aguirre01Die Suche nach Verbündeten

Die Geschichte der baskischen Regierung im Exil nach 1937 beginnt als eine Chronik der Hoffnung. Gleichzeitig ist es die Bilanz eines Scheiterns, denn das baskische Ansinnen passte nicht ins internationale Panorama der Nachkriegszeit der 50er Jahre. In der Stunde der Wahrheit standen Aguirre und seine Regierung alleine da. Denn nach 1945 ging es nicht um die Beseitung der übrigen faschistischen Regimes, sondern um eine anti-kommunistische Front gegen die UdSSR, für die Franco durchaus nützlich war.

(2015-11-30) Nachdem die Basken 1936 ein Autonomie-Statut für das Baskenland und Navarra erreicht hatten, wurde José Antonio Aguirre (1904 – 1960) zum ersten Lehendakari (Päsidenten) der Regional-Regierung gewählt. Bei Amtsantritt von Aguirre befand sich das Baskenland, wie ganz Spanien, bereits in einem Krieg, der durch den militärischen Aufstand der faschistischen Generäle um Franco und Mola ausgelöst worden war. Von den vier zur neuen Rechtsform gehörenden Provinzen blieb nur Bizkaia, die anderen drei (Araba, Gipuzkoa, Nafarroa) fielen mehr oder weniger kampflos in die Hände der aufständischen Faschisten. Erste Aufgabe der neuen baskischen Regierung war die Verteidigung des Landes gegen militärische Angriffe. Dazu wurde eine baskische Hilfsarmee gegründet, Eusko Gudarostea, um die verbliebene Hauptstadt Bilbao wurde ein Verteidigungsring gebaut, der Eiserne Ring (Cinturrón de Hierro).

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All das war dennoch zu wenig, um der personellen und materiellen Übermacht der Aufständischen ausreichend Widerstand entgegen zu setzen, die von marokkanischen Kolonialtruppen, italienischen Divisionen und der nazideutschen Luftwaffe (Legion Condor) unterstützt wurden. Im Juni 1936 ging die baskische Regierung ins Exil, es begann eine Irrfahrt durch Europa, Süd- und Nord-Amerika und zurück nach Europa. Dieser baskischen Exil-Regierung gehörten nicht nur Politiker der Mehrheit der baskischen christdemokratischen PNV an, vertreten waren auch Politiker anderer Parteien: Telesforo Monzón (PNV), Jesús María de Leizaola (PNV), Eliodoro de la Torre (PNV), Ramón María Aldasoro (IR, Izquierda Republicana, Republikanische Linke), Juan de los Toyos (PSOE), Santiago Aznar (PSOE), Juan Gracia (PSOE), Juan Astigarrabía (PCE, Spanische Kommunistische Partei), Gonzalo Nárdiz (ANV -Acción Nacionalista Vasca), Alfredo Espinosa (UR -Unión Republicana, Republikanische Union).

Aguirre und seine Regierung machten sich auf den Weg, mit Bündnissen und Kooperationen verschiedenster Art eine Koalition zu schmieden, die schließlich Franco wieder stürzen sollte. Der erste Schritt dazu war die Beteiligung am Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten, sozusagen eine vertrauensbildende Maßnahme. Dazu gehörte nicht nur logistische und ideologische Unterstützung, sondern auch die Aufstellung eines Bataillons, um die letzten Nazis aus der französischen Region Gironde zu vertreiben (1). Doch nachdem die Westmächte und die Sowjetunion im Krieg noch gemeinsam gegen den Faschismus vorgegangen waren, änderte sich das Welt-Panorama schnell zugunsten des Kalten Krieges, bei dem sich beide Seiten nun gegenüber standen. Franco und sein Regime (wie auch Portugal unter Salazar) standen dabei plötzlich nicht mehr auf der Gegenseite, sondern wurden zu Pfeilern der anti-kommunistischen Konfrontation. Mit dieser strategischen Kursänderung hatten die Basken ihre Perspektive verloren, Aguirre starb 1960 in Bayonne (Baiona) im Exil.

Dokumentarfilm

Der Filmemacher Antonio Cristóbal López hat sich des Themas angenommen und einen Dokumentarfilm gedreht zur Geschichte des Exils der baskischen Regierung während und nach dem Spanischen Krieg von 1936 bis 1939. (2) Ein Interview aus der baskischen Presse:

F: Ein halbes Jahrhundert Geschichte in 80 Minuten – was können wir erwarten von dem Dokumentarfilm „Die baskische Regierung im Exil“?

