etxeb01Hinrichtung durch die Guardia Civil

Das ETA-Mitglied Txabi Etxebarrieta wurde am 7. Juni 1968 bei Tolosa (Gipuzkoa) bei einem Schusswechsel mit der Guardia Civil tödlich verletzt. Immer schon wurde in seiner Familie vermutet, dass der "Nahkampf", wie sein Tod offiziell dargestellt wurde, kein solcher war. 54 Jahre nach den Ereignissen konnte von einem Anwalt endlich der amtliche Autopsie-Bericht eingesehen werden. Darin steht, dass er zweimal auf Etxebarrieta geschossen wurde, das zweite Mal von hinten, aus kürzester Entfernung.

Der 7. Juni 1968 war ein historischer Tag in der Geschichte der bewaffneten baskischen Organisation ETA. Bei Tolosa wurde ein Guardia Civil Polizist bei einer Kontrolle erschossen, bei der anschließenden Verfolgung das ETA-Mitglied Txabi Etxebarrieta. Der Polizist war der erste Tote durch ETA, Etxebarrieta war der erste Tote von ETA.

2022 jährt sich der Todestag von Txabi Etxebarrieta in Benta Haundi (Tolosa) zum 54. Mal. Zuvor hatte Etxebarrieta, der mit einem anderen Militanten unterwegs war, in einer Polizeikontrolle den Zivilgardisten José Antonio Pardines getötet. Kurz darauf wurden beide ETA-Mitglieder bei der polizeilichen Verfolgung gestellt. Iñaki Sarasketa gelang die Flucht, Etxebarrieta fand den Tod. (1) (2)

Zum 54. Jahrestag von Etxebarrietas Tod gab es nunmehr Neuigkeiten über die Todesursache. Die Familie hatte endlich Zugang zum Autopsie-Bericht, der mehr als ein halbes Jahrhundert lang im Militärarchiv von El Ferrol (Galicien) unsichtbar verborgen war. In diesem Bericht wird die Vermutung bestätigt, dass Etxebarrieta durch einen Schlag und einen ersten Schuss, der ihn verwundete, zu Boden ging und mit einem zweiten Schuss regelrecht hingerichtet wurde. Javier Buces, Experte der Wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi, der die Autopsie analysierte, und Eneko Etxeberria, Dozent an der baskischen Universität UPV-EHU, berichteten darüber in Donostia. Der Bericht von Aranzadi und der UPV-EHU basiert auf zwei Grundlagen: die Identifizierung von Opfern politisch motivierter Gewalt in der Gemeinde Tolosa und die Bitte der Angehörigen von Etxebarrieta, die Fakten zu untersuchen.

Offizielle Version und Verdacht

etxeb02Die von der baskischen Regierung im Jahr 2016 veröffentlichte Bilanz von Todesfällen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen bezeichnete diesen Fall als "unzureichend geklärt" und mit "widersprüchlichen Versionen". Die offizielle Version lässt sich mit den Worten von Gaizka Fernández Soldevilla, Leiter des “Dokumentationszentrums der Gedenkstätte für die Opfer des Terrorismus“, zusammenfassen:

"Bei der Beschreibung der Konfrontation bei Venta Aundi (Ort bei Tolosa) haben fast alle Medien die Mitteilung des Kommandos der Guardia Civil wiedergegeben oder zitiert. Darin wird davon gesprochen, dass es zwei Polizisten der genannten Einheit gegen sieben Uhr abends bei einer Kontrolle gelang, die beiden Mörder (des ersten Polizisten) ausfindig zu machen. Beim Versuch, die beiden angehaltenen Personen zu identifizieren, schossen diese erneut auf die Polizisten. Einer stürzte sich auf sie, und nach einem zähen Nahkampf waren sie gezwungen, ihre Waffen einzusetzen, um die Aggression einzudämmen. Dabei gelang es, einen von ihnen zu verletzen, der wurde ins Krankenhaus von Tolosa gebracht und starb kurz darauf". So die offizielle Version.

Dies berichtete zum Beispiel die weit rechts stehende Tageszeitung "ABC", hier wurde der "Nahkampf" hervorgehoben. Die offizielle Version besagt, dass nur ein einziger Schuss abgefeuert wurde. Die Familie hatte schon immer den Verdacht, dass an dieser offiziellen Version etwas nicht stimmt, und forderte die Unterlagen an. Die Einsicht fand jedoch erst ein halbes Jahrhundert nach den Ereignissen des 7. Juni 1968 statt. In anderen Versionen hieß es, Etxebarrieta sei nach einem Schlag auf den Kopf bewusstlos gewesen und anschließend gezielt getötet worden.

