Die Krise nach der Pandemie
Die Politik beschwört, die Pandemie sei noch nicht vorbei sei. Dabei sind wir längst in einer neuen gefangen: der Kriegs-, Rüstungs- und Militarisierungs-Pandemie. Über deren Ursprung und Nutznießer bestehen weniger Unklarheiten, es handelt sich um eine altbekannte konjunkturelle Pandemie. Derzeit Eurodemie, weil sie noch nicht übergeschwappt ist. Europa lebt in einer Kriegswirtschaft, der Oberbaske Urkullu hat es ausgesprochen. Strom, Diesel und Brot stehen zur Debatte … und deshalb wird gestreikt.
Wie der März, so der April. Prekarität und Preissteigerung aufgrund von Kriegsfolgen bestimmen den Alltag und treiben die Betroffenen zu ihrem einzigen Machtmittel: alle Räder stehen still. Preisexplosion, Kriegswirtschaft und Klassenkampf stehen auf der Tagesordnung.
(2022-04-30)
DIE "KRIEGERINNEN" DES TEXTILGEWERBES
Die "Kriegerinnen" des Textil-, Leder- und Schuhgewerbes streiken. Die bestreikten Bereiche sind “stark feminin geprägt“, wie es in der Gewerkschafts-Sprache heißt. Für Arbeitgeber bedeutet “feminin geprägt“: Arbeitsplätze und Arbeitnehmerinnen zweiter Klasse. Der erste Streiktag in der Textil- und Bekleidungsindustrie sowie in der Leder- und Schuhindustrie in Bizkaia, zu dem die Gewerkschaften ELA und die LAB aufgerufen hatten, hat ein breites Echo gefunden. In den frühen Morgenstunden zogen Gruppen von Mahnwachen um die wichtigsten Geschäfte in der Gran Vía und Indautxu in Bilbao. Später, um 12 Uhr, demonstrierten Hunderte von Arbeiterinnen vom Arriaga-Platz zum Sitz des Arbeitgeberverbands Cebek.
Seit Januar dieses Jahres mobilisieren die Arbeitnehmerinnen dieser drei Sektoren gegen die Unbeweglichkeit der Arbeitgeber bei der Aushandlung eines neuen Tarifvertrags. Die Arbeitgeber gingen sogar so weit, in verschiedenen Verhandlungsrunden regressive Elemente vorschlagen, als Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen.
ELA und LAB hoffen, dass der Erfolg des heutigen Streiks die Arbeitgeber dazu veranlasst, ihre Position zu überdenken und mit ernsthaften Vorschlägen an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um die tatsächlichen Probleme der Arbeitnehmerinnen in diesem Sektor zu lösen. Beide Gewerkschaften sind sich darüber im Klaren, dass der Umfang der Mobilisierung entscheidend sein wird, um Vereinbarungen von Bedeutung zu erreichen (oder zu erzwingen). Sie rufen daher alle Beschäftigten im Textil-, Leder- und Schuhsektor auf, an den nächsten Streiktagen teilzunehmen, die für den 6. und 13. Mai angesetzt sind.
(2022-04-29)
RASSISTISCHE KONTROLLEN IN BAIONA
Die Kulturaktivistin und Gewerkschafterin Irene Ithursarry hat rassistische Polizei-Kontrollen in der Nähe des Pausa-Zentrums für Migranten in Baiona angeprangert. Was war passiert? Die französische Gendarmerie führte Kontrollen in der Nähe des Pausa-Zentrums in Baiona durch, das durchreisende Migranten aufnimmt. Die Kulturaktivistin und Gewerkschafterin Irene Ithursarry beklagte, dass ihre Tochter Opfer einer rassistischen Kontrolle wurde, ihre schwarze Tochter sei kontrolliert wordemn, sie selbst als weiße Frau jedoch nicht. Jean-René Etchegaray, Bürgermeister von Bayonne, befragte den Staatsanwalt, der erklärte, es gehe nicht um die Kontrolle von Migranten.
Etchegaray erklärte gegenüber Mediabask, die Präfektur habe angegeben, es handele sich um eine "Operation gegen Menschenhändler", die von der Staatsanwaltschaft initiiert worden sei. Die Partei Europa Ökologie Die Grünen von Ipar Euskal Herria hat eine Erklärung veröffentlicht, in der sie diese Kontrollen kritisiert und darauf hinweist, dass nur 48 Stunden nach der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten diese Art von Maßnahmen durchgeführt wurde. Sie beklagt auch die Tatsache, dass die Suche nach einem vermissten Migranten in der Bidasoa weitergeht, "wieder einmal", während er versuchte, den Fluss zu überqueren.
Nachdem Ithursarrys Tochter von den Gendarmen kontrolliert worden war, wies die Aktivist diese zurecht, prangerte ihr rassistisches Verhalten an und rief sofort den Bürgermeister der Stadt an. Denn der Stadtrat hatte 2018 ausgehandelt, dass in der Umgebung von Pausa keine Kontrollen durchgeführt würden, wovon Ithursarry, eine Aktivistin von Etorkinekin und Diakite, Kenntnis hatte. Nach diesem Vorfall erklärte Etchegaray, dass das Umfeld des Zentrums respektiert wird, und keine Kontrollen durchgeführt werden.
Die Präfektur gab an, dass es sich um Kontrollen der mobilen Gendarmerie und der Grenzpolizei im "Kampf gegen Menschenhändler und illegale Einwanderung" handelte. Die Kontrollen wurden abgeschlossen. Die EELV-Grünen-Partei prangerte diese Kontrollen an und wies darauf hin, dass der französische Staat die internationalen Gesetze zur Aufnahme von Asylbewerbern und unbegleiteten Minderjährigen einhalten müsse. "Es ist unerlässlich, allen Zufluchtsuchenden einen würdigen Empfang zu bereiten", betont die Gruppe.
(2022-04-27)
FRANKREICH WÄHLT (BASKISCH)
Im französischen Staat wurde gewählt. Amtsinhaber Macron wurde für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Die rechtsradikale Le Pen verlor ihre dritte (und angeblich letzte) Stichwahl, mit ihrem bisher besten Ergebnis. Sage und schreibe 13 Millionen Personen haben die Faschistin gewählt, die in dieser Ausgabe ihren Diskurs gemäßigt, und die radikalen Positionen dem zweiten faschistischen Kandidaten Lemmour überlassen hatte. Der Stimmenabstand zwischen Macron und Le Pen beträgt 17% (vor 5 Jahren war er deutlicher).
Um ein Frankreich in den Händen einer faschistischen Regierung zu vermeiden, haben viele Linke, Sozialdemokrat*innen und Liberale den rechten Macron gewählt, das kleinere Übel. Die weißen und ungültigen Wahlzettel machten immerhin 8,6% aus, ein deutliches Zeichen für Unzufriedenheit. In zwei Monaten wird die Nationalversammlung neu gewählt, der Wahlkampf hat bereits begonnen, Gewählt wird dabei eine Regierung, die nicht der Macron-Partei entsprechen muss. Die sozialdemokratische Partei (Mitterand, Hollande, Hidalgo) hat ihr historisches Ende erlebt. Macron muss für die Parlamentswahlen jene Fremdwähler*innen überzeugen, die ihn dieses Mal mit Brechreiz im Magen gewählt haben.
Die Wahlergebnisse im Iparralde, dem “französischen Baskenland“ hatten dieselbe Grundtendenz wie im Staat, mit jeweils stärkerer Ausprägung. Le Pen erhielt in Iparralde prozentual weniger Stimmen (34,5% statt 41,5%) als im Staat, Macron erhielt mehr (65,5% statt 58,5%). Die Wahlbeteiligung war höher, die Stimmen der (weißen und ungültigen) Unzufriedenen waren mehr. Dennoch haben in Iparralde von 244.000 Wahlberechtigten 34,5% die Faschistin gewählt (56.000 Stimmen).
ERGEBNISSE IM STAAT:
Macron
18.779.641 Stimmen = 58,5%
Le Pen
13.297.760 Stimmen = 41,5%
Gültige Stimmen
32.077.401 Stimmen = 91,40%
Weiße Wahlzettel
2.228.044 Stimmen = 6,35%
Ungültige Stimmen
790.946 Stimmen = 2,25%
Wahlberechtigte
48.752.500 Personen = 100%
Wahlbeteiligung
35.096.391 Personen = 71,99%
Wahlenthaltung
13.656.109 Personen = 28,01%
ERGEBNISSE IN IPARRALDE:
Macron
106.054 Stimmen = 65,5%
Le Pen
55.907 Stimmen = 34,5%
Gültige Stimmen
161.961 Stimmen = 88,37%
Weiße Wahlzettel
16.079 Stimmen = 8,77%
Ungültige Stimmen
5.241 Stimmen = 2,86%
Wahlberechtigte
244.756 Personen = 100%
Wahlbeteiligung
183.281 Personen = 74,98%
Wahlenthaltung
61.175 Personen = 25,02%
(2022-04-26)
GERNIKA 85 JAHRE
Vor genau 85 Jahren wurde die baskische Stadt Gernika (spanisch Guernica) von der nazideutschen Legion Condor “dem Erdboden gleichgemacht“. Ohne kriegs-strategische Notwendigkeit zogen die Nazis ihre Waffen- und Bomben-Versuche durch, versetzten der widerständischen baskischen Bevölkerung einen moralischen Schlag und machten Hitler ein verspätetes Geburtstagsgeschenk (zwanzigster April). Zum 85. Erinnerungstag ist unter anderem der ukrainische Konsul eingeladen, der ein derzeit kriegsführendes Land vertritt. Die “Friedensstadt Gernika“ empfängt also Krieger, die unermüdlich Aufrüstung fordern vom größten Militärbündnis der Geschichte, das in der Vergangenheit dem heutigen Russland-Feldzug vergleichbare Kriege geführt hat, in Jugoslawien zum Beispiel – ein mehr als schmähliches Bild, das Gernika sehr schlecht zu Gesicht steht.
In einer seiner weltweit beachteten Schaufensterreden (in jenem Fall vor dem spanischen Parlament) verglich der ukrainische Präsident die Ukraine mit Gernika – beide unschuldig angegriffen. Was er zu erwähnen vergaß: dass Gernika von Faschisten zerstört wurde und dass in Zelenskys Armee faschistische Bataillone und Söldner eine große Rolle spielen. Ihre Massaker im Donbass und anderswo werden von der westlichen (baskischen) Presse ignoriert oder verschwiegen. Ausgerechnet die spanisch-faschistische Vox-Partei musste den Ukrainer daran erinnern, dass der Vergleich nicht erwünscht ist. Denn Vox wandelt auf den Spuren der Putschisten von 1936, auf den Spuren der Vernichter von Gernika, einem Massenmord, von dem bis heute behauptet wird, er hätte nicht staatgefunden bzw. “die Basken und die Roten“ hätten den Ort selbst angezündet. Damit hat Zelensky die besten Freunde seiner faschistischen Azov-Bataillone verprellt.
Wenn in Gernika heute an die Opfer der franquistisch-faschistischen Kriegsführung erinnert wird, sind faschistische Kriegstreiber (oder ihre politischen Vertreter) auf dem Friedhof präsent. Faschistenführer Santiago Abascal sicher nicht, er kann sich im Nachbarstaat seiner politischen Freundin und Wahlverliererin Le Pen als Tröster zum Ausheulen andienen und sich mit ihr für Rassismus, Xenophobie und Frauenfeindlichkeit ablichten lassen.
(2022-04-25)
BIZKAIA WANDERT AUS
Die Auswanderung von Personen aus Biskaia ins Ausland hat in den letzten zwölf Jahren um 80% zugenommen. Nach einer Flaute während der Pandemie ist sie erneut stark gewachsen. Das Nationale Institut für Statistik (INE) hat einen weiteren demografischen Alarm ausgelöst, nicht den ersten. Im letzten Jahr hat Bizkaia fast 5.500 Einwohner*innen verloren (Stand ist nun 1.148.880), die Bevölkerung wird immer älter, das Durchschnittsalter liegt jetzt bei 46,6 Jahren. Diese Entwicklung lässt sich dadurch erklären, dass keine Kinder mehr geboren werden (Bizkaia hat die niedrigsten Geburtenraten in der Geschichte, Geburten decken nicht annähernd die Zahl der Sterbefälle. Der Zustrom von Zuwanderer*innen wurde gestoppt, sie hatten die negative Geburtenrate in der jüngeren Vergangenheit ausgeglichen, das ist nun nicht mehr der Fall.
Ein drittes aufschlussreiches Element ist die Abwanderung von Menschen aus Bizkaia. Einige ziehen in andere Provinzen: 8.573 im Jahr 2020, während 7.451 aus anderen Teilen Spaniens kamen. Andere gehen ins Ausland. Die Erstgenannten ziehen meist in benachbarte Orte, um dort billigeren Wohnraum oder Ruhe zu finden, sie behalten ihre Arbeit und ihre sozialen Bindungen bei. Letztere ließen jedoch das Land hinter sich.
Abwanderung Aus Bizkaia in andere Länder hat es schon immer gegeben. Doch in den letzten zehn Jahren ist sie sprunghaft gestiegen. Im Jahr 2009 hatten die konsularischen Dienste 28.280 im Ausland lebende Personen aus Bizkaia registriert. Dann kam die Wirtschaftskrise und die Abwanderung begann. Jedes Jahr stieg die Zahl um zwei- oder dreitausend Menschen, bis sich 2016 mit der Erholung der Wirtschaft die Lage ein wenig beruhigte. Die Zahl der Auswanderer*innen nahm weiter zu, um die 1.000 pro Jahr. Diese Entwicklung setzte sich bis 2020 mit der Pandemie fort, als sich die Mobilität verlangsamte und die Zahl der im Ausland lebenden Personen aus Bizkaia nur um 600 zunahm.
