BASKULTUR-VIDEO (1)
BASKULTUR.INFO bewegt sich in neuen Sphären: Audio und Video sind für andere Medien sicher alte Kamellen. Doch für ein Portal, das seit acht Jahren von Texten, Übersetzungen, Analysen und Artikeln lebt, stellen sie eine neue Dimension dar. Für den Einstieg in die Welt des VIDEO stellen wir vorerst bestimmte Ansprüche an unser Publikum. Fürs erste, solange wir noch keine eigenen und in deutscher Sprache besprochenen Videos produzieren.
Neben den sicher vielsagenden Bild-Eindrücken (die auch für sich sprechen können), sind spanische Sprachkenntnisse beim Betrachten der Videobeiträge von großem Nutzen. Auf baskische Beiträge verzichten wir traurig und zähneknirschend, wohl wissend, dass damit 99% unseres Publikums komplett überfordert wäre. Alles eine Frage der Zeit.
ERSTE VIDEO-AUSWAHL:
(1) Überraschender Baustopp beim Hochgeschwindigkeits-Zug AHT im Baskenland, ein neues Kapitel Spaßguerrilla (Ahotsa.info, 4 min).
(2) Seit zweieinhalb Jahren gehen Rentner*innen im gesamten Baskenland jeden Montag auf die Straße und fordern eine Bezahlung, die für eine würdige Existenz ausreicht. Bericht von einer Demonstration mitten in der Pandemie (Ecuador Etxea, 2:20 min).
(3) Siemens-Gamesa schließt Generatoren-Werk in Navarra (Ahotsa.info, spanisch, 6 min).
(4) Die Verhaftung von Punks bei der Fiesta Bilbao 1985 (spanisch, 5 min).
(5) Interview mit dem Punk-Musiker Evaristo der legendären Bands “La Polla Records“ und “Gatillazo“ (2014, spanisch, 30 min).
(6) Verteidigung der Sozialzentrums-Hausbesetzung in Portugalete, Bizkaia: das Projekt erlitt in der vergangenen Nacht eine Brandstiftung (Ecuador Etxea, 1.40 min).
(7) Wie aus Volkseigentum Privateigentum wird – im Bilbo-Stadtteil Bilbo Zaharra ist erneut ein solches Phänomen zu beobachten, nachdem aus einer Sparkasse eine Bank geworden ist. (Ecuador Etxea, 1.00 min).
BAUSTOPP BEI HOCHGESCHWINDIGKEITS-ZUG (1)
Eine Baustelle des umstrittenen Hochgeschwindigkeits-Zugs in Navarra hat vergangene Woche überraschenden Besuch erhalten. Die Arbeiten wurden stillgelegt. (ahotsa.info, spanisch, 4 min)
Seit mehr als 10 Jahren wird durch das Baskenland ein Hochgeschwindigkeits-Zug (AHT) gebaut. Ein wahrhaft pharaonisches Projekt, der allein der Bauindustrie dient und dessen wirtschaftlicher Wert völlig in Frage gestellt wurde. Die Trassen durch Euskadi und Navarra sind in Anbetracht der unregelmäßigen Topografie durch Brücken und Tunnels geprägt, die eine Unmenge Geld kosten. Das Verkehrsproblem im Baskenland wird dennoch nicht gelöst, weil Hochgeschwindigkeit mit sich bringt, dass es keine Haltestellen geben darf. Insofern ist das Projekt mehr als umstritten. Von den ökologischen Folgen des Baus ganz zu schwiegen.
