ukra1Der lange Arm des Geheimdienstes

Der lange Arm ukrainischer Rechtsradikaler reicht bis nach Spanien: Der bekannte ukrainische Journalist Anatoli Scharij wurde auf Basis ukrainischer Anschuldigungen wegen Hochverrats im spanischen Exil festgenommen, auf Grund eines internationalen Haftbefehls. Krass & Konkret, eines der wenigen deutschen Medien, die sich der praktisch gleichgeschalteten Presse-Landschaft entziehen, berichtet über Drohungen und faschistische Aktivitäten in der Ukraine.

Unter dem Titel “Der lange Arm ukrainischer Rechtsradikaler reicht bis nach Spanien“ berichtet das Internet-Magazin Krass & Konkret (Florian Rötzer) über die faschistische Repression ukrainischer Behörden gegen einen unliebsamen Journalisten in Katalonien.

Im Gespräch mit Krass & Konkret hatte der bekannte ukrainische Journalist in seinem katalanischen Exil die Angst vor einer Verhaftung deutlich gemacht. “In der Ukraine würde ich nicht länger als einen Tag leben“, sagte der Video-Blogger und-Betreiber der Website Sharij.net, dessen Kanal 2,5 Millionen Menschen abonniert haben, im Interview vor einem Jahr angesichts der Versuche seiner Heimat, den Flüchtling ausgeliefert zu bekommen. Fliehen musste der Journalist schon unter der Janukowitsch-Regierung, unter anderem wegen seiner Korruptions-Enthüllungen.

ukra2Am gestrigen Mittwoch (4.5.2022), genau einen Tag nach dem internationalen Tag der Pressefreiheit, war es dann so weit, dann griff die spanische “Nationalpolizei“ in Katalonien auf Anweisung aus Kiew zu. Dort wurde dem Chef der Scharij-Partei – die wie praktisch die gesamte Opposition inzwischen verboten ist – schließlich in Roda de Berà festgenommen und zum Sondergericht “Audiencia Nacional“ (Nationaler Gerichtshof) in Madrid geschafft, das für schwerste Verbrechen wie Terrorismus zuständig ist. Denn neben Hochverrat wird ihm auch der absurde Vorwurf gemacht, dass er Geheimdienstler als “dumme Schweine“ bezeichnet habe. Der ukrainische Geheimdienst SBU bezeichnete ihn als “prorussisch“.

Der “Hochverrat“, wofür eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren droht, wird unter anderem damit begründet, dass Scharij in den Jahren 2013 und 2014 zeitgleich mit dem Konflikt im Donbass zwischen prorussischen Kräften und der Ukraine durch die Veröffentlichung verzerrter Informationen “subversive“ Aktivitäten Russlands unterstützt haben soll. Er soll Absprachen mit nicht benannten Vertretern eines “ausländischen Staates“ getroffen haben und sich mit Vertretern “russischer Fernseh- und Radiounternehmen“ getroffen haben, um “subversiven Aktivitäten gegen die Ukraine im Informationsbereich“ zu unterstützen. “Die Umstände konnten nicht durch die vorgerichtliche Untersuchung festgestellt werden“, heißt es aber vielsagend in einem Geheimdienst-Dokument, das Krass & Konkret vorliegt. Das ist die Basis für die Vorwürfe und den internationalen Haftbefehl.

Wie auch im Fall des seit zwei Monaten in Polen einsitzenden baskischen Journalisten Pablo Gonzalez, der weiter keinen Kontakt zu seinem Anwalt (Boye) und seiner Familie hat, sah man es in Kiew auch nicht gerne, dass Scharij auch aus dem Krieg im Osten berichtet hat. Der tobt real nicht seit Monaten, sondern schon seit acht Jahren und hat dort 14.000 Todesopfer gefordert, die praktisch unbeachtet blieben. Scharij hat sich auch “schuldig“ gemacht, dass er auch mit russischen Soldaten gesprochen und die Aufnahmen in Videos verwendet hat. Dabei gehört es zur journalistischen Ethik, beide Seiten zu hören. Die galt schon damals in der Ukraine nichts mehr und heute bekommt man in fast ganz Europa nur noch eine Seite zu hören. Auch daraus wurde eine angebliche “subversive“ prorussische Tätigkeit gestrickt, die zum Ziel habe, die “nationale Sicherheit zu untergraben“ und die “Kampfmoral der Truppen“ zu schwächen.

ukra3Lange vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine verfolgten Asow-Kämpfer den Journalisten bis ins katalanische Exil in Tarragona, wo er nun festgenommen wurde. Der Asow-Chef Andrij Bilezkyj fordert seit Jahren offen die “physische Vernichtung“ der Mitglieder der 2019 gegründeten “Partei Scharij“. In einem Video fordert Bilezkyj, dessen Faschisten-Truppe schon lange vor dem Krieg in die Nationalgarde integriert wurde unverblümt: “Tod dem Feind Anatoli“.

Diese Verhaftung in Tarragona sei “ein weiterer Beweis dafür, dass Verräter früher oder später bestraft werden“, erklärten die ukrainischen Behörden, die auch der spanischen Regierung für ihre Zusammenarbeit dankten. Mitgewirkt haben auch ukrainische Stellen in Spanien, die hatten laut Angaben Scharijs längst auch Daten der Familie an die Asow-Faschisten übergeben. Gefallen dürfte weder Asow noch dem Präsidenten Wolodymyr Selenski, für den Scharij zum Intimfeind geworden ist, dass sogar die spanische Justiz der Ukraine diese Räuberpistole nicht abkauft. Scharijs Frau, Olga Bondarenko, hat gegenüber Krass & Konkret bestätigt, dass der Journalist inzwischen wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Er muss sich nun alle 15 Tage bei den Behörden melden und darf Spanien nicht verlassen.

