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Das Böse ist immer und überall

Alarm in baskischen Altersheimen. Alarm in den Krankenhäusern, die vermehrte Einweisungen erwarten. Alarm beim Fußball, wo die neue Saison mit aus dem Urlaub zurückgekehrten Infizierten begann. Alarm in der Gastronomie, die sich nicht mit reduzierten Öffnungszeiten abfinden will. Alarm auch im Tourismus-Bereich, der erneut eine schwarze Wolke vor sich sieht. Ein zweiter Lockdown ist ausgeschlossen, weil die Wirtschaft das nicht überleben würde, so die Politik. Von Ausgangssperre ist die Rede.

 

2020-09-12 / Post-Covid Tag (83)

Zweite Welle (31) / Gesundheits-Notstand (27)

kolu22g7NEUE SCHUL-NORMALITÄT

Nur eine Woche nach Wiedereinstieg in die Schul-Normalität beklagen die Behörden der drei baskischen Regionen – CAV, Navarra, Iparralde – dass von der zweiten Corona-Welle 54 Einrichtungen betroffen sind. Ganze fünf Schuletage haben deutlich gemacht, was die Spatzen von den Dächern pfiffen: unter den gegebenen Umständen, mit den von den Behörden angegebenen materiellen und personellen Ressourcen, ist kein Schulbetrieb möglich. Eltern, Lehrerinnen und Gewerkschaften fordern dringend Abhilfe.

30 Bildungszentren in der Autonomen Region Baskenland (CAV) sind „auf gewisse weise betroffen“, so der offizielle Sprachgebrauch der Bildungsbehörde. Vier davon sind komplett geschlossen, der Rest teilweise. In Navarra ist die Situation noch schwerwiegender, dort wurden 13 Teileinrichtungen geschlossen mit 286 Schülerinnen in elf verschiedenen Einrichtungen. Somit sind in Navarra insgesamt 19 Schulen betroffen, jenseits der Grenze im nördlichen Baskenland sind es sechs, die teilweise oder ganz geschlossen wurden: Larraine, Baiona, Hendaia, Biriatou und Basusarri.

2020-09-11 / Post-Covid Tag (82)

Zweite Welle (30) / Gesundheits-Notstand (26)

MITTAGESSEN AUF DER STRASSE

Weil die Schulbehörde in vielen Einrichtungen die Kantine geschlossen hält, kommen Eltern in Stress, weil sie ihre Kinder zusätzlich versorgen müssen. In Bilbao-Atxuri protestiert die Elterninitiative seit dem ersten Schultag gegen diese – und eine Reihe anderer Maßnahmen – die als absolut unzureichend und unsicher angesehen werden. Wenn die Kantine geschlossen bleibt, so dachten sich Eltern, Lehrerinnen und Betreuerinnen – dann verlegen wir den Speiseraum auf die Straße.
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Gesagt getan. Bei sommerlichem Wetter genossen die Kleinen die besondere Situation und aßen auf der Straße zu Mittag. Es wird sicher nicht die letzte Aufsehen erregende Aktion sein, der Spätsommer scheint lebendig zu werden, weil sich die Behörden als unfähig zeigen, einen angemessenen Schulbetrieb zu organisieren und vor allem, weil sie mit den beteiligten Initiativen nicht in Dialog treten. Wie gesagt, am kommenden Dienstag ist ohnehin Streiktag, dem Aufruf schließen sich immer mehr Organisationen an.

Andernorts verfinstert sich der restliche Covid-Sommer weiter: Auf Mallorca geht ein ganzes Stadtviertel in den Lockdown, in Madrid treten die Ärzte wegen Virus-Überlastung in den Streik. Allein an einem Tag verzeichnet das Land mehr als 10.000 Neuinfektionen, fast alle Regionen kämpfen mit Infektionsherden.

Wegen Corona-Überlastung wollen die Ärzte in Madrid die Arbeit niederlegen. Die größte Mediziner-Gewerkschaft der Region hat zu einem "unbefristeten und kompletten" Streik ab dem 28. September aufgerufen. Der Ausstand sei bereits angemeldet worden, weitere Sektoren würden sich aber in den kommenden Wochen anschließen. Seit Jahren leide man an einem Mangel an personellen und wirtschaftlichen Ressourcen.

"Die Pandemie hat in den vergangenen Monaten zu einer für uns inakzeptablen Verschlimmerung der Lage geführt." Die Madrider Regionalpräsidentin ist der mehrfach geäußerten Aufforderung zum Dialog nicht nachgekommen. Madrid war im Frühjahr von der Pandemie besonders schwer getroffen worden - und ist jetzt wieder die von den Neuausbrüchen am stärksten betroffene Region des Landes.

2020-09-10 / Post-Covid Tag (81)

Zweite Welle (29) / Gesundheits-Notstand (25)

NIEMAND BLEIBT ZURÜCK!

… war und ist die Parole der Regierenden auf zentraler oder regionaler Ebene. Und nichts ist weniger ehrlich. Die Pandemie und ihre Folgen haben uns in sehr verschiedenen Situationen erwischt und sehr unterschiedliche Spuren hinterlassen. Mari Carmen zum Beispiel. Gestern erhielt sie einen Räumungsbefehl, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen konnte und heute sollte der Vollzieher auflaufen, mit der Prügelpolizei im Gefolge. Weil schon vor den Uniformierten achtzig solidarische Nachbarinnen und Nachbarn vor der Tür standen, war ein konfliktives Panorama zu befürchten.

kolu22g5Ein Räumungsbefehl am Vortag lässt keinerlei Spielraum für juristische Widersprüche. Der formierte sich deshalb direkt im Hausflur des betroffenen Gebäudes. Mit der Folge, dass weder Gericht noch gewaltbereite Uniformierte das Haus betreten konnten. Die Stadtpolizei hielt sich zurück, die Brutalpolizei provozierte, zivile Vermittler versuchten, das Schlimmste und Befürchtete zu verhindern. Der Weg ging über die Sozialdienste, die sich viel Zeit ließen. Als sie endlich kamen, war die Absprache, dass die Tür geöffnet werde für Stadtpolizisten, Sozialarbeiterinnen und Vermittler. Die Prügler versuchten die Gelegenheit wahrzunehmen, mit ins Haus zu stürmen. Zerschlugen die Scheiben, schoben ihre Schlagstöcke zwischen Tür und Angel – und kamen dennoch nicht weiter. Die inneren Blockierer waren schwach, aber trotz Blutverlust entschlossen.