A: In erster Linie die Chronik einer Hoffnung. Im Film ist die Rede von Jose Antonio Aguirre und den übrigen wichtigen Figuren, die jene Exil-Institution am Leben erhielten. Darüber hinaus erzählt die Dokumentation von der Bedeutung und von den Aktivitäten, die die baskische Regierung im Exil unternahm. Bei allen unseren Darstellungen haben wir versucht, historisch so genau wie möglich vorzugehen, bei der Entwicklung des Projekts haben wir mit der Universität des Baskenlandes UPV/EHU zusammengearbeitet. Nicht zuletzt Ander Landaburu vom Drehbuchteam und die Musik von Ángel Ilarramendi haben dabei geholfen, einen Film zu produzieren, der einen unmittelbaren und persönlichen Einstieg ins Thema ermöglicht.
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F: Sie haben die Bedeutung und die Aktivitäten der baskischen Regierung im Exil hervorgehoben. Können Sie uns ein Beispiel nennen?

A: Im Kontext des Zweiten Weltkriegs spielte José Antonio Aguirre eine wichtig Rolle in Lateinamerika, als es darum ging faschistische Tendenzen zu bremsen. Die Vereinigten Staaten benutzten das Netz der baskischen Kulturzentren, Euskal Etxeak (3), die die baskische Exil-Regierung in Venezuela, Kolumbien, Mexiko und anderen Ländern eingerichtet hatte. Darüber hinaus arbeiteten Präsident Aguirre und einige Mitglieder der Regierung mit dem OSS zusammen, dem Vorläufer des us-amerikanischen Geheimdienstes CIA (4). Dabei ging es um Informationsaustausch und Spionageaufgaben. Zudem war die baskische Regierung am Gründungsprozess der Europäischen Christdemokratie innerhalb der Europäischen Gemeinschaft beteiligt. Aguirre und seine Leute waren somit überall, wo es möglich und nötig war, um den baskischen Anliegen eine Stimme zu verleihen. All das muss im internationalen Kontext gesehen und verstanden werden.

F: Wie war dieser internationale Bezugsrahmen?

A: Zu Beginn, also während des Zweiten Weltkrieges, stellte sich die baskische Regierung auf die Seite der Alliierten, in der Hoffnung, die Alliierten könnten dabei helfen, auch Franco aus dem Weg zu räumen, wenn dieser Krieg zu Ende wäre. Deshalb arbeiteten sie mit dem US-Geheimdienst OSS zusammen, sie mussten finanziert werden, insofern war dies ein logischer Schritt. Die Hoffnungen begannen in Enttäuschung umzuschlagen, als Churchill nach dem Weltkrieg 1947 seine berühmte Rede hielt über den Eisernen Vorhang. Im neuen Kontext des Kalten Krieges änderten sich die Interessen. Weil Franco Antikommunist war, wurde er sozusagen zum natürlichen Verbündeten der Vereinigten Staaten, die damit die baskische Regierung hängen ließen. Dieses Panorama verlängerte sich bis zum Tod des Diktators.

F: Nachdem Sie dieses Thema gründlich studiert haben, was sticht dabei besonders ins Auge?

A: Zum einen, dass es der baskischen Regierung in erster Linie um ihr Land ging. Deshalb war die baskische Exil-Regierung immer eine Koalition, in der Nationalisten und Sozialisten und gelegentlich auch Kommunisten zusammen wirkten. Letzten Endes waren das Leute, die miteinander redeten und sich verstanden – aus heutiger Sicht ist das kaum mehr vorstellbar. Diese Union, die mal besser und mal schlechter funktionierte, war lebenswichtig. Besonders hervorheben würde ich, wie schon gesagt, die Tatsache, dass alle auf die Basken zurückgriffen, wenn es darum ging, die baskischen Einflussbereiche zu nutzen, sie wurden benutzt solange es interessant war, aber in der Stunde der Wahrheit standen Aguirre und seine Leute alleine da, von keiner Seite erhielten sie Hilfe. Deshalb ist die Geschichte der baskischen Exil-Regierung auch eine Chronik des Scheiterns, obwohl die Hoffnung auf eine Wende nie aufgegeben wurde.

F: Wie war es dann möglich, dass diese Exil-Regierung gegen alle Widrigkeiten überlebte?

A: Das lag vor allem an der Figur des Präsidenten Aguirre. Er war eine Person mit einem angeborenen Optimismus, und er war imstande, diesen Optimismus auch an andere weiter zu vermitteln. Ohne ihn wäre es der baskischen Regierung gegangen wie der katalanischen, die sich in Nichts aufgelöst hatte bis die demokratischen Strukturen wieder restauriert wurden. Aber über Aguirre hinaus gab es weitere Personen, die für die baskische Exil-Regierung und deren Überleben überaus wichtig waren, auch wenn sie nicht in den Geschichtsbüchern auftauchen und noch nicht einmal Regierungs-Mitglieder waren.

F: Zum Beispiel?

