Ein Komponist mit baskischer Seele
Maurice Ravel ist bekannt als einer der berühmtesten französischen Komponisten. Dabei wurde er im Baskenland geboren, an der Atlantikküste im beschaulichen Ciboure. Den Großteil seines Lebens verbrachte er entfernt von seinem Geburtsort, doch verlor er nie den Kontakt zu seinen Ursprüngen. Sein Leben lang fühlte er sich der baskischen Kultur, insbesondere der Liedkultur und dem Tanz eng verbunden. Auch in seinen musikalischen Werken sind einige baskische Referenzen zu finden.
Baskische Wurzeln
(11.11.2014) Ravels baskische Facette ist bei all seiner Berühmtheit wenig bekannt. Das Licht der Welt erblickte Maurice Ravel im März 1875 in der nordbaskischen Provinz Lapurdi (frz: Labourd), einem der drei nördlich der Pyrenäen liegenden baskischen Territorien, die in baskischer Sprache als Iparralde bekannt sind. Sein Vater war ein Ingenieur schweizer Herkunft, der beruflich unter den Folgen des Deutsch-Französischen Krieges litt. Seine Mutter war baskischen Ursprungs. Ravel hasste oberflächliche Umgangsformen, wie sie insbesondere in Künstlerkreisen verbreitet waren. Generell hatte er eigene Vorstellungen von Leben, Schaffen und sozialen Normen. Auch seine Kategorisierung als "französischer Musiker" gefiel ihm nicht. Maurice war noch kein Jahr alt, als seine Eltern nach Paris zogen. Dennoch hielt und pflegte er den Kontakt ins Baskenland, unter anderem bei unzähligen Besuchen. Für die innige Beziehung mit der baskischen Kultur zeichnete vor allem seine Mutter verantwortlich. Sie stammte aus einer alten baskischen Familie und sang ihm bereits an der Wiege baskische Kinderlieder vor. Bei den Aufenthalten in seiner Geburtsregion kam Ravel mit dem Euskara in Kontakt, er lernte baskische Kultur und Musik kennen und entwickelte dazu ein starkes emotionales und praktisches Verhältnis. (1) Auch wenn er fast sein ganzes Leben in Paris verbrachte, war er sich doch immer bewusst, dass seine Ursprünge andere waren. Das kommentierte er wiederholt in Interviews und engen Freundinnen gegenüber. Für die ihm eng verbundene Violinistin Helene Jourdane-Morhange waren Ravels Reserviertheit, seine Bescheidenheit und das innige Verhältnis zur Musik Zeichen seines baskischen Charakters. Musikalisch gesehen, lassen sich in seinem weltberühmten "Bolero" Klänge von Txistu und Tamboril erahnen. (2)
Musikalischer Werdegang
"Den ersten Klavierunterricht erhielt Ravel mit sieben Jahren. Die Idee, eine Laufbahn als Musiker anzustreben, kam früh und wurde von den Eltern unterstützt. Mit 13 erhielt er an einer privaten Musikschule Klavierunterricht und Unterweisung in Harmonielehre. Sein Lehrer Émile Descombes war Schüler bei Frédéric Chopin gewesen. 1888 lernte Ravel den Mitschüler Ricardo Viñes kennen, ein junges Pianistentalent aus Spanien. Zwischen beiden entwickelte sich eine tiefe Jugendfreundschaft, die ein Leben lang halten sollte. Am 4.November 1889 traten Ravel und Viñes zur Aufnahmeprüfung beim Pariser Konservatorium an. Viñes kam in die Klasse der Fortgeschrittenen, bei Ravel reichte es für die Vorbereitungsklasse. Lange Zeit spielte Ravel mit dem Gedanken, eine Pianistenlaufbahn einzuschlagen. Aber die Voraussetzungen dafür waren bei ihm nicht optimal. Wärme, Gefühl und Temperament wurden seinem Spiel zwar bescheinigt, die Bravour anderer Mitschüler erreichte er indessen nicht. Das schien sich auf seine Motivation auszuwirken: Ravel war der sprichwörtliche 'faule Hund'. Seine Lehrer nahmen es ihm übel; das schien seine Haltung nur noch weiter zu verstärken. 1893, 1894 und 1895 versagte er in den obligatorischen Zwischenprüfungen und musste die Meisterklasse wieder verlassen". (3) Damit sank sein Interesse, eine Karriere als Pianist zu machen. In späteren Zeiten benutzte er das Instrument nur noch, um eigene Kompositionen vorzutragen.