Aus der Wohnung wurde gemeldet, dass es zu einer gütlichen Einigung gekommen war, dass die Mieterin unter Bedingungen bereit war, die Wohnung zu verlassen. Auf die Konfrontation in der Straße hatte diese Einigung keinen Einfluss. Auge um Auge. Bis die Stadtpolizei ihre Schlagstock-Kollegen davon überzeugen konnte, dass nur der Abzug ein unblutiges Ende darstellen könne. Zur Überraschung (fast) aller mittlerweile fast hundert Anwesenden zogen die Gewaltbereiten ab. Ohne Personalien-Kontrolle, ohne weitere Prügel. Im Taxi fuhr Mari Carmen in ihr neues Zuhause.

Von wegen niemand bleibt zurück. Nur die Solidarität – vor allem von jugendlichen Stadtteil-Bewohner*innen – bewahrte eine fast 70-jährige Frau davor, auf der Straße zu enden. Für viele Beteiligte war klar, dass dies nicht ein Erfolg war, sondern der Anfang eines langen Kampfes. Denn in Anbetracht der bevorstehenden Krise (in jeder Hinsicht) wird es viele mehr geben, die ihre Mieten oder Kredite nicht mehr bezahlen können und mit staatlicher Gewalt aus ihren Wohnungen getrieben werden. Coronavirus verschärft die Klassenwidersprüche. Viele werden zurückbleiben.

2020-09-09 / Post-Covid Tag (80)

Zweite Welle (28) / Gesundheits-Notstand (24)

DIE SCHULE BRENNT!

Noch nicht wirklich, aber die Behörden zündeln kräftig. Die schlecht vorbereitete, chaotische Rückkehr in die Schulungs-Anstalten ist noch nicht abgeschlossen, und schon tun sich Abgründe auf. Nachdem ein Zentrum in Amezketa, Gipuzkoa das Revival um eine Woche verschieben musste (wegen Covid), ist nun Bizkaia an der Reihe. In einem Zentrum für 740 Schüler*innen in Mungia gab es zwei Virenherde, die bis ins Rektorat reichten, Verschiebung des Lehrstarts war die logische Folge.

Letzte Nachricht vor wenigen Minuten: ebenfalls in Bizkaia, in Zaldibar, wurde ein weiteres Grundschul-Zentrum geschlossen, weil mehrere Lehrer*innen positiv getestet wurden. Einzige Frage: Wer stellt sich als nächstes in die Reihe?

Im Grunde ist es eine wahnsinnige Vorstellung, pure Illusion, zu denken, dass eine Einrichtung mit mehr als 800 Beteiligten eine Pandemie wie das Kap der Guten Hoffnung erfolgreich umschiffen kann. Kinder und Lehrerinnen, sie alle haben ein Umfeld, Freunde, Familie, Freizeit, so multipliziert sich die Kontakt-Gemeinde um ein Vielfaches. Irgendwann ist immer irgendwer mit irgendeiner Ansteckung konfrontiert und trägt das Virus in die Schule. Was im Baskenland somit bevorsteht ist eine Serie von Teil- oder Ganz-Schließungen, eine Praxis, die sich immer am Rande des Abgrunds entlang hangeln wird.

kolu22g4Alle relevanten Gewerkschaften haben wegen des Mangels an allen Ecken und Enden bereits einen Streiktag verkündet. Dem haben sich nun verschiedene Sub-Unternehmen angeschlossen, die ebenfalls am Schulbetrieb beteiligt sind: Küchenpersonal, Hausaufgaben-Betreuer, Schultransport und Reinigung. Die Elternverbände sind gespalten. Einerseits sehen sie die Mängel ebenso und protestieren gegen die Passivität und Verantwortungslosigkeit der Behörden. Andererseits bedeutet ein Streiktag Stress für die Eltern selbst, weil sie nicht zur Arbeit können und sich um ihre Kinder kümmern müssen.

Neuestes mediales Thema ist die Nichtbefolgung von Quarantäne. Ins Blickfeld geriet in Donostia eine Rettungs-Schwimmerin, die positiv getestet worden war. Sie wurde krank geschrieben, sollte in Quarantäne bleiben – und ging stattdessen zum Surfen an den Strand. Vor der Polizei weigerte sie sich, aus dem Wasser zu steigen, wurde medienwirksam festgenommen. Die Szene wurde zum Ausgangspunkt für Spekulationen, wie viele andere Positive sich wohl ebenfalls über die – nicht kontrollierte – Quarantäne hinwegsetzen und frisch fromm fröhlich frei ihre Umwelt anstecken. Insofern könnte hinter der medialen Aufarbeitung eines Falles die Idee stecken, dass positiv Getestete nicht zu Hause, sondern in Zwangsanstalten die Quarantäne verbringen müssen.

2020-09-08 / Post-Covid Tag (79)

Zweite Welle (27) / Gesundheits-Notstand (23)

DIE MIETEN? DIE MIETEN!

Zur Miete zu wohnen ist im Baskenland nicht sehr üblich und gefragt, Eigentum war schon immer vorherrschend und bevorzugt. Doch mit der Schere zwischen gestiegenen Lebenshaltungs-Kosten und gesunkenen Lohneinnahmen wurde das Mietthema für immer mehr Personen zum Ausweg aus dem Eigentums-Notstand. Mehr und mehr jedoch wird der Markt der Mietwohnungen vom Tourismus und von Spekulation geprägt, sowie vom staatlichen Rückzug aus der Mietwohnungs-Politik. Die Folge sind Mietsteigerungen, die über jegliche Bezahlbarkeit hinaus gehen.

Das Online-Portal Statista liefert genauere Daten über die Preis-Entwicklung der letzten fünf Jahre, konkret zwischen Juni 2015 und Juni 2020. Die Erhebung umfasst alle Regionen des spanischen Staates im Vergleich. Die Erhöhung der Mietpreise in diesem Zeitraum beträgt im Durchschnitt 52%, das macht ca. 10% pro Jahr, eine Zahl, die weit über der allgemeinen und offiziellen Preissteigerungsrate liegt. Die süd-baskischen Regionen Baskenland und Navarra liegen mit 31% und 44% unter diesem Schnitt, dennoch eine beachtliche Zahl, hinter der sich die Not vieler in die Armut versinkender Personen verbirgt.

kolu22g3Generell ist bei den Steigerungszahlen eine Tendenz von West nach Ost – Atlantik-Mittelmeer – zu erkennen. Beginnen wir deshalb mit der westlichsten Region Galicien. Dort beträgt die Steigerung 29%, es folgen Asturien mit 21%, Kantabrien 33%, Rioja 26%, Aragon 32%, das südliche Extremadura 17%, Kastilien-Leon und Kastilien La Mancha mit jeweils 26%. Dann geht es hoch mit 43% in Andalusien und Murcia, 57% in der Region Madrid. Den Hit landen die östlichen Mittelmeer-Provinzen Katalonien mit 60% und Valencia mit sage und schreibe 68%. Die Balearen mit 49% und die Kanaren mit 56% liegen ebenfalls im oberen Teil der Statistik. Die Steigerungen folgen somit eindeutig der touristischen Entwicklung. Die Sorge der Bevölkerung bezieht sich also lange nicht allein auf die Pandemie.