A: Zum einen Indalecio Prieto (5). Dank der engen Freundschaft mit Aguirre und dem intellektuellen Respekt, der beide verband, erreichten sie 1936 ein Autonomie-Statut für die Basken, das die Regierung im Exil aufrecht erhielt. Dabei war Prieto nie Mitglied der Regierung. Eine weitere wichtige Persönlichkeit war Julio Jáuregui, der auch nie die baskische Regierung vertrat. Vom ersten Tag an wehrte er sich gegen den franquistischen Aufstand, er setzte sich für die Gefangenen ein, die in den Gefängnissen von Bilbao massakriert wurden, er begleitete den Lehendakari Aguirre ins Exil und war dabei, als die Fundamente der Europäischen Gemeinschaft gelegt wurden. Über ihn wird nicht gesprochen, in den Büchern ist nicht von ihm die Rede, und keine Straße trägt seinen Namen. Dennoch hat er die baskische Regierung in ihren wichtigsten Momenten begleitet.
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F: Sicher sind es gerade solche Persönlichkeiten, die dem Dokumentarfilm seine humane Seite verleihen.

A: So ist es. Wir erinnern unter anderem an Personen, die völlig untergegangen sind in der Geschichte, wie Eliodoro de la Torre (6), er war Finanzsenator, ohne ihn wäre es nicht möglich gewesen, eine baskische Hilfsarmee aufzustellen oder die Existenz der Exil-Regierung auf der anderen Seite des großen Teichs zu finanzieren. Nachdem so viel Geld durch seine Hände geflossen war, starb er in armen Verhältnissen. Dieser Dokumentarfilm bietet eine neue Sicht der Dinge, er zeigt die Höhen und Tiefen der baskischen Regierung im Exil.

ANMERKUNGEN:

(1) Es handelte sich um das Bataillon Gernika, dessen Geschichte in folgendem Artikel beschrieben ist. (Artikel: Basken im 2.Weltkrieg)

(2) Das Interview wurde publiziert in der baskischen Tageszeitung Deia unter dem Titel „Gobierno vasco en el exilio: A la hora de la verdad, nadie les ayudó” (Link)

(3) Euskal Etxeak: Diese Zentren – wörtlich: baskische Häuser, auf Euskera “euskal etxeak” oder “eusko etxeak” – sind Kulturvereine, die Ende des 19.Jahrhunderts in den Ländern und Städten mit baskischer Auswanderung ihren Ursprung hatten, überall dort, wo sich eine ausreichend große baskische Personengruppe angesiedelt hatte. Ein erster Zweck war die gegenseitige Hilfe beim Start ins neue Leben, es wurde sich um Unterkunft, Arbeit und Sprachangelegenheiten gekümmert. Gleichzeitig und perspektivisch sollte mit Hilfe der Zentren der Bezug zur baskischen Kultur aufrecht erhalten werden, auch die Vermittlung des Euskara an die nachwachsenden Generationen war von Bedeutung. (Link)

(4) Das Office of Strategic Services (OSS; deutsch: Amt für strategische Dienste) war ein Nachrichtendienst des Kriegsministeriums der Vereinigten Staaten von 1942 bis 1945. Die Aufgabengebiete des OSS umfasste die operative Beschaffung von Informationen, Desinformation, psychologische Kriegführung, Partisanen-Unterstützung, Asymmetrische Kriegführung, Sabotage und Spionageabwehr.

(5) Indalecio Prieto Tuero (* 30. April 1883 in Oviedo; † 11. Februar 1962 in Mexiko-Stadt) war ein spanischer Politiker und führende Persönlichkeit der Spanischen Sozialistischen Partei (PSOE) in den Jahren vor und während der Zweiten Republik.

(6) Eliodoro de la Torre y Larrinaga (Barakaldo, 1884 – Baiona, 1946) war ein baskischer Politiker. Er arbeitete als Angestellter der London County Westminster Bank und der Firma Minera de Villaodrid. Er war ein Förderer des baskischen Kooperativismus, Mitglied der Baskisch Nationalistischen Partei, PNV, und gehörte zu den Gründern der baskischen Gewerkschaft ELA. Während der Zweiten Spanischen Republik war er Stadtrat von Deustu und 1936 Abgeordneter im spanischen Parlament für Bizkaia. Nach dem faschistischen Aufstand übernahm er den Bereich Finanzen der baskischen Regierung.

FOTOS:

(1) Gedenkveranstaltung am Alberti-Berg für die Gefallenen des Krieges. (FAT – Foto Archiv Txeng)

(2) Stiftung Sabino Arana. Der baskische Ministerpräsident José Antonio de Agirre zwischen Alberto Ondaindia und Manuel de Irujo.

(3) Gedenkveranstaltung am Alberti-Berg für die Gefallenen des Krieges. (FAT – Foto Archiv Txeng)

(4) Gedenkveranstaltung am Alberti-Berg für die Gefallenen des Krieges. (FAT – Foto Archiv Txeng)

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