Antrag auf Untersuchung

Der nun bekannt gemachte Autopsie-Bericht bestätigt diese zuletzt genannte These. Die Leiche des ETA-Aktivisten (er starb im Alter von 23 Jahren) wies eine Schnittwunde im Bereich des Hinterkopfes auf, die sich mit dem Aufprall gegen die Wand erklärt. Doch ist auch von zwei Schusswunden die Rede. Der erste Schuss ging zwischen den Rippen hindurch und trat durch den Rücken aus. Der zweite ist der wichtigere, dieser Schuss ging durch den Rücken und erfolgte aus kurzer Entfernung. Was darauf hindeutet, dass Etxebarrieta nach seiner schweren ersten Verwundung mit dem zweiten Schuss getötet wurde, oder anders gesagt: hingerichtet. Bei diesem Schuss gibt es keine Austrittswunde, das Geschoss blieb im Körper.

In einem von der baskischen Regierung eingeleiteten Verfahren hat die Familie daher einen Antrag auf Anerkennung als Opfer einer Menschenrechts-Verletzung gestellt. Aitziber Ibaibarriaga (Nichte von Txabi Etxebarrieta) wies darauf hin, dass die verbleibenden Angehörigen bereits vor der Bewertungs-Kommission ausgesagt haben und nun auf eine Antwort warten: "Wir glauben, dass dieser Bericht wichtig sein wird. Für die Familie war schon immer klar, was wirklich passiert ist".

Nach den Worten des Untersuchungsleiters Doktor Buces "ist der Fall beispielhaft unter den ungeklärten Todesfällen durch Polizeibeamte". Aus allen analysierten Daten "ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine direkte Verletzung des Rechts auf Leben von Txabi Etxebarrieta". Für Eneko Etxeberria legt die Analyse nahe, dass Etxebarrieta Opfer einer außergerichtlichen Hinrichtung wurde: "Die Schlussfolgerung ist, selbst wenn es eine Konfrontation gab, erklärt dies nicht den Schuss in den Rücken, es gibt keine logische Erklärung dafür".

Auf der Grundlage dieser Schlussfolgerung und der durchgeführten Arbeiten ist Etxeberria der Ansicht, dass trotz der Tatsache, dass 54 Jahre vergangen sind, "immer noch die Möglichkeit besteht, eine offizielle Untersuchung einzuleiten". Er ist der Meinung, dass auch untersucht werden könnte, ob es sich um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt und somit ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden könnte. Und drittens empfehlen sie die Anerkennung des Opfers als solches und eine Wiedergutmachung für seine Familie.

Kontrollierte Untersuchung

etxeb03Einer der Aspekte, den beide Experten hervorhoben, war die falsche Interpretation der Untersuchung. "Es gab keinen neutralen Richter, der Prozess wurde von einem Kommandanten der Guardia Civil durchgeführt, es wurde keine Alternative in Betracht gezogen, alles ist darauf ausgerichtet, diese Version zu bestätigen. Der Schuss in den Rücken wurde nicht berücksichtigt", sagte Etxeberria.

Buces betonte, dass "die Guardia Civil die Ermittlungen durchführte" und dass "ihre Aussagen völlig widersprüchlich sind". Im Gegensatz dazu bestätigen die Zeugenaussagen, einige von ihnen aus jener Zeit, andere wurden in den letzten Jahren (2019) gesammelt, dass Etxebarrieta sich in einer Situation von Wehrlosigkeit befand und keine Schüsse abgab.

Eine weitere wichtige Tatsache: Zeugen haben gesehen, wie der Gerichtsmediziner damals mit der Guardia Civil gestritten hat. Für den Experten von Aranzadi könnte dies damit zu tun haben, dass der Autopsie-Bericht zu Txabi Etxebarrieta sehr kurz sein sollte, die des getöteten Zivilgardisten Pardines dagegen umfangreich und detailliert.

ANMERKUNGEN:

(1) “La autopsia ocultada confirma que la GC remató a Txabi Etxebarrieta” (Die versteckte Autopsie bestätigt, dass Txabi Etxebarrieta durch die Guardia Civil hingerichtet wurde) Tageszeitung Gara, 2022-06-08

(2) Txabi Etxebarrieta, Wikipedia (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Todesort (elmundo)

(2) Gedenken (elpais)

(3) Gedenken (naiz)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-06-12)

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