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Ein Blick in die Geschichte

Die baskische Küche steht genau wie alle anderen regionalen Gastronomie-Traditionen in Beziehung zum Nahrungskonsum und zur Lebensmittel-Produktion für diesen Konsum. Sie ist beeinflusst von geografischen Komponenten wie natürlichen Wasserscheiden: die Flüsse des Nordens fließen ins kantabrische Meer, die Flüsse des Südens ins Mittelmeer. Im langen Laufe der Geschichte war der Norden geprägt von traditioneller Landwirtschaft, ergänzt durch Jagd, im Süden gab es Weizen, Trauben und Olivenbäume.

Die baskische Küche ist europaweit bekannt. In zwei Artikeln werfen wir einen Blick auf ihre Geschichte und alten Traditionen, sowie auf die ab 1976 entwickelte Neue Baskische Küche.

Römer in Euskal Herria

Zu Zeiten der Römer war die Ernährung auf dem Land und in der Stadt ähnlich: im baskischen Süden gab es Grundnahrungsmittel wie Weizen, Roggen und Hirse, im Norden Kastanien, Milchprodukte, Waldfrüchte wie Eicheln, ausserdem Schwein und andere Fleischsorten wie zum Beispiel Pferd. (1)

Epoche der Mauren oder Araber

Später hinterließen die Araber (714 - ca. 1037) wichtige Errungenschaften in der baskischen Nahrungs-Kultur. Ende des 7. Jhs. waren arabische Heere über die Meerenge von Gibraltar auf die Halbinsel eingedrungen und eroberten das damals wenig bevölkerte Land, das unter keiner einheitlichen Herrschaft stand. 714 erreichten sie das heutige Navarra und nahmen Pamplona ein über eine vertragliche Absprache, damals existierte das Königreich Navarra noch nicht (850 gegründet). Die Araber hatten nicht nur eine moderne Kriegsordnung, sie verfügten auch über Wissenschaft und Technologie aller Art, die den besetzten Gebieten zu Gute kamen. Die folgenden Jahrhunderte waren insofern von einer kulturellen und wissenschaftlichen Blüte geprägt, überall dort, wo die Araber längere Zeit lebten. Im Fall des flachen navarrischen Südens waren es Bewässerungs-Systeme, die eingeführt und eingerichtet wurden. Auch ein vernünftiger Wassergebrauch verhalf der Landwirtschaft in Navarra zum Durchbruch, Aushängeschilder des baskischen Südens sind bis heute Spargel und Artischocken. (2)
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Arabische Hochkultur

Für die baskischen Stämme war die arabische Anwesenheit also überwiegend positiv, gelegentlich taten sie sich sogar mit den Arabern zusammen und besiegten im Jahr 778 bei Orreaga (Roncesvalles) in den Pyrenäen die Nachhut des imperialen Frankenkönigs Karl V. Diese Schlacht und Rolands Tod wurde zum Ursprung des Roland-Liedes. Mit der von Asturien aus einsetzenden christlichen Wiedereroberung (spanisch: reconquista) dauerte die arabische Epoche im Baskenland nicht so lange wie in Andalusien, wo mit Granada erst 1492 das letzte Kalifat fiel. Die Geschichte dieser Hochkultur ist Gegenstand des Historien-Romans „Die Jüdin von Toledo“ von Lion Feuchtwanger (3).

Viehwirtschaft und Fischerei

Im Mittelalter gab es Ärger zwischen den Interessen von Schafhirten und Bauern. Die Apfel-Produktion war am weitesten verbreitet, was später zur Herstellung von Apfelwein (baskisch: saragardo, spanisch: sidra) führte. Zudem gab es Hülsenfrüchte, Knoblauch und Getreide. Schafe und Kühe wurden gehalten, die wiederum Käse und Milchprodukte lieferten. Und mit der Fischereiwirtschaft begann sich eine neue und enorm wichtige Wirtschafts-Aktivität zu entfalten, die unterstützt von der katholischen Kirche mit ihrer Doktrin der 150 Tage Fleischabstinenz dazu beitrug, dass Fischgerichte im Ernährungsplan stark an Bedeutung gewannen.

Kolonial-Produkte

Die Schifffahrt brachte neben den Produkten direkt aus dem Meer auch bis dahin unbekannte Produkte aus Übersee nach Spanien und ins Baskenland. Zum Beispiel Mais, der die Hirse weitgehend ersetzte. Auf bisherigen Apfelplantagen wurden Mais, aber auch ein neuer Bohnentyp angepflanzt.
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Dazu kamen andere Pflanzen wie Kartoffeln, Paprika, verschiedene Pfefferarten oder Tomaten. Mitunter dauerte es reichlich lange bis diese neuen Lebensmittel in die alltägliche Ernährung der Bevölkerungs-Mehrheit aufgenommen wurden. Dabei spielte speziell der Klerus eine große Rolle. Die Tomate zum Beispiel wurde bis ins 19. Jh. lediglich zu Zwecken der Zierde benutzt. Ende des 19.Jhs, Anfang des 20.Jhs kam die Schokolade ins Spiel.