Trotz weiterhin bestehender Mobilitäts-Beschränkungen und anhaltender gesundheitlicher Unsicherheit wurde das Phänomen im Jahr 2021 reaktiviert und stieg um 1.100 auf insgesamt 51.211 im Ausland Lebende am 1. Januar 2022. Diese Zahl wird vom INE in seiner Studie über die im Ausland lebende spanische Bevölkerung angegeben. Das sind 81% mehr als die 28.280 Personen aus dem Jahr 2009. "Mobilität ist ein weit verbreitetes Phänomen im 21. Jahrhundert", meint ein Professor für Soziologie an der Universität Deusto. "Heute sind die Möglichkeiten der Mobilität viel größer als noch vor einigen Jahrzehnten, es gibt Programme wie Erasmus, und die Menschen haben die Angst vor dem Weggehen verloren". Wir befinden uns in einem historischen Moment.
Einsteigen und Aussteigen
Problem ist, dass die Bewegung nicht in beide Richtungen erfolgt. Die Abwanderung wird nicht durch Zuwanderung kompensiert. Im vergangenen Jahr hat Bizkaia, ebenfalls nach INE-Daten, nur zweihundert Personen aus dem Ausland hinzugewonnen. In welchen Ländern? 61% der 51.200 Auswanderer*innen aus Bizkaia leben in Amerika, wobei Argentinien (7.044) und Mexiko (6.000) besonders hervorstechen. Und 33% leben in Europa, vor allem in Großbritannien (4.438) und in Frankreich (4.171). Für dieses Übergewicht an Lateinamerikaner*innen gibt es einen Grund: Die Menschen kehren an den Ort zurück, an dem sie geboren wurden. Von den 51.211 im Ausland lebenden Bizkainas (alle sind spanische Staatsangehörige und in Bizkaia als Auswanderer*innen registriert) sind 34.793 im Ausland geboren. Es handelt sich dabei um Personen, die ins Baskenland kamen und schließlich eingebürgert wurden mit allen Rechten. Dann gingen sie wieder.
"Die Tatsache, dass die lateinamerikanischen Länder die Länder mit dem größten Zustrom von Menschen aus Bizkaia sind, ist also nicht überraschend", sagt die Direktorin der Baskischen Beobachtungsstelle für Einwanderung (Ikuspegi). Sie verweist darauf, dass es für Menschen aus diesen Staaten "einfacher ist, die spanische Staatsbürgerschaft zu erwerben", da "sie nur zwei Jahre legalen Aufenthalts hier benötigen, im Vergleich zu zehn Jahren in anderen Teilen der Welt". Und warum kehren sie in ihre Länder zurück? "In jeder Krise kommt es vor, dass viele Menschen aufgrund fehlender Arbeitsmöglichkeiten in ihre Herkunftsorte zurückkehren. Das haben wir bei der Finanzkrise 2009 gesehen, und das sehen wir jetzt bei der Covid-Krise.
"Es ist also nicht verwunderlich, dass die lateinamerikanischen Länder den größten Zustrom aus Bizkaia verzeichnen ", sagt die Direktorin der Baskischen Beobachtungsstelle für Einwanderung (Ikuspegi). Sie verweist darauf, dass es für Menschen aus diesen Staaten "einfacher ist, die spanische Staatsbürgerschaft zu erwerben", da sie "nur zwei Jahre legalen Aufenthalts hier benötigen, im Vergleich zu zehn Jahren in anderen Teilen der Welt". Und warum kehren sie in ihre Länder zurück? "In jeder Krise kommt es vor, dass viele Menschen aufgrund mangelnder Arbeits-Möglichkeiten in ihre Herkunftsorte zurückkehren. Das haben wir bei der Finanzkrise 2009 gesehen, und das sehen wir jetzt bei der Covid-Krise“.
Klar ist, dass diese Bewegungen nicht einem festgelegten Plan folgen, und womöglich ein Ende des Migrationsprozesses bedeuten. Hintergrund ist die sich abzeichnende wirtschaftliche Situation. Im Wesentlichen, weil es sich um Menschen handelt, die ihre Erwartungen nicht erfüllt sehen. Dabei ist der Umfang des Phänomens größer ist, als es die Statistiken wiedergeben, denn "nicht alle, die ausreisen, melden sich beim Konsulat an".
Schlechte Bedingungen
Andererseits gibt es auch fast 16.400 Bizkainas mit spanischem Pass, die im Ausland gemeldet sind. Hier liegt der Fall anders. "Es handelt sich in der Regel um qualifizierte Profile mit Hochschul-Studium und guter Bildung", erklärt ein Professor für Soziologie an der baskischen Universität und Experte für Arbeitsplatz-Unsicherheit und Jugend. Seine Studien bestätigen wissenschaftlich, was bereits vermutet wurde: "Wer ins Ausland geht, tut dies, weil für die eigene Qualifikation keine geeigneten Arbeitsplätze gefunden werden oder weil die angebotenen Arbeits-Bedingungen nicht zufrieden stellen". Er verweist auf Zeitverträge, auf die niedrigen Löhne. Das Übliche. Die betroffenen Sektoren: Gesundheit, Wirtschaft und Technik.
Das Ziel dieser Profile ist in erster Linie Europa. "Das begann einige Jahre nach 2008, der Trend hat sich fortgesetzt", was ein klares Zeichen dafür ist, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert hat". Obwohl viele Unternehmen ihre offenen Stellen nicht besetzen können, was nahelegt, dass die Arbeits-Bedingungen nicht attraktiv sind oder dass für bestimmte Tätigkeiten nicht genügend ausgebildet wird. Oder beides.
(2022-04-24)
ZU FRÜH GEFREUT
“Schüler und Lehrer gehen morgen wieder ohne Masken zur Schule: Endlich haben wir wieder normalen Unterricht“ - eine von vielen Schlagzeilen, die derzeit die baskische Presse dominieren und einen hemmungslosen Optimismus propagieren. Die Pandemie ist endgültig vorbei – Hurra! Diametral entgegengesetzt die heutige Nachricht: “168 Personen im kantabrischen Gesundheitspersonal mit Covid angesteckt, schlimmer als in der sechsten Welle". Kantabrien und Asturien waren aus diesem Grund die einzigen autonomen Regionen, die bei den Covid-Lockerungen einen Rückzieher machten und darum baten, weiterhin Gesichts-Masken zu benutzen.
Mit dieser Maßnahme will der kantabrische Präsident Revilla die steigende Zahl der Infektionen stoppen, die die Nachbar-Region seit einigen Tagen verzeichnet, "bevor sich die Situation verschlimmert". Die Inzidenz bei Menschen über 60 Jahren hat in Kantabrien 800 Fälle pro 100.000 Einwohner überschritten, doppelt so viele wie noch vor 15 Tagen. Obwohl die Entwicklung die Krankenhäuser noch nicht erreicht hat (die Covid-Belegungsrate liegt bei knapp 3%), sind sich die Gesundheits-Behörden darüber im Klaren, dass sich das Virus in der Bevölkerung stark ausbreitet. Dabei sei es nicht so besorgniserregend bei asymptomatischem Verlauf oder leichten Beschwerden, auch durch andere Atemwegs-Viren übertragen werden können.
Der Anteil der Covidfälle (positive Fälle, die entdeckt werden, nachdem Personen aus einem anderen Grund eingewiesen wurden) ist einer der beunruhigenden Indikatoren. Er ist genauso hoch wie der Anteil derjenigen, die direkt wegen einer Coronavirus-Infektion eingeliefert werden. Ein weiteres Warnsignal ist die Zahl der infizierten Beschäftigten im Gesundheitswesen, die "deutlich zugenommen hat", wie der Gesundheitsdirektor betont. Im Moment 168 Fälle, eine Zahl, die mit dem schlimmsten Zeitpunkt der sechsten Welle vergleichbar ist".
Bei der zirkulierenden Variante handele es sich weiter um eine Omicron-Version, nicht jedoch um neue. Die Wirksamkeit des Impfstoffs bleibe erhalten, das sei die Rettung. Auch im Bereich der immer stark gefährdeten Altenheime ist die Zahl der Fälle in den letzten Wochen bedrohlich gestiegen. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, wie stark der Oster-Tourismus – auch im Baskenland – zu neuen Corona-Gipfeln führt.
Vor Jahrzehnten rezitierte ein damals beachteter Liedermacher den Text von der “Sibirischen Nachtigall“, an dessen Ende es heißt: Die erste Moral, nicht zu hoch hinaus, es geht übel aus. Die zweite, nicht jeder, der aus dich scheißt, ist dein Feind. Die dritte, nicht jeder, der dich aus der Scheiße zieht, ist dein Freund. Die letzte und wichtigste: wenn du schon in der Scheiße sitzt, fang nicht gleich an zu jubilieren.
(2022-04-23)
ENDE STREIK IN KEKS-FABRIK
Nach 150 Tagen Kampf endet der Streik in Artiach mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die jedoch unzureichend ist. Die linke Gewerkschaft LAB ist der Ansicht, dass die Vereinbarung nicht ausreicht und dass die Verhandlungen in hohem Maße von externen Faktoren konditioniert waren. Dennoch beendete eine Gewerkschafts-Mehrheit aus der sozialdemokratischen UGT, der kleinen Links-Gewerkschaft ESK und einem unabhängigen Betriebsrat den Streik, indem das Ultimatum des Unternehmens akzeptiert und dessen Vorschlag angenommen wurde.
Obwohl diese Vereinbarung keine Kürzungen enthält und einige ihrer Inhalte positiv sind, sind viele der Meinung, dass das Ergebnis nicht dem entspricht, was die Mehrheit der streikenden Arbeitnehmerinnen wollte. Die Vereinbarung stützt sich auf wirtschaftliche Verbesserungen und enthält einige positive Gesten in Bezug auf die Einstellungs-Politik, was jedoch noch konkretisiert werden muss. Aber sie sieht keine Verkürzung der Arbeitszeit vor, die somit seit mindestens 15 Jahren nicht mehr reduziert wurde.
Die Verhandlungs-Bedingungen waren nachteilig für die Gewerkschaften, die ihre Vorschläge nur in einer einzigen Sitzung verteidigen konnten, in der das Unternehmen nur einen ersten und einen zweiten Vorschlag vorlegte, mit dem Ultimatum, dieser zweite Vorschlag sei der endgültige. Obwohl die LAB diese Vereinbarung für unzureichend hält, hebt die Gewerkschaft den großen Kampf der Streikenden hervor, vorwiegend Frauen, denen es dank ihres Streiks gelungen ist, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern und dafür zu sorgen, dass die Bedingungen für Neueinstellungen nicht mit einer doppelten Lohnskala verschlechtert werden. Das Unternehmen hatte eine Regelung eingeführt, nach der neu Eingestellte schlechter bezahlt werden als Personen mit alten Verträgen.
(2022-04-22)
PEGASUS GEGEN KATALONIEN
Spanien lässt Unabhängigkeitspolitiker ausspionieren – Für Amnesty International (AI) ist die Sache klar: »Die EU muss handeln, um den Missbrauch von Spionageprogrammen zu beenden, nachdem prominente Katalanen mit Pegasus angegriffen wurden.« IT-Experten der Menschenrechtsorganisation haben die Untersuchungen des IT-Sicherheitslabors Citizen Lab bestätigt, wonach mindestens 65 Aktivisten, hochrangige Politiker, Anwälte oder auch Journalisten, die für die Unabhängigkeit Kataloniens eintreten, über die Spionageprogramme Pegasus und Candiru ausgespäht wurden.
Die bis dato letzten vier katalanischen Präsidenten finden sich alle in der Liste der Ausgespähten. Das gilt für den amtierenden Präsidenten Pere Aragonès wie auch für seine Vorgänger Quim Torra oder Carles Puigdemont, der sich seit 2017 im belgischen Exil befindet, sowie Artur Mas. 2017, als die Katalanen unilateral ein Referendum über die Unabhängigkeit durchführten, hätten die Angriffe »im Vorfeld und im Anschluss« stattgefunden, schreibt Citizen Lab in einem ausführlichen Bericht. Die Abstimmung versuchte Spanien bekanntlich auch mit massiver Gewalt zu verhindern.
Das IT-Sicherheitslabor an der Universität Toronto beschäftigt sich seit Jahren mit Überwachungssoftware. Es hatte im vergangenen Jahr aufgedeckt, dass unter anderem Oppositionelle und Journalisten in Ungarn genauso über Pegasus ausspioniert wurden wie der französische Präsident Emmanuel Macron. Spanien müsse »unmissverständlich« klarstellen, ob es Kunde der israelischen NSO-Group ist, die ihre Spionagesoftware nur an Länder verkauft und nicht an Private, fordert AI. Zudem müsse es eine »unabhängige Untersuchung« geben. (ND)
(2022-04-21)
POLIZEI BEIM TAG DES BUCHES
Am 23. April, dem Tag des Buches, findet in Iruñea (besser bekannt als das Pamplona der Stiere) der so genannte “Erste Tag der Polizeiliteratur“ in Navarra statt. Die Veranstaltung, an der Autoren von Büchern über polizeiliche und militärische Themen teilnehmen, wird von der Mehrheitsgewerkschaft der regionalen Polizei organisiert. Unter den geladenen Gästen ist der Zivilgardist Juan Manuel Sánchez Corbí, der einst den baskischen Aktivisten Kepa Urra gefoltert hat.
Oberst Sánchez Corbí wurde 1998 wegen der Folterung von Kepa Urra verurteilt und später von der Regierung von José María Aznar begnadigt. Im Jahr 2017 veröffentlichte er das Buch "Sangre, sudor y paz. La Guardia Civil contra ETA" (Blut, Schweiß und Frieden. Die Guardia Civil gegen ETA), zusammen mit Lorenzo Silva (Romanautor beim Planeta Verlag) und Gonzalo Araluce (Journalist aus Navarra, spezialisiert auf militärische Themen, Pressesprecher von der korrupten UPN-Politikerin Yolanda Barcina und Mitautor von "Relatos de Plomo"). Silva und Araluce werden ebenfalls an dem Literatur-Tag teilnehmen.
