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Zamora, mit päpstlicher Zustimmung

Das franquistische Regime ging nicht nur gegen Republikaner, Gewerkschafter, Anarchisten und Sozialisten vor, sondern auch gegen widerständische Priester. Bei der Aufarbeitung der Diktatur kam das Kapitel des Priester-Gefängnisses Zamora, in dem vor allem Basken eingesperrt waren, bislang ziemlich zu kurz. Ein Dokumentarfilm mit dem Titel "Apaiz Kartzela" (Priester-Gefängnis), der im November 2021 in die Kinos kommt, soll Licht in die Geschichte bringen. Kirche und Vatikan kommen dabei nicht gut weg.

Die Filmemacher Ritxi Lizartza, David Pallarès und Oier Aranzabal haben einen abendfüllenden Dokumentarfilm geschaffen, der die Geschichte des Gefängnisses für Arbeiterpfarrer erzählt. "Apaiz Kartzela" (Priester-Gefängnis) wurde unter Mitarbeit der damals Eingesperrten gedreht.

Erinnerung

"Für uns war es eine große Genugtuung, einem Kollektiv, das heute noch aktiv ist, eine Stimme zu geben, wir denken, dass Projekte wie dieses, die jetzt das Licht der Welt erblicken, notwendig sind, damit wir durch die Kenntnis der erzählten Geschichten die historische Erinnerung dieses Landes bewahren können". So lautet die Botschaft der drei Filmemacher bei der Film-Vorstellung. Die sorgfältige und intensive Suche nach geschichtlichen Fakten konzentriert sich auf das einzige Priester-Gefängnis der Welt. Es wurde von Diktator Franco in Zamora eingerichtet und vom Vatikan abgesegnet. Das Ergebnis dieser Suche erinnert an den Kampf der Arbeiter-Priester, die sich gegen die franquistische Unterdrückung auflehnten. Die damaligen Protagonisten haben am Film mitgearbeitet.

zamora2Die Geschichte

Zwischen 1968 und 1976 wurden in Zamora etwa fünfzig Priester inhaftiert, die große Mehrheit Basken, weil sie die Repression des Diktators Francisco Franco ablehnten. Es handelte sich um junge Priester, die in kleinen Gemeinden in enger Beziehung zur Bevölkerung standen und sich um deren Nöte kümmerten. Einige dieser Priester, die bis zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt wurden, weil sie die Unterdrückung durch die Diktatur anprangerten, erzählen ihre Geschichte und stellen Episoden nach. Zum Beispiel ihren Fluchtversuch durch den Bau eines Tunnels und ihren Aufstand, über den die internationalen Medien 1973 berichteten.

"Apaiz Kartzela" schildert ihre Erfahrungen und verdeutlicht das Schweigen, das in der kirchlichen Hierarchie nach wie vor herrscht über die Geschichte der damaligen Priester, die unter den Repressionen des Franco-Regimes zu leiden hatten. Die Regisseure des Dokumentarfilms weisen darauf hin, dass "die Bischöfe damals über die Folterungen ihrer Priester und Brüder Bescheid wussten und geschwiegen haben, obwohl die Vorwürfe allgemein bekannt waren. Bis heute wurde ihnen keinerlei Anerkennung, Entschuldigung oder Wiedergutmachung zuteil. Die Kirche hat sie vergessen, weil sie unbequem waren und sind. Deshalb haben sich einige der damals Inhaftierten der “Argentinischen Klage der Richterin Servini“ gegen die Verbrechen des Franquismus angeschlossen.

Die argentinische Klage

Der argentinische Klageweg wurde notwendig, weil die Franquisten 1977 eine Amnestie für ihre Kriegsverbrechen und für die Menschenrechts-Verbrechen verabschiedeten. Nach dem Tod Francos hatte es im ganzen Land breite Mobilisierungen gegeben mit der Forderung einer Amnestie für alle politischen Gefangenen, von ETA über streikende Arbeiter bis zu illegalisierten Kommunisten. Als die Diskussion um eine “demokratische“ Verfassung und die besagte Amnestie für politische Gefangene kurz vor der Entscheidung stand, dehnten die Franquisten die Amnestie auf ihre eigenen Verbrechen aus. Viele politische Akteure jener Zeit waren sich dieses Schachzugs im Freundentaumel über die erreichte Amnestie der politischen Gefangenen wenig bewusst. Ergebnis dieser Amnestie ist, dass im postfranquistischen Spanien kein einziger Kriegsverbrecher, Mörder, Vergewaltiger oder Folterer vor Gericht gestellt werden konnte. (2)