"Im Januar 1897 kehrte Ravel an das Konservatorium zurück und trat in die Kompositionsklasse von Gabriel Fauré ein, daneben studierte er Kontrapunkt, Fuge und Orchestration bei André Gedalge (Lehrer von Jacques Ibert, Arthur Honegger und Darius Milhaud). Fauré war es auch, der Ravel Zutritt zu den mondänen Salons des damaligen Paris ermöglichte. Über die Erlebnisse spottete Ravel zwar gemeinsam mit Viñes, aber als mittlerweile ausgeprägter Dandy konnte er den Abenden dort auch etwas abgewinnen. Seine im Salon kultivierten blasierten, zynischen Auftritte mit plissiertem Hemd und Monokel irritierten sogar seinen besten Freund Viñes. Auf die Frage, welcher Schule oder Strömung er angehöre, pflegte Ravel zu antworten: 'Überhaupt keiner, ich bin Anarchist'" (3).
Dass er mit seinen Bewerbungen um den Prix de Rome fünf Mal scheiterte, gehört zu den größten Enttäuschungen in der Musiklaufbahn von Maurice Ravel, denn der Prix de Rome war in jener Zeit die höchste Auszeichnung für junge französische Komponisten. Das letzte Mal bewarb sich Ravel im Jahr 1905. Er ging als Favorit in das Rennen, jedoch brachten einige Verstöße gegen die Satz- und Kompositionsregeln seiner Bewerbung bereits in der Vorauswahl das Aus. Dieses Scheitern Ravels provozierte eine öffentliche Diskussion. Dabei ging es nicht um die von ihm eingereichten Kompositionen, sondern um die Frage, wie die Konservatorien gehandhabt und die Wettbewerbe organisiert wurden.
Baskische Elemente in Ravels musikalischem Werk
Die baskischen Ursprünge und die Beziehungen, die Ravel mit der euskaldunen Kultur unterhielt, hatten auch Einfluss auf sein musikalisches Schaffen. Für seine Kompositionen benutzte er zum Beispiel Rhythmen aus traditionellen baskischen Tänzen. Generell war Ravel fasziniert von Tanz: "Für uns Basken", sagte er, "sind Gesang und Tanz so wesentlich wie Brot und Schlaf". (1) In seinem Werk sind Spuren zu finden von Fandango aus Lapurdi, einer der drei nordbaskischen Provinzen und vom Zortziko (4). Immer stand Maurice Ravel in Kontakt mit der Literatur, insbesondere mit Poesie. Auch interessierte er sich für Literatur in Euskal Herria und lernte die Kunst der Bertsolaris kennen, der Versdichterinnen, die zu bekannten Melodien aus dem Stehgreif Verse erfinden und vortragen. Sein "Trio a la menor" folgt der Silbenstruktur des "Zortziko Txikia". Die größte Ehrung Ravels für die baskische Kultur war eine "Baskische Rapsodie" für Piano und Orchester. Unter dem berühmten Namen "Zazpiak bat" (Sieben sind eins – Symbol der sieben baskischen Provinzen, die Euskal Herria ausmachen) begann er zu schreiben. Die Inspiration dazu kam bei einer Reise nach Navarra, Lapurdi und Gipuzkoa, nur wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Leider wurde das Werk nie vollendet, einige Materialien davon wurden jedoch später in einem anderen Stück verwendet, dem "Concierto para piano en Sol Mayor" (Klavier-Konzert in G-Dur). Insofern wird das "Zazpiak Bat" von vielen Musikern bei vielen Anlässen auf der ganzen Welt gespielt. Der Beginn des "Bolero" (5) mit einer Querflöte und einer tanzend fröhlichen Melodie liefert einen Hinweis auf das traditionelle baskische Instrumenten-Gespann aus Txistu und Tamboril.
