Der Kreuzzug Hitlers in Euskadi
Die Bombardierung Gernikas durch die deutsche Luftwaffe am 26. April 1937 zeigte beispielhaft die Nazi-Präsenz an der Seite der Aufrührer gegen die spanische Republik. Sie war eines von vielen Anzeichen für die Anwesenheit deutscher Truppen und Geheimdienste auf baskischem Boden. Während Hegoalde und Iparralde in den Händen der Faschisten waren, startete am 19. Oktober 1940 der Geheimdienst- und Sicherheitschef des Deutschen Reiches, Heinrich Himmler, Donostia persönlich einen offiziellen Besuch ab.
Eine 1992 erschienene Zeitungsanzeige des deutschen Heeres, in der das Picasso-Bild "Guernica" als Propaganda zur Rekrutierung junger Deutscher benutzt wird, hat die politischen und militärischen Verwicklungen der Nazis in Euskadi erneut aktuell erscheinen lassen. (1) Für die Angriffe der deutschen Luftwaffe, die in der baskischen Bevölkerung Tausende von Toten und Verletzten gefordert hatten, hat es niemals eine öffentliche Entschuldigung gegeben, und selbst die Übernahme der Verantwortung durch spätere deutsche Regierungen, die theoretisch vom Nazigreuel geheilt waren, ist ausgeblieben. (2)
Im Gegenteil: im Stadtmuseum von Uetersen werden – ohne jede Scham oder besondere Bewertung – zwei der Flugzeuge aufbewahrt (Heinkel HE 111), die an der Bombardierung Gernikas beteiligt waren, und ein Geschenk der spanischen Luftwaffe sind, zumal die „Legion Condor" diese Flugzeuge nach 1939 selbst den Franco-Truppen gespendet hatte, wie die Museumserklärung besagt.
Als ersten Schritt nach der Kapitulation und dem Fall von Bilbo eröffnete Nazi-Deutschland eine Botschaft in Donostia (Mai 1938), die sich laut damaliger Chronisten in eines der wichtigsten Spionagezentren für Südeuropa verwandelte. (3)
Bis dahin gab es in Donostia eine deutsche Konsulatsvertretung in Person von Ernst O. Pielhoff, der bereits im November 1936 (Donostia wurde von den Truppen General Molas im September dieses Jahres eingenommen) seine und die Sympathie des ‚Führers‘ für den Kreuzzug Francos signalisiert hatte.
Im Jahr 1938 bezifferte der „Manchester Guardian“ die Zahl der deutschen Familien auf 500, die sich nach dem Fall von Bilbo in Euskadi niedergelassen hatten. Die baskische Exilregierung in London rechnete mit 600 bis 700 deutschen Technikern in Donostia und Bilbo, auch wenn sie ihrem Bericht noch hinzufügte, dass die von ihnen unrechtmäßig eroberte ökonomische und politische Macht wesentlich größer war, als man aus diesen Zahlen ablesen konnte, da sie „alle Schlüsselpositionen des Regimes innehaben".
Gute Geschäfte
Zu Weihnachten 1938 hatte die deutsche Kolonie in Donostia 150.000 Reichsmark für „soziale Zwecke“ gespendet; eine völlig übertriebene Summe, wenn man bedenkt, dass diese Parteigeschäftsleute gerade erst ankamen und sich in einer bisher unbekannte Sphäre bewegten.
Die Deutschen eigneten sich in Euskadi größtenteils die Geschäftsführung der gutgehenden Industrien an. Dies lässt sich sehr gut in der Zeitung „El Correo Español“ vom 19. April 1938 nachlesen, wo bis zu 10 Anzeigen deutscher Unternehmer erschienen, die Lizenzen oder Produkte anboten. In Bilbo beziehen sich die Anzeigen auf Stahlgewinnung oder Papierverarbeitung, in Donostia von Zellulose-Behandlung bis zum Verkauf von Maschinen zur Zigarettenherstellung.
Andere deutsche Techniker wurden zu direkten Kontrolleuren einiger schon funktionierender Fabriken, die aus Kriegsgründen direkt der baskischen Regierung unterstanden hatten. Das ist z.B. der Fall bei „Berrixoa Burdiñola“ aus Elorrio. Diese Werkstätten, mehrheitlich Gießereien, steigerten ihre Produktion in ausländischer Hand, um die Anforderungen der Hitler-Regierung zu befriedigen.