Die Kontra-Bewegung MUGITU hat deshalb in Navarra (Nafarroa) eine spektakuläre Aktion durchgeführt. Nachdem eine unabhängige Beobachtungs-Kommission kürzlich die Sinnhaftigkeit des AHT-Projekts in Zweifel gezogen hat, trat nun eine als Ingenieur-Trupp verkleidete Gruppe auf den Plan. Perfekt ausgestattet mit Helmen, Gelbwesten und Papieren wurde im Namen einer Finanzbehörde eine Großbaustelle abgeriegelt und versiegelt. Die Vorstellung war derart überzeugend, dass die anwesenden Arbeiter und Ingenieure keinerlei Widersprüche geltend machten und nur fassungslos zuschauten, wie Absperrbänder gezogen und Plakate geklebt wurden mit der Aufschrift: “Baustelle geschlossen“. MUGITU! (dt: Bewegen!) bietet nun den Behörden in Euskal Herria an, mit allen anderen Baustellen in gleicher Weise zu verfahren: “Wir bieten der öffentlichen Verwaltung an, kostenlos alle Baustellen zu versiegeln, damit den Steuerzahlern keine weiteren Unkosten entstehen.“ Fritz Teufel hätte an der Aktion seine Freude gehabt. (VIDEO)
RENTNERINNEN BLEIBEN IN BEWEGUNG (2)
Seit zweieinhalb Jahren gehen Rentner*innen im gesamten Baskenland jeden Montag auf die Straße und fordern eine Bezahlung, die für eine würdige Existenz ausreicht. Bericht von einer Demonstration mitten in der Pandemie (Ecuador Etxea, Twitter, 2:20 min)
Erst die Coronavirus-Pandemie war in der Lage, die Tradition baskischer Rentner*innen zu unterbrechen und ihre mehr als zweijährige Protestreihe kurzzeitig einzustellen. Der Alarmzustand hatte es unmöglich gemacht, auf der Straße zu mobilisieren. Doch mit den ersten Lockerungen waren auch die “Alten“ wieder auf der Straße, um weiterhin 1.080 Euro für alle zu fordern, sowie 1.200 Euro für Pflegebedürftige. Es ist landläufig bekannt, dass bei vielen die Rente weder vorne noch hinten reicht und vor allem Frauen von Altersarmut betroffen sind, obwohl sie ein Leben lang geschuftet haben. Weil dies meist in Form von Hausarbeit geschah, werden sie im Alter besonders bestraft.
So erklärt sich die Forderung der baskischen Rentner*innen-Bewegung und ihrer Unterstützer*innen aus anderen Regionen. Am 24. August 2020 wurde in Bilbo eine Demonstration durchgeführt, zu der trotz Urlaubszeit stolze 5.000 Personen kamen. Die Nachbarschafts-Organisation Ecuador-Etxea hat Szenen dieser Mobilisierung in einem kurzen Video anschaulich zusammengeschnitten. Am kommenden 7. September nimmt die Bewegung “PENTSIONISTAK MARTXAN“ ihre montäglichen Kundgebungen wieder auf, in den drei Hauptstädten und 70 kleineren Orten, unermüdlich gegen die staatlich verordnete Altersarmut. (VIDEO)
SIEMENS-GAMESA SCHLIESST WERK (3)
Chronik einer geplanten Betriebs-Verlegung eines Windgeneratoren-Werks im strukturschwachen Nord-Navarra. (Ahötsa.info, spanisch, 6 min)
Westlich von Pamplona soll ein Werk zur Fabrikation von Windkraft-Generatoren geschlossen werden. Dahinter steckt eine Produktions-Verlegung des deutsch-baskischen Energie-Riesen Siemens Gamesa (Baskultur), in diesem Fall nach Portugal. 235 Personen sollen ihre Arbeitsplätze verlieren in einer strukturschwachen Gegend, die bereits jetzt 14% Arbeitslosigkeit aufweist. Das vor erst elf Jahren erstellte Werk wurde unlängst stark erweitert, zu Beginn wurden von der öffentlichen Hand Millionen-Zuschüsse investiert. (VIDEO)
MASSEN-VERHAFTUNG VON PUNKS 1985 (4)
Aus halb Europa kamen in den 1980er Jahren Punks zur berühmten Fiesta in Bilbo. Zweifelhafte hygienische Umstände führten von Seiten der Stadtverwaltung zu zweifelhaften Reaktionen: verhaften, kahlscheren und duschen. (Canalgotxi.es, 1985, spanisch, 5 min)
Kurz bevor AIDS die Welt regierte und in der Hochzeit der baskischen Drogenflut wurde die bekannte Aste-Nagusia-Fiesta von Bilbao von hunderten von Punks besucht, in damaligen Zeiten “pies negros“ oder “Schwarzfüße“ genannt, die irgendwo auf der Straße und in Parks lebten. Die Stadtväter mit dem Bürgermeister an der Spitze griffen zu einer drastisch-autoritären Maßnahme: Viele Punks wurden verhaftet und kahlgeschoren, in der Annahme, das Problem sei damit gelöst. Der Film dokumentiert die Reaktionen einzelner Punks und hässliche Kommentare von Bürger*innen Bilbaos. (VIDEO)
LA POLLA RECORDS – BASKEN-PUNK (5)
Interview mit dem Punk-Musiker Evaristo der legendären Bands “La Polla Records“ und “Gatillazo“ bei PFV-TV - Youtube (2014, spanisch, 30 min).
Die Punkband “La Polla Records” (Schwanz-Rekorde) wurde 1979 in der südbaskischen Kleinstadt Agurain (Araba) gegründet und war bis 2003 aktiv. Mit ihren provokativen Texten (die nach heutigen Kriterien zensiert würden) wurden sie zu einer Referenz des Punk-Rock in spanischer Sprache. Anfangs spielten sie in Bars und Garagen, 1983 kam die erste Single, 1984 das erste Album. Die Texte richten sich gegen den Faschismus und die bürgerliche Gesellschaft, gegen Nationalismus, Autoritarismus und Katholizismus. Sänger Evaristo gründete im Anschluss die Band “Gatillazo“ (Pistolenabzug), seit 2019 läuft eine Revival-Tour von “La Polla Records“. (VIDEO)
SOZIALZENTRUMS-HAUSBESETZUNG PORTUGALETE (6)
Verteidigung der Sozialzentrums-Hausbesetzung in Portugalete, Bizkaia: das Projekt erlitt in der vergangenen Nacht eine Brandstiftung (Ecuador Etxea, 1.40 min).
Eine spektakuläre Hausbesetzung in Portugalete, Bizkaia, hat ein vorläufiges Ende genommen. Vor gerade zwei Monaten wurde eine alte Privatschule mit Kirchenanbau, seit 10 Jahren in Leerstand, besetzt. Ein riesiges Projekt mit Garten, Sportplatz, Wohnheim und Großküche, das über die Besetzung der Bevölkerung zugänglich gemacht werden sollte. Weil die Kirche als Eigentümerin keinen Räumungsantrag gestellt hat, hing das Projekt juristisch neutral zwischen den Seilen. Dem haben bisher unbekannte Brandstifter ein Ende bereitet. Um 21 Uhr wurde das Haus geschlossen, um 21:30 Uhr brannte es. Von der Feuerwehr entdeckt wurden kryptische Bekenner-Graffitis. Der Brandschaden betraf die angebaute Kirche, nicht aber das Hauptgebäude des Zentrums. Nun steht die baskische Polizei Tag und Nacht am Eingang, um eine Wiederbesetzung zu verhindern. Trotz Urlaubszeit haben 500 Personen ihre bedingungslose Unterstützung für das Squad-Projekt deutlich gemacht. (VIDEO)
VOLKSEIGENTUM PRIVATISIERT (7)
(7) Wie aus Volkseigentum Privateigentum wird – im Bilbo-Stadtteil Bilbo Zaharra ist erneut ein solches Phänomen zu beobachten, nachdem aus einer Sparkasse eine Bank geworden ist. (Ecuador Etxea, 1.00 min).
Casa Cuna, das “Haus der Wiege“ im bilbainischen Arbeiter-Stadtteil Bilbo Zaharra, war ein Verdienst der baskischen Arbeiterbewegung. 1914 wurde es erbaut, um tagsüber Kinder aufzunehmen und sie minimal zu versorgen. Denn die Kindersterblichkeit im Bergbau-Barrio war tödlich hoch. Gebaut von der Stadtsparkasse Bilbao, bzw. deren gemeinnützigem Sozialwerk. Finanziert mit den Sparbeiträgen der Bevölkerung. Als die spanische Regierung kürzlich aus den volkstümlichen Sparkassen aktien-geprägte Banken machte, war Schluss mit sozial. Der im “Haus der Wiege“ angesiedelte Kindergarten wurde geschlossen und nach einer wenig transparenten Ausschreibung einem internationalen Unternehmer-Verbund zu geschlagen. Dem armen Stadtteil geht erneut ein kommunales Projekt verloren – die Bevölkerung zeigt Widerstand. (VIDEO)
ABBILDUNGEN:
(Reihenfolge oben-unten)
(1) Baskultur Video (amazon)
(2) Baskultur Video (ahotsa.info)
(3) Baskultur Video (FAT)
(4) Baskultur Video (ahotsa.info)
(5) Baskultur Video (elcorreo)
(6) Baskultur Video (ruta66.es)
(7) Portugalete squad (FAT)
(8) Volkseigentum privatisiert (FAT)
(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-08-25)