civil und dem Innenministerium manipuliert wurden. Als Foltermörder standen die Namen zweier Polizisten im Raum, die jedoch erst fünf Jahre später vernommen wurden. Später wurde ein Geheimdienst-Protokoll bekannt, in dem zwei Beamte den Foltertod bestätigten. Weil das Dokument jedoch offiziell nicht freigegeben war, durfte sein Gehalt nicht verwendet werden. Auch ein Telefongespräch zweier Geheimdienstler (einer davon wegen Staats-Terrorismus eingesperrt) wurde vom Gericht als nicht beweiswürdig befunden. Zabalzas Geschwister halten die Anklage aufrecht, unterstützt von der Stadtverwaltung Donostia und Verbänden gegen die Folter. (4)

zab05Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung

Mit der Premiere kam jetzt der Moment, die Meinung des Publikums einzuholen. Merino möchte, dass das sich “Non dago Mikel?“-Publikum “eine klare Vorstellung davon bekommt, was Folter ist und mit welchen Empfindungen Folter verbunden ist. Aber auch, was die Straflosigkeit bedeutet, die bis heute vorherrscht“. Sie wünscht sich, dass die Zuschauer*innen “nicht nur die Grausamkeit wahrnehmen, den Film nicht nur negativ sehen, sondern dass der Film anregt zum Nachdenken, wie wir dazu beitragen können, diese Situation zu ändern. Um zu erreichen, dass diese Verbrechen öffentlich eingestanden werden müssen. Das ist unsere Absicht: hier und da ein paar Samenkörner zu hinterlassen, um die Kräfte wieder zu bündeln, um die Regierenden ein für alle Mal zu zwingen, sich zu den historischen Tatsachen zu bekennen, denn sie sind enorm im Rückstand. Es wäre gut und notwendig, dies endlich zu tun.“ (1)

Hommage an die Gefolterten

Um diese Erinnerung wach zu halten, wurde dieser Dokumentarfilm gedreht. Nun hat er seine Reise “auf der großen Leinwand beim Zinemaldia“ begonnen, sagte “Pitu“ mit Genugtuung und fügte hinzu: “Seit Beginn dieses Projekts war es unsere Absicht, einen Film mit ausreichend Qualität zu schaffen, um bei den Filmfestspielen in Donostia aufgenommen und gezeigt zu werden“. Darüber hinaus bedeutet die Premiere in Donostia “eine Anerkennung Mikels und aller Folteropfer in dieser Stadt, in der die Ereignisse stattgefunden haben, die der Film erzählt. Die Behörden haben das immer völlig anders gesehen“.

Die Premiere beim Internationalen Film-Festival Zinemaldia in Donostia ist eine Visitenkarte für den Weg in die Kinos, “den wir bald einschlagen werden. Dieser Weg ist wichtiger als die Auftaktveranstaltung. Denn dass dieser Film in den kommerziellen und Programm-Kinos gezeigt werden kann, ist eine Hommage für alle Frauen und Männer, die Folter erlitten haben. Wir werden in alle Städte und Dörfer des Baskenlands und auch über dessen Grenzen hinaus gehen, von denen wir eine Anfrage erhalten, den Film vorzuführen. Wir können den Film bei diversen Festivals vorstellen, auch im Fernsehen wird er ausgestrahlt werden. Ziel ist, dass “Tausende von Menschen den Fall Mikel sehen, hören und kennen lernen“. (1)

Die Geschichte von Mikel Zabalza ist ein Drama, das durch diesen Film mit Nachdruck einen festen Platz in der Geschichte eingenommen hat. Leider konnten Ion Arretxe und Idoia Aierbe diesen historischen Moment nicht mehr erleben, da sie im März 2017 bzw. Dezember 2018 verstorben sind.

Gefängnis-Erfahrung des Filmemachers

Der Filmemacher Miguel Ángel Llamas hat selbst eine Gefängnis-Erfahrung hinter sich. In einer groß angelegten Razzia gegen linke baskische Medien wurde er am 18. Januar 2011 festgenommen. Eine Woche zuvor, am 10. Januar 2011, hatte ETA einen “dauerhaften, allgemeinen und überprüfbaren“ Waffenstillstand erklärt, indem von einer “festen Verpflichtung für einen Prozess der endgültigen Lösung und für das Ende der bewaffneten Konfrontation“ gesprochen wurde. Nach 18 Monaten Untersuchungs-Haft wurde er im Juli 2012 gegen die Bezahlung einer Kaution in Höhe von 10.000€ freigelassen.

Die Lebensgefährtin

Idoia Aierbe (1962-2018) war die Lebensgefährtin von Mikel Zabalza. Sie wurde am 26. November 1985 zusammen mit Mikel, dessen Cousin Manuel Bizkai und Ion Arretxe von der Guardia Civil verhaftet. Auch sie berichtete, dass sie gefoltert wurde und ihr ganzes Leben lang unter den psychologischen Folgen dieser polizeilichen Misshandlungen zu leiden hatte.