Die Eisenvorkommen in Bizkaia drücken diese Ausplünderung am Besten aus. Im März 1937 belief sich der Eisenexport auf 54.735 Tonnen. Ein Jahr später hatte er 91.125 Tonnen erreicht. Beim Stahl ist die prozentuale Steigerung sogar noch rasanter: von 5.383 auf 21.815 Tonnen, die alle nach Deutschland gingen. In der Zwischenzeit war Bilbo gefallen und zog damit den Rest von Euskadi nach sich, der sich noch nicht in den Händen der Franco-Truppen befand. Zum Vergleich, waren im Verlauf des Jahres 1936 die deutschen Importe um ungefähr 50% gefallen.
Die Pariser Zeitung „Information“ verkündete am 28. April 1938, dass die deutschen Importe, bisher „im wesentlichen landwirtschaftliche Produkte, durch Eisen und anderen in Deutschland benötigten Metallen ersetzt worden waren."
Ein Korrespondent des „Daily Telegraph“ schrieb am 18. Januar 1938 Folgendes: „Deutschland versorgt sich aus Spanien und Italien. Wegen der Nazigruppen auf Franco-Territorium und tausender Deutscher auf Verwaltungsposten wird sich dieses Land große Vorteile bei seinen Tauschgeschäften sichern". Der Journalist bekräftigt, dass die Schlüsselorganisation für dieses ungleiche Geschäft die „halboffiziell als Hisma bekannte Organisation war, und dass sich ihr Gegenstück in Deutschland Rowak nannte“.
Diese „Handelsbeziehungen“ zwischen Franco und Deutschland zum Wohle des durch den "Führer" aufgebauten Heeres werden von einem knappen Artikel der Handelskammer von Iruñea (Pamplona) in der Zeitung „Diario de Navarra“ am 21. August 1937 bestätigt: „Importe und Exporte zwischen Spanien und Deutschland und Italien müssen durch alle zur Verfügung stehenden Mittel intensiviert werden. Die Burgos-Vertretung der offiziellen spanischen Handelskammer in Deutschland hat zu allen Produzenten, Händlern und Industriellen Navarras Kontakt, um zwischen unserer Provinz und Deutschland Produkte auszutauschen“. Die zitierte Handelskammer sagt weiterhin, dass die Tauschgeschäfte über die Delegation in Burgos der „Hisma-Rowak-Gesellschaft“ als Zwischenhändlerin oder sogar auf privater Basis ohne Kenntnis der notwendigen Behörden abgewickelt werden können.
Wenn die Anwesenheit führender deutscher Geschäftsleute auf baskischem Territorium nach der Errichtung der franquistischen Regierung relevant war, dann war die militärische Ebene nicht weniger wichtig.
Die Militarisierung Euskadis
Vor dem Krieg verfügte Euskadi in keiner seiner südlichen Provinzen über Militärflugplätze. Trotzdem wurde der Bau von Start-und Landebahnen durch deutsche Techniker für ihre eigenen Flugzeuge und für die der Franco-Truppen nach Juli 1937 etwas völlig Normales: in Nafarroa wurden Militärflugplätze
bei Castejón, Buñuel, Noain, Fustiñana, Tudela, Corella, Ablitas, Caparroso und Ribaforada gebaut. In Gipuzkoa bei Donostia selbst und bei Lasarte. In Bizkaia bei Otxandio, Sondika, Lamiako und Somorrostro, und in Araba bei Gasteiz.
Besonders der Flugplatz in Gasteiz wurde ausgebaut: er war mit dem Hauptquartier der deutschen Luftwaffe direkt verbunden und umfasste sowohl die Grundlagen für den Flughafenausbau alsauch für die Installation einer Funkleitstelle. Diese Aktivitäten fielen mit dem Eintreffen deutscher Militärausbilder für die Franco-Truppen in Gasteiz zusammen.
Der Flughafen von Sondika in der Nähe von Bilbo, seit Bestehen der Monarchie Zivileinrichtung, wurde innerhalb dieser Strategie als Militärflughafen vorangetrieben, um – wie es Careaga (Bürgermeisterin von Bilbo) selbst in der Zeitung „La Gaceta del Norte“ zugegeben hat – die höchsten Staatsinteressen zu unterstützen.
Der Seehafen von Pasaia in Gipuzkoa wurde ebenfalls von deutschen Technikern verwaltet, die dank eines großen Kredits in seine Geschäftsleitung einstiegen, wie in einem Bericht der Abendzeitung „Unidad“ aus dieser Epoche festgehalten wurde.