Scharij hatte noch am Tag der Pressefreiheit getwittert, dass er von einem Berater des ukrainischen Innenministeriums “bedroht“ worden sei. “Er sagte mir, dass der ukrainische Geheimdienst mich in Europa finden würde und … einen Tag später wurde er festgenommen. Den Berater nannte er einen korrupten Dieb und Idiot“. Sein einziges Verbrechen sei, “dass ich euch Diebe zu wenig entlarvt habe“, schrieb er. Warum er unbeliebt ist, zeigt auch sein folgender Tweet von gestern: “Der zweite Berater der MIA der Ukraine sagte, dass am ersten Tag des Krieges in Kiew 60 Saboteure getötet wurden. Als ich fragte, wie viele von ihnen Russen seien, drohte er mir mit dem Tod. Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, waren keine Russen unter ihnen. Die Kiewer Saboteure“.

(Update:)

Die rechte ukrainische Szene freut sich (über die Verhaftung). Das Nationalkorps, die Partei des Asow-Regiments, das nun wegen seiner Heldenhaftigkeit gefeiert wird, schreibt: Sharii, der “trotz des Ausbruchs eines umfassenden Krieges weiterhin Scheiße auf die Ukraine schüttete, wurde in Spanien festgenommen. Alle Handlungen von Verrätern und Kollaborateuren werden zu einem traurigen Ende führen. Und eine Flasche in einer ukrainischen Untersuchungs-Haftanstalt ist nicht die schlechteste Option.“ Dazu wird ein Bild veröffentlicht.

Und Oleksiy Arestovych, der Berater des Präsidenten Selenski, der angeblich für die Freiheit und Demokratie der Welt kämpft, verbreitet auf Twitter schadenfroh, was ihm passieren wird. Der Kopf des ebenfalls wegen Hochverrats festgenommenen Medvedschuk, Chef der mittlerweile verbotenen Oppositions-Plattform, wurde mit dem von Sharij ausgetauscht. Medvedschuk war in Ketten vom SBU (Ukrainischer Geheimdienst) vorgeführt worden.

(Kommentar: Sabine Schulz - 5. Mai 2022)

ukra4Währenddessen hat die Tagesschau bereits suggeriert, dass es in der Ukraine Nazis gibt, sei russische Desinformation, weshalb weitere russische Fernsehsender in der EU verboten werden sollen. Umso wichtiger scheint mir, dass die paar alternativen Medien und kritikfähigen Menschen, die es noch gibt, Information über die Fakten (!) zum Ukraine-Krieg betreiben. Die Nachdenkseiten wollen anscheinend eine solche gezielte Initiative starten. 

Zur “Gibt es in der Ukraine denn noch echte Nazis?“ reicht eigentlich schon die NBC-Doku von 2017 über eines der seitdem zahlreichen Asow-Ferienlager, in denen inzwischen Hunderte ukrainischer Kinder und Jugendliche gedrillt worden sind (Video) (3). Was dort läuft, würde in einem zivilisierten Land als körperliche und seelische Kindes-Misshandlung strafrechtlich verfolgt werden. Aber die ukrainische Regierung hat diese Lager sogar finanziell gefördert. Und ausgerechnet in Deutschland behauptet das Staatsfernsehen, es sei “Verdrehung der Tatsachen“, dass es in der Ukraine einiges an Nazis gibt.

Der Text, den der kleine Junge im Anfang des Trailers deklamiert, lautet: “Was ist unser Motto? Wir sind Kinder der Ukraine! Lasst uns Moskau in Ruinen zurücklassen, das macht uns doch nichts aus! Wir werden die ganze Welt erobern! Tod, Tod den Moskowiten! Tod, Tod den Moskowiten!“ (Wohlgemerkt: Das war 2017, als Russland auf eine friedliche Lösung per Minsk-Abkommen hoffte.) In anderen Videos dieser Ferienlager schreien die Kinder gemeinsam immer wieder: “Ukraine über alles!“ und allgegenwärtig ist die Wolfsangel, sogar als so geformtes Blumenbeet.

ANMERKUNGEN:

(1) “Der lange Arm ukrainischer Rechtsradikaler reicht bis nach Spanien“, Krass&Konkret, Florian Rötzer, 2022-05-05 (LINK)

(2) SBU: Der Sluschba bespeky Ukrajiny, SBU, deutsch Sicherheitsdienst der Ukraine, ist der Inlands-Geheimdienst der Ukraine. Er ist eine Nachfolgeorganisation des KGB der Ukrainischen Sowjetrepublik mit Sitz in Kiew. (LINK)

(3) Charakter ukrainischer Kinder-Ferienlager (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Scharij (krass&konkret)

(2) Scharij (krass&konkret)

(3) Scharij (krass&konkret)

(4) Azov-Regiment (japan times)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-05-06)

Für den Betrieb unserer Webseite benutzen wir Cookies. Wenn Sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, akzeptieren Sie unseren Einsatz von Cookies. Mehr Information