Statista ist übrigens ein deutsches Online-Portal für Statistik, das Daten von Markt- und Meinungsforschungs-Institutionen sowie aus Wirtschaft und amtlicher Statistik auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch zugänglich macht. Es zählt zu den erfolgreichsten Statistik-Datenbanken der Welt. Nach Angaben des Unternehmens befinden sich auf der Plattform über 1.000.000 Statistiken zu über 80.000 Themen aus mehr als 22.500 Quellen. Das Unternehmen gibt an, rund 170 verschiedene Branchen mit seinen Inhalten abzudecken. 2019 hatte Statista mehr als 1,5 Mio. registrierte Nutzer, mit denen das Unternehmen rund 60 Millionen Euro Erlöse erwirtschaftet. Statista gehört seit 2015 mit 81,3 % der Anteile Ströer Media.

2020-09-07 / Post-Covid Tag (78)

Zweite Welle (26) / Gesundheits-Notstand (22)

CHAOS-BILDUNG

Den düsteren Anzeichen folgend prägten zweifelhafte Nachrichten die Rückkehr ins Plantschbecken der kindlichen, jugendlichen und universitären Bildung und Erziehung im Zeichen der Pandemie.

kolu22g2Ein Blick an die Universitäten. Jene halb-erwachsenen Grenzgänger sind nicht wenig gefährdet. Nicht jedoch im Vorleseraum oder in der Aula, sondern im außer-universitären Bereich. Weil zu Semesterbeginn alkoholtriefende Partys gefeiert werden (müssen), eine Art von Initiation, die in Zeiten der Pandemie kontraproduktiv sein kann. Die baskische Polizei hat in den vergangenen Tagen 111 solcher (nicht nur universitärer) Exzesse aufgelöst. Um wenigstens in den Lehrsälen den Gefahren entgegen zusteuern, wird die Zahl der Vorlesungs-Teilnehmerinnen auf 50% beschränkt. Der Unterricht wird in zwei Schichten aufgeteilt, eine Woche ist die Hälfte präsent und die andere Hälfte telematisch verlinkt; die folgende Woche ist Rollenwechsel angesagt.

In Amezketa (Gipuzkoa) wurde der Schulbeginn um eine Woche nach hinten verschoben, weil ein Lehrer zu positiv eingestellt war – sicher ein Omen für die Zukunft. In Madrid sind zwischen 2.000 und 2.500 Lehrer und Lehrerinnen sero-positiv und werden nun mit dem zuverlässigeren PCR-Test beglückt. Eine der Schutzmaßnahmen in den baskischen Schulen besteht darin, dass alle 45 gelüftet wird und alle Türen geöffnet werden. Im Sommer ist diese Übung ganz lustig, im Winter jedoch … Zu den ersten Kollateral-Opfern des neuen Schulzwangs gehören Schülerinnen mit Hörproblemen. Bisher konnten sie den Mangel durch Lippenlesen wettmachen, der Dauergebrauch von Masken verhindert dies zukünftig.

2020-09-05 / Post-Covid Tag (76)

Zweite Welle (24) / Gesundheits-Notstand (20)

ZURÜCK IN DIE SCHUL-ZELLE

Kein Thema wird aktuell kontroverser diskutiert wie die Rückkehr der Schülerinnen in die Schule. Für die Regierungen ist es eine Rückkehr zur Normalität, für Eltern und Lehrerinnen ist es eine Gefahrenquelle ersten Ranges. Mit verschiedensten Methoden und Maßnahmen soll eine Ansteckung der Kinder und Jugendlichen verhindert werden. Daraus ergibt sich ein absurdes Bild von totaler Extra-Normalität, das vor allem die Kleinsten nachhaltig beeindrucken und prägen wird.

Eltern und Gewerkschaften kritisieren praktisch alles: die räumliche Enge, die Größe der Klassen, das fehlende Schutzmaterial, die mangelnde Schulung in Gesundheitsthemen, fehlendes Lehrpersonal, Dauerstress für das Personal. Nicht von ungefähr ist für den 15. September (ein Dienstag) bereits ein Streik angekündigt. Bleibt abzuwarten, wie sich das Covid-Schul-Panorama bis dahin darstellt. Einstweilen zählen die Vorgaben, die der baskische Bildungs-Senat spät (aus Sicht des Personals viel zu spät) herausgegeben hat.

kolu22g1Wichtigstes Element im neuen Schulbetrieb sind die BLASEN-GRUPPEN: feste Kleingruppen von Lehrkräften und Schülerinnen, die mögliche Ansteckungen limitieren sollen. Dies gilt insbesondere für die Kleinsten, bei denen persönliche Distanz nicht möglich ist. Beim Eintritt in die Anstalt wird bei allen die TEMPERATUR gemessen. Eltern sollen dies zu Hause tun, wenn sie als verantwortlich gelten wollen. MASKEN sind absolute Pflicht für alle Kinder über sechs Jahre – selbst für die Kleinen werden Masken empfohlen sofern möglich. Bei Aktivitäten im Freien ist das Abnehmen der Masken optional. Der ABSTAND zwischen den Beteiligten ist auch mit Maske ein Meter fünfzig.

In jeder Einrichtung gibt es eine VERANTWORTLICHE, die alle Angelegenheiten mit dem Covid sammelt, kontrolliert und Verbindungsperson zur Behörde ist. Bei einem Covid-Fall gibt die KOORDINATION in der Behörde die weiteren Schritte vor. Jede Anstalt hat ein ISOLATIONS-ZIMMER (ja, richtig gehört). Dort werden nicht Disziplinarstrafen abgesessen, es ist der Ort, wo Covid-Verdächtige Schülerinnen zwischen geparkt werden, bevor sie von Eltern oder Gesundheits-Bediensteten abgeholt werden. GAU (größter anzunehmender Unfall) ist die Bestätigung eines Falles von Corona. Dann wird die Blasen-Gruppe in Quarantäne geschickt, bis weitere Ergebnisse vorliegen. Ein SUPER-GAU liegt vor, wenn drei oder mehr Fälle gleichzeitig auftauchen. Wenn die möglichen Ansteckungs-Linien klar sind, gilt ein solcher Fall als “kontrollierter Herd“. Die Gruppen werden in Quarantäne geschickt. Wenn die Ansteckungs-Linien unklar sind, ist die Rede von “komplizierten Herden“ oder von “Gruppen-Übertragung“. Dieser Fall kann zur Schließung der Schule führen. Beim Schul-TRANSPORT sollen die Kinder immer denselben Sitzplatz benutzen.