Industrialisierung

Auch die Industrialisierung hinterließ ihre Spuren in der Gastronomie. In Bizkaia trug die neureiche Klasse der Bourgeosie dazu bei, dass viele Unterschichts-Frauen als Hausangestellte in den Villen von Bilbo oder Getxo arbeiteten und Einblick nehmen konnten in die Speisepläne der Kapitalisten. Parallel dazu entwickelten sich Gartenwirtschaften für die armen Leute, „Txakoli“ wurden diese Lokale genannt (wie der traditionelle baskische weiße Landwein). Diese Kneipen erfreuten sich großer Beliebtheit, dort wurden zum Beispiel Volksessen organisiert. Gleichzeitig entwickelte sich eine Eliteküche, zum Teil wurden ausländische Köche angestellt. In jener Zeit, um die Jahrhundertwende 1900 wurden zum Beispiel die Hotels Carlton, La Bilbaina, Torrontegui und andere gegründet.
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Gipuzkoa

Vor allem in Gipuzkoa wurde eine Reihe bis heute bekannter Restaurants eröffnet, die von grosser Bedeutung waren für die Entwicklung der baskischen Kochkunst: Pradera, Juanito Kojua, Zaldegi, Nicolasa, um nur einige zu nennen. Darüberhinaus sollte die Bedeutung der „sociedades gastronómicas” nicht vernachlässigt werden. Diese aus Freundesgruppen bestehenden Kochgesellschaften bestanden bis nach dem Franquismus ausschließlich aus Männern, ein Stallgeruch, der ihnen bis heute anhaftet. Sie boten ihre Kochkunst in den Sommermonaten auch Besucherinnen und Besuchern an, darunter bekanntermassen auch Mitgliedern der Monarchie.

Navarra

Die navarrische Gastronomie wartet mit bekannten Restaurant-Namen wie Joxepa, Beti Jai, El Túbal und vielen anderen auf und ist geprägt von einer grossen Vielfalt an Produkten, die der vielfältigen Landschaft in Navarra entsprechen: im Süden die Ribera-Tiefebene und die Bardenas-Wüste, im Norden die Pyrenäenausläufer. Hier gab und gibt es alles: von Olivenöl und Wein bis zu Fleisch, Käse und Milchprodukten.

Araba

In der Region Araba (spanisch: Alava) gibt es neben hervorragenden Weinen die „trujales“ (Ölmühlen), in denen hochwertiges Olivenöl gewonnen wird. Neben größeren Obstplantagen wachsen Oliven-, Mandel- und Pfirsichbäume, teilweise mitten in Weinbergen. Wie auch in Navarra stehen Schneckengerichte, Bohneneintöpfe und andere Gemüseteller hoch im Kurs.
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Der zweite Teil des Artikels beschäftigt sich mit der „Neuen Baskischen Küche“, die nach 1976 (Franco starb im November 1975) von engagierten baskischen Köchinnen und Köchen entwickelt wurde, mit neuen Konzepten, Rezepten und einer neuen gastronomischen Philosophie. (Publikation demnächst im Januar)

ANMERKUNGEN:

(1) „Mirando a la historia“, Artikel von Mikel Zeberio in der Wochenend-Beilage der Tageszeitung Deia vom 23. Dezember 2016. Der Autor, Mikel Zeberio, ist Gastronomie-Kritiker und arbeitet für verschiedene Medien. Er ist Herausgeber eines Wein-Führers, außerdem hat er als Käseproduzent, Hotelier und Koch gearbeitet.

(2) Kurze Einführung der maurischen Geschichte auf der iberischen Halbinsel (Link)

(3) „Die Jüdin von Toledo“ von Lion Feuchtwanger (Link)

FOTOS:

(1) Reisgerichte mit Meeresfrüchten gehören zur baskischen Küche (Foto Archiv Txeng)

(2) Schneckengerichte sind in Araba und Navarra zu finden (Foto Archiv Txeng)

(3) Brot, Käse und Wein – im Zentrum der baskischen Küche (Foto Archiv Txeng)

(4) Volksessen auf der Straße sind bis heute Teil der Populär-Kultur im Baskenland (Foto Archiv Txeng)

(5) Exotisches ist weniger üblich, am ehesten für Desserts (Foto Archiv Txeng)

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