Aber die geleistete „Hilfe“, die ganz offensichtlich viel mit den Interessen des eigenen Staates zu tun hatte, spielte sich neben den Bombardierungen nicht ausschließlich auf Verwaltungs- oder Geschäftsebene ab, bevor Euskadi offiziell nicht mehr existierte. Sie drückte sich auch in der Anwesenheit von Offizieren und Truppen der Hitler-Armee aus, die Patrouillen, Wachdienste und kleinere Operationen befehligten.
In Hondarribia stellten die Deutschen an einigen Stellen 6-Zoll-Geschütze auf zwischen Guadalupe und Jaizkibel, in Mirandarena, in den „Colonias de Navarra“ und in Txakarienea. In der Nähe von Peñas de Aia wurde die Artillerie in Erlaitz aufgebaut. In Donostia, in dem Gebiet, das als Mompás bekannt ist, verfügte die deutsche Armee über drei schwere Batterien, wobei sie sich einige kleine Gebäude der "Compañia Guipuzcoana de Caracas" einverleibten.
Andererseits darf man nicht vergessen, dass eine vollständig ausgerüstete deutsche Polizeieinheit an der Grenze zwischen Irun und Hendaia stationiert war, um bereits zwei Jahre vor der Nazi-Invasion in Frankreich dort den Grenzverkehr zu regeln. Die nahen Berge Navarras und besonders die Region von Elizondo wurden ebenfalls von verschiedenen Gruppen des deutschen Heeres bewacht.
Schließlich bleibt zu erwähnen, dass ausgehend von der deutschen Botschaft in Donostia zu dieser Zeit die ersten genauen Karten aller Nachbarländer Euskadis erstellt wurden, wofür man sich Luftaufnahmen und der gewissenhaften Arbeit eines deutschen Beamten bediente, der die in Frage kommenden Gebiete per Motorrad abfuhr. Wegen der hier aufgezählten Tatsachen und besonders wegen des Bombenangriffs auf Gernika ist der Rückgriff auf das Picasso-Bild zu Rekrutierungszwecken für die deutsche Armee ein Scherz übelster Art, wenn diese Abscheulichkeiten nicht legitimerweise anerkannt worden sind, was bis heute noch nicht geschehen ist.
Himmler in Donostia
Am 19. Oktober 1940 kam Heinrich Himmler, Geheimdienst- und Sicherheitschef des Reiches, mit stattlichem Gefolge nach Donostia. Himmler, Anfang des 20. Jahrhunderts in München geboren, hatte sich der Partei Hitlers bereits 1919 angeschlossen. 1929 wurde er SS-Chef, um 1936 zum Führer der gesamten deutschen Polizei erhoben zu werden, einer Organisation, die 600.000 Männer umfasste. Zu Kriegsbeginn wurde er auch noch Innenminister. Als die Kriegsergebnisse den Absturz des Imperiums, das Deutschland aufgebaut hatte, ankündigten, war Himmler der Verantwortiche für den Aufbau eines geheimen Heeres, das eventuell einen Guerillakrieg gegen die Alliierten führen sollte. Er hatte aber keine Zeit mehr, diese Pläne in die Tat umzusetzen, denn er brachte sich am 25. Mai 1945 um, nachdem er von alliierten Truppen gefangen genommen worden war.
Wenn wir den Himmler-Besuch in Donostia über die damalige Presse Gipuzkoas verfolgten, könnten wir zu dem falschen Ergebnis kommen, dass der Nazi-Superpolizist lediglich in diese Stadt gekommen war, um das gute Essen zu genießen und sich an der schönen Landschaft zu erfreuen. In Wirklichkeit diente die Reise Himmlers drei wichtigen Zielen. Das erste, das am meisten ins Auge fällt, waren die Sicherheits-Vorkehrungen für das Treffen, welches 4 Tage später im Bahnhof von Hendaia (frz: Hendaye) zwischen dem Generalissimus und dem deutschen Führer stattfinden sollte. Am 23. Oktober, einem Mittwoch genauer gesagt, plauderten Franco und Hitler und ihre jeweiligen Außenminister‚ „freundschaftlich“ in einem Eisenbahnwaggon auf dem Bahnhof von Hendaia.