zamora3Die Verbrechen des Franquismus sind jedoch Menschenrechts-Verletzungen, die nach internationalem Recht nicht verjähren und nicht amnestiert werden können. Dies stellt die internationale Menschenrechts-Erklärung fest, die auch vom spanischen Staat ratifiziert wurde. Gleichzeitig sind “Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ weltweit einklagbar, also nicht unbedingt am Ort des Verbrechens. Aus diesem Grunde begann vor ca. zehn Jahren der argentinische Klageweg, initiiert von einem Rechtsanwalt, der sowohl die spanische wie die argentinische Staatsbürgerschaft hatte. Die Richterin Maria Servini aus Buenos Aires führt seither die Ermittlungen innerhalb des Obersten Gerichtshofs von Argentinien. Sie hat bereits Befragungen durchgeführt und die Auslieferung von Franquisten gefordert. Doch die spanische Regierung stellt sich quer und beruft sich auf Verjährung und die besagte illegale Amnestie von 1977. (2)

Der Film

Ein gemeinsamer Ausflug ins Gefängnis von Zamora dient als Erzählstrang für den Dokumentarfilm. Ein Blick aus der Gegenwart in die Vergangenheit. Eine Route, die nach den Worten von Ritxi Lizartza als "doppelte Reise hin und zurück“ entdeckt wurde. Die historische Reise, die durch umfangreiche Dokumentationsarbeit und durch Zeugenaussagen zurückgelegt wurde. Und die aktuelle Reise, in der vier ehemalige Priester, drei Basken und ein Katalane, das Gefängnis wieder betreten, das sie fünfzig Jahre zuvor erlitten hatten. Eine emotionsvolle Reise, die zustande kam mit dem Wunsch, sich einer schmerzhaften Vergangenheit zu stellen. Nicht aus Groll, Wut oder Ärger, sondern um dem Ort näher zu kommen, an dem zwei von ihnen sieben Jahre im Gefängnis verbracht hatten. Juan Mari Zulaika und Eduard Fornés waren einige Monate eingesperrt, Josu Naberan und Xabier Amuriza sieben Jahre". (1)

Der heutige Schriftsteller und Bertso-Sänger Xabier Amuriza (*1941) fungiert als Führer durch das ehemalige Gefängnis von Zamora. Auf der anderen Seite der Gitterstäbe beschwört er mit Bertsos die Vergangenheit herauf (3). Der Filmer David Pallarés erinnert sich: "Es war eine Mischung aus Emotionen, Wiedersehen und Erzählungen über das, was sie dort gefunden haben. Oft brachten uns die Erzählungen vor Ort auf ihre Erfahrungen und Erinnerungen und dienten dazu, Emotionen zu kanalisieren, die während des langen Besuchs nicht an die Oberfläche kamen. Wohl aber, nachdem sie das Gefängnis verließen".

zamora4Hindernisse

Zu den Schwierigkeiten, die mit der Durchführung des Projekts verbunden waren, erzählt Oier Aranzabal, dass "die kirchliche Hierarchie sich nicht an dem Projekt beteiligen wollte, obwohl sowohl der Vatikan als auch der Bischof von Donostia aktiv an dieser Repressions-Geschichte beteiligt waren. Es ist uns gelungen, mit Vicente Cárcel zu sprechen, einem Priester, der in der Privatbibliothek des Vatikans forscht und dessen Zeugnis im Dokumentarfilm enthalten ist. Die größte Schwierigkeit war, eine Erlaubnis zum Betreten des ehemaligen Gefängnisses zu erhalten, das seit 1995 geschlossen ist. Von Seiten der betroffenen Priester war alles einfach und kooperativ", fügt der Co-Direktor hinzu. (1)

