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Die Geschichte von Luzy Martos aus Zirauki

Luz Higinia Goñi Ayestarán aus Navarra war 35 Jahre alt, als sie von der Gestapo in Paris verhaftet wurde, in der Rue du Nord 22 im 18. Arrondissement, wo sie als Hausmeisterin lebte und arbeitete. Vermutlich fiel sie, wie viele andere auch, einem Spitzel zum Opfer. Die Chronik dieser finsteren Jahre begann allerdings nicht 1941 im besetzten Frankreich, sondern einige Jahre zuvor während des Spanienkriegs von 1936 bis 1939, als sie auf der Seite der Republik gegen den Faschismus kämpfte.

Luz Higinia Goñi Ayestarán aus Navarra kämpfte im Spanienkrieg und später in der Résistance, bis sie 1940 von der Vichy-Polizei festgenommen wurde und 1941 in die Hände der Gestapo fiel. Sie landete in einem Vernichtungslager. Dies ist ihre Geschichte.

Aus Luz wird Luzy

Luz wurde am 11. Januar 1906 in Zirauki (span: Cirauqui) geboren, einer Gemeinde in der Region Navarra, ungefähr 30 km von der Hauptstadt Pamplona entfernt. Sie war die älteste von drei Geschwistern einer armen Familie. Früh musste sie ihren Lebensunterhalt als Hausangestellte verdienen, zunächst in Iruñea (Pamplona) und dann in Donostia (San Sebastian), bis sie sich 1932 entschloss, den Sprung nach Paris zu wagen. Dort fand sie schnell Anstellungen in Privathäusern. In diesem turbulenten Jahrzehnt lernte sie José Martos kennen, einen Franzosen spanischer Herkunft und Kommunist aus Berufung, den sie 1934 heiratete. Sie nahm Nachnamen und Nationalität ihres Mannes an und nannte sich fortan Luzy Martos. Auf diesen Namen war auch ihr französischer Ausweis ausgestellt. (1)

Als der Spanienkrieg ausbrach, provoziert durch den Militärputsch am 18. Juli 1936 von Franco und anderen ultrarechten Generälen, zog das Ehepaar nach Spanien und kämpfte bei den Internationalen Brigaden bis zur Niederlage der Republik im Jahr 1939. Zurück in Paris, schlossen sie sich der Résistance an gegen die Besetzung durch die Hitler-Nazis, die sich wie ein tödlicher Virus über Europa ausbreiteten.

luzy2Am 31. Dezember 1940 (Frankreich war geteilt in eine besetzte und eine von der französischen Rechten verwaltete Zone) wurde Luzy von der Gendarmerie verhaftet und beschuldigt, klandestine Propaganda zu besitzen. Doch das war nur der Anfang. Im August 1941 fiel sie in die Hände der Gestapo, die sie zunächst im Gefängnis La Santé inhaftierte. Von dort wurde sie in das Fort Romainville am Rande von Paris gebracht, eine von den Nazis beschlagnahmte Zitadelle, die als Durchgangslager diente, bis sie in das Royallieu-Gefängnis in Compiègne in Nord-Frankreich gebracht wurde. Compiègne war dem Frontstalag 122 angegliedert (Front-Stammlager), einer von den Deutschen kontrollierten Anlage, die als Stützpunkt für Transporte in die Konzentrationslager diente.

Deportation

Am Morgen des 22. Januar 1943 sollte der Konvoi "31.000" den Frontstalag 122 in Richtung Osten verlassen. In den ersten Waggons waren 1.450 Männer zusammengepfercht, allesamt Kommunisten und Mitglieder des Widerstands. Zwei Tage später bestiegen 230 Frauen die letzten vier Waggons desselben Zuges. Sie wurden beschuldigt, an politischen Aktivitäten teilgenommen zu haben und wurden am Ende der Reise mit den Nummern 31.625 bis 31.855 tätowiert, daher der Name des Konvois. Unter ihnen befanden sich Luzy Martos und die aus Almería stammende María Alonso, ebenfalls Anhängerin der spanischen Republik, die wegen der Franco-Diktatur nach Frankreich geflüchtet war.