Böse Zungen vergleichen diese Maßnahmen und das neue Sicherheits-System mit Zwangsanstalten und Gefängnissen. Was schon für Erwachsene schwer erträglich ist, wird auf Kinder und Jugendliche einen nachhaltigen Einfluss haben, der angesichts von geringem Alter prägend und schädlich sein kann. Die “Schule des Lebens“ verliert einmal mehr ihre Unschuld.

2020-09-03 / Post-Covid Tag (74)

Zweite Welle (22) / Gesundheits-Notstand (18)

AUSTAUSCH-TOURISMUS

Dass der Tourismus diesen Sommer anders ausfallen würde, war allen klar. Die Angst vor dem Ausland, Reisewarnungen aus Cis und Trans, und überall die Empfehlung, das Erholsame doch besser in der Nähe zu suchen, waren Hauptkriterien für die Auswahl der Reiseziele. Auf die Idee, mal gar nicht zu reisen oder im 50-Kilometer-Limit, darauf kam kaum jemand – so schnell ändert auch eine Pandemie nicht die persönliche Reise-Programmierung.

kolu22f5Was ausländische Besucher*innen angeht, erlebte Bilbo einen positiven Rückschritt um 10 Jahre. Die Rundgangs-Gruppen ließen sich an einer Hand abzählen, der Markt gehörte wieder den Einheimischen. Vorwiegend aus Frankreich (aus der Nähe) kamen die Urlaubs-Süchtigen. Deutsch, Englisch, Italienisch und Holländisch waren Mangelware. 77% weniger Tourist*innen, schreibt eine Tageszeitung – noch an Weihnachten hätten wir dies nicht zu träumen gewagt. Endlich wieder ein halbwegs ruhiger Sommer. Für viele zu ruhig in Abwesenheit der Fiestas landauf landab. Einige Hotels machten sich nicht einmal die Mühe, nach dem Lockdown überhaupt wieder zu öffnen, Peanuts sucht hier niemand. Derweil wurde bereits mit dem Bau eines neuen Hotels begonnen: Axel, die Schwulenmarke.

Mehr denn je waren die kostenlosen Familien-Anwesen zwischen Katalonien, Andalusien und Galicien gefragt, alle kennen irgendjemand, und sei es eine urlaubsbedingt leerstehende Wohnung. Die Baskinnen und Basken suchten den Weg in die Nachbar-Regionen, vor allem in die Landhäuser (zu Pensionen umgebaute Bauernhäuser). Mitunter konnte dort Vollbesetzung gemeldet werden. Doch zum Gegenbesuch im Baskenland ließen sich die Regions-Nachbar*innen nicht in großer Zahl hinreißen, denn die Preise hier sind deutlich höher als anderswo. Ein wirklicher Austausch fiel ins Wasser, die baskischen Anbieter konnten nicht die Glücksmomente der Unterkünfte in Asturien, Kantabrien, Aragon, Burgos oder Rioja teilen und blieben bei 50% Belegung hängen.

2020-09-02 / Post-Covid Tag (73)

Zweite Welle (21) / Gesundheits-Notstand (17)

DES PUDELS KERN

Die Chinesen tragen keine Schuld. Auch nicht Trump oder die Tiroler. Und Bill Gates schon gar nicht. Zumindest nicht direkt. Die Rede ist von der Verantwortung für die Coronavirus-Pandemie. Für nicht wenige ist klar, dass die industrielle Nahrungsmittel-Produktion einen wichtigen Faktor darstellt. Neben dem brutalen anti-ökologischen Raubbau. Dabei geht es nicht allein um die aktuelle Pandemie, sondern um eine ganze Serie von neuen Krankheiten, Seuchen und Epidemien, die die Welt in immer kürzeren Sequenzen heimsuchen.

kolu22f4Weil es mit der weltweiten und weitestgehend kapitalistischen industriellen Produktion ans Eingemachte geht, wird nur ungerne nach den Ursachen des Entstehens von immer wieder neuen Virenmutationen gefragt. Diese Mutationen überspringen die Artgrenzen und können von der menschlichen Immunabwehr nicht abgewehrt werden. Der Evolutionsbiologe und Epidemiologe Rob Wallace beschreibt, was Covid-19 mit der ökologischen Krise, dem Raubbau an der Natur und dem Agrobusiness zu tun hat.

Er analysiert das Entstehen von mutierten Viren in der industrialisierten Landwirtschaft und Fleischproduktion, als Resultat der Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts. Solange diese Art der zerstörerischen kapitalistischen Nahrungsmittel-Produktion nicht grundlegend geändert wird, ist es nur eine Frage von kurzer Zeit bis die nächsten (und wahrscheinlich noch gefährlicheren) Viren-Mutationen auftauchen. Dazu passen Nachrichten wie kürzlich aus China, dass erstmals ein Schweinegrippe-Virus beim Menschen festgestellt wurde. Dennoch sind derzeit keine Anzeichen zu erkennen, dass an dieser Produktionsweise irgendetwas geändert wird.

Das Virus Wuhan verbreitete sich einerseits lokal, andererseits nahm es das Flugzeug und den Schnellzug und verbreitete sich über den Globus. Es folgte dem Netz aus Reiseverbindungen. Ein SARS-Virus, der die Fledermaushöhle erst vor wenigen Tagen verlassen hat, kann sich plötzlich in einer Großstadt in einem Menschen wiederfinden. 

Allein durch die Veränderung des ökologischen Zusammenhangs haben sich alte Bekannte wie Ebola, Zika, Malaria und Gelbfieber, die sich früher vergleichsweise wenig weiterentwickelten, schlagartig in regionale oder kontinentale Bedrohungen verwandelt. Früher steckten sie von Zeit zu Zeit einen Bewohner in einem abgelegenen Dorf an, heute infizieren sie Tausende in den Hauptstädten. Schöne Aussichten.