"Anregungen für sein Schaffen holte sich Ravel auch von Musikrichtungen wie dem Jazz (etwa im Satz Blues der G-Dur-Violinsonate), der orientalischen Musik und dem europäischen Volkslied", ist bei Wikipedia weiter zu lesen (3). "Von besonderer Bedeutung für Ravels Kompositionen war die spanische Musik. Ravel hat zu Lebzeiten stets betont, dass er ja auch Baske sei und sich seiner zweiten Heimat verbunden fühle. Zu den Werken, die diesen Einfluss widerspiegeln, gehören u.a. die Oper L'Heure espagnole, der Boléro, die Habanera des Sites auriculaires, das Alborada del gracioso aus den Miroirs, die Vocalise-Étude en forme de Habanera, einige Lieder aus den Chants populaires, das Triptychon Don Quichotte à Dulcinée, das unvollendete Konzertstück für Klavier und Orchester Zazpiak-Bat (der Titel bedeutet in baskischer Sprache 'Die Sieben sind Eins' und meint die sieben baskischen Regionen) sowie die Rhapsodie espagnole. In deren erstem Satz wird eine viertönige, absteigende ostinate Figur ähnlich wie in Ravels berühmten Boléro ständig wiederholt. Sie erscheint dabei zuerst in den Streichinstrumenten und später in den Hörnern, Klarinetten und Oboen".
Helene Jourdan-Morhange stellte einst fest, dass Ravel die unbeugsame Verbundenheit bewunderte, mit der die Basken ihre ältesten Traditionen am Leben erhielten, insbesondere den feierlichen Weckrundgang der Txistularis (2), die das Dorf weckten und zum Kirchgang animierten. Ravel selbst erzählte gerne, dass seine Mutter ihm als Kind baskische und spanische Kinderlieder gesungen hatte. Trotz seiner Liebe zu baskischen Songs benutzte Ravel diese nicht für seine Kompositionen. Der Priester, Schriftsteller und Komponist Aita Donostia aus Gipuzkoa, mit dem Ravel eine enge Beziehung unterhielt und den er "Landsmann" nannte, schrieb in einem Artikel der Bayonner Zeitschrift "Gure Herria" (bask/dt: Unser Land), Ravel habe ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass traditionelle Lieder nicht in klassische Werke von großer Dimension eingebaut werden sollten, aufgrund ihrer Charakteristiken eigneten sie sich nicht dafür. Dennoch sind zwischen einigen von Ravel erdachten Melodien und traditionellen Liedern aus Iparralde Ähnlichkeiten zu erkennen. (2)
Reisen und Ehrungen
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs entdeckte Ravel seine patriotische Ader. Er wollte in den Krieg, durfte aber nicht, weil er von den Militärs als zu klein befunden wurde. Als Fahrer schaffte er es dann doch noch. Nach dem Krieg, im Januar 1920 wurde er mit der Nachricht konfrontiert, er sei für den Orden eines "Ritters der Ehrenlegion" nominiert worden. Ravel lehnte ab, die nicht gewollte Ehrung verhinderte er folgendermaßen: er bezahlte ganz einfach nicht die mit der Nominierung anfallende Gebühr und wurde somit automatisch von der Kandidatenliste entfernt. Dieses wenig patriotische Verhalten löste eine emotionale öffentliche Diskussion aus, zu der Ravel stumm blieb. Warum genau er sich der Auszeichnung verweigerte, ist allerdings nicht klar. (3)