Sie gingen davon aus, dass sie in Fabriken in Deutschland zur Arbeit gezwungen würden. Für die Reise wurden sie mit einem Laib Brot und einem Stück Wurst pro Kopf ausgestattet. Trotz des Ratterns des Zuges gelang es den Deportierten, Nachrichten auf Papierfetzen zu schreiben und durch die Oberlichter zu werfen, in der Hoffnung, dass jemand sie an die vorgesehenen Empfänger weiterleitete. Der erste Halt des Konvois war in Châlons-sur-Marne. Stunden später überquerte der Zug die deutsche Grenze und hielt in Halle, wo er in zwei Konvois aufgeteilt wurde. Der Männerkonvoi wurde von einer Lokomotive zum Konzentrationslager Sachsenhausen nördlich von Berlin gezogen, während der Frauenkonvoi nach Auschwitz-Birkenau fuhr, wo er am Morgen des 27. Januar 1943 eintraf.

Gefangenschaft

Auf dem Bahnsteig von Birkenau blieb der “Konvoi der 31.000“ einen Tag lang geparkt. Am nächsten Morgen wurden die Häftlinge zum Aussteigen aus den Waggons angehalten und in Fünferreihen zum Ankunftsschuppen geleitet, den sie die Marseillaise singend betraten. Am 3. Februar marschierten die Frauen in das 3 Kilometer von Birkenau entfernte Lager Auschwitz, wo sich die SS-Verwaltung und Kommandantur befand. Luzy Martos erhielt die Nummer 31.696, die auf ihren linken Unterarm tätowiert wurde.

Die Frauen wurden gezwungen, sich zu entkleiden und alle ihre Habseligkeiten abzugeben. Ihre Haare wurden geschnitten, ihre Körper mit einem in Benzin getränkten Tuch desinfiziert und geduscht. Dann erhielten sie ihre Uniform, eine gestreifte Bluse, die bereits von anderen Häftlingen getragen worden war, auf die ein rotes, auf der Spitze stehendes Dreieck mit dem Buchstaben F (französischer politischer Häftling) aufgenäht war und wurden fotografiert.

luzy3230 gefangene Frauen

Die 230 Frauen waren zwei Wochen lang in Block 14 unter Quarantäne gestellt, von der Arbeit befreit, aber nicht vom Appell im harten polnischen Winter, bei Minusgraden mussten sie stundenlang stramm stehen. Dabei waren kam es bereits zu ersten Opfern der Gruppe, ältere und gebrechliche Frauen. Sich krank zu melden und ins Krankenrevier gebracht zu werden, war gleichbedeutend mit dem Tod. Diese Lektion lernten sie schnell. Das Geheimnis des Überlebens war: durchzuhalten.

Am 10. Februar 1943 fand die erste Selektion auf der Rampe (Bahnsteig in Birkenau) statt, wobei zwischen arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen Häftlingen unterschieden werden sollte. Im brutalen KZ-Sprachgebrauch war diese Episode als "das Rennen" bekannt. Die Frauen wurden gezwungen, vor den Lagerärzten zu rennen, die sollten bestimmen, wer leben durfte und wer nicht. Der größte Teil des “Konvois 31.000“ überstand diese Tortur und konnte in die Baracken zurückkehren, in denen sie dauerhaft untergebracht werden sollten.

Der Tod hat viele Gesichter

Mit dem "Rennen" war zwar die erste Auswahl überstanden, aber das bedeutete nicht das Überleben: "Josée (María Alonso) konnte es nicht ertragen, von den Kapos geschlagen zu werden. Auf die erste Ohrfeige reagierte sie mit einem Schlag zurück, woraufhin der Kapo sie fast umhaute. Eines Tages wollte sie am einzigen Wasserhahn des Lagers Wasser aus ihrer Schüssel trinken. Ein mit einem Knüppel bewaffneter Aufseher hielt den Hahn zu. Er erlaubte nur deutschen Gefangenen, sich zu nähern. Josée versuchte sich durchzumogeln. Sie wurde geschlagen und mit Wasser besprüht. Josée kehrte klitschnass in den Block zurück". Maria "Josée" Alonso überlebte in Birkenau nicht lange: Am 27. Februar 1943 starb sie an einer schweren Lungenentzündung, die niemand zu heilen versuchte“. (2)

Auch der Frühling brachte keine Linderung im Lager. Im April brach eine Typhus-Epidemie aus, sodass alle Habseligkeiten der Gefangenen vernichtet werden mussten. Zusammen mit der Überfüllung des Lagers, der Unwirtlichkeit der Baracken, die nur über eine minimale Belüftung verfügten, fehlenden Toiletten (es gab nur einen Topf pro Block, in dem Hunderte von Frauen eingepfercht waren) sowie den extremen Temperaturen, führten Krankheiten wie Ruhr und Typhus dazu, dass Todesfälle unter den Häftlingen zur Regel wurden.