zab06Der Schriftsteller und Filmautor

Ion Arretxe (1964-2017) wurde am selben Tag wie Mikel Zabalza verhaftet. In dem Buch “Intxaurrondo: la sombra del nogal“ (Intxaurrondo: der Schatten des Walnussbaums) beschreibt er seine Erfahrungen in den Katakomben der Guardia Civil. Mitte der achtziger Jahre studierte Arretxe in Bilbao Bildende Kunst und war Mitglied mehrerer sozialer Bewegungen (Gemeinde- und Nachbarschaftsvereine). In der Nacht vom 26. November 1985 nahm ihn die Guardia Civil in seiner Wohnung fest, beschuldigte ihn, einem ETA-Kommando anzugehören und wandte das Antiterrorgesetz auf ihn an. In einem Interview, das er im September 2008 anlässlich seiner Teilnahme an dem Film “Tiro en la cabeza“ (Kopfschuss) gab, sagte er: “Sie brachten mich zu einem Fluss, legten mir zwei Plastiktüten um, die sie mit Isolierband verschlossen, und tauchten mich stundenlang immer wieder ins Wasser. Sie brachten mich bewußtlos in die Intxaurrondo-Kaserne und folterten mich dort drei Tage lang auf verschiedene Weise. Ich war nackt, eine Kapuze bedeckte meinen Kopf, ich war allein in einem leeren Raum, sie ließen mich nicht schlafen und sie schlugen regelmäßig auf mich ein. Sogar Galindo (der berüchtigte Chef der Guardia Civil im Baskenland) erschien einmal. Er nahm mir die Kapuze ab, fragte mich, ob ich ihn kennen würde, er sagte, ich sollte sagen was ich weiß, und dabei verdrehte er mir die Hoden“. (5) (6)

Ion Arretxe berichtete, am dritten Tag sei er zusammen mit einer jungen Frau und einem jungen Mann nach Madrid gebracht worden. “Später fand ich heraus, dass sie die Freundin und er ein Cousin von Mikel Zabalza waren, den ich nicht einmal kannte. Sieben Tage lang war ich in diesem Verließ. Die Folterungen dort waren psychologischer Natur. Ich bemerkte, dass etwas passiert sein musste, denn die Behandlung verbesserte sich und die Beamten wurden ziemlich nervös. Schließlich brachten sie mich ins Gefängnis, wo mich andere Gefangene fragten, was mit Mikel Zabalza geschehen sei, der am selben Tag wie ich verhaftet worden war. Ich hatte nichts gehört und ich wusste auch nicht, wer er war“. Drei Tage nach dem Fund von Mikel Zabalzas Leiche wurde Ion Arretxe ohne Anklage aus dem Gefängnis entlassen. Er zeigte die Folter an und machte Aussagen vor fünf verschiedenen Richtern. Am Ende wurde der Fall aus Mangel an Beweisen eingestellt.

ANMERKUNGEN:

(1) Artikel in der baskischen Tageszeitung Gara vom 23. September 2020 unter dem Titel “Non dago Mikel?“. Autor Pello Guerra, alle Zitate stammen aus diesem Artikel. (LINK)

(2) Der Schriftsteller, Grafiker und Drehbuchautor Ion Arretxe (1964-2017) wurde am selben Tag wie Mikel Zabalza verhaftet, ohne diesen zu kennen. In dem Buch “Intxaurrondo: la sombra del nogal“ (Intxaurrondo: der Schatten des Walnussbaums) beschreibt er seine Erfahrungen in den Katakomben der Guardia Civil.

(3) Aranzadi: Die Wissenschafts-Gesellschaft Aranzadi wurde 1947 gegründet mit der Absicht, die Arbeit der im Franquismus verbotenen Gesellschaft für Baskische Studien fortzuführen. Ihr Zweck ist die wissenschaftliche Erforschung von Natur und menschlichem Wirken. Ihren Namen hat die Gesellschaft von Telesforo de Aranzadi, einem Anthropologen und Ethnologen (1860-1945). Besondere Bedeutung kommt Aranzadi heutzutage bei der Aushebung von Massengräbern aus der Zeit des Spanienkriegs und der Identifizierung der dabei gefundenen Opfer des Faschismus zu. Kürzlich hat Aranzadi eine Aufsehen erregende wissenschaftliche Expertise erstellt, in der die systematische Folter spanischer Polizeikörper seit den 1960er Jahren geprüft und bestätigt wurde. (LINK)

(4) “Mikel Zabalza: 25 años de un crimen impune” (Mikel Zabalza, 25 Jahre unbestraftes Verbrechen). Der Artikel wurde vor 10 Jahren (am 15.11.2010) publiziert, deshalb ist von 25 Jahren die Rede. (LINK)

(5) “Muere el escritor Ion Arretxe” (Der Schriftsteller Ion Arretxe ist gestorben) El Pais 2017-03-18 (LINK)

(6) Enrique Rodríguez Galindo (*1939): Von 1980 bis 2000 Chef der Guardia Civil in Gipuzkoa. Galindo war beteiligt am sog. “Schmutzigen Krieg” gegen die baskische Linke und war Teil der GAL-Todesschwadronen. Unter seinem Befehl wurden die Basken Lasa und Zabala entführt, gefoltert, ermordet und in Almeria verscharrt. Im Jahr 2000 zu 74 Jahren Gefängnis verurteilt, vier Jahre danach entlassen wegen “Gesundheits-Problemen“. Verbüßt seine Reststrafe unter komfortablem Hausarrest.

ABBILDUNGEN:

(1) Mikel Zabaltza Collage (FAT)

(2) Zabaltza-Filmvorstellung (Diario de Navarra)

(3) Gedenken in Orbaizeta (eusko blog)

(4) Mikel Zabaltza (naiz)

(5) Mikel Zabaltza (naiz)

(6) Ion Arretxe (elpais)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-10-08)

 

 

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