Oberst Manuel Sánchez Corbi wird in Pamplona über sein Buch und seine Erfahrungen “im Kampf gegen den Terrorismus“ während seiner beruflichen Laufbahn berichten. Die Veranstaltung steht nicht unter dem Motto “Leichen pflastern seinen Weg“, was dennoch durchaus treffend wäre. Sánchez Corbí verließ die Guardia Civil vor etwas mehr als einem Jahr, als er zu einem privaten Sicherheits-Unternehmen wechselte. Zuvor war er von Minister Fernando Grande-Marlaska nach einer Spesenaffäre und wegen "Vertrauensverlusts" seines Amtes enthoben worden. Die Orden und Beförderungen des Obersten waren Gegenstand parlamentarischer Debatten gewesen, ebenso wie die Anerkennung anderer Folterer wie Billy El Niño.
Propagandisten der extremen Rechten
Die Figur dieses Folterers ist nicht die einzige, die bei dieser Veranstaltung für Kontroversen sorgen könnte. Außerdem wird der Polizist Samuel Vázquez, einer der großen Wortführer der Rechtsextremen in den sozialen Netzwerken, auftreten. Über seinen Twitter-Account verteidigt er die Postulate der faschistischen Vox-Partei und verbreitet die Reden ihrer Führer.
Darüber hinaus war Sánchez Corbi Koordinator von “El Club de los Viernes“ (Der Freitags-Club) in Madrid, einer Plattform, die unter dem Namen einer Bewegung zur Verteidigung des Privateigentums ultrakonservative Postulate vertritt und bei sich bietenden Gelegenheit so weit nach rechts ausholt, dass sie an die Lächerlichkeit grenzt. Ein Beispiel im Zusammenhang mit der spanischen Inquisition, bei der Tausende vor allem Frauen verbrannt wurden: “Die Inquisition war ein Gericht der Barmherzigkeit, ein Beispiel für die Achtung der Rechte der Angeklagten, um das die Justizsysteme der damaligen Zeit wegen seiner Garantiefähigkeit beneidet wurden, und Ursprung der heutigen Verfahrenssysteme“. Die letzte Aussage ist sicher richtig – nicht allerdings als Werbung für die spanische Demokratie.
Auf Vázquez' persönlichem Account können seine Aussagen nachgelesen werden, in denen er die Black-Lives-Matter-Bewegung oder den Konsens über geschlechtsspezifische Gewalt in Frage stellt, obwohl sein Hauptinhalt selbstverständlich die Weiterverbreitung von Interventionen von Vox-Führern ist.
Der persönliche Twitter-Account eines anderen Redners, des Zivilschützers Tomás García Castro, ist ähnlich. In einem groben und sexistischen Ton enthält er Kritik an der republikanischen Flagge, eine Befragung im Einklang mit der Befragung der Gesetze gegen geschlechtsspezifische Gewalt durch Vox und eine Position gegen Maßnahmen nach europäischem Vorbild, um den Weg zur extremen Rechten in den Medien zu versperren. Auffällig einer der Tweets von García Castro, in dem er die Abgeordneten von EH Bildu aus Navarra beschuldigt, "von ETA zu sein", genau wie die Abgeordneten von EH Bildu in Madrid.
Bei der Veranstaltung wird auch der Kriminalreporter Nacho Abad anwesend sein, der regelmäßig in einer TV-Morgensendung auftritt. Abad ist bekannt für seine sensationslüsterne Ausbeutung des Krimigenres, die immer wieder in der Kritik steht.
Was Navarra direkt betrifft, so löste Abad eine Kontroverse aus, als er auf seinem Twitter-Account eine Debatte darüber eröffnete, ob seine Anhänger die Mehrfach-Vergewaltigung von Pamplona 2017 als "Vergewaltigung" oder als "einvernehmlichen Sex" betrachten. Der Tweet wurde veröffentlicht, bevor die Gerichte entschieden, dass es sich tatsächlich um eine Vergewaltigung handelte. Abad zog ihn zurück, nachdem er versucht hatte, den Tweet – mit der klaren Absicht, auf Kosten der Vergewaltigung Follower zu gewinnen – als Geste zur Verteidigung der Unschulds-Vermutung zu verteidigen.
(2022-04-20)
REALITÄTS-VERWEIGERUNG
“Plattformen“ werden sie genannt, die neuen Film-Unternehmen wie Netflix oder hierzulande Movistar-Plus+, die während der Pandemie enormen Aufschwung erlebten, um die Eintönigkeit innerhalb der häuslichen Covid-Gefängnisse erträglich zu gestalten, die ja nicht verlassen werden durften. Sie leben von Kunden-Abonnements wie die privaten Sender und produzieren mitunter interessante Beiträge, die die Runde machen.
Doch nicht alles ist willkommen. Als Movistar-Plus+ kürzlich einen sogenannten Reality-Film über die Machenschaften der Polizei drehte, zum Beispiel. "Antidisturbios" oder “Sondereinsatzkräfte“ hieß die Serie, die bei Kritik und Publikum einen großen Erfolg erzielte, aber innerhalb der spanischen Staatspolizei großen Ärger hervorrief. Eine der vielen Polizei-Gewerkschaften erklärte in einem Kommuniqué zur Serie, dass "diese Geschichte die Grenzen des künstlerischen Schaffens überschreitet und dazu beiträgt, dem Zuschauer ein Bild dieser Berufsgruppen zu vermitteln, das ihre Ehre verunglimpft, da sie als Drogenabhängige und Alkoholiker dargestellt werden". Trotz der großen Resonanz, die "Antidisturbios" hatte, gab es keine zweite Serien-Staffel, was aufgrund des Publikumserfolgs alle für sicher gehalten hatten. Wenn die Realität allzu realistisch dargestellt wird, melden sich im Staat die Torquemada-Inquisitoren.
Nun wiederholen sich diese Vorgänge. Das Team der beiden Filmer*innen Rodrigo Sorogoyen und Isabel Peña – das bereits für “Antidisturbios“ verantwortlich zeichnete, hatte die glänzende Idee, eine Serie zum Thema “Bürgerkrieg“ zu produzieren. Die war im März letzten Jahres mit großem Tamtam angekündigt worden, in der Plattform des Telekommunikations-Unternehmens Telefónica wurde die Serie als eine ihrer großen Spielfilm-Projekte bezeichnet. Doch nun erfolgte eine Absage, die viele überraschte. Danach kamen die Relativierungen.
Movistar Plus+ teilte mit, es handele sich nicht um eine Absage, vielmehr sei es eine "vorübergehende" Pause der Serie (die noch nicht einmal begonnen hatte). Nach Angaben von Telefónica "handelt es sich um eine vorübergehende Unterbrechung, die aber später wieder aufgenommen werden kann. Das ist bei den Projekten der Plattform üblich". Doch viele kritische Stimmen fühlen sich an “Antidisturbios“ erinnert. Die bei der Absage benutzten Begriffe wie "Stilllegung", "Anhalten" oder "Aussetzung" haben die Kontroverse um die angebliche rechtsextreme Ideologie bei Movistar Plus+ wieder zum Kochen gebracht.
Dass das Unternehmen Telefonica (und mit ihm die Tochter Movistar-Plus+) von der postfranquistischen Rechten (PP) kontrolliert wird, ist ein offenes Geheimnis. Und nicht nur das. Die Initialzündung für diese Situation lieferte im vergangenen Jahr die Stiftung Disenso (Dissens), zu deren Führungsriege unter anderem der spanische Oberfaschist Santiago Abascal und andere bekannte Ultrarechte gehören (Rocío Monasterio, Sánchez Dragó, Hermann Tertsch, Juan Carlos Girauta). Die hatten eine Ausstellung mit dem Titel "La Resistencia" (Der Widerstand) von David Broncano wegen eines Sketches zum Thema Vox heftig angegriffen.
Am folgenden Tag erklärte der ehemalige Mitarbeiter der Sendung "Late Motiv", Facu Díaz, die Kritik sei nur eine weitere "innerhalb des aktuellen Panoramas bei Movistar-Plus+", er betonte "die Unterwürfigkeit der Plattform gegenüber der extremen Rechten". Spanischer Faschismus bedeutet heutzutage nicht nur, gegen Feministinnen, Autonomie-Statute, Dezentralisierung, Memoria Historica oder regionalen Nationalismus zu wettern. Dazu gehört auch ganz banale Zensur. An einer realistischen Darstellung der franquistischen Horrortaten aus dem Spanienkrieg (im Baskenland die natürlichste Sache der Welt) haben diese Herrschaften so viel Interesse wie die NATO an einer friedlichen Beilegung des Ukraine-Krieges. Beim Spanienkrieg geht es ihnen ans Eingemachte.
Dies hätte das Duo Sorogoyen-Peña bereits bei der emotional gehaltenen Serien-Ankündigung wissen können. “Eine Serie, die sich mit einer historischen Periode befasst, die mich als Ereignis seit langem fasziniert", hatte Sorogoyen gesagt. “Ein Konflikt, der auf tragische Weise die Zukunft unserer Geschichte geprägt hat und der leider in unserer Schulzeit nicht behandelt wurde. Ein Konflikt, der auf unterschiedliche Weise Millionen von unschuldigen Menschen und ein ganzes Land ausgelöscht hat". So was hören Franco-Nostalgiker nicht gerne, Abascal muss sich wie mit Blei im Magen gefühlt haben.
"Eine Fiktion zu schaffen, die den Zuschauer berührt, vor allem aber zu versuchen, unsere Figuren, unsere vergangene und gegenwärtige Gesellschaft und damit die Zeit, in der wir uns heute befinden, zu verstehen, wird sicherlich die größte Herausforderung unserer Karriere sein. Wir kennen die Verantwortung, die damit verbunden ist. Aber wir nehmen sie mit der Ehrlichkeit, Strenge und Menschlichkeit an, mit der wir alle unsere Projekte angehen". Diese “größte Herausforderung“ muss somit verschoben werden. Einmal mehr. Solange, bis der spanische Staat demokratisch wird. Zum 85. Jahrestatg der faschistischen Vernichtung von Gernika (nächste Woche) reicht es jedenfalls nicht mehr.
(2022-04-19)
NEUE KANÄLE FÜR DIE ÜBLICHEN KLOAKEN
Die Bestätigung des kanadischen Citizen Lab und des bekannten Magazins "The New Yorker", dass der spanische Staat systematisch bekannte Befürworter der Unabhängigkeit ausspioniert, ist zwar skandalös, aber nicht überraschend. Die Tatsache, dass die Staatsgewalt, in welcher Form auch immer, auf die Verfolgung legaler politischer und institutioneller Akteure ausgerichtet ist, zeigt den undemokratischen Charakter dieses Staates. Egal welche Partei gerade die Regierung stellt, immer sind alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um das Streben der baskischen und katalanischen Gesellschaften nach Freiheit und Selbstbestimmung anzugreifen. Diese Elemente bewegen sich frei in Kloaken der Geheimdienste.
Das Fehlen einer Überraschung bedeutet jedoch nicht, dass keine Reaktion erfolgt. Die Empörung ist deutlich und kommt nicht nur von den Betroffenen, sondern auch von Mitgliedern des Europäischen Parlaments, die die Verletzung der Rechte ihrer Kollegen anprangern. Wenn schon die juristischen Folgen des katalanischen Unabhängigkeits-Prozesses die mangelnde Glaubwürdigkeit der spanischen Behörden in Europa offenbart haben, so wird diese neue Abhör-Episode nicht dazu beitragen, das Vertrauen zu erhöhen. Der spanische Staat ist der dritte in der EU, der mit Pegasus beim Ausspionieren seiner Bürger erwischt wurde, nach Ungarn und Polen, gegen die das Europäische Parlament aus diesem Grund ermittelt.
Dieses Kapitel zeigt nicht nur die demokratischen Defizite der spanischen Institutionen, sondern auch die Ängste der Regierenden. Die massenhafte Bespitzelung katalanischer Politiker zeigt, dass die Alarmlampe, die auf dem Höhepunkt des Unabhängigkeits-Prozesses vor fünf Jahren in einigen Büros eingeschaltet wurde, weiter brennt. Und die Überwachung des seit Jahrzehnten bespitzelten Arnaldo Otegi deutlich macht, dass die baskische Unabhängigkeit in Madrid ein ständiger Grund zur Sorge ist. Das spanische Staats-Gerüst, das ist wieder klar geworden, ist fest mit den Kloaken verbunden, deren Rohre regelmäßig erneuert werden, deren Gestank aber nach wie vor unerträglich ist. (naiz)
(2022-04-18)
BOMBENANGRIFF BILBAO 18. APRIL 1937
Die Offensive der aufständischen Faschisten, die mit der Bombardierung von Bilbao am 4. Januar 1937 begann, wurde mit Angriffen auf mehr als 30 Städte in Bizkaia fortgesetzt. Einer der schlimmsten Angriffe erfolgte am 31. März gegen Durango. Die Luftangriffe in Bizkaia endeten am 26. April in Gernika, wo 85% aller Häuser zerstört wurden. Alle Angriffe wurden von italienischen und deutschen Flugzeugen unter dem Kommando der Legion Condor durchgeführt.