In seiner Vorstellung weist Aranzabal darauf hin, dass "es mehrere Briefe gab, die vom Gefängnis in Zamora an den Vatikan gingen. Wir haben versucht, die Aussage von Herrn Etxegarai einzuholen, aber das war nicht möglich. Die Tatsache, dass es sich um ein Gefängnis handelt, das auf der Grundlage des 1953 zwischen Franco und dem Vatikan unterzeichneten Konkordats errichtet wurde, war der Grund dafür, dass sie keine Erklärungen abgeben oder uns nicht erlauben wollen, die aus dem Gefängnis übermittelten Dokumente einzusehen, die sie sicherlich in ihren Archiven aufbewahrt haben".

zamora5Würde und Konsequenz

In den Schlussfolgerungen der Filmemacher zu den Aussagen der Priester betont Lizartza die Worte eines der Protagonisten des Dokumentarfilms: "Wie Alberto Gabikagojeaskoa sagt, er würde es wenn nötig und im Rahmen seiner Möglichkeiten wieder tun, um die Gründe zu verteidigen, die dazu geführt haben, Gefängnis, Isolation, Folter und Verrat durch die kirchliche Hierarchie zu erleiden". Filmer Pallarés fügt hinzu, dass die Priester sich “für die Verteidigung der politischen, sozialen, kulturellen Rechte, sowie die Arbeits- und Menschenrechte in Katalonien, Madrid, Galicien und Euskal Herria eingesetzt hatten“. Die jungen Priester zeigten ein hohes Maß an Würde und Entschlossenheit, um Machtmissbrauch und Unterdrückung durch das Franco-Regime anzuprangern. “Bemerkenswert ist vor allem, dass sie fünfzig Jahre später alle zusammen mit der gleichen Konsequenz weiter arbeiten wie damals und ihr Leben einem Kampf um Gerechtigkeit gewidmet haben. Jeder einzelne hat seinen Weg gesucht, politische, soziale, kulturelle, sprachliche, nachbarschaftliche Forderungen zu verteidigen. Sie hinterlassen ein bittersüßes Gefühl, denn die Entschlossenheit, mit der sie ihre Ideen aktiv verteidigt haben, scheint in unserer heutigen Gesellschaft verloren gegangen zu sein".

Abschließend erklärt Aranzabal, dass "neben dem Anprangern der Repression in der franquistischen Gesellschaft eine ihrer wichtigsten Forderungen im Gefängnis darin bestand, keine Privilegien im Vergleich zu anderen politischen Gefangenen oder gewöhnlichen Gefangenen zu haben, weshalb einige von ihnen während ihrer Zeit in Zamora vom Priesteramt zurücktraten". - "Die Protagonisten sind froh, dass ihre Geschichte erzählt wird, auf anerkennende Weise. Im Baskenland war die Existenz dieses Gefängnisses in Zamora in früheren Zeiten wohl bekannt. Heute ist es eine kaum bekannte Geschichte, die nicht erzählt wird“.

ANMERKUNGEN:

(1) “Apaiz Kartzela, el silencio roto de los curas antifascistas“ (Priester-Gefängnis, das gebrochene Schweigen über die antifaschistischen Pfarrer), Tageszeitung Gara, 2021-11-26

(2) “Der Priesterknast Zamora – Auch Pfarrer nicht verschont“, Baskultur.info, 2018-12-12 (LINK)

(3) Xabier Cruz Amuriza Zarraonaindia, besser bekannt als Xabier Amuriza, (*1941) ist ein Bertsolari-Reimsänger in baskischer Sprache, Schriftsteller, Übersetzer, Forscher, Musiker und Politiker. Er gilt als großer Erneuerer des Bertsolarismo. Amuriza wurde 1941 im Bauernhaus Torreburu in der Bizkaia-Stadt Etxano geboren. Er studierte bei den Karmelitern und im Priesterseminar von Derio. 1965 wurde er zum katholischen Priester geweiht und war Gemeindepfarrer in den Dörfern Gizaburuaga und Amoroto. Gegen Ende des Franco-Regimes verbrachte er sechs Jahre im Konkordats-Gefängnis Zamora, weil er an einer Protestaktion teilgenommen hatte. 1976 schied er aus dem Priesteramt aus. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Zamora Knast (paseoporlamemoria)

(2) Zamora Knast (paseoporlamemoria)

(3) Zamora (eldiario)

(4) Inhaftierte Priester (diario valladolid)

(5) Xabier Amuriza (wikipedia)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-11-29)

 

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