Mit Einheimischen unterwegs in Bilbao
Die Greeters-Projekte entwickeln sich langsam und nicht unbedingt der jeweiligen Konjunktur im Tourismusbereich entsprechend. Denn während die Besuchs-Zahlen im Baskenland und im Staat kräftig anzogen, blieben die Anmeldungen bei dem sympathischen Freiwilligen-Projekt praktisch dieselben wie im Vorjahr. Zum einen ist das Projekt nach wie vor wenig bekannt, zum anderen ist es abhängig von Freiwilligen, die sich mit Tourist*innen treffen und mit ihnen zwei, drei Stunden ihrer Freizeit verbringen.
Greeters sind Freiwillige in den verschiedensten Städten der Welt, die sich mit vorher angemeldeten Tourist*innen treffen und ihnen ihre Lebenswelt zeigen – ein unprofessioneller aber herzlicher Empfang, der punktuelle Einblicke in den besuchten Ort gibt, abseits der touristischen Pfade.
Bilbao bleibt vorläufig das einzige Greeters-Projekt im Baskenland. Denn die Versuche, in Donostia (San Sebastian) und Gasteiz (Vitoria) ähnliche Initiativen aufzubauen, stehen noch in den Anfängen oder blieben stecken, weil die Hürde der Ehrenamtlichkeit mitunter zu hoch ist. Diese Erfahrungen machten auch die Organisatorinnen in Bilbao. Nur mit dem Aufwand eines großen Teils ihrer Freizeit haben sie das Projekt am Leben erhalten, eine „normale“ Berufstätigkeit nebenher ist dabei völlig utopisch. Denn institutionelle Unterstützung ist Fehlanzeige, an nichtkommerziellen Initiativen besteht kein Interesse, in Bilbao ist allein zahlungskräftiger Massentourismus gefragt.
Unter diesen Umständen legen es die Organisatorinnen gar nicht erst darauf an, die Besuchszahlen zu steigern und sind froh, dass sie nicht mehr Absagen machen müssen. Bisher gehen die Absagen vor allem an solche Interessierte, die erst im letzten Moment auf die Idee kommen, sich bei den Greeters um eine Begleitung zu bewerben – praktisch, wenn sie schon in der Stadt sind. Weil aber der Greeters-Einsatz auf freiwilliger Basis läuft und viele der Greeter*innen berufstätig sind, ist es unmöglich, von heute auf morgen eine Begleitung auf die Beine zu stellen. Zehn Tage Vorlauf werden erwartet. Die zweite Bedingung ist, dass es nicht mehr als sechs Personen sind, die an den Begleitungen teilnehmen.
Bilanz 2017
Die Zahl von 285 Besuchen im Jahr 2017 entspricht fast genau der vom Vorjahr. Bei diesen Besuchen wurden insgesamt mehr als 750 Personen begleitet. Im Durchschnitt bedeutet das drei Personen pro Besuch und fast jeden Tag eine Begleitung. Diese Zahl wird dadurch relativiert, dass sich die meisten Besuche im Frühjahr, Sommer und Herbst konzentrieren. Geleistet wird dieses Pensum von knapp siebzig Greeter*innen, von denen aktuell ca. 50 aktiv sind. Die Organisatorinnen sprechen von einer gewissen Fluktuation, denn manche müssen es lassen, wenn sie eine neue Arbeit beginnen, andere hingegen kommen neu zum Team, im vergangenen Jahr waren es fünfzehn Personen.
Neben den knapp dreihundert druchgeführten Besuchen gab es weitere 30% Anfragen, die negativ beantwortet werden mussten. „Die meisten waren Leute aus anderen Regionen Spaniens, ausgerechnet die halten es nicht für notwendig, sich ausreichend vorher anzumelden. Die planen weniger als die Mittel- und Nordeuropäer, und ganz spontan geht es bei uns eben nicht. Wir sind keine Profis, niemand verdient etwas an der Sache.“ Und vor allem Spanier*innen sind es, die trotz Verabredung nicht am vereinbarten Treffpunkt erscheinen – ohne Absage. „Das kommt zwar nicht häufig vor, aber es ist besonders ärgerlich, denn irgendein Gretter hat sich Zeit genommen und wartet dann umsonst.“ Diese Haltung macht eine mangelnde Wertschätzung deutlich: was umsonst ist, kann nicht viel Wert haben. „Aber damit müssen wir leben, im Greeters-Modell spielt Geld keine Rolle, also können wir niemand verpflichten, am Ende auch aufzukreuzen.“
Fünfundzwanzig Herkunfts-Länder
Aus fünfundzwanzig verschiedenen Ländern kamen die Besucher*innen im vergangenen Jahr, darunter exotische wie Panama, Russland, Japan und Myanmar. Englisch ist mit 51% die meistgefragte Sprache, was nicht unbedingt heißt, dass es sich dabei immer um Personen aus englischsprachigen Ländern handelt. Denn holländische und italienische Begleitungen können nicht angeboten werden, die müssen auf Englisch ausweichen. Stark vertreten sind in jedem Fall Großbritannien, USA, Kanada und Australien. Nach Englisch ist Spanisch stark im Kommen, mehr als 40% sind es bereits. Der Rest verteilt sich zu kleinen Teilen auf Länder wie Frankreich, Deutschland, Belgien oder Skandinavien.
„Wie viele von den Besucher*innen setzen ihre positive Erfahrung nach der Reise in eine Spende um?“- war eine der Fragen beim halbjährlichen Greetertreffen in Bilbao. Denn allein von Spenden lebt das Projekt, zumindest der Unterhalt der Webseite und ein paar weitere bürokratische Angelegenheiten müssen bezahlt werden. Wenn es ihnen gefallen hat, sind die Besucher*innen eingeladen, ihren Obulus auf das Greeter-Konto zu transferieren. Die Greeter*innen selbst sollen kein Geld annehmen von den Besucher*innen. Denn eine solche Praxis wäre das Ende des Projekts: bei der heutigen wirtschaftlichen Situation würden sich womöglich Dutzende melden und die Einnahme nicht weitergeben an den Verein. Nur eine Einladung zum Kaffee ist erlaubt. Obwohl die Besucher*innen die Regel kennen, bieten 90% dennoch eine Spende an. Die muss dann abgelehnt werden mit dem Hinweis auf die Spendenmöglichkeit auf das Greeters-Konto. Doch scheinbar ist die Begeisterung über den netten Besuch nach der Heimkehr schon wieder verflogen, denn kaum 30% sind es, die sich dann doch noch an eine Überweisung machen.
Der Altersdurchschnitt der Greeter*innen liegt eher hoch, denn vor allem Rentner*innen haben ausreichend Zeit für die Begleitungen. Für alle ist es ein Vergnügen, manche bessern ihr verloren gegangenes Englisch wieder auf. Kritik kommt nur von den professionellen Reiseführern, bzw. von ideren Berufsverband. Sie beschwerten sich mehrfach über die Presse darüber, dass „Eindringlinge“ sich auf dem Führungsmarkt breit machen. Sie sind der Meinug, dass es eine mehrjährige Ausbildung erfordert, um zwanzig Banalitäten über die Stadt vom Stapel zu lassen. Zuletzt wurden bei diesen Rundumschlägen auch die Greeters ins Visier genommen. Dabei wurde deutlich, dass die Verbandsfunktionäre nicht die geringste Idee haben vom Charakter des Greeters-Projekts, das auf völliger Freiwilligkeit beruht – geschweige denn eine Wertschätzung des freiwilligen Einsatzes bei der Vorstellung der eigenen Stadt.
Trotz internationaler Präsenz und guter Vernetzung im Internet ist das Greeters-Projekt vielen noch nicht bekannt. Die Organisatorinnen in Bilbao sind nicht traurig darüber: „Wir sind an unseren Grenzen angelangt, mehr wäre momentan einfach nicht machbar.“ Ein deutschsprachiger Greeter ist in Bilbao übrigens auch unterwegs. „Vor allem Schweizer*innen habe ich schon begleitet, weniger Deutsche. Österreicher noch gar nicht, eigentlich seltsam. Und mehr Frauen als Männer, teilweise auch Alleinreisende. Schlechte Erfahrungen habe ich noch keine gemacht, die meisten sind sehr dankbar für die Erfahrung, weil sie Orte sehen, an denen keine offizielle Stadtführung vorbeikommt. Vom ganz persönlichen Kontakt ganz abgesehen.“
Ein ausführlicher Artikel über die weltweite Greeter-Bewegung ist zu finden bei Baskultur.info (Link) unter dem Titel: „Global Greeter Network – Greeters grüßen in Bilbao“. Im selben Portal erschien vor einem Jahr der Artikel „Greeters Bilbao 2016 – Alternativen zum gängigen Tourismus“ (Link). Die Bilbao-Greeters sind zu erreichen über … (Link)
(Publikation baskultur.info 2018-01-28)
ABBILDUNGEN:
(*) Bilbao (Foto-Archiv-Txeng)