Die Cotorruelo Fabrik
Die Fabrik für Schuh- und Gummiwaren Cotorruelo befand sich in der Prim Straße Nr.26, mit zwei großen Räumen an der Rückfassade zur Iturribide Straße, zwischen den Nummern 53 und 57. Am Sonntag, dem 18. April 1937 verbreitete sich um die Mittagszeit erneut Panik. Nach einem versuchten Bombenangriff durch vier zweimotorige deutsche Flugzeuge, der von den populären "Chatos" (Kleinflugzeuge) abgewehrt wurde, heulten einmal mehr die Sirenen und kündigten einen neuen Angriff an. In wenigen Augenblicken verwandelte sich der Himmel über Bilbao in ein Inferno. Zwei Junkers-52 warfen während ihres Fluges (mit großer Wahrscheinlichkeit gezielt) Bomben ab zwischen der La Casilla Halle in Indautxu und dem Stadtteil Begoña und zerstörten mehrere Gebäude. Die Bombe, die nahe der Altstadt auf das Cotorruelo-Gebäude fiel, verursachte den größten Schaden, es stürzte ein, ein heftiger Brand wurde ausgelöst. Im Keller des Hauses war ein Bomben-Schutzraum eingerichtet worden, in dem sich die Nachbarinnen und Nachbarn versteckten. Das Drama war schrecklich und hatte den Tod von 113 Menschen zur Folge. (Quelle: antespacio.com. Memoria Iturralde oder Iturrialde)
Zwei ältere Frauen, die als Kinder in der Iturribide-Straße wohnten, haben den Bombenanschlag auf die Cotorruelo-Fabrik noch gut in Erinnerung. In einer vom baskisch-deutschen Verein BASKALE durchgeführten Untersuchung erzählten sie Folgendes:
(*) "Was in Cotorruelo geschah, war schrecklich. Mein Vater eilte zur Hilfe und brachte ein totes Kind in seinen Armen heraus. Er arbeitete im Rathaus und sie wurden geschickt, um den Menschen zu helfen. Mein Vater musste ein Kind aus Cotorruelo herausholen, einen zweijährigen Jungen wie meinen Bruder, das hat ihn so sehr getroffen, dass er ihn in diesem Moment verlassen musste". (*) "Die erste Erinnerung, die ich an die Bombardierungen habe, ist die an Cotorruelo, an die Fabrik von Cotorruelo. Dort wurden die Schuhe für die Gudaris hergestellt, die baskischen Soldaten. Die Flugzeuge irrten an diesem Tag viele Male umher, bis sie sie trafen. Viele Menschen sind dort gestorben. Sie warfen Brandbomben, aber die Menschen wurden von den herunterfallenden Maschinen getötet, von den Maschinen zerquetscht". (*) "Vor der Fabrik ist das Haus, an dem ihr (Baskale) die Tafel anbringen wollt, auf der anderen Seite der Iturribide Straße eingestürzt. (*) "Die Leute gingen in den Schutzraum hinein, um sich zu retten, und als die Maschinen herunterfielen, waren sie eingeschlossen. Ich kann Ihnen die Zahl nicht nennen, aber ich weiß, dass es ziemlich viele Tote gab". (Quelle: BASKALE)
(2022-04-17)
ABERRI EGUNA – NATIONAL-FEIERTAG
Im Jahr 1932 organisierte die Baskisch Nationalistische Partei PNV in Bilbao den ersten Aberri Eguna, den baskischen National-Feiertag. Die Aufrufe zum ersten Aberri Eguna verbanden Religiosität und Politik. Bereits die Anspielungen auf den Parteigründer Sabino Arana (1865-1903) waren voller Mystik. "Das gesamte baskische Volk wird sich in diesen Tagen in der Nähe des Geburtshauses des Märtyrers versammeln. Verpass es nicht, Abertzale!“ Der katholische Stempel fand sich in allen Vorbereitungen für die Veranstaltung wieder. Es wurde sogar ein "Gebet für das Heimatland" verteilt, in dem Gott um ein Ende der Sklaverei des "auserwählten Volkes" und um "Heilige Freiheit" gebeten wurde. Ein großer Erfolg, denn das Gebet wurde auch Monate später noch benutzt: Im August musste die PNV-Leitung selbst darauf hinweisen, dass das Gebet keine kirchen-offizielle Genehmigung hatte.
Der damalige 27. März 1932 wurde für den baskischen Nationalismus von grundlegender Bedeutung. Dabei kamen der erste “Nationalfeiertag“, eine wichtige Ehrung für Sabino Arana und die Einweihung des Parteilokals Sabin Etxea zusammen. Gleichzeitig war es in politischer Hinsicht ein kritischer Moment, in dem sich zum ersten Mal die Möglichkeit eines Autonomie-Statuts für die baskischen Provinzen eröffnete. Die gesamte PNV-Infrastruktur war an der Organisation des Aberri Eguna beteiligt: Mendigoixales (Bergfreunde), Baskische Jugend, Emakume Abertzale Batza (Frauen-Organisation), die Batzoki-Kulturzentren. Die Arbeit hinsichtlich Propaganda, Mobilisierung und Organisation war äußerst intensiv. Nie zuvor hatte der baskische Nationalismus eine Massenveranstaltung dieses Ausmaßes erlebt.
Leuchtfeuer in den Bergen
Die Veranstaltungen zum Aberri Eguna begannen am Samstag mit einer Kinder-Hommage für Sabino Arana, organisiert von den Frauen der Emakume Abertzale Batza. Auf den Gedenkabend der Kinder im Theater Campos Elíseos folgte ein Kinderumzug vor dem Sabin Etxea Parteilokal. Abends fand eine der am sorgfältigsten vorbereiteten Veranstaltungen statt, organisiert von der Föderation der Mendigoxales (Bergfreunde): Auf den Gipfeln des Gorbeia, Oiz, Sollube, Ganekogorta und Kolitza, auf denen laut Geschichtsschreibung zu den Volksversammlungen nach Gernika gerufen wurde, wurden gleichzeitig Leuchtfeuer entzündet. Daneben gab es Dutzende von Feuern auf anderen Bergen, die nach eingehender Prüfung ausgewählt wurden, damit sie im ganzen Baskenland zu sehen wären. Neben der ästhetischen und symbolischen Dimension war dies eine Demonstration organisatorischer Effizienz, die nur durch eine umfassende Abdeckung der Region möglich war. Die Presse hob die Disziplin hervor, mit der die nächtlichen Feuer durchgeführt wurden, einschließlich deren Überwachung, um Brände zu vermeiden.
Die Veranstaltungen am Sonntag begannen früh um 7.30 Uhr mit dem Weckruf und Umzügen in Bilbao. Es handelte sich um eine politische Mobilisierung, die den Charakter einer die ganze Stadt erfassenden Feierlichkeit erhielt. Das zentrale Ereignis am Ostersonntag war der "Umzug von der Avenida Sabino de Arana Goiri zum Parteilokal", wo um die Mittagszeit eine Gedenktafel enthüllt wurde und eine Ehrung begann, die bis zum Einbruch der Dunkelheit andauerte. Die Demonstration war ein durchschlagender Erfolg. Die Zahl der Teilnehmer wurde auf 65.000 geschätzt, diese Zahl wurde vom Zivilgouverneur angegeben und von der Tageszeitung "Euzkadi" übernommen. Die große Beteiligung und die Aufrechterhaltung einer absoluten Ordnung wurden in PNV-Kreisen als Triumph gewertet. Beim Umzug paradierten nacheinander die Parteifunktionäre, die Fahnen der verschiedenen Partei-Organisationen (bis zu 130 an der Zahl), die Frauen von Emakume Abertzale Batza und schließlich die Männer und Vertreter in der Stadtversammlung Juntas von Bilbao und Abando. "Die Disziplin hat gesiegt", berichtete die nationalistische Zeitung mit Genugtuung.
Die Veranstaltungen wurden am Nachmittag fortgesetzt. Zu gleicher Zeit wurde ein Akt zur Huldigung der baskischen Sprache im Arriaga-Theater durchgeführt, sowie ein baskisches Fest im Pelota-Fronton Euskalduna und eine Aufführung des nationalistischen Theaterstücks Pedro Mari im Campos-Theater. Der National-Feiertag wurde am Montag mit einer Messe in der Basilika von Begoña, mehreren baskischen Festen und einem offiziellen Bankett in Atxanda abgerundet.
Dieser erste Aberri Eguna war für die PNV ein großer politischer Erfolg. Es wurde deutlich, dass dieses Fest die Funktion eines National-Feiertags erfüllte. Tatsächlich war der Ostersonntag fortan der Tag der Aberri Eguna, ohne dass das Datum, anders als ursprünglich geplant, erneut in Frage gestellt wurde. Der Tag diente der PNV dazu, zu Beginn der Zweiten Republik ihre Stärke zu demonstrieren und ihre Fähigkeit, die nationalistische Gemeinschaft zu mobilisieren und zu organisieren, die aufgerufen war, den Tag des Vaterlandes zu feiern. Andererseits verschwand bei den folgenden Feiern die enorme religiöse Bedeutung, die dem Tag 1932 mit auf den Weg gegeben worden war. (MM-EC)
(2022-04-16)
STREIK BEI LIDL ERFOLGREICH
Der Streik in den Lidl-Supermärkten in der baskischen Provinz Gipuzkoa ist nach einer Einigung abgesagt worden. Die Beschäftigten der neun Lidl-Supermärkte in Gipuzkoa hatten für diesen Samstag zu einem eintägigen Streik aufgerufen, um eine Lohnerhöhung und eine Verringerung der Arbeitsbelastung zu fordern.
Die Gewerkschaften, die im Betriebsrat die Mehrheit stellen, erklärten, dass die Arbeitnehmer*innen eine Lohnerhöhung in Höhe der Preissteigerung-Rate von 6,5% sowie eine Verringerung der Arbeitsbelastung fordern, da es unmöglich ist "alles zu erledigen“. In diesem Zusammenhang wiesen sie darauf hin, dass "viele Arbeitnehmer*innen immer noch in Teilzeit arbeiten".
Sie forderten, dass die Verlängerung dieser Arbeitszeiten vor Neueinstellungen Vorrang haben sollte. Der Arbeitskampf betrifft 250 Beschäftigte der LIDL-Ladenkette in Gipuzkoa. Nach einer Einigung mit der Unternehmens-Leitung wurde der für heute geplante Streik schließlich abgesagt. (gara)
(2022-04-15)
IPARALDE BREMST LE PEN
... und vergibt Macron den Sieg im ersten Wahlgang: Der derzeitige französische Präsident hat im Departement Pyrénées-Atlantiques (zudem die drei baskischen Provinzen gehören) die meisten Stimmen erhalten, mit einem komfortablen Vorsprung vor der Faschistin Le Pen. Die Umfragen haben somit Recht behalten, Macron liegt auf Staatsebene vier Punkte vor der rechtsextremen Marine Le Pen, die das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer Partei bei einer Präsidentschafts-Wahl erzielte. Doch in Iparralde ließ Macron die Ultrafrau um 10% hinter sich. Beide stehen am 24. April in der Stichwahl.
Zwar siegte Macrons "La Republique en Marche" auch in Ipar Euskal Herria doch Le Pens rechtsextreme "Rassemblement Nationale" erhielt hier einen deutlichgeringeren Anteil als im Rest des Staates: 17,9% gegenüber 23,4%. Der Kampf um den zweiten Platz in Ipar-Euskal Herria war knapp, da die Kandidaten mit den dritt- und viert-meisten Stimmen, nur um Zehntel Prozentpunkte auseinander lagen. Mit 17% der Stimmen kam der Landwirt Jean Lasalle von "Wir widerstehen" auf den dritten Platz Kandidat, gefolgt von dem Linken Jean Luc Melenchon an der Spitze von "France Insoumise", der auf den vierten Platz kletterte.
In den großen Städten war Macron der meistgewählte Kandidat in Baiona (27,26%), in Maule (25,41%) und in Donibane Garazi (21,52%), in all diesen Orten lag Melenchon an zweiter Stelle. In Hendaye hingegen erhielt der Linke von "France Insoumise“ mit 25,45% die meisten Stimmen, einen Punkt vor Macron und neun vor Le Pen. Die Wahlbeteiligung im Nordbaskenland lag fünf Prozentpunkte über dem Durchschnitt.
(2022-04-14)
SUB-AUFTRÄGE SIND TÖDLICH
Die Geschichte ist einfach und entspricht dem ungezügelten kapitalistischen Profit-Interesse: Ein Unternehmen – meist in der Baubrache – erhält einen öffentlichen Auftrag. Der wird jedoch nicht mit eigenem Personal ausgeführt, sondern über Unter-Verträge an kleinere Firmen weiter gegeben, die billiger sind, weil sie etwa mit ausländischen Arbeitskräften arbeiten oder mit irgendwelchen anderen Tricks die Kosten senken. Wo zuerst “gespart“ wird ist der Bereich Arbeits-Sicherheit und Prävention. Deshalb kommt es im kleinen Baskenland jedes Jahr zu 70 bis 90 tödlichen Arbeitsunfällen und einer immensen Zahl von Unfällen ohne tödlichen Ausgang. In der Mehrheit der Fälle ereignen sich diese Unfälle bei sogenannten Sub-Unternehmen.
Gegen diese doppelte Todesdrohung – Unter-Verträge und fehlende Arbeitssicherheit – wettern seit Langem die baskischen Gewerkschaften. Sie prangern zurecht an, dass die Vergabe von Unter-Aufträgen "tödlich" sei. Die spanische Gewerkschaft CCOO kritisiert die Kürzungen bei der Prävention und die baskischen Gewerkschaften beklagen die Politik der baskischen und der navarrischen Regierung. Die Gewerkschaften bezeichnen es als unverantwortlich, dass diese “tödlichen“ Sub-Aufträge in Kauf genommen werden, die ganz offenbar die Ursache für viele Arbeitsunfälle darstellen. “Für viele dieser Sub-Unternehmen sind Präventionskosten das erste, was eingespart werden kann, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen".