Ravels letzte Lebensjahre waren von einer schweren Krankheit überschattet, deren Ursache unklar ist. Vermutet wird ein Hirnschlag oder Hirntumor. Trotz Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Erschöpfungszuständen blieb Ravel aktiv und machte zahlreiche Konzertreisen durch Europa, auf denen er seine Werke als Dirigent und Pianist vorstellte. 1928 war er vier Monate in den USA und Kanada unterwegs, in insgesamt 25 Städten. Seinem kompositorischen Schaffen waren durch die Krankheit jedoch Grenzen gesetzt. 1931 folgte eine Europatournee mit der Pianistin Marguerite Long. Ein Autounfall 1932 verschlimmerte die Krankheitssymptome. Seine Bewegungsmotorik ließ Schreiben nicht mehr zu, auch keine Noten. Seine sprachlichen Fähigkeiten ließen nach, er verlor die Fähigkeit zu komponieren. Verzweifelt sagte er: "Ich habe noch so viel Musik im Kopf. Ich habe noch nichts gesagt. Ich habe noch alles zu sagen". (3)
Im Dezember 1937 ließ Ravel eine Kopfoperation vornehmen, um dem Verdacht eines Gehirntumors nachzugehen. Ein Tumor wurde nicht gefunden, dennoch starb er am 28.Dezember an den Folgen der Operation. Begraben ist er auf dem Friedhof von Levallois-Perret im Westen von Paris. In der Hausnummer 12 des Quai de la Nivelle am Hafen von Ziburu/Ciboure erinnert eine Tafel daran, dass hier Maurice Ravel geboren wurde. Ravel, der Baske, der als maßgeblicher französischer Komponist in die Musikgeschichte einging.
Quellen:
(1) Teile dieses Textes basieren auf dem Artikel "Maurice Ravel, un compositor con alma vasca", erschienen am 18.Oktober 2014 in der baskischen Tageszeitung DEIA. Autorin: Itxaso Sainz de la Maza Bilbao, Pianistin, Musikstudium, deren Diplomarbeit den Titel "Maurice Ravel y Euskal Herria" trägt (M.R. und das Baskenland).
(2) Txistu und Tamboril: Die Txistu ist ein traditionelles Flöten-Instrument mit drei Löchern, dessen verschiedeneVarianten im iberischen Norden gespielt werden, von Aragon bis Galizien. Die Tamboril (Tambor, Trommel) ist eine historische zweifellige Zylindertrommel von unterschiedlicher Größe, die weltweit verbreitet ist. Seit dem Mittelalter wird die baskische Tamboril mit der rechten Hand zusammen mit der Einhandflöte Txistu gespielt, bei verschiedenen kulturellen und politischen Anlässen, bei Ehrungen oder wenn die Nationalhymne gesungen wird. Der oder die Txistulari ist die Txistu spielende Person.
(3) Wikipedia Maurice Ravel
(4) Fandango und Zortziko: Fandango ist ein Tanz, der aus andalusischen Gegenden stammt und im Baskenland eine lange Tradition hat. Zortziko ist ein typisch baskischer Tanz, der aus acht Schrittkombinationen besteht (zortzi = acht) und auch als Rhythmus für Lieder dient. Gespielt wird er mit Txistu und Tamboril im Fünf-Achtel-Takt.
(5) Bolero: Orchesterstück von Maurice Ravel der gleichnamigen Tanzgattung. Ursprünglich als Ballett gedacht und für die Bühne konzipiert, gilt es heute als eines der meistgespielten Werke der Orchesterliteratur.
Quellenhinweise Fotos:
(01) Deia 18.10.2014, Ravel in seiner Heimatstadt
(02) Wikipedia: Ravel und Lily Laskine 1935
(03) famouspeopleinfo.com
(04) redmayor.files.wordpress.com: Vaclav Nijinsky und Maurice Ravel am Piano
(05) Wikimedia