Am Krematorium vorbei

Die Ernährung bestand unabänderlich Tag für Tag aus einem halben Liter schwarzen Kaffees am Morgen, einer Brühe am Mittag und 300 Gramm Brot und Margarine am Abend, eine Nahrung ohne die notwendigen Kalorien für die zermürbenden 12-Stunden-Tage der Zwangsarbeit. Die Gruppe von 230 Personen marschierte täglich von ihren Baracken südlich der Bahnlinie in den Norden von Birkenau, in das Gebiet, das als Lager “Mexiko“ bekannt war. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Frauen auf ihrem Weg zum oder vom Arbeitseinsatz nicht die vier riesigen Schornsteine sahen, die Feuer aus den Krematorien spuckten, zwei am Ende der Rampe und zwei neben dem Effektenlager “Kanada“, in dem die Wertgegenstände sortiert wurden, die den Häftlingen abgenommen wurden.

Ob bei brütender Hitze oder eisiger Kälte, die harte Tagesarbeit in den Kommandos bestand darin, mit Schaufeln eine weite Ebene von Steinen und Gestrüpp zu befreien, um 188 neue Baracken zu bauen, von denen letztlich nur 32 errichtet wurden. Der Vormarsch der Roten Armee erzwang Anfang 1944 einen Stopp der Arbeiten. Doch die Sowjet-Soldaten kamen zu spät.

luzy4Totale Erschöpfung

Die zermürbende Routine brachte viele der Häftlinge um. Auch Luzy Martos konnte diesem tragischen Ende nicht entkommem. Wie Luzys Gefährtin Charlotte Delbo in ihren Memoiren mit dem Titel “Le convoi du 24 janvier“ erzählt, wurde die Frau aus Zirauki durch die teuflische Kulisse von Birkenau demoralisiert, sobald sie einen Fuß in dieses riesige Stacheldraht-Gelände setzte. (3)

Irgendwie spürte Luzy, dass ihre Tage gezählt waren. Delbo erzählt, dass Luzy bei der Arbeit an der Seite von Claudine Blateau, einer der 230 Politischen, eines Tages erschöpft in den Schlamm fiel und ausrief: "Ich halte es nicht mehr aus, lasst mich hier sterben". Einer der SS-Männer befahl den Kameradinnen, sie hochzuheben und sie bis zum Appell am Ende des Tages zu pflegen. Luzy starb, als sie am Apellplatz ankamen. Es war der Nachmittag des 1. Mai 1943, wie aus der Sterbeurkunde der SS-Verwaltung hervorgeht. (1)

Befreiung – zu spät

Am 25. Januar 1945 rückten die Russen in Auschwitz-Birkenau ein und befreiten die noch lebenden Häftlinge. Eine von ihnen war Marie-Jeanne Bauer, die einzige Überlebende des “Konvoi 31.000“, die zum Zeitpunkt der Befreiung noch in Birkenau war. Von den 230 Frauen, die in jenem schicksalhaften Zug in Auschwitz-Birkenau ankamen und zwischenzeitlich auf andere Lager verteilt worden waren, überlebten 49. (4)

Diese kleine Chronik erinnert an Tausende von Männern und Frauen, die in diesem riesigen Konzentrationslager verschwanden, zu dem Europa von den Nazis gemacht geworden war. Darunter auch etwa fünfzig Deportierte aus Navarra, von denen nur sehr wenig bekannt ist.

ANMERKUNGEN:

(1) Information aus: “De Cirauqui a Auschwitz“ (Von Zirauki nach Auschwitz), Tageszeitung Noticias de Navarra, Manuel Torres, 17. Juli 2021 (LINK)

(2) Quelle: “María Alonso, una enfermera almeriense en Auschwitz“ (María Alonso, Krankenschwester aus Almeria in Auschwitz), Tageszeitung La Voz de Almeria, 2020-01-27 (LINK)

(3) Charlotte Delbo, Wikipedia (LINK)

(4) “Memoire vive“ – Lebendige Erinnerung (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Luzy Martos

(2) Marie-Jeanne Bauer

(3) KZ Auschwitz

(4) Maria Alonso

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-07-29)

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