In dieser Situation läge es an den Regierungen in Euskadi und Navarra, auf jene Präventionsmaßnahmen zu bestehen, ihre Einhaltung zu kontrollieren und diese Kontrollen zu verschärfen. Doch hat sich diese Prävention der öffentlichen Hand “als unwirksam erwiesen", weil Kontroll-Inspektoren fehlen. Darin sind sich die spanische Gewerkschaft CCOO und die baskischen Gewerkschaften ELA, LAB, ESK, Steilas, EHNE und Hiru einig. Anlässlich des Welttages für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz am 28. April gingen sie mit einer gemeinsamen Erklärung vor die Presse. Die Generalsekretärin von CCOO das diesjährige Plakat mit einem Warnschild, das darauf hinweist, dass missbräuchliche Vergabe von Unter-Aufträgen den Tod bedeutet. Sie betonte, dass das Gesetz zur Risiko-Prävention ein "Meilenstein" sei, dass jedoch viele Unternehmen, anstatt dieser Regelung zu verfolgen, "es vorziehen, den entstandenen Schaden zu reparieren und nicht, ihn zu vermeiden".
Sie erinnerte daran, dass gesagt worden war, 2021 sei das Jahr der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie. "Aber das Einzige, was im vergangenen Jahr unter Beweis gestellt wurde, ist, dass die Arbeitnehmer ein weiteres Jahr lang einen inakzeptablen Tribut in Form von Arbeitsunfällen zahlen mussten". In diesem Jahr kam es bereits zu einem Dutzend Todesfällen während der Arbeit. Die Gewerkschaft forderte die Verwaltung auf, die Vorgänge "zur Kenntnis zu nehmen" und mehr Kontrollen und Strafen für diejenigen vorzusehen, die sich nicht an die Vorschriften halten.
"Unverständlich
Die linken baskischen Gewerkschaften erinnerten ihrerseits daran, dass im vergangenen Jahr die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in Euskadi um 10,2% und in Navarra um 16,7% gestiegen ist, mit insgesamt 88 Todesfällen. Diese Zahlen seien "unverständlich", wurde betont, "vor allem, wenn wir bedenken, dass alle Unfälle und Berufskrankheiten vermeidbar wären, wenn die technischen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt würden".
Die Gewerkschaften beklagten, dass nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt würden, um die Situation in den Griff zu bekommen. Die Unternehmen kritisierten sie für ihre "Zurückhaltung bei den Ausgaben für Prävention" und bedauerten schließlich die Haltung der öffentlichen Verwaltungen der beiden autonomen Regionen. Aus diesem Grund forderten sie eine Erhöhung der Zahl der Arbeits-Inspektoren – 100 in Euskadi und 50 in Navarra – um sie "auf das Niveau der Europäischen Union zu bringen". Unternehmen mit "erheblichen Risiken oder hohen Unfallraten" sollten "sehr genau" untersucht werden. In der Zwischenzeit, "und solange sich dies nicht ändert, werden jedes Jahr mehr als fünfzig Menschen sterben". Aber die Unternehmen "werden uns vor sich haben, um dies anzuprangern und strukturelle Veränderungen zu fordern, die die Gesundheit und das Leben der Arbeiterklasse garantieren".
(2022-04-13)
HOMOPHOBE AGGRESSION IN BILBO
Bilbao Bizkaia Harro (harro = Stolz) hat die homophobe Aggression verurteilt, die der junge Asier Robredo am vergangenen Samstag in Bilbao erlitt. Er selbst gab am Dienstag an, dass eine Gruppe von fünfzehn Jugendlichen im Alter von etwa 18 Jahren mehrmals auf ihn einschlug und dabei "Scheiß Schwuchtel" rief. Bilbao Bizkaia Harro hat diese homophobe Aggression "entschieden und auf das Schärfste" verurteilt und die Institutionen aufgefordert, sich dieser Verurteilung anzuschließen und die Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von LGBTI-feindlichen Aggressionen zu verstärken.
In einer Erklärung forderte die Gruppe die Staatsanwaltschaft auf, gegen diese Aggression vorzugehen, die "ein eindeutiges Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung" darstellt. Nachdem der angegriffenen Person alle Mittel bereitgestellt wurden, die sie für Hilfe, Unterstützung und Begleitung in dieser Situation benötigen, hat Bilbao Bizkaia Harro die Öffentlichkeit dazu aufgerufen, sich zu mobilisieren und gegen LGBTIQ-feindliche Übergriffe Stellung zu beziehen. Anfang der Woche hatte auch die baskische Regierung auf die Zunahme von Hassdelikten hingewiesen. Sexuelle Ausrichtung und Geschlechts-Identität sind der zweithäufigste Grund für solche Hassdelikte, im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie um 46% und machen (hinter rassistischen und faschistischen Übergriffen) 26% der Gesamtdelikte aus.
"Diese Aggressionen machen deutlich, dass der tägliche Kampf um die emotional-sexuelle Orientierung und die sexuell-geschlechtliche Identität weiterhin unerlässlich ist", so die Gruppe abschließend. Robredo berichtete am Dienstag über die Mikrofone von Radio Euskadi, wie eine Gruppe von fünfzehn Jugendlichen im Alter von etwa 18 Jahren mehrmals auf ihn einschlug und dabei "Scheiß Schwuchtel" rief. Der angegriffene junge Mann stellte fest, dass "dies kein Einzelfall" und dass "dieses Problem weit verbreitet ist".
(2022-04-12)
GELDSTRAFEN GEGEN TUBACEX-STREIKENDE
Der Betriebsrat von Tubacex beklagt die "Welle von Geldstrafen", die nach dem erfolgreichen Streik der Belegschaft angerollt kommt, von Seiten der baskischen Polizei, die sich während des Streiks mehrfach auf Seiten der Unternehmens-Leitung positioniert hatte. Die Bußgelder betreffen sowohl Arbeitnehmer*innen wie auch den Betriebsrat selbst, in Anwendung des so genannten “Knebelgesetzes“ (ley mordaza) für ihre Teilnahme an den Protesten während des letzten Streiks im vergangenen Jahr. Der Betriebsrat von Tubacex zeigt sich solidarisch mit den Personen, die wegen ihrer Teilnahme an den Arbeitskämpfen bei Tubacex, Petronor, PCB und Metall Bizkaia, Artiach angeklagt wurden, nachdem die Straf- und Verwaltungsverfahren, die gegen mehrere Arbeitnehmer "wegen ihrer Teilnahme an verschiedenen Mobilisierungen im Rahmen der Arbeitskämpfe" eingeleitet wurden, jetzt vor Gericht verhandelt werden.
Die Beschäftigten der Tubacex-Werke in Laudio und Amurrio streikten im vergangenen Jahr fast acht Monate lang aus Protest gegen 129 Entlassungen, in dieser Zeit kam es zu zahlreichen Demonstrationen, von denen einige mit Zwischenfällen und Anklagen durch die Ertzaintza endeten. In einer Erklärung beklagte der Betriebsrat die "Welle von Bußgeldern" die in Anwendung des Zensurgesetzes, "das vom Kongress bereits hätte gekippt werden müssen". Gleichzeitig wurde festgestellt, dass "ein Streik oder die Teilnahme an einer Demonstration kein Verbrechen sein kann".
Der Betriebsrat beschwerte sich, dass die Einstufung von Arbeitskonflikten als "Handlungen, die gegen die öffentliche Ordnung verstoßen" darauf abzielt, diese zu "kriminalisieren". Die Verhängung von Geldbußen stelle "einen neuen Versuch dar, die Arbeiterklasse einzuschüchtern, diesmal durch ungerechtfertigte und unverhältnismäßige wirtschaftliche Strafen". Der Betriebsrat hält die Geldstrafen, die "von der Stadtverwaltung selbst" gegen Tubacex-Beschäftigte verhängt wurden, für "besonders schmerzhaft".
"Wir gehen davon aus, dass ein Streik oder die Teilnahme an einer Demonstration kein Verbrechen sein kann. Dieser Versuch, den Kampf der Arbeiter zu kriminalisieren, ist kein Zufall, sondern eine politische Entscheidung. Angesichts von Arbeitskonflikten lässt die baskische Regierung nicht nur die Arbeitnehmer*innen im Stich, sondern stellt sich klar auf die Seite der Unternehmen, indem sie ihnen die Polizei wie einen privaten Sicherheitsdienst zur Verfügung stellt". Der prangert an, dass durch die Anwendung des Knebelgesetzes "auf dem Verwaltungsweg versucht wird, Strafen zu erwirken, die auf strafrechtlichem Wege nicht zu erreichen sind; einige Personen sollen zu Haftstrafen und andere zu unverhältnismäßigen Geldstrafen verurteilt werden".
(2022-04-11)
ÉLECTIONS – HAUTESKUNDEAK
Der erste Wahlgang der französischen Präsidentschafts-Wahlen ging ohne große Überraschungen zu Ende, die Prognosen wurden weitegehend erfüllt. Der rechte Macron wenige Prozentpunkte vor der Faschistin Le Pen, der linke Melenchon mit beachtlichem Ergebnis an dritter Stelle. Bemerkenswert das Abschneiden des zweiten faschistischen Kandidaten Zemmour, der es auf knapp sieben Prozent brachte, die im zweiten Wahlgang seiner Ultra-Konkurrentin zugeschlagen werden müssen. Bemerkenswert auch das Resultat der historischen längst sozialdemokratisch gewandelten Parti Socialiste, die mehrfach die Präsidenten stellte und mit 1,8% vor dem Verschwinden steht. Immerhin stellen die Schwesterparteien in Spanien und Deutschland derzeit die Regierungs-Chefs.
Mit diesen Ergebnissen wiederholt sich das Frankreich-Drama der letzten Jahre. Le Pen gegen die vereinigte bürgerliche Mehrheit. Denn bekanntlich gibt es im Staate der ersten bürgerlichen Revolution einen zweiten Wahlgang mit den beiden Stimmstärksten aus dem ersten Durchgang, wenn der zu keinem eindeutigen Resultat geführt hat. Wie schon bei den letzten drei oder vier Wahlen geben alle Nichtfinalisten für den zweiten Gang eine Empfehlung ab. Egal wie links oder ökologisch, die Verlierer empfehlen Macron – und die gespaltenen Faschisten rücken ebenfalls wieder zusammen.
Aus dem Baskenland betrachtet sind zwar keine riesigen, aber doch erkennbare Unterschiede bei den Ergebnissen festzustellen. Hier belegt nicht die Faschistin den zweiten Platz, sondern der linke Kandidat Melenchon, wenn auch mit weniger Prozentpunkten. Der unabhängige Landwirt aus der baskenland-nahen Gegend Bearn holte 11,6% statt nur 3,1% auf Staatsebene.
Es folgen die Ergebnisse (Kandidat/in – Partei – Ergebnis Iparralde – Ergebnis Frankreich) Die Iparralde-ergebnisse liegen nur für die ersten fünf Kandidat*innen vor): Macron (EM!) (Ipar 28,7%) (F 27,8%) *** Melenchon (Insumise) (Ipar 18,3%) (F 22%) *** Le Pen (RN) (Ipar 15,7%) (F 23,1%) *** Lasalle (Unab) (Ipar 11,6%) (F 3,1%) *** Zemmour (FR!) (Ipar 6,9%) (F 7,1%) *** Pecresse (LR) (Ipar ?) (F 4,8%) *** Jadot (Öko) (Ipar ?) (F 4,6%) *** Roussel (xx) (Ipar ?) (F 2,3%) *** Dupont-Aignan (DLF) (Ipar ?) (F 2,1%) *** Hidalgo (PS) (Ipar ?) (F 1,8%).
(2022-04-10)
EIN KORRUPTES KOMPLOTT
Ein spanischer Gerichtshof hat die postfranquistische “Volks-Partei“ (Partido Popular) zum dritten Mal verurteilt, weil sie von einem bereits seit Jahren vor Gericht verhandelten systematischen Korruptions-System profitiert hat. Im Urteil wird als erwiesen bezeichnet, dass ein Teil der illegalen Einnahmen durch das korrupte System zur Deckung der Wahlkampfkosten der PP in Boadilla del Monte (Region Madrid) zum Einsatz kam. Mit dem Urteil werden die Organisatoren des korrupten Netzwerks zu Haftstrafen verurteilt, die Partei selbst wird zu einer Rückzahlung von mehr als 200.000 Euro verpflichtet.
Neue Skandale
Die Verurteilung fällt zeitlich mit einem neuen Skandal zusammen, bei dem es um die Zahlung von Kommissionen in Millionenhöhe geht. Diesmal an die Stadtverwaltung von Madrid, die dringende Notwendigkeit von Gesichts-Masken in den ersten Tagen der Pandemie wurde schamlos ausgenutzt für individuelle Profitinteressen. Somit geht es nicht nur darum, dass die PP mehrfach verurteilt wurde, weil sie von Korruption profitiert hat, sondern auch darum, dass diese Praktiken weitgehend ungestraft weitergehen. Sie sind Teil der Parteikultur. Der neue Parteichef Feijóo hat bereits darauf hingewiesen, dass man die Vergangenheit nicht verleugnet, sondern aus ihr lernt. Das könnte auf Besserung hindeuten, aber auch auf eine Perfektion des faulen Systems, um nicht erwischt zu werden.
Lange Tradition
Es sollte nicht vergessen werden, dass die Verwendung von Betrugs-Geldern die Wahlprozesse, an denen die PP teilgenommen hat, pervertiert hat. Die dabei erreichten Stimmen und Sitze entsprechen daher nicht dem tatsächlichen Verdienst der Partei, sondern ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, die das Ergebnis der Plünderung der öffentlichen Kassen beinhaltet. Die überdimensionale Vertretung in der Verwaltung führte gleichzeitig zu verbesserten Möglichkeiten, unbeachtet in die öffentlichen Kassen zu greifen. Ein Teufelskreis aus dem Lehrbuch. Dieses Lehrbuch wurde im Franquismus geschrieben. Korruption ist ein System, das üblicherweise “unterentwickelten“ Gesellschaften in Asien, Arabien oder Afrika nachgesagt wird. In der spanischen Diktatur war sie gleichwohl überall verbreitet, nicht zuletzt, um eine Basis von faschismus-treuen Vasallen zu erhalten. Wer sich zum Caudillo und seinen Machenschaften bekannte, genoss in jeder Hinsicht Straffreiheit bei jeglicher Schweinerei. Die “Partei“ aus der Madrider Genova-Straße hat dieses Erbe ehrenvoll angetreten.