2020-09-01 / Post-Covid Tag (72)

Zweite Welle (20) / Gesundheits-Notstand (16)

EINGEKREIST

Das Monster rückt näher. Von allen Seiten. In der Zeitung ist zu lesen, dass Die Altstadt und Miribilla – ich spreche von Bilbao – im Durchschnitt die schlechtesten Zahlen in ganz Euskadi aufweisen, was Corona-Ansteckungen anbelangt. Auf halbem Weg dazwischen lebe ich – und gehe weiter auf die Straße. Bei der ersten C-Welle waren es die Stadtzentren, die rote Zahlen schrieben. Nun sind die Barrios dran. Der Hausbewohner von unten ist seit einer Woche positiv, seine Freundin ist vorläufig geflüchtet. Niemand weiß, ob richtig krank oder asymptomatisch.

kolu22f3Dasselbe gilt für meinen Freund den Fahrradfahrer, der ganz besonders unter dem Lockdown gelitten hat. Er kämpft mit dem Fieber. Und die Freundin, mit der zusammen ich einen Vortrag halten sollte auf einem feministischen Kongress ist in Quarantäne. Der Lebenspartner ihrer Mutter … die Verbindungslinie reicht immer mehr direkt in mein Wohnzimmer. Niemand macht ein Drama daraus, auch kein Geheimnis. Auch das ist neue Normalität. Trotz kleinen Personen-Kreisen, die derzeit immer und überall empfohlen werden, eine Garantie gibt es nicht. Außer zu Hause bleiben, von innen abschließen und den Schlüssel durchs Fenster in den Hinterhof werfen.

Wenn es stimmt, dann war der besondere Charakter der Altstadt gleichzeitig ihr Schicksal. Die legendäre und beliebte Kneipenszene (auf die ich freiwillig verzichtet habe) fordert ihren Zweite-Welle-Tribut. In Miribilla ist die Situation anders. Das vor 15 Jahren hochgezogene Stadtviertel gilt als jenes mit dem geringsten Alters-Durchschnitt der Bevölkerung, besonders viele Kinder. Und über die Kleinen treten die Großen in Verbindung. Eine Theorie, oder vielleicht auch etwas mehr als das …

Ich hätte Grund, mich zu fragen, weshalb ich selbst noch nicht zur Tagesstatistik gehöre: eine Demo mit 5.000 (mit Maske und Abstand), eine Demo mit 500 (mit Maske, ohne Abstand), eine Kundgebung mit 200 (mit Maske, ohne Abstand), ein Pelota-Spiel mit 300 (mit Maske und Abstand), ein kleines Gelage (mit Maske, ohne Abstand). Keine Exzesse, alles legal und eine Wohltat für die Seele. Könnte sein, dass es uns letztendlich alle trifft, mit und ohne Vorsicht, mit und ohne Maske, mit und ohne Abstand. Vielleicht ist das der Preis für die kommunitäre Immunität. Besser als jede Spritze. Über die vergangenen Monate ist die Angst vor dem Covid geringer geworden, das Monster verliert seinen Schrecken.

2020-08-31 / Post-Covid Tag (71)

Zweite Welle (19) / Gesundheits-Notstand (15)

DIESER VERRÜCKTE SPORT!

Fußball ist nicht einfach KANN, SOLL oder DARF – der Kicksport ist MUSS. Wir wussten es schon länger und haben unseren Verdacht in der Covid-Zeit bestätigt gesehen. Wenn nicht ausdrücklich Bomben auf Stadien fallen, geht der Spielbetrieb weiter, koste es, was es wolle. Die Leute MÜSSEN unterhalten werden, Millionen sind im Spiel, die Droge MUSS an den Mann gebracht werden. Auch wenn Corona nicht locker lässt und dem Spielchen trotz mannigfaltiger Sicherheits-Maßnahmen weiterhin seinen Stempel aufdrückt.

kolu22f2Saison-Vorbereitung erste Liga. Zuerst müssen alle zum Test. Bei Athletic sind gleich sechs positiv – erster Rückschritt. Auch die erste unrühmliche Tabellenführung der Spielzeit, auf die niemand stolz ist. Die Anzahl ist beachtlich, aber kein Club macht die Ausnahme. Irgendein schwarzes Schaf ist immer dabei, wo sich Kicker doch so gerne in Discos herumdrücken.

Real Sociedad aus Donostia hat nach dem ersten Probe-Unentschieden der Anlaufzeit einen besonderen Markstein gesetzt. Nur einen Tag nach dem ersten Match, das den sportlichen Höhenflug ein Jahr verlängern SOLL, MUSSTE der Team-Star einen Fall von Corona einräumen. Und was jetzt? Keine 24 Stunden vorher hatte er Kontakt zu 40 anderen Spielern, Freunden und Feinden. 40? Ja 40! Weil in den Probespielen beliebig ausgewechselt werden DARF. Also: alle Mann zum Test! Alle Mann in die Quarantäne! Langsam, ganz langsam bekommen wir einen Eindruck davon, was uns bei den diesjährigen fußbetont-medialen Drogen-Lieferungen bevorsteht.

2020-08-30 / Post-Covid Tag (70)

Zweite Welle (18) / Gesundheits-Notstand (14)

DER EWIGE VIRUS

Der baskische Fußballspieler Unai Etxebarria hat seinen Job verloren. Nicht etwa, weil er schlecht gearbeitet, oder weil er sich einen Covid eingefangen hätte. Nein, er ist arbeitslos, weil er beim Feiern eines Erfolgs das falsche T-Shirt trug. Unai spielte beim letztjährigen Liga-Aufsteiger Granada, einem der diesjährigen Überraschungsteams. Denn geschafft wurde die Qualifizierung für die Europa-League. In diesem Moment des Glücks ließ sich Unai mit zwei lachenden Kollegen fotografieren, das Bild ging durch die Medien. Und provozierte Reaktionen. Denn auf dem Hemdchen stand “Freiheit für die aus Altsasua“.

kolu22f1Den Umstand zu verstehen setzt die Kenntnis der Altsasua-Geschichte voraus. Vor vier Jahren kam es in jenem navarrischen Ort zu einer nächtlichen Auseinandersetzung zwischen provozierenden Guardia-Civil-Beamten (in Zivil) und Jugendlichen aus dem Ort. Was zu einem Verfahren vor einem lokalen Gericht hätte führen können, fand seinen Weg zum politischen Sondergericht Audiencia Nacional in Madrid.

Die Rede war plötzlich von Terrorismus und von vielen Jahren Gefängnis. So endete dieser durchpolitisierte Fall dann auch. Sieben junge Leute wurden trotz fehlender Beweise und vieler Widersprüche zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt. Sowohl Amnesty International wie auch alle baskischen politischen Kräfte von links bis rechts verurteilten dieses Urteil als politische Justiz. Weit über das Baskenland hinaus kam es zu einer Solidaritäts-Bewegung für die “sieben von Altsasua“.

