Kommissar Ayala löst Horror-Morde
Die aus dem Baskenland stammende und in Alicante lebende Autorin Eva García Sáenz schreibt Krimi-Geschichte. Bisher hat sie drei dicke und spannende Krimi-Bände vorgelegt, die es ohne Übertreibung mit Agatha Cristie aufnehmen können. Die perfekt ausgetüftelten Geschichten um den Inspektor Unai Ayala und seine Kollegin Estibaliz spielen an Originalplätzen der baskischen Hauptstadt Vitoria-Gasteiz. Übersetzte Ausgaben ermöglichen auch dem deutsch-sprachigen Publikum den Genuss der Werke.
Rezension: Im Fischer-Verlag erschienen seit 2019 bisher drei Bände der baskischen Autorin Eva García Sáenz: “Die Stille des Todes“, “Das Ritual des Wassers“ und “Die Herren der Zeit“. Der erste Band wurde bereits verfilmt, eine auf den Werken basierende Krimiserie ist in Arbeit.
Eva García Sáenz stammt aus Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt der Autonomen Gemeinschaft Baskenland. Dort spielen auch ihre Kriminalgeschichten. Ihre 2016 in spanischer Sprache erschienene dreiteilige Serie um den Polizei-Kommissar Ayala alias “Kraken“ machte die Schriftstellerin nach vorher weniger erfolgreichen Werken mit einem Schlag berühmt. Drei Jahre später gelangte die Trilogie auch in Deutschland auf die Bestsellerliste. Bis heute wurden die drei Bände im Original über eine Million Mal verkauft und bereits in mehrere Sprachen übersetzt. Der erste Band wurde mit dem Schauspieler Javier Rey fürs Kino verfilmt, eine TV-Serie ist in Planung.
Die Autorin Eva García Sáenz
Eva García Sáenz de Urturi (*1972 Vitoria-Gasteiz) zog m Alter von 15 Jahren von Vitoria-Gasteiz nach Alicante, wo sie heute lebt. Sie machte eine Ausbildung als Augenoptikerin und arbeitete später in ihrem erlernten Beruf an der Universität Alicante. Ihr Interesse am Schreiben entstand im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit. Sie verbrachte viele Abende mit Recherchen und dem Niederschreiben von Texten.
Rund drei Jahre arbeitete sie an ihrem Erstlingswerk, das 2012 veröffentlicht wurde: “La saga de los longevos: La vieja familia“ (übersetzt: Die Sage der Langlebenden: die alte Familie). Bereits dieser Roman war im spanischen Staat ein Erfolg. Im Jahr 2014 erschien die Fortsetzungs-Geschichte “Los hijos de Adán“ (deutsch: Die Kinder von Adam). Im selben Jahr publizierte sie “Pasaje a Tahití“ (deutsch: Passage nach Tahiti). Beide Bücher hatten einen guten Absatz. 2016 erschien der erste Teil der Roman-Trilogie “El silencio de la ciudad blanca“ (deutsch: Das Schweigen der weißen Stadt), der mittlerweile unter dem Titel “Die Stille des Todes“ in deutscher Sprache erschienen ist. Zu seiner Vorbereitung belegte die Autorin Kurse auf einer Polizeiakademie über Augeninspektion und über die Auswertung von Fingerabdrucken. (1)
1. Band: Die Stille des Todes
Der erste in deutscher Sprache erschienene Krimiband von Eva García Sáenz trägt den Titel “Die Stille des Todes“. Im Einband ist zu lesen: “Es sterben immer zwei. Sie sind immer gleich alt. Und sie kennen sich nicht. Eine Stadt ist in Angst. In der Kathedrale von Gasteiz liegt ein totes Paar, völlig nackt, in einer Umarmung umfangen. Das alles gleicht exakt einer Serie von Verbrechen, die vor zwanzig Jahren die Stadt in Atem hielt. Doch jener Fall gilt als gelöst, der Täter sitzt in strenger Einzelhaft.“
Nachdem sich nun ein fünfter Doppelmord mit ähnlichen Vorzeichen ereignet, stellt sich die Frage, ob damals möglicherweise ein Unschuldiger verurteilt wurde. Dies zu klären ist Aufgabe des Kommissars Unai Lopez Ayala, der den Spitznamen “Kraken“ trägt. Zusammen mit seiner Kollegin Estibaliz steht er vor einem Rätsel. Denn für die Verbrechen von damals sitzt ein renommierter Archäologe der Stadt seit langen Jahren im Gefängnis. Der bietet seine Hilfe an – doch kann Ayala ihm trauen?
Es beginnt ein Wettlauf mit dem Tod. Denn der Mörder begeht nach einem zynisch anmutenden System weitere Doppelmorde. Ein Verdächtiger nach dem anderen steht auf der Liste der Kriminalisten, kein Verdachtsmoment kann wirklich bestätigt werden. Rückblicke in die Vergangenheit erscheinen erst verwirrend und ergeben langsam ein Bild. Doch der Täter hat sich perfekt getarnt. Erst in einer lebensgefährlichen Aktion kann er entlarvt werden, nach einer spannenden Verfolgung: “Düster und voller unerwarteter Wendungen“, heißt es dazu in einer Buchbesprechung. (1)
Eva García Sáenz’ Krimi-Auftakt um den Fallanalytiker Unai Lopez de Ayala und seine Kollegin Estibaliz Ruiz de Gauna nimmt die Leser*innen mit in die Straßen und Gassen der baskischen Stadt Vitoria-Gasteiz, in Kathedralen und Kaffeehäuser, an allseits bekannte Orte und zu den traditionellen Sommer-Fiestas unter dem Namen Virgen Blanca. Insbesondere für Kenner*innen der Stadt ist der Roman ein persönliches Erlebnis. Denn es geht nicht nur um irgendeine Handlung, sondern um vertraute Ecken aus dem Alltag.
Die Morde – es passieren gleich mehrere – folgen einem bestimmten Muster, das die Verbrechens-Serie 20 Jahre zuvor fortführt. Es sind immer Paare, sie sind immer an einem historischen Ort abgelegt und arrangiert, und auch das Alter der Ermordeten spielt eine Rolle. Zu Krimi-Beginn sind die Opfer 20 Jahre alt – bei der vorherigen Mord-Serie wurden zunächst zwei Neugeborene, dann zwei Fünfjährige, zwei Zehnjährige und schließlich zwei 15-Jährige umgebracht. Vor 20 Jahren wurde angeblich der Täter festgenommen. Ein angesehener Archäologe und Fernsehstar, den ausgerechnet sein Zwillingsbruder, ein Polizei-Inspektor, verhaften ließ. Ein Geständnis gab es nie. (2)
2. Band: Das Ritual des Wassers
Der zweite Fall für den aus dem ersten Krimi noch heftig angeschlagenen Kommissar “Kraken“ Ayala und seine Kollegin Estibaliz. Eine Tote hängt an den Füßen an einem Ast. An einer historischen Kultstätte im Baskenland. Und sie war schwanger. Für Ayala geht es ans Eingemachte, denn bei der Toten handelt es sich um seine erste Liebe, die offenbar nach einem keltischen Opfer-Ritual hingerichtet und in einem historischen Wasserkessel ertränkt wurde. Die Ermittlungen führen in die persönliche Vergangenheit des Kommissars. Um Jahre zurück in dessen Jugend, als er mit Freunden bei der archäologischen Rekonstruktion eines steinzeitlichen Dorfes teilnahm und damals die Tote kennenlernte. Und es bleibt nicht bei diesem einen Mord. Jemand scheint Menschen zu töten, die bald Mutter oder Vater werden. Kraken und Estibaliz müssen sich beeilen. Außerdem ist Krakens Chefin Alba schwanger – und das Kind könnte von ihm sein.
3. Band: Die Herren der Zeit
Wieder erschüttert eine Serie von Morden die baskische Hauptstadt. Sie folgen düsteren mittelalterlichen Ritualen. Inspektor Ayala alias Kraken muss feststellen, dass die Verbrechen alle in einem geheimnisvollen historischen Roman beschrieben sind. Der Titel des dritten Teils der Trilogie lautet “Die Herren der Zeit“. Und auch mit Krakens eigener Vergangenheit scheint das Epos zusammenzuhängen. Ein höchst gefährlicher Fall, nicht nur für den Inspektor, sondern auch für seine Familie.
Was mit dem Verschwinden zweier Schwestern beginnt, ist wieder eine Mordserie im beschaulichen Vitoria-Gasteiz. Der Mörder nimmt als Vorbild einen neu erschienen Bestseller-Roman über eine Mittelalter-Epoche, in der die Stadt belagert wird. Jeder kennt den Roman, niemand der Autoren. Natürlich erkennt Inspektor Ayala als erster den Zusammenhang zwischen den eingemauerten Mädchen und dem mit Gift ermordeten Millionär. Der Fall scheint ihm zu entgleiten, als erst seine Kollegin und dann auch noch sein Großvater schwer verletzt werden. Weil selbst seine Tochter ist Gefahr schwebt, gibt es für Kraken-Ayala kein Halten mehr. Hochspannend, mit erneut erstaunlichem Ende.(4)
Der Film
Auf der Grundlage des ersten Bandes der Trilogie mit dem Originaltitel “El silencio de la ciudad blanca“ (deutsche Ausgabe: Die Stille des Todes) wurde 2019 ein Kinofilm in spanischer Sprache gedreht, der im Oktober 2019 in die spanischen Kinos kam und auch bei Netflix erhältlich ist. (1) Bei den Dreharbeiten wurde das neue Rathaus in Gasteiz vom Regisseur Daniel Calparsoro zum Kommissariat umfunktioniert. Für weitere Wiederkennungswerte sorgen die Szenen in der bekannten Konditorei Goya und im Restaurant Matxete. Und selbstverständlich die Fiestas von Gasteiz, die traditionell mit dem Regenschirm-Abgang des Celedón beginnen – wenn nicht Pandemien die Fiestas platzen lassen (3). Die Hauptrollen spielen Javier Rey (Unai Lopez de Ayala 'Kraken'), Belén Rueda (Alba Díaz de Salvatierra) und Aura Garrido (Estíbaliz Ruiz de Gauna).
Interview mit Eva Garcia
Auf die Frage nach den Ängsten des Publikums, ob ein Film die vom Buch hinterlassenen Erwartungen erfüllen kann, antwortet die Autorin: “Im Voraus schwer zu sagen. Die Leserinnen ziehen immer den Roman vor, den sie in ihrer Vorstellung behalten haben. Das ist unvermeidlich, denn alle haben viele Stunden mit der Lektüre zugebracht.“ Sie geht davon aus, dass die Bewohnerinnen von Gasteiz ihre Stadt natürlich wiedererkennen. “Die Stadt ist neben Kraken die wichtigste Protagonistin, sie ist Richterin, Teil und Zeugin der Ereignisse und Verbrechen und der persönlichen Geschichte des Kommissars.“
Eva Garcia hält es für möglich, dass der Film für Vitoria-Gasteiz eine ähnliche Bedeutung haben kann wie “Game of Thrones“ für die Bizkaia-Küste. (5) “Ein Film von dieser Kategorie ist in der Lage, die Stadt auf die Landkarte zu setzen, das haben wir bereits nach der Publikation der Romane gespürt. Vorher gab es Leute, die wussten nicht wie Vitoria ausgesprochen wird, seit Jahren verbessere ich Victoria durch Vitoria. Nun wird über die Calle Dato gesprochen, über den Celedón, über die Trüffel und Goya.“
Auf die unvermeidliche Frage, ob sie der Trilogie eventuell noch ein viertes Glied anhängen wolle, antwortet sie diplomatisch: “Eine Schriftstellerin kann nie voraussagen, was sie in der Zukunft schreiben wird. Figuren, die meine literarische Geschichte markieren und die mir und Millionen Leserinnen viel Freude bereitet haben, werden immer in meinem Hinterkopf bleiben.“
Empfehlung
Die Protagonist*innen der Krimi-Trilogie zeichnen sich aus durch interessant gezeichnete Charaktere. Eingearbeitet sind die persönlichen Schicksale von Ayala und Estibaliz, sowie jene der Zwillings-Familie Ortiz de Zarate (im ersten Roman). Eva García Sáenz entwickelt hochgradig spannende, temporeiche Kriminalgeschichten mit vielen falschen Fährten und teilweise mysteriösen Wendungen, die am Ende aber alle schlüssig aufgelöst werden. (2)
Neben thriller-würdigen Handlungen und gut ausgearbeiteten Charakteren bietet die Gasteiz-Trilogie auch Einblicke in die baskische Alltags-Kultur. Zum Beispiel über die Bedeutung der “Quadrillas“ genannten Cliquen, die in der Regel ein Leben lang halten und oft dauerhafter sind als Ehen. Ein leicht esotherisch anmutender Ayala-Großvater wird zum positiven Leuchtturm im Sturm der kriminalistischen Ermittlungen. Ob die Trilogie mit der Ken-Follet-Dynamik um die alte Kathedrale Schritt halten kann, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. (6)
Leider hat Eva Garcia mit der baskischen Sprache keinerlei Beziehung. Dabei wäre auf 1.800 Seiten problemlos die eine oder andere Bemerkung über das Euskara möglich gewesen, neben den vielen anderen interessanten Details, die sie eingebaut hat. Für sie heißt der Schauplatz Vitoria und nicht wie offiziell festgelegt Vitoria-Gasteiz, auch alles andere ist sprachlich eindimensional gehalten. Vielleicht ist dies der Orientierung auf ein spanisches Publikum geschuldet, das mit baskischer Kultur und Eigenheit wenig anfangen kann. Schließlich sollen die Romane verkauft werden.
ANMERKUNGEN:
(1) Eva García Sáenz de Urturi, Wikipedia (LINK)
(2) Buchtipp: Baskische Morde mit Zahlensymbolik (LINK)
(3) Celedón: Symbolfigur der Fiestas von Vitoria-Gasteiz. Bei der Eröffnung wird quer über den Virgen-Blanca-Platz ein 100 Meter langes Seil gespannt. An diesem Seil gleitet der Celedón, einen Regenschirm in der Hand, über das Publikum hinab. Natürlich nicht wirklich, sondern als Puppe. Doch der Celedón ist echt. Am Ende des Seils taucht er wieder auf, nachdem er sich durch die feiernde Menge gequält hat.
(4) Rezension Eschborner Stadtmagazin, Elke Rossmann, (LINK)
(5) An zwei Orten der baskischen Küste wurden Szenen zu der Filmserie Game of Thrones gedreht, konkret in Gaztelugatxe und Zumaia. In beiden Fällen führte dies zu einem unheilvollen Massenansturm von Touristen, der ökologische und gesellschaftliche Schäden hinterlassen hat.
(6) Der englische Schriftsteller Ken Follet (*1949) verortet einen Teil der Roman-Handlung von “Un mundo sin fin“ (Originaltitel “World without end“) in der alten Kathedrale Santa María von Vitoria-Gasteiz. Der Roman bildet den zweiten Teil der Trilogie “Los Pilares de la Tierra“ (Die Säulen der Erde). Diese im Kern der Altstadt stehende Kathedrale wird seit 20 Jahren renoviert. Die Besonderheit an dieser Reform, die auch archäologische Dimensionen beinhaltet, besteht darin, dass die Baustelle immer für Besucher*innen geöffnet blieb. Das heißt, die Öffentlichkeit kann sich sowohl über den Fortgang der Bauarbeiten wie auch über die archäologischen Forschungs-Ergebnisse auf dem Laufenden halten. In der Stadt steht eine Büste des berühmten Engländers.
ABBILDUNGEN:
(1) Roman-Trilogie Kraken (fischer-verlag)
(2) Eva Garcia Saenz am Virgen-Blanca-Platz von Vitoria-Gasteiz (ayto tomares)
(3) Dreharbeiten Kraken (los lunes seriefilos)
(4) Kathedrale Santa Maria Gasteiz (viajar con el arte)
(5) Eva Garcia Saenz (zenda libros)
(6) Dreharbeiten Kraken (huffington post)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-08-01)