Tentakel im Baskenland
Darüber hinaus haben die Postfranquisten (die sich nie von der Diktatur losgesagt haben) diese institutionelle Macht genutzt, um Rechte und Freiheiten zu beschneiden und ihre rückschrittlich-reaktionäre Vision der Gesellschaft durchzusetzen. In Euskal Herria, wo die Postfranquisten nur marginal vertreten sind, haben sie ihre Macht genutzt, um baskische Dissidenten zu verfolgen und Wahlmehrheiten zu manipulieren, indem linke Parteien verboten, Medien geschlossen und Gesetze verdreht wurden, um Gefangene zu bestrafen. Eine ganze Sammlung politisch inakzeptabler Verhaltensweisen. Erst dank der Transition (Übergang nach Franco) und jetzt dank Vox gelang es diesen alten Franco-Freunden, zu verschleiern, was sie wirklich sind: eine korrupte, rechtsextreme, putsch-freundliche und antidemokratische Partei. Nicht wenige Stimmen fordern deshalb, dass diese Polit-Mafia von Rechts wegen aufgelöst wird. Unglücklicherweise ist die Justiz in gleicher Weise infiziert.
(2022-04-09)
AM 10. TODESTAG
Angehörige und Freunde von Iñigo Cabacas Lizaranzu fordern am zehnten Jahrestag seines Todes "Gerechtigkeit": "Wir fordern weiterhin Anerkennung und Wiedergutmachung, der Einsatz von Gummigeschossen muss aufhören, einzusetzen", so die Plattform Iñigo Cabacas Herri Ekimena (Volksinitiative). Am 10. Todestag des Athletic-Fans haben sich heute Angehörige und Freunde von Iñigo Cabacas in der Sackgasse nahe des Fußball-Stadions San Mames versammelt, wo der junge Mann sein Leben verlor, nachdem er bei einem irrsinnigen Angriff der baskischen Ertzaintza-Polizei von einem Gummigeschoss am Kopf getroffen wurde. Eneritz Zabala, Mitglied der Plattform Iñigo Cabacas Herri Ekimena, beklagte, dass "zehn Jahre vergangen sind und wir immer noch auf eine wirkliche Gerechtigkeit warten". Im Namen aller anwesenden forderte sie "ein Ende der Verwendung von Gummigeschossen, die in den meisten europäischen Ländern verboten sind, aber nicht hier, wo sie immer noch verwendet werden können".
Einmal mehr nahmen an der Gedenkfeier Hunderte von Personen teil, auch Manu und Fina, die Eltern von Iñigo Cabacas und ein großer Kreis von Freundinnen und Freunden. Der Bertsolari Arkaitz Estiballes sang Verse, an der Gedenktafel für Cabacas wurden Blumen niedergelegt. Die Eltern erhielten auf der Bühne Geschenke von vielen, die seit 10 Jahren an der Erinnerungs-Kampagne beteiligt sind. Anwesend waren Mitglieder einer katalanischen Initiative von Personen, die durch Polizeigeschosse Augen verloren. Blumengebinde kamen auch aus Galicien, von einem mit Athletic-Fans befreundeten Fanclub in A Coruña.
"Vor Gericht haben wir nicht gewonnen, aber sehr wohl auf der Straße, nur hier fanden wir Unterstützung und viele Freundinnen und Freunde", dankten die Eltern. Sie enthüllten eine Gedenktafel, mit der der Platz nach ihrem Sohn Iñigo benannt wurde. "Wir wollen Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und eine Garantie, dass so etwas nicht wieder vorkommt", forderten die Organisator*innen der Veranstaltung, die darauf hinwiesen, dass "die Polizeiaktion nach den Vorschriften über die öffentliche Ordnung nicht gerechtfertigt war, da sie auch ohne Gummigeschosse hätte durchgeführt werden können". An der Veranstaltung nahmen zahlreiche Gruppen teil, die sich in verschiedenen autonomen Gemeinschaften für die Abschaffung dieses Materials einsetzen.
Eneritz Zabala erinnerte daran, dass "trotz aller Unterstützung durch die Bevölkerung keine Veränderungen in den Institutionen oder im derzeitigen Polizeimodell stattgefunden haben. Die von der Opposition aus eine Aufklärung forderten, sind jetzt in der Regierung und haben ihre Forderung vergessen. Die Hoffnung geht nicht verloren, aber wir erwarten für die Zukunft nichts anderes als das, was wir bisher erlebt haben", räumte sie ein. "Das Urteil hatte nur eine positive Seite, nämlich die Anerkennung der Unverhältnismäßigkeit der Polizeigewalt, die sich aber nicht in den Verurteilungen niederschlug", sagte er.
Iñigo Cabacas wurde nach einem Europacup-Fußball-Spiel bei der Siegesfeier in einer Sachgasse ohne Entrinnen mit einem Gummigeschoss auf Augenhöhe der Schädel zertrümmert. Vier Tage später starb er, ohne aus dem Koma aufgewacht zu sein. Die Verantwortlichen für diesem „Polizeimord“ wurden nicht belangt, geschweige denn vor Gericht gestellt. Die Anwältinnen der Familie klagen nun von der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
(2022-04-08)
DEN VAMPIR-KAPITALISMUS UNTERSUCHEN
Greenpeace beziffert die "zusätzlichen" Einnahmen der Ölkonzerne in der Europäischen Union aufgrund der eklatant hohen Diesel- und Benzinpreise nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine auf 3 Milliarden Euro und fordert Brüssel auf, mögliche Preisabsprachen zu untersuchen. Aus dem Greenpeace-Bericht: "Ölgesellschaften, die großen Nutznießer des Krieges".
Ein von der Umweltorganisation Greenpeace veröffentlichter Bericht, der vom Forschungsinstitut Energy Comment erstellt wurde, analysiert die Gewinnspannen entlang der gesamten Lieferkette und kommt zu dem Schluss, dass die Ölkonzerne seit dem Beginn des russischen Einmarsches in der Ukraine Ende Februar 3 Milliarden Euro zusätzlich mit dem Verkauf von Kraftstoffen in der EU verdient haben. Hochgerechnet auf den gesamten Monat März errechnen sich für die Mineralöl-Gesellschaften durchschnittliche Mehreinnahmen von 107 Mio. Euro pro Tag, davon 94 Mio. Euro für den Dieselverkauf und 13 Mio. Euro für den Benzinverkauf.
Nach Ländern aufgeschlüsselt, verdienen die Multis in Deutschland täglich 32,2 Millionen Euro, in Frankreich 13,3 Millionen, in Italien 12,5 Millionen, in Spanien 7,6 Millionen, in den Niederlanden 4,3 Millionen, in Österreich 4,3 Millionen und in Belgien 2,2 Millionen. Auf Anfrage von Efe weigerten sich die beiden größten in Spanien tätigen Ölgesellschaften, Repsol und Cepsa, den von der Umweltorganisation veröffentlichten Bericht zu bewerten. Beide Unternehmen arbeiten nicht direkt mit Russland zusammen und wenden an ihren Tankstellen Boni an, die über die von der spanischen Regierung festgelegten 20 Cent (von denen 5 Cent von den Unternehmen gezahlt werden) hinausgehen, um die Preisstaffelung auszugleichen.
Zusätzliche Einnahmen und Gewinne
Der Greenpeace-Bericht zeigt auf, dass es eine starke Korrelation zwischen zusätzlichen Einnahmen und Gewinnen vor Steuern gibt, da die Kosten mehr oder weniger auf dem gleichen Niveau geblieben sind. Außerdem dürften die durch die steigenden Gaspreise bedingten Kostensteigerungen in den Raffinerien durch andere günstige Entwicklungen ausgeglichen werden, wie z.B. die derzeitigen Preisnachlässe für Ural-Fässer, die wichtigsten Rohölimporte der EU, oder die günstige Lage für Ölgesellschaften, die auch mit Gas handeln.
Die Studie basiert auf dem durchschnittlichen Brent-Rohölpreis zwischen Januar und März und den vom European Union Oil Bulletin zwischen dem 7. und 28. März 2022 erhobenen Pumpenpreisen. "Während Millionen von Europäern mit himmelhohen Treibstoff- und Energiekosten zu kämpfen haben, treibt die Ölindustrie die Preise in die Höhe, um dank der anhaltenden Kriegs- und Energiekrise Rekordgewinne zu erzielen", klagte die Greenpeace-Kampagnenleiterin für Klima und Verkehr.
Steuern zur Unterstützung der Haushalte
Die NRO erinnerte daran, dass die Europäische Kommission eine vorübergehende Besteuerung "außerordentlicher" Gewinne im Energiesektor zulässt, "eine Möglichkeit, der die Ölgesellschaften entgehen, da die wenigen Mitgliedstaaten, die diese Maßnahme angewandt haben (einschließlich Spanien), sich nur auf Gas- und Stromgewinne konzentriert haben". "Wir fordern die europäischen Regierungen auf, diese schamlose Ausbeutung des ukrainischen Leids zu beenden und Steuern auf diese unmoralischen Gewinne zu erheben. Die Einnahmen aus diesen Steuern sollten dazu verwendet werden, Haushalte mit begrenzten Mitteln bei der Deckung ihrer Bedürfnisse zu unterstützen und den Übergang unseres Verkehrssektors zu beschleunigen", so die Umweltsprecherin.
Derselben Quelle zufolge haben Länder wie Deutschland und Österreich nach den Rekordpreisen für Kraftstoffe im März Ermittlungen wegen möglicher Preisabsprachen oder Kartelle zwischen Ölgesellschaften eingeleitet. Greenpeace hat Brüssel aufgefordert, seine Untersuchungen auch auf die unverhältnismäßigen Preiserhöhungen für Diesel und Benzin in der gesamten Union zu richten, um sicherzustellen, dass sie nicht auf eine Preisabsprache zwischen Unternehmen zurückzuführen sind".
(2022-04-07)
KEIN SOZIALPAKT ZUR VERARMUNG
Die historische baskische Gewerkschaft ELA veranstaltete diese Woche eine Versammlung in Bilbo, an der mehr als 3.000 Menschen teilnahmen. Im Anschluss gab es im Zentrum der Stadt eine Demonstration, um auf die Situation der "541.600 prekär Beschäftigten in Hego Euskal Herria", dem Süd-Baskenland, hinzuweisen. In seiner Rede machte Gewerkschafts-Sekretär Mitxel Lakuntza deutlich: " ELA wird sich keinem Einkommenspakt anschließen, der für die Arbeitnehmerinnen eine Verarmung bedeutet". Die Gewerkschaft bekräftigte ihr Engagement im Kampf gegen die Arbeitsplatz-Unsicherheit. Zu Wort kamen Arbeitnehmer*innen, die sich in gewerkschaftlichem Kampf mit prekären Arbeits-Situationen konfrontiert haben.
So nahmen Arbeiter von Novaltia teil, die in diesem April seit 1.000 Tagen gegen Prekarität streiken, was den Ausstand zum "längsten Streik in Europa" macht. Auch die Mitarbeiter*innen der Pflegeheime wurden gewürdigt. Im Anschluss an die Veranstaltung fand um die Mittagszeit eine Demonstration zum Hauptsitz von des baskischen unternehmer-Verbands Confebask statt, mit dem Motto "Keine prekäre Arbeit mehr".
In seiner Rede betonte ELA-Generalsekretär, Mitxel Lakuntza, dass "wir die Situation der mehr als 541.000 prekär Beschäftigten im Baskenland (234.300 in Navarra und 407.300 in der Autonomen Region Baskenland) nicht als “normal“ betrachten können". Aus diesem Grund fordert ELA von Verwaltungen und Arbeitgebern einen Mindestlohn von 1.381 Euro, Lohnerhöhungen in Übereinstimmung mit der Preissteigerungs-Rate, die Konsolidierung der Zahl öffentlicher Angestellter, eine Erhöhung der Zahl der Inspektoren, die öffentliche Anstellung von bisherigen Leiharbeiterinnen sowie die Verstaatlichung der Energie-Unternehmen.
Mit der Feststellung: "Prekarität ist schlecht fürs Leben" richtete sich Lakuntza an die Senatorin für wirtschaftliche Entwicklung, Nachhaltigkeit und Umwelt der baskischen Regierung, Arantxa Tapia: "Prekarität, Frau Tapia, hat einen schlechten Ruf und, außer dem schlechten Ruf bringt sie ein schlechtes Leben". Lakuntza wies darauf hin, dass die Arbeitsplatz-Unsicherheit ein "soziales Problem für alle" sei, da schlechte Arbeitsbedingungen "immer mehr Todesfälle und Krankheiten verursachen". Aus diesem Grund", betonte er, "bedeutet die Bekämpfung der Prekarität eine Verbesserung der Gesundheit der Arbeitnehmer*innen und damit der Gesellschaft selbst".
Gleichzeitig erinnerte er daran, dass der Ursprung der derzeitigen Wirtschaftslage und der Inflation in die Zeit vor dem Ukraine-Krieg zurückreicht. "Der Mangel an Rohstoffen und Materialien, die Spekulation mit Brennstoffen und das System der Preis-Festsetzung der Elektrizitäts-Unternehmen sind die Ursachen für den Anstieg der Inflation. Sie lassen uns für Wasser, Sonne und Wind mit dem Preis von Gas bezahlen", erklärte er. Den Provinzial-Regierungen und der Regional-Regierung von Navarra warf er vor " dem Handbuch der rechten PP zu folgen". Der ELA-Vorsitzende betonte, dass "die Energie-Unternehmen Gewinne in Höhe von 6,5 Milliarden Euro gemacht haben", er ist der Ansicht, dass "diese Unternehmen die Menschen mit Unterstützung der öffentlichen Institutionen bestehlen".
"Weder die Regierung Sánchez, noch die Regierungen in Gasteiz oder Iruñea, noch die Provinz-Regierungen haben eine einzige Maßnahme ergriffen, um die Spekulation und die Gewinne der Energie-Unternehmen zu begrenzen". Die hatten im vergangenen Jahr die Preise auf ein sechsfaches erhöht. Stattdessen bestünden die Vorschläge der Provinz-Administrationen von Araba, Bizkaia, Gipuzkoa und der Navarra-Regierung in "rechtslastigen Steuersenkungs-Vorschlägen", wie aus dem Handbuch der postfranquistischen PP. Um dieser Situation zu begegnen, wird ELA "weiterhin für Lohnerhöhungen eintreten" und "keinen Einkommenspakt mitmachen, der zu Lasten der armen Arbeitnehmer geht". - "ELA wird keine Vereinbarung auf Kosten der Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer*innen akzeptieren, während die Unternehmen weiterhin Gewinne machen und wenig oder gar nichts in die öffentlichen Kassen einzahlen", warnte er.
"Überrascht" zeigte sich Lakuntza von der baskischen Linken und über "deren Bereitschaft, solche Art von Pakten zu schließen". Er fragte: "Mit wem sollen wir einen Einkommenspakt unterzeichnen? Mit einem Arbeitgeber-Verband, der nicht in der Lage ist, die Vorrangstellung baskischer Vereinbarungen bei der Arbeitsreform zu verteidigen? Mit demselben Arbeitgeber-Verband, der Tarif-Verhandlungen blockiert? Er stellte fest, dass diese linken Parteien, "anstatt uns an den Verhandlungstisch mit leeren Inhalten holen zu wollen, lieber an unserer Seite stehen und den Kampf der Gewerkschaften unterstützen sollten". Lakuntza betonte, dass "in diesen Foren niemand nach ELA suchen" sollte. “Da wird nicht nur Zeit verschwendet, da geht auch Glaubwürdigkeit verloren".
(2022-04-06)
IBRAHIMA, AMETS UND DER PAPST
Die Geschichte von Ibrahima Balde und Amets Arzallus, für den Papst Franziskus ein Beispiel für das Drama der Migration. Letzter war kürzlich in Malta, wo er ein Aufnahmezentrum für Migrant*innen besuchte, die auf dem Mittelmeer ihr Leben riskieren. Er verglich die Geschichten dieser Menschen mit der Geschichte von Ibrahima Balde, die in dem von Ibrahima selbst und Amets Arzallus unterzeichneten Buch "Miñan" zusammengefasst ist.
"Es ist ein Thema, das die Herzen der ganzen Welt berührt. So wie Europa großzügig Platz für die Ukrainer macht, die an seine Tür klopfen, muss es auch Platz für diejenigen machen, die aus dem Mittelmeer-Raum kommen", sagte der Pontifex, der "schreckliche Geschichten" gehört hat. Er verglich diese "Zeugnisse und Leiden" mit der Geschichte von Ibrahima Balde aus dem Buch "Miñan" ("Kleiner Bruder" auf Spanisch). Ibrahima verließ sein Geburtsland Guinea, um seinen kleinen Bruder zu suchen. "Ich bin in Europa, aber ich wollte nicht nach Europa kommen", erzählt er am Anfang des Buches, in dem er von einer Odyssee über Grenzen, Wüsten und Ozeane hinweg erzählt.
Der Bertsolari-Sänger und Schriftsteller Amets Arzallus arbeitete in der Unterstützungs-Initiative für Migrant*innen. Dort lernte er Ibrahima kennen und war fasziniert. Seitdem fühlt er sich nicht nur mit Ibrahimas Geschichte verbunden, sondern auch mit Ibrahima als Person. Und der Notwendigkeit, diese Geschichte vielen anderen zu erzählen. "Wenn man eine so harte Geschichte auf so merkwürdige Weise erzählt bekommt, weiß man nicht, woran man sich halten soll. Man weiß nicht, ob es legitim ist, das zu fühlen, was man neben der Bitterkeit fühlt, ob es angemessen ist, diese Ehrfurcht, diese seltsame Schönheit zu fühlen, wie man es sagen soll. Man versucht, es zu ignorieren, sich nicht unterkriegen zu lassen, aber man spürt es trotzdem", schreibt er im Nachwort.
Darin erinnert er sich, dass "in dieser Stimme etwas Besonderes lag. Eine besondere Wunde, eine besondere Art zu erzählen. Als würde der Körper mit den Worten gehen. Ich schlug ihm ein Gespräch vor, um ihm bei seinem Asylantrag zu helfen. Und so entstand zwischen uns eine Bewegung, ohne dass wir es merkten, eine Beziehung, die nicht leicht in Worte zu fassen ist". Leider sind wir bi heute Lichtjahre davon entfernt, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer und jene aus der Ukraine auf dieselbe Stufe zu stellen, was Menschenrechte betrifft.
(2022-04-05)
EIN TOTER FUSSBALLFAN
Der fünfte April 2012 hätte in Bilbao eigentlich ein uneingeschränkter Festtag sein können. Athletic hatte im Europacup Schalke 04 ausgeschaltet, selbst das 2:2-Unentschieden im Rückspiel in Bizkaia war ein Fest. Doch wie so oft – nach Schlusspfiff kam alles anders.
Nahe des Stadions hatten Fans das Spiel auf Plätzen angeschaut, weil die Kneipen ihre Fernseher nach außen gedreht hatten, Eintrittskarten waren schon lange ausverkauft. Kurz nach Abpfiff lief bei der baskischen Ertzaintza-polizei eine Anzeige ein wegen einer angeblichen Schlägerei. Ein Polizeitrupp wurde geschickt. Deren Leiter meldete kurze zeit später, die Sache habe sich beruhigt. Doch der Einsatzleiter – im Büro – bestand darauf, “mit allen verfügbaren Kräften“ den Platz der Geschehnisse anzugreifen. Nicht weniger als eine bekannte linke Kneipe, in der oft linke Fans verkehrten. Widerwillig folgte das Polizei-Kommando dem Befehl, in der Folge schossen 10 Beamte mit Gummigeschossen auf eine feiernde Menge. Nicht jedoch, wie vorgeschrieben, über die Köpfe hinweg, sondern auf Augenhöhe. Panik. Einer in der ersten Reihe wurde getroffen, sein Gehirn zu Brei geschossen. Vier Tage überlebte er im Koma, am 9. April war Lebensende. Iñigo Cabacas. Der Name wird die nächsten 50 Jahre nicht vergessen, das Team von Athletic lief mit diesem Namen auf den Shirts zum nächsten Spiel auf.
Was war passiert? Ein unfähiger Kommandeur hatte seine Leute in einen unnötigen Krieg geschickt. Um alte Rechnungen zu begleichen. Eine Reihe von Dienstvergehen wurde offenbar, Polizei-Munition verschwand, die Protokolle wurden nicht eingehalten. Den Eltern des Toten wurde Schweigegeld angeboten. Es folgten riesige Demonstrationen in Solidarität mit den Eltern. Jahre später tauchten Audios aus dem Polizeifunk auf, die die schlimmsten Mutmaßungen bestätigten. Der Prozess ließ auf sich warten – oder wurde bewusst hinausgezögert. Im neunten Jahr nach dem “Polizeimord“ war es so weit.
Nur noch vier von zehn Polizisten saßen auf der Anklagebank, jene vier, die eingestanden hatten, geschossen zu haben. Wer das tödliche Gummi-Geschoss abgefeuert hatte, war nicht herauszufinden. Wieviel Munition in der Todesnacht ins Polizeirevier zurückkam, war unklar, weil die entsprechenden Formulare nicht ausgefüllt worden waren. In vollster Absicht. Die vier Beamten wurden – abseits jeglicher Überraschung – freigesprochen. Nie wurde ein Verantwortlicher für den gezielten oder fahrlässig in Kauf genommenen Tod (Mord) von Iñigo Cabacas zur Rechenschaft gezogen. In einem Akt von Wahnsinn klagte der verantwortliche Einsatzleiter gegen die Eltern des Toten auf eine Million Schmerzensgeld. Ein Gericht wies dies zurück, kurze Zeit später wurde er in den Ruhestand versetzt, wie es in der Amtssprache heißt.
Im Baskenland ist viel von Opfern die Rede und deren offizieller Anerkennung. Die Opfer des Krieges, die Opfer der franquistischen Diktatur. Die Opfer von ETA. Die Opfer der staatlichen Todesschwadronen. Die Opfer von Polizeigewalt mit politischem Hintergrund. Iñigo Cabacas gehört nicht dazu. Als wäre er nicht tot, als wäre jene fatale Gummikugel nie abgeschossen worden. Nie fand sich ein Politiker bereit, auch nur ein Wort der Anteilnahme zu verlieren. Außer jenen, die von Beginn an zur Familie gehalten hatten.
Iñigo Cabacas war kein Hooligan oder fanatischer Querteiber, von denen es auch in Bilbao welche gibt. Ein junger Mann, der seinen Eltern in der Kneipe aushalf, ohne politisches Profil. Als die Polizei nach dem Spiel in die Menge schoss, konnte niemand abhauen, weil die Menge in einer Sackgasse stand. Iñigo Cabacas hatte das Pech, im falschen Moment in der äußersten oder ersten Reihe zu stehen. Es hätte jeden anderen treffen können. Es hat alle getroffen. Unvergessen. (BKI)
(2022-04-04)
GERNIKA, KRIEGE 85 JAHRE SPÄTER
85 Jahre nach der Bombardierung Gernikas wird am 26. April an Kriege erinnert, die Plattform Memoriaren Lekuko (Zeugen der Erinnerung) bereitet ein Veranstaltungs-Programm zum Jahrestag des Luftangriffs vor. Die Erinnerung an jenen schicksalhaften Markttag im Jahr 1937, an dem die deutsche Legion Condor die Bizkaia-Stadt durch den Abwurf von Spreng- und Brandbomben aus der Luft zerstörte, jährt sich zum 85. Mal. In diesem Jahr vor dem Hintergrund eines offenen bewaffneten Konflikts, wie der Invasion in der Ukraine, der als nicht so weit entfernt empfunden wird wie andere Kriege.
"Gerade jetzt müssen wir die Erinnerung und den Frieden unserer Bevölkerung verteidigen", so die Plattform Gernika Memoriaren Lekuko, in der verschiedene Vereinigungen zusammengeschlossen sind - Gernika Batzordea, Sare Gernika-Lumo, Arrano Kultur Elkartea, Ipes Elkartea, Lobak, Zine Kluba, Ernai, Astra, Kultur Etxea, Euskal Herrian Euskaraz, Gernika Garretan und La Baula - für Erinnerung, Kultur und Menschenrechte in der Stadt. "Leider sehen wir 85 Jahre später täglich, wie in der Ukraine, in Palästina, in der Sahara ... immer noch neue 'Gernika' entstehen", beklagen die Organisator*innen.
Das Forum von Organisationen und Akteuren verschiedener Art hat ein umfangreiches Programm von Veranstaltungen und Initiativen ausgearbeitet, die im Laufe des nächsten Monats stattfinden werden, mit dem Ziel, "die Kriege anzuprangern und auf die Wichtigkeit zu bestehen, Zeugnisse, Erinnerung und Wahrheit nicht sterben zu lassen und sie lebendig zu halten", so Gernika Memoriaren Lekuko.
Witwen von Sartaguda
Der Veranstaltungskalender (5. und 29. April) umfasst Vorträge, eine Filmreihe und eine Route für den 23. April, "als Hommage an die republikanischen Gefangenen, die die Eisenbahnlinie gebaut haben". Auf dem Programm steht auch ein vertonter Gedichtvortrag von Mikel Etxaburu, Nerea Zuluaga und Izaskun del Cano unter dem Titel "Oroitzen Hondarrak Nota Txikietan", der am 24. Mai im Astra Kulturzentrum stattfindet. Die Gruppe Gernika Garretan Kultur Elkartea und Ateneu Cooperatiu La Baula aus Lleida werden auf der gleichen Bühne einen Vortrag über die Zwangsarbeitslager der Repressalien in der katalanischen Stadt halten. Am 24. Mai wird die Plattform außerdem eine antimilitaristische Veranstaltung rund um den Mercurio-Brunnen abhalten.
Höhepunkt des Programms ist jedoch der 26. April, der mit dem 85. Jahrestag der Bombardierung zusammenfällt. Auch in diesem Jahr werden die Sirenen von Paseleku und Astra das Leben in der Stadt für einige Minuten zum Stillstand bringen, um den Opfern des brutalen Anschlags zu gedenken. In diesem Jahr wird dieser Moment von Mitgliedern der Vereinigung "Dorf der Witwen" aus Sartaguda begleitet. Die vier Schweigeminuten werden "um 15.45 Uhr beginnen, genau in dem Moment, als die Bomben zu fallen begannen". Die Veranstaltungen des Tages enden mit einer Lichterdemonstration um 21.30 Uhr auf dem Forua-Platz.
(2022-04-03)
PABLO GEFANGEN IN POLEN
Mehr als ein Monat ist es her, dass der baskische Journalist Pablo Gonzalez in Polen verhaftet wurde. Ohne Anwaltskontakt. Vorwurf Spionage. Sowohl Brüssel als auch Madrid, die der polnischen Regierung kritisch gegenüberstehen, reagieren inmitten des Ukraine-Krieges zurückhaltend zum Fall des Reporters, dessen Inhaftierung einen flagranten Angriff auf das Recht auf freie Berichterstattung darstellt.
Angesichts der Tatsache, dass der Journalist Pablo González schon mehr als fünf Wochen inhaftiert ist und praktisch keine Verbindung nach außen hat, ist es besonders schmerzhaft, über die Gründe nachzudenken, die Polen anführen könnte, um einen solchen Angriff auf die Informationsfreiheit und die Menschenrechte, einschließlich der Journalisten, zu rechtfertigen. Klar ist, dass Pablo (Pavel) durch seine journalistische Arbeit in der Ukraine ins Fadenkreuz des dortigen Geheimdienstes geraten ist. Seine Festnahme und drohende Ausweisung durch den Geheimdienst Wochen vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine war der Auftakt zu seiner späteren Verhaftung an der polnischen Grenze.
Pablo war in der Ukraine während des EuroMaidan-Aufstands (2013-2014), beim pro-russischen Aufstand und dem anschließenden Unabhängigkeits-Referendum auf der Krim, und berichtete für die baskische Tageszeitung Gara und andere spanische Medien über den Krieg im Donbass von beiden Fronten aus – was wenn möglich jeder Journalist tun sollte. Doch Armeen und Regierungen (nicht nur die ukrainische und die russische) mögen es nicht, wenn die Presse ihrem Feind eine Stimme und ein Gesicht gibt, sie bevorzugen das Modell des folgsamen “eingebetteten Journalisten“, das von der US-Armee im Irak und in Afghanistan praktiziert wurde, und nützlich ist, um das Desaster ihrer Invasionen und Besetzungen zu vertuschen.
Pavel war Zeuge und Teilnehmer an der Debatte, ob der Euro-Maidan seinem Ursprung als Ausdruck des Wunsches nach radikalem Wandel treu blieb oder ob er letztlich in einer Art Staatsstreich endete, der von der EU begeistert unterstützt wurde und der die Ablösung der russland-nahen Oligarchen an der Spitze der Macht durch andere, mit dem Westen verbündete Oligarchen bedeutete. Er tat dies ohne jene vorgefertigte Parteilichkeit, die ebenso selbstgefällig wie unwissend daherkommt und vielerorts üblich ist. Denn Pablo González interessierte sich für die Fakten, die jeder Analyse zugrunde liegen sollten.
So entdeckte er, als er mit anderen Journalisten über die Krim-Krise berichtete, dass es sich bei den mysteriösen "grün uniformierten Männern" ohne Abzeichen und Ausweise, die das Krim-Referendum bewachten, in Wirklichkeit um undercover arbeitende russische Soldaten handelte, die über die reale Annexion an Russland wachten. Dies gelang Pablo, weil er die slawische Sprache beherrschte und durch die Identifizierung von Nummernschildern und Plaketten an ihren Fahrzeugen. In Spionageromanen gibt es viele Doppelagenten und die bizarrsten Komplotte. Aber dass ein "Agent im Dienste Russlands", wie es Pavel vorgeworfen wird, die Strategie seines Patenlandes (Russland) aufdeckt, übertrifft jede Fiktion, die Anschuldigung ist nichts als eine plumpe und grausame Lüge.
Aber jenseits der Ukraine und ihres Dramas, das seit Jahrhunderten andauert, gibt es eine ergänzende "Erklärung" für seine ungerechte Verhaftung und Inhaftierung. Pablo González hat für die Agentur Efe aus Warschau auch über Proteste der Opposition und von Gruppen wie der polnischen LGTBI gegen die Regierung berichtet. Eine Regierung, die der katholisch-fundamentalistischen PiS-Partei der Gebrüder Kaczynski, die mit Putins orthodoxem und ultrakonservativem Russland einen Kulturkrieg führt. Das fremdenfeindliche und reaktionäre Polen, das bis zum Krieg in der Ukraine im Fadenkreuz der EU stand, weil es die Unabhängigkeit der Justiz, die politische Opposition sowie die Meinungs- und Informationsfreiheit angriff.
Pavel, das sollten die Verantwortlichen der EU-Exekutive in Brüssel und der spanischen Regierung in Madrid nicht vergessen, ist ein Gefangener Europas, im politischen wie geografischen Sinn. Gefangener in Europa. Pablo hat nicht nur mit Objektivität aus der Ukraine und von beiden Seiten der Donbass-Front berichtet, sondern auch über die Proteste der Opposition und der LGTBI-Gruppen in Polen gegen die Regierung.
(2022-04-02)
POLIZEI-BRUTALITÄT
Coronavirus-Pandemie, Lockdown, niemand darf auf die Straße, außer zum Einkauf des Notwendigsten. Polizei ist mit der Überwachung der Einhaltung der Einschränkungen zuständig. San Francisco, Bilbao, Arbeiter- und Migrations-Viertel, hohe Polizeipräsenz auch zu “Friedenszeiten“. Umso mehr mit Covid.
Ein junger Mann wird auf der Straße angehalten, er hat ein kleines Paket in der Hand, das er gerade gekauft hat. Polizeikontrolle: er ist als Ausländer erkennbar und wird angesprochen. Dann geht es Schlag auf Schlag. Der Junge wehrt sich, versucht vergeblich zu erklären, wird an die Wand gestellt. Seine Mutter kommt dazu und erklärt, dass ihr Sohn eine Behinderung hat. Als die Polizisten auf den Jungen losgehen, kommt ihm die Mutter zu Hilfe. Sie wird brutal auf den Boden geworfen, halb auf dem Gehweg, halb auf der Straße, ein Polizist wirft sich auf sie. Die Frau regt sich nicht mehr. Der Krankenwagen wird gerufen und nimmt die Frau mit. Der Junge wird festgenommen. Proteste auf der Straße gegen die Polizeigewalt sind unmöglich. Wegen Covid.
Die makabre Szene wird begleitet von Schreien gegen die Polizei von Nachbar-Balkonen aus. Jemand filmt und schafft ein Dokument für die Ewigkeit. Tage später kommt die Polizei wieder und spricht ein hohes Bußgeld gegen die Filmer aus, nachdem der Streifen durch die Medien gegangen ist. Die einen sprechen von Polizeiterror, der Innensenator leitet (angeblich) eine polizei-interne Untersuchung ein (von der nie wieder die Rede sein wird). SOS Rassismus spricht von einem “rassistischen Übergriff“ wie sie in San Francisco jede Woche vorkommen. Gegen Migrant*innen. Die Mutter – Fatima aus Marokko – wird angezeigt und vor Gericht gestellt. Wegen "Angriffs auf die Autorität". Es soll nicht die einzige Polizeiaktion im Barrio sein, die in den folgenden 20 Monaten als rassistisch angeprangert wird.
März 2022, zwei Jahre nach dem “Vorfall“. Vor dem Gericht in Bilbao versammeln sich solidarische Personen von SOS Rassismus, um Fatima ihre Solidarität zu zeigen. SOS hat ihr einen Anwalt gestellt. Das Urteil überrascht alle: Fatima und ihr Sohn werden freigesprochen, dafür wird einer der Polizisten verurteilt. Zu einer eher geringen Geldstrafe. Aber verurteilt.
"Obwohl die Justiz den Aggressoren markiert hat, sind wir der Meinung, dass die Verurteilung des Beamten nur symbolisch war, da sie nicht die Schwere der Ungerechtigkeit und des polizeilichen Rassismus widerspiegelt, unter denen Fatima und ihr Sohn Salman zu leiden hatten", betont SOS Rassismus in einem Fazit. Es wird daran erinnert, dass Fatima und Salman "von dem Beamten wegen Verletzung angezeigt und kriminalisiert wurden, obwohl sie in Wirklichkeit die Opfer dieses gewalttätigen und rassistischen Vorfalls waren".
SOS warnte, dass "Gegenanzeigen eine Strategie der Polizei darstellen, um sich angesichts dieser Art von Aggression zu schützen, weshalb in diesem gegenseitige Anzeigen vorlagen. Mit anderen Worten: Fatima und ihr Sohn gegen die Polizei und umgekehrt". SOS betonte zudem, dass der "soziale Druck und die Unterstützung, die Fatima und Salman von vielen Gruppen und Nachbarinnen, die den Fall aufmerksam verfolgt und trotz der Schikanen der Polizei gegenüber den Zeugen unterstützt haben" grundlegend gewesen sei.
"Wir möchten zum Ausdruck bringen, dass wir weiterhin gegen rassistische Polizeigewalt kämpfen und wiederholten Macht-Missbrauch von Polizeikräften anprangern werden. Wir fordern die Verurteilung der rassistischen Kontrollen, der erniedrigenden Durchsuchungen in der Öffentlichkeit, der Aggressionen und der Gewalt, die von den verschiedenen baskischen Sicherheitskräften gegenüber Migranten Menschen praktiziert werden und die ihre Würde, ihre Rechte und die gesetzlichen Garantien verletzen, die für alle gelten", hieß es in der SOS-Erklärung. "Es ist ein Unding, diejenigen zu beschuldigen, die Opfer sind, und Solidarität und Protest zu kriminalisieren". Die Richterin hat dies verstanden. Zumindest in diesem Fall. (BKI)
(2022-04-01)
DAS AZAZETA-MASSAKER 1937
Beim franquistischen Massaker in Araba wurden in der Nacht des 31. März 1937 in der Stadt Azazeta (südlich von Gasteiz in der Provinz Araba) 16 politische Gefangene ermordet. In Anbetracht der Zahl der Opfer handelt es sich um das größte Massaker, das der Terrorapparat des Putschisten-Generals Francos in der Provinz verübt hat. Zur Erinnerung: In Araba gab es keinen Krieg, weil sich Militär und Politik sofort nach dem Putsch vom 18. Juli 1936 den Aufständischen angeschlossen hatten.
Doch auch ohne Kriegsaktionen waren die Franquisten bemüht, den Gegner ohne Waffen in die Knie zum Verschwinden zu bringen. Alle, die auch nur entfernt republikanischen Gedankenguts verdächtig waren, wurden in Gefängnisse gesperrt oder gleich über den Haufen geschossen. Mit dem Ziel, jeden Anflug von Opposition gegen die neuen faschistischen Herrscher im Keim u ersticken, füllten sich die Knaeste und Massengräber mit Tausenden von Opfern: Hinrichtungen, Verschwindenlassen, Inhaftierung, Folter, Exil. Besonders im Visier standen Beamte, Lehrer, Gewerkschafter, politische Aktivisten. Zwischen 1936 und 1945 wurden in Araba mehr als 300 Menschen ermordet. Bis heute werden viele von ihnen vermisst.
Am 31. März 1937 begann Francos Armee ihren Angriff an der Nordfront, bombardierte Durango und provozierte Hunderte von Opfern. Noch in derselben Nacht tauchte in der Nachhut eine Todesschwadron aus Requetés, Falangisten und Zivilgardisten im Gefängnis in Vitoria-Gasteiz auf. Angeführt von einem berüchtigten franquistischen Mörder der Stadt holten sie 16 Gefangene aus ihren Zellen und führten sie in Handschellen zu zwei Lastwagen, die am Tor auf sie warteten, um sie zum Azazeta-Pass zu bringen. Alle sechzehn wurden ermordet.
Unter den Erschossenen waren gewählte Volksvertreter und bedeutende republikanische, sozialistische, abertzale oder anarchistische Aktivisten. Andere waren Arbeiter, die inhaftiert worden waren, weil sie mit den Ideologien sympathisierten, die der Staatsterror Francos auslöschen wollte. Zu den Toten von Azazetas gehörte Teodoro González de Zarate, republikanischer Bürgermeister von Gasteiz, der der Republikanischen Linken angehörte. Daneben sozialistische Abgeordnete im republikanischen Stadtrat von Gasteiz, Vorstands-Mitglieder der EAJ-PNV und der Sozialistischen Radikalen Republikanischen Partei, ein Telegrafenangestellter, ein Tagelöhner, ein Maler mit PSOE-Parteibuch, ein Barbier, ein Installateur und ein Arbeiter, beide Mitglieder der anarchistischen CNT; zwei Mechaniker, Mitglieder der Kommunistischen Partei, ein Landwirt, ebenfalls CNT-Mitglied, ein republikanischer Eisenbahner und ein Pyrotechniker, Mitglied der sozialistischen Gewerkschaft UGT.
Am nächsten Tag wurde den Angehörigen der Opfer im Gefängnis mitgeteilt, die Gefangenen seien freigelassen worden. Kein Hinweis über ihren Verbleib. Die Zweifel wurden ausgeräumt, als der Priester kontaktiert wurde, den die Faschisten nach Azazeta mitgenommen hatten, um vor der Hinrichtung für die Gefangenen zu beten. Paarweise und mit Handschellen gefesselt wurden sie in den Wald gebracht, erschossen und in mehreren Erdlöchern verscharrt. Zwei Jahre später wurden die Überreste von drei der 16 Ermordeten geborgen. Es handelte sich um die Leichen des letzten republikanischen Bürgermeisters, des PNV-Vorsitzenden und eines republikanischen Gewerkschafts-Aktivisten. Diese drei Leichen wurden auf dem Friedhof in der Gemeinde Zaramaga beigesetzt. Die anderen 13 Opfer des Massakers von Azazeta blieben weitere 41 Jahre in den Bergen, bis sie im Sommer 1978 exhumiert und auf den Friedhof von El Salvador de Otazu in Gasteiz überführt wurden.
ABBILDUNGEN:
(0) Collage. (1) Azazeta-Massaker. (2) Brutale Polizei. (3) Journalist eingesperrt. (4) Gernika. (5) Toter Fussballfan. (6) Ibrahima und der Papst. (7) Kein Sozialpakt. (8) Vampir-Kapitalismus. (9) Todestag Cabacas. (10) Komplott. (11) Wahlen. (12) Geldstrafen für Streikende. (13) Homophobie. (14) Arbeitsunfälle. (15) Iparralde bremst Le Pen. (16) Streik bei Lidl. (17) Aberri Eguna. (18) Bomben auf Bilbao. (19) Kloaken. (20) Rechter Einfluss. (21) Polizei liest. (22) Abhörskandal. (23) Keks-Streik. (24) Maskenfreiheit. (25) Bizkaia wandert aus. (26) Gernika. (27) Frankreich wählt. (29) Polizei-Rassismus. (30) Streik.
(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-04-01)