Unai Etxebarria war ganz offenbar einer in dieser langen Liste von Sympathisanten. Hätte er bei Osasuna gespielt, oder bei La Real, oder bei Athletic Bilbao, oder bei Eibar … wäre es an keiner Stelle zu irgendeinem Aufstand gekommen, weder in der Vereinen selbst, noch in den Medien. Aber Granada liegt in Andalusien und eben dort ist die neu-faschistische alt-franquistische Partei Vox an der Regierung beteiligt. Schnell wurden Alarmglocken geläutet und der Verein, willig oder unter Druck, feuerte seinen Spieler. Denn Meinungsfreiheit ist in faschistischen Kreisen bekanntlich ein Fremdwort. Und Basken sind per se verdächtig.

Sogar die christdemokratische Basken-Partei PNV protestierte im spanischen Parlament gegen die Strafaktion und forderte die Regierung zu einem Bekenntnis zur Meinungsfreiheit auf. Vergeblich. In Algorta nahe Bilbao fanden sich deshalb am heutigen Nachmittag ein paar Dutzend Menschen zusammen, um Unai den Rücken zu stärken und gegen die faschistischen Umtriebe zu protestieren. Wir schließen uns diesem Ansinnen ausdrücklich an. Hätte ein Spieler von Granada den Führergruß gezeigt, wäre die andalusische Fascho-Szene mit Sicherheit für Meinungsfreiheit auf die Barrikaden gegangen. Spanische Geschichten.

Dass einer der Kicker-Spezies, die gemeinhin nicht für besondere Intelligenz berühmt sind, sich eines sozialpolitischen Themas annimmt, muss ausdrücklich begrüßt werden. Dass er (bewusst oder nicht) seine Karriere riskierte, grenzt an Heldentum. Deshalb: Aupa Unai! Nieder mit Lothar Matthäus! Auch Fußballer haben das Recht auf politische Bildung!

2020-08-29 / Post-Covid Tag (69)

Zweite Welle (17) / Gesundheits-Notstand (13)

POLEMISCHER SCHULBEGINN

Kein anderes Thema rund um das Coronavirus entzweit derzeit die Gemüter mehr als der bevorstehende Rückkehr des Schulbetriebs. Die Behörden wollen alle Schüler*innen unbedingt wieder in die Anstalten schicken und werden nicht müde, zu versichern, dass keinerlei Gefahr droht. Lehrer*innen und Eltern sehen das anders, sie reklamieren, dass die Klassen zu groß seien, fordern mehr Betreuungs-Personal. Derzeit konzentriert sich alles auf die banale Frage: Maskenpflicht oder nicht.

kolu22e4Die französische Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo hat sich dem Thema angeschlossen und ein polemisches Titelblatt kreiert. Ein Mädchen und ein Junge auf dem Weg zur Schule, sie halten sich die Hand und tragen vorschriftsmäßig eine Schutzmaske. Doch statt Schulranzen tragen sie zwei Särge auf dem Rücken. Untertitelt ist die Darstellung mit: “Werden sie das Schuljahr beenden?“ In Paris wurde beschlossen – das gilt auch für das baskische Iparralde – dass 12 Millionen Schüler*innen am 1. September wieder in die Lehranstalten müssen, alle über 11 Jahren müssen Masken tragen.

Im baskischen Süden entscheiden die Regional-Regierungen, unter welchen Umständen der Schulbetrieb ablaufen soll. Viele Fragen und Regelungen blieben bisher unklar, die angekündigten Maßnahmen werden von Gewerkschaften scharf kritisiert, bei den Lehrer*innen herrscht große Unsicherheit. Tatsächlich könnte das ganze Unternehmen zu einer Zeitbombe werden, denn nirgendwo anders (außer in Fabriken) werden so viele Personen auf engstem Raum zusammen sein. Zu Recht stellt sich die Frage, ob das Schuljahr ordnungsgemäß ablaufen und beendet werden kann.

2020-08-28 / Post-Covid Tag (68)

Zweite Welle (16) / Gesundheits-Notstand (12)

DIE WELLE NEHMEN WIE SIE KOMMT

Es gibt nicht die geringste Spur von Zweifel, dass wir (auch im Baskenland) auf der zweiten Coronavirus-Welle surfen. Sie hat erneut Hawaii-Dimensionen, und wo hoch gesurft wird, kann der Absturz tief sein. Die Ansteckungszahlen sind wie im März, mit der Einschränkung, dass derzeit mehr Tests gemacht werden, also sicher relativ mehr Positive lokalisiert werden als vor fünf Monaten. Trotz Besorgnis gibt es Unterschiede. Der wichtigste: Kein Alarmzustand, kein Lockdown. Doch was nicht ist, kann noch werden, zumindest lokal. Zum Beispiel im Raum Gernika, wo aus dem Stadt-Fokus ein Umgebungs-Brandherd geworden ist. Wie vorhergesagt. Weitere Differenzen: weniger Tote; niedriger Altersdurchschnitt der Betroffenen; saisonbedingte Übertragungsquellen: Familien und Freundeskreise, sowie das gastronomische Nachtleben.

kolu22e3Tagesnachricht: In Tudela, Navarra wurde eine Fleischfabrik geschlossen (schon wieder, aber diesmal nicht Tönnies), nachdem 175 Personen oder 25% der Beschäftigten positiv getestet wurden. Eine beachtliche Zahl! Ausreichend groß, um eine besondere Studie durchzuführen mit dem Manövernamen “Elisa“. Weil von einem gemeinsamen Ansteckungsherd ausgegangen werden kann, soll getestet werden, in welchem Zustand sich die Virus-Infektion befindet und ob die Personen Antikörper entwickelt haben. Die Covid-Forschung wird dank der Fleischproduktion Riesen-Schritte machen.

DISZIPLIN IN SPANIEN, ZAHLEN STEIGEN DENNOCH

Etwas läuft schief. Die Spanier nutzen Atemschutzmasken, wie sonst kaum eine Bevölkerung in Europa – schreibt ein deutscher Journalist aus Madrid. Wer nur das Haus verlässt, muss sie aufsetzen. Wenn keine zwei Meter Abstand möglich sind, darf man in der Öffentlichkeit nicht rauchen. Überall in den Geschäften stehen Mittel zur Reinigung der Hände. Die Menschen desinfizieren sich ununterbrochen. Und dennoch schlägt die zweite Welle zu, wie sonst nirgends. Allein am vergangenen Wochenende vermeldete das Gesundheitsministerium über 19.000 neue Fälle, ein Drittel davon um Madrid, weitere 3.570 in Katalonien. Wo genau sich die Menschen anstecken, ist meist nicht mehr nachzuvollziehen. Zwar wurden den ganzen Sommer über Infektionsherde ausgemacht, doch fehlt es an Personal, um die Kontakte konsequent zu verfolgen. Aus Infektionsherden wurden so flächendeckende Ansteckungen.

