fotomuseo01xFotomuseum Zarautz

Was Fotografie betrifft kann Vitoria-Gasteiz als baskische Hauptstadt bezeichnet werden. In keinem anderen Ort der baskischen Landkarte wird eine vergleichbare, qualitativ hochstehende Auswahl an Ausstellungen dieses Mediums angeboten. In Bilbao ist seit zwei Jahren das Zentrum Zeitgenössischer Fotografie zu finden. Das Prachtstück unter den Foto-Standorten ist jedoch zweifellos das Photomuseum im gipuzkoanischen Zarautz, das sich der umfassenden Darstellung der Fotografie widmet.

Bilbao - Fotogeschäfte

Das Zentrum Zeitgenössischer Fotografie in Bilbao (Centro de Fotografía Contemporáneoa), das leider weder einen baskischen Namen noch eine baskische Version seiner Webseite anbietet, ist jung und etwas konturlos. Auffallend ist, dass die Büroräume den selben Raum einnehmen wie der Ausstellungssaal, der wenig Hängeplatz bietet für größere Werke – ungewöhnlich für eine Kunstsparte die von öffentlicher Darstellung lebt. Orientiert ist das Zentrum weniger auf das Zeigen der Fotografie, als auf die Ausbildung. Jahreskurse, Ausbildungseinheiten und Schnellkurse nehmen breiten Raum ein für das Hauptanliegen der Einrichtung. Dabei sind die Preise nicht eben gerade populär, 290€ für 20 Stunden ist nicht für alle zugänglich. Weit mehr Fotografien, als die Räume fassen können, bietet die regelmäßige Zeitschrift Contratiempo (Zwischenfall). Wenn sie in Kneipen und allen denkbaren öffentlichen Einrichtung ausliegt, macht sie den Eindruck einer der vielen in Bilbao üblichen morgendlichen Umsonst-Tageszeitungen. Masse statt Klasse, scheint das Konzept der Macherinnen zu sein, statt Hochglanz vermittelt Zeitungspapier eher Traurigkeit als künstlerischen Eindruck. Die Auflage ist hoch und gratis, 56 Seiten sind mehr als in mancher Tageszeitung und kosten eine Menge.

Gasteiz - Fotostadt

Vitoria-Gasteiz (spn-bsk) ist nicht nur die Hauptstadt des Baskenlandes, sondern darf aufgrund der Vielfalt an Ausstellungen, die dort regelmäßig organisiert werden getrost auch als Hauptstadt der baskischen Fotografie bezeichnet werden. Allen voran die jährliche World-Press-Foto-Ausstellung, die großen Zulauf erfährt. Verschiedene Kulturzentren widmen sich regelmäßig der Fotografie, u.a. das Städtische Archiv, das Artium-Museum oder das Zentrum Montehermoso, ein ehemaliges Wasserdepot der Stadt. Gasteiz ist auch der Geburtsort des bekannten Fotografen (mit deutschem Namen) Alberto Schommer (*1928), der in seiner Heimatstadt bereits mit einem Straßennamen geehrt wurde. Schommer begann seine Karriere als Fotograf im Atelier seines deutschen Vaters, Alberto Schommer Koch, der in den 1940er-Jahren in die baskische Stadt umgezogen war und ein Geschäft eröffnet hatte. Danach erweiterte Alberto Schommer seine Ausbildung in Madrid, Köln, New York und Paris. Für seine Arbeiten hat er mehrere Preise erhalten, etwa die Medalla al mérito de las Bellas Artes 2008 der spanischen Regierung (Medalle für Verdienste in den Schönen Künsten). Er arbeitete lange für die Zeitung El País und fotografierte viele spanische und internationale Persönlichkeiten, darunter Andy Warhol. In der berühmten Serie mit dem Titel "Psychologische Portraits" thematisiert Schommer Macht, Wirtschaft und Kultur. Zwischen den 60er und den 80er Jahren machte seine Art der Fotografie viel von sich reden. Seine Werke wurden zu einer Art optischer Chronik der sogenannten Transición, der politischen Übergangszeit nach Francos Tod. (1)fotomuseo02x

Zarautz - Fotomuseum

Keine Fotokurse, keine Minimalausstellungen, keine Massenpropaganda – dafür ein prachtvolles altes Gebäude im Stadtzentrum. Das ist, was wir in Zarautz zum Thema Fotografie vorfinden (Gipuzkoa, spn: Zarauz). Auf fünf Stockwerke verteilt zeigt das Photomuseum alles Relevante aus der Geschichte der Fotografie, von den primitiven Anfängen bis zum Zeitalter des Digitalen. In Anbetracht der Masse an Details, Gegenständen und Geräten aller Art und Herkunft, sowie der Fotoarbeiten unterschiedlichster Art, sollte für den Besuch des Museums mindestens zwei Stunden Zeit eingeplant werden. Fachlich Interessierte sollten sich mehr Zeit nehmen. Minutiös wird die technische Entwicklung der Fotografie – und mit ihr der Filmtechnik – in allen Details geschildert.

Der Besuch beginnt in der obersten Etage, dem vierten Obergeschoss. Dessen Thema ist "Vor der Fotografie", geschildert wird die Entwicklung der Schattentheater, der frühen Fotoapparate und Kaleidoskope, die Lithophanie-Technik mit Porzellanplatte, Thaumatrope; Aletoskop und Megaletoskop con Carlo Ponti, Betrachtungsgeräte für großformatige Bilder. Das Mutoskop von Herman Caslern aus dem Jahr 1894 und die auch Skioptikon genannte Zauberlampe, die in der Entwicklung der Fotografie eine besondere Rolle spielte.

Die dritte Etage beschäftigt sich mit der Technik der Fotografie. An erster Stelle die Camara Oscura, einer Weiterentwicklung der Lochkamera. Geschildert wird die Entwickungsarbeit der Foto-Pioniere Nicéphore Niepce, Louis Daguerre, Hyppolite Bayard, William Fox Talbot, C.F:Niepce de Saint-Victor, André-Adolphe Disderi und Frederick Scott Archer. Thematisch ist die Rede von esteroskopischer und estenopeischer Fotografie, von Vergrößerung, Momentfotografie, Farbfotografie sowie schließlich von Digitalfotografie. Abgeschlossen wird die Etage mit den Erfindungen von Richard Leach Maddox und George Eastman.

Thema des zweiten Stockwerks sind die verschiedenen Ablichtungs-Gegenstände der Fotografie: das Portrait, die Landschaft, tote Natur, anthropologische Fotografie, Struktur-Fotografie, konzeptionelle Fotografie, Surrealismus, Abstraktion und Manipulation in und mit der Fotografie.

Im ersten Stock des Museums geht es um den Einsatz und die Benutzung der Fotografie, deren erste Träger die Plakatwand oder Papier waren. Mit zunehmender technischer Entwicklung wurde sie in der Wissenschaft eingesetzt, insbesondere für Detailbeobachtungen von toten und lebendigen Wesen, von unterirdischem und submarinem Leben. Zum vielleicht wichtigsten Nutzungsbereich der Fotografie wurde der Foto-Journalismus, nachdem 1880 im New York Daily Graphic die erste fotografische Illustration in Halbtönen publiziert wurde. Für die später entstehenden Illustrierten war die Fotografie existenziell. Das Erscheinen der kleinen Leica-Kamera mit 36er Negativ-Film im Jahr 1923 revolutioniert die journalistische Arbeit. Thematisiert wird auch die Bedeutung der Fotografie für die Architektur seit der Gründung der ersten Fotografie-Vereinigung im Jahr 1851, der Societé Heliográphique zur Dokumentation von Gebäuden und ihrer Veränderung.

Geschildert wird in dieser Abteilung auch die Entwicklung Kinematographie, also der Filmtechnik, für die die Entwicklungen und Erfindungen von Eadweard Muybridge, Étienne Jules Marey, Thomas Alfa Edison ebenso eine große Rolle spielten wie die der Gebrüder Lumiere oder von Georges Méliès. Die Ausstellung zeigt die Ursprünge des Kinos und die Anfänge der individuellen Nutzung von Filmtechnik.fotomuseo03x

Im Erdgeschoß (Eingangsbereich) ist Raum für temporäre Foto-Ausstellungen. Derzeit und bis zum 13.Juli 2014 ist dort die Serie "Eibar, die Stadt der Werkstätten" zu sehen, Werk des Fotografen José Ronco. Mit seinen Fotografien schildert er die urbanen Veränderungen der gipuzkoanischen Industrie-Stadt Eibar in den vergangenen 15 Jahren, eine eindrucksvolle Arbeit in Schwarz-Weiß, die das Museum selbst auf seiner Webseite so beschreibt:
"Die verschwundene Alfa-Fabrik war der Inbegriff von Eibar, der Stadt der Werkstätten, das Symbol ihrer Geschichte und ihres urbanen Charakters, ein einzigartiger architektonischer Komplex moderner Zeiten (...) Die Stille der Orte wird sichtbar. Ein poetisches Dokument, das sich verbindet mit dem Erbe der Schwarz-Weiß-Fotografie einer neuen Objektivität: der künstlerische Eingriff kann der Welt schöne und mysteriöse Formen verleihen. Eine melancholische Zuneigung verbindet sich diesen Bildern, die menschliche Anwesenheit vermeiden. Unsere Assoziationsfähigkeit allerdings denkt menschliche Wesen dennoch mit, aufgrund der Anzeichen, Spuren und Reste einer Welt des Lebens und der Arbeit, eine verschwindende Welt." (2)

Zum besseren Verständnis der verschiedenen Themen steht jeweils eine Auswahl an technischen Geräten, Zeichnungen, Fotobeispielen und Darstellungen aller Art zur Verfügung, die die technische Entwicklung auch Nichtexperten nahe bringen soll. Im Grunde ist der Besuch des Photomuseums Zarautz ein Muss für alle Freundinnen und Freunde der Fotografie und sicherlich auch für alle Teilnehmerinnen an den Fotokursen des CFC-Schulungs-Zentrums in Bilbao.

QUELLEN:
(1) Alberto Schommer, Wikipedia
(2) Webseite Photomuseum Zarautz

FOTOSERIE:

Mit freundlicher Genehmigung des Photomuseums Zarautz
Fotos: Txeng

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