Das zweite Ziel des Besuches verband sich mit der Absicht des Naziführers, eine engere Zusammenarbeit zwischen der Gestapo und der spanischen Polizei in Gang zu setzen, um der im spanischen Staat wohnenden Europäer habhaft zu werden. Donostia war zu einer obligatorischen Durchgangsstation für diejenigen geworden, die aus dem besetzten Frankreich kamen und die deutschen Geheimdienste hatten bereits sichere Informationen darüber, dass eine Gruppe von Basken den vor dem Naziterror Geflohenen beim Grenzübertritt half.
Die dritte Aufgabe sollte der Aufbau einer starken Spionagestruktur für die Armee sein, mit einer Zentrale in der Botschaft von Donostia, die bereits mit dieser Aufgabe befasst war. In der Hauptstadt Gipuzkoas wie auch an anderen Orten des Staates waren die Deutschen sehr interessiert daran, Elemente zu treffen, die Informationen jeder Art heranschafften, besonders solche über England. Schon während des Krieges in Euskadi, nach dem Militäraufstand vom 18. Juli, und vor allem an seinem Ende, hatten sich die Geheimdienste des spanischen Staates mit der deutschen Abwehr koordiniert. Himmler dehnte seine Reise von Donostia nach Burgos, Madrid, Toledo und Barcelona aus. Die Schlüsselperson in dieser Zusammenarbeit war José Ungría Jiménez, zu dieser Zeit Direktor des spanischen Geheimdienstes und zwischen 1936 und 1939 Chef des SIPM (Informationsdienst und Militärpolizei) (4). Das Spinnennetz, das Himmler zusammen mit Canaris aufbauen konnte, hatte seinen offiziellen Sitz in Burgos. Die Botschaften in Madrid, Barcelona, Tetuán, Algeciras, Cádiz und Donostia selbst waren die Bezugspunkte. Hauptmann Wilhelm Leisner leitete dieses gesamte Netz.
In Donostia stellten sich alle örtlichen Franco-Autoritäten dem Chef der deutschen Polizei zur Verfügung. Becerra (Militärgouverneur), Querejeta (Abgeordnetenvorsteher) und Paguaga (Bürgermeister) waren seine Gastgeber.
ANMERKUNGEN:
(1) Mit Ausnahme einer formalen Änderung im Vorspann ist der vorliegende Artikel identisch mit einer Publikation in der Zeitschrift Euskadi-Information Nr.18 vom April-Mai-Juni 1992, unter dem Titel „Der Kreuzzug Hitlers in Euskadi“ von Iñaki Egaña.
(2) Im Jahr 1997, zum 60. Jahrestag der Vernichtung Gernikas durch die Legion Condor, bekannte der damalige Bundespräsident Roman Herzog in einem persönlichen Schreiben die „Beteiligung“ von Deutschen in den tragischen Ereignissen. Ein symbolischer Akt, der im Baskenland wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde, der jedoch keinerlei Konsequenz bezüglich eines Schuldeingeständnisses oder einer Reparation beinhaltet. In diesem vom deutschen Botschafter in Madrid vorgelesenen Schreiben wurde noch nicht einmal die Legion Condor mit Namen genannt.
(3) Donostia ist der baskische Name für San Sebastián, Iparralde (bask: Nordseite) werden die drei baskischen Provinzen auf französischem Gebiet genannt, Hegoalde (bask: Südseite) werden jene Provinzen genannt, die zum spanischen Staat gehören.
(4) SIPM war die Abkürzung für „Servicio de Información y Policía Militar“, Informationsdienst und Militärpolizei. SIPM war die Geheimdienst-Gruppe der Franquisten in den von ihnen kontrollierten Gebieten während des Krieges von 1936 bis 1939 und während der ersten Jahre der Diktatur. Die Faschisten selbst bezeichneten jene Geheimdienst-Aktivitäten als „Fünfte Kontrolle“ (Quinta Columna), die sich in noch von der republikanischen Regierung kontrollierten Gebieten abspielten.
FOTO:
(1) Denkmal für die Opfer des Faschismus in Donostia (Foto Archiv Txeng – FAT)
(2) Himmler im Oktober 1940 in Donostia (Kutxa Fototeka)
(3) Himmler im Oktober 1940 in Donostia (Kutxa Fototeka)
(4) Himmler im Oktober 1940 in Donostia (Kutxa Fototeka)
(5) Himmler im Oktober 1940 in Donostia (Kutxa Fototeka)