Ein Teil der Ansteckungen gehe, so das Gesundheitsministerium, auf das Nachtleben zurück. Um die Tourismus-Saison zumindest teilweise zu retten, durften nach dreieinhalb Monaten striktestem Lockdown Ende Juni selbst Diskotheken wieder öffnen. Die Gartenkneipen waren voll, die Restaurants gut besucht. Doch was wohl am meisten zu den hohen Ansteckungszahlen beiträgt, ist das Sozialleben der Spanier. Der Sommer ist die Zeit, in denen sich Freunde und Familien treffen. Bei gemeinsamen Feiern werden die Sicherheitsmaßnahmen schnell vergessen. Im vertrauten Kreise sind sich nur die Wenigsten der Gefahr bewusst. So mancher Infektionsherd ging von diesem geselligen Zusammensein aus.

Ein dritter Punkt sind die prekären Arbeitsverhältnisse in der spanischen Landwirtschaft. Mehrere Infektionsherde befinden sich in Regionen, in denen derzeit (von billigen Arbeitskräften aus dem Ausland) Obst und Gemüse geerntet wird. Einen landesweiten Lockdown wie im März wird es wohl kaum wieder geben. Die Wirtschaft würde einen zweiten Stillstand nicht überleben. Doch was sich abzeichnet, sind lokale und regionale Lockdowns und eine starke Einschränkung der Mobilität zwischen den Regionen. Schreibt der Korrespondent R.W. aus Madrid.

2020-08-27 / Post-Covid Tag (67)

Zweite Welle (15) / Gesundheits-Notstand (11)

kolu22e2AUTONOMER ALARMZUSTAND?

Das Tabuwort “Alarmzustand” kehrt nach knapp zwei Monaten wieder in den spanischen Sprachgebrauch zurück. Aber anders als bisher. Die Zentralregierung will nicht erneut das gesamte Land stilllegen, entsprechende Entscheidungen sollen an die autonomen Regional-Regierungen abgeschoben werden. So wandert der schwarze Peter, das ist ebenso schlau wie durchsichtig: hinterher will es niemand gewesen sein. Die Autonomien sollen die Kompetenz erhalten, bestimmte Teile ihrer Regionen in den Alarmzustand zu versetzen. Zum Beispiel die Gegend zwischen Gernika und Bermeo, um ein höchst aktuelles Beispiel aus dem Baskenland zu nennen.

Die Regionalregierung, im baskischen Fall Lehendakaritza, könnte in Madrid einen Antrag stellen, dass diese oder jene Gemeinde in den Alarmzustand versetzt werden müsse, weil sie zu hohe Coronawerte habe. Dies müsste in Madrid mit einfacher Mehrheit befürwortet werden, was sicher geschähe, wenn die Zahlen entsprechend hoch sind. Danach begänne erneut ein 4-Phasen-System (wie von Mai bis Juni), in dem Restriktionen verschiedener Härtegrade angeordnet werden. Lehendakaritza würde entscheiden, welche Maßnahmen geeignet wären, um die zweite Welle der Corona-Infektionen einzudämmen.

2020-08-26 / Post-Covid Tag (66)

Zweite Welle (14) / Gesundheits-Notstand (10)

ANGRIFF AUF GERNIKA

Alle reden von Gernika. Aber nicht wegen jenem fatalen 26. April 1937, an dem die Stadt von den Nazis in Schutt und Asche gelegt wurde. Derzeit geht es um einen anderen, ebenfalls lebensgefährlichen Angriff: das Coronavirus. In wenigen Tagen wurden in der Kleinstadt mehr als 80 Covid-Fälle registriert, wie immer liegt die Dunkelziffer höher. Was der Gesundheits-Senatorin besondere Kopfschmerzen bereitet: in diesem Fall ist der genaue Fokus nicht feststellbar, kein Ort, keine Kneipe, keine Familienfeier, kein Botellon. Der Ursprung lag in der gesamten Kneipenszene der Altstadt, wo sich eine beträchtliche Masse aus dem Ort und der Umgebung ein Stelldichein gegeben hatte, am sogenannten “Kein-Fiesta-Tag“ – so werden die Momente der überall abgesagten Fiestas genannt.

kolu22d5Was war geschehen? So ungefähr zwischen dem 14. und dem 17. August, vermuten die Covid-Spürhunde, muss sich eine gemeinschaftliche Covid-Infizierung abgespielt haben. “Die Ansteckungsquote ist hoch, das Virus ist überall.“ Mit diesen Worten kommentierte der Bürgermeister die Lage. Erschwerend kam hinzu, dass ein Gericht die Öffnungs-Limits der baskischen Regierung für unrechtmäßig erklärt hatte, so ergab sich eine perfekte Gelegenheit zur letzten Sause.

Dazu kommt, dass auch Personal aus Nachbar-Gemeinden die Gelegenheit nutzte, in Gernika Präsenz zu zeigen, 60% der Leute sollen von außerhalb gewesen sein. Auch Touristinnen, die in der Gegend ihre Ferien verbringen. Wie wir doch die Fiestas lieben! Schlimmer noch: weil es relativ lange dauerte, bis der Covid-Brennpunkt identifiziert wurde, stiegen die Ansteckungs-Optionen im Umfeld der Nachbargemeinden beträchtlich. Perfekte Voraussetzungen für eine optimale Verbreitung des Covid!

Von behördlicher Seite bemüht man sich, unermüdlich zu versichern, ein neuer Einschluss käme nicht in Frage. Für Gernika selbst ist das jedoch nicht ausgeschlossen, selbst der Bürgermeister spricht davon. In den besagten Nächten war einiges außer Kontrolle geraten. Die Barkeeper verloren die Übersicht, einige mussten die Polizei rufen, um ihre Lokale schließen zu können.

Was Gernika in Perfektion demonstriert ist die Zwiespältigkeit gegenüber den Maßnahmen von oben. Müssen sich die Bürgerinnen durch die Limits in ihren Rechten eingeschränkt fühlen. Oder sind die “erwachsenen Menschen“ tatsächlich nicht in der Lage, sich zu zügeln und sich auf der Straße covid-angemessen zu verhalten. “Die Unvernunft von einigen wenigen wird uns teuer zu stehen kommen“, resümiert der rechte Bürgermeister. Er kann auf persönliche Erfahrung zurückgreifen. In der ersten Welle erwischte er das Virus und lag drei Wochen flach, sogar im Krankenhaus. “Sie haben Energie, Kraft und Vitalität, aber sie müssen lernen, die Intelligenz zu nutzen, um gut durch die Kurven zu kommen. Manche vergaßen die Bremsen, das können wir nicht akzeptieren, denn es geht uns allen an die Gesundheit.“ Mit diesem Formel-1-Vergleich zog der Stadtvorsteher Bilanz vor einem düsteren Panorama.

2020-08-25 / Post-Covid Tag (65)

Zweite Welle (13) / Gesundheits-Notstand (9)

FALSCHE VERSPRECHUNGEN

Niemanden zurückzulassen hatte der spanische Sozialdemokrat Sanchez zu Beginn des Alarmzustand versprochen. Dass dies reiner Zynismus sein würde, war zu befürchten. Nach Monaten Laufzeit des vielgerühmten Garantierten Sozialeinkommens ist die Bilanz katastrophal. Denn mit dem "lebensnotwendigen Mindesteinkommen" wurde lediglich ein bürokratisches Monster geschaffen, dessen Hürden kaum jemand überwindet. Alles Lüge, Rhetorik, heiße Luft, Regierungs-Propaganda.

Bei den Unternehmen lief die Sache besser. Die Löhne für Kurzarbeiter übernahm die Staatskasse sofort und die Beiträge zur Sozialversicherung wurden Großkonzernen zu 50% erlassen. Das Sozialgeld hingegen ist an zahlreiche Bedingungen geknüpft, die nur wenige erfüllen. Und wenn, dann ist es schwieriger denn je, an die richtigen Dokumente zu kommen, weil Behörden nach wie vor geschlossen haben. Bis zu einer Million Familien sollte geholfen werden, wie die Regierung vorgab, um die dramatische Lage vieler armer Menschen zu lindern. Später wurde die Zahl auf 850.000 gesenkt.

kolu22d4Doch von Beginn an war klar, dass es sich allein um einen taktischen Schachzug handelte, um die Volksseele zu beschwichtigen. Denn das veranschlagte Budget von drei Milliarden reicht bestenfalls für 250.000. Zudem ist unklar, woher das Geld kommen soll, denn die Regierung hat keinen genehmigten Haushalt. Statt schnell und unbürokratisch zu helfen, wurde nur eine begrenzte Hilfe eingeführt, die weit entfernt von der Sozialhilfe ist, die im Baskenland und Katalonien angeboten wird.

Viele der Antragsteller*innen erhalten Absagen und verstehen sie nicht. Grund kann zum Beispiel sein, in einer Wohngemeinschaft gemeldet zu sein, deren Gesamt-Einkommen die Obergrenze von maximal 1.015 Euro übersteigt. Wer in Madrid die IMV beantragt muss gleichzeitig auf eine andere minimale Sozialhilfe verzichten. Wenn der Antrag jedoch abgelehnt wird, stehen die Leute ohne alles da. Die rechte Regionalregierung in Madrid hat nicht das geringste Interesse an der Regelung.

“Experten schildern das Labyrinth, in dem sich die Betroffen verirren. Wer die IMV beantragt, muss unter anderem nachweisen, drei Jahre zuvor allein gelebt zu haben. Wer einen Teil davon bei den Eltern oder zum Beispiel in einer Wohngemeinschaft oder einem Studentenwohnheim lebte, fällt praktisch schon von vorneherein durch die weiten Maschen. Zudem muss man mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig gewesen sein“, schildert der Journalist Ralf Streck. Und viele andere Bedingungen mehr. Bis Anfang August wurden von einer halben Million Anträgen nur 3.966 positiv beschieden, das sind 0,5%. Das Schlimmste: selbst von diesen wenigen Glücklichen bekam bisher niemand Geld aufs Konto. Dieser erneute Zynismus erklärt sich durch die Verzögerungstaktik der Regierung, die kein Geld hat. Infolge der Verschleppung warten manche monatelang.

Von einem "historischen" Moment "für unsere Demokratie" sprach Pablo Iglesias bei der Einführung des IMV. Er fabulierte auch vom "größten Fortschritt bei sozialen Rechten". Ein "Riese" zur Bekämpfung der Ungleichheit sei geboren worden, erklärte der Vize-Ministerpräsident und Chef der linken Podemos-Partei. Schaut man sich die Realität an, ist daraus nicht einmal ein Zwerg geworden. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass dessen Linkskoalition ein tatsächlich ein bedingungsloses Grundeinkommen gefordert hatte. (Ralf Streck)

2020-08-24 / Post-Covid Tag (64)

Zweite Welle (12) / Gesundheits-Notstand (8)

RENTNERINNEN IN BEWEGUNG

Seit zweieinhalb Jahren gehen Rentner*innen im gesamten Baskenland jeden Montag auf die Straße und fordern eine Bezahlung, die für eine würdige Existenz ausreicht. Erst die Coronavirus-Pandemie war in der Lage, die Tradition baskischer Rentner*innen zu unterbrechen und ihre mehr als zweijährige Protestreihe kurzzeitig einzustellen. Der Alarmzustand hatte es unmöglich gemacht, auf der Straße zu mobilisieren. Doch mit den ersten Lockerungen waren auch die “Alten“ wieder auf der Straße, um weiterhin 1.080 Euro für alle zu fordern, sowie 1.200 Euro für Pflegebedürftige. Es ist landläufig bekannt, dass bei vielen die Rente weder vorne, noch hinten reicht und vor allem Frauen von Altersarmut betroffen sind, obwohl sie ein Leben lang geschuftet haben. Weil dies meist in Form von Hausarbeit geschah, werden sie im Alter besonders bestraft.

kolu22d3So erklärt sich die Forderung der baskischen Rentner*innen-Bewegung und ihrer Unterstützer*innen aus anderen Regionen. Am 24. August 2020 wurde in Bilbo eine Demonstration durchgeführt, zu der trotz Urlaubszeit stolze 5.000 Personen kamen. Am kommenden 7. September nimmt die Bewegung “PENTSIONISTAK MARTXAN“ ihre montäglichen Kundgebungen wieder auf, in den drei Hauptstädten und 70 kleineren Orten, unermüdlich gegen die staatlich verordnete Altersarmut.

HOCHGESCHWINDIGKEIT ABGEBREMST

Eine Baustelle des umstrittenen Hochgeschwindigkeits-Zugs in Navarra hat vergangene Woche überraschenden Besuch erhalten. Die Arbeiten wurden vom Volkszorn “stillgelegt“. - Seit mehr als 10 Jahren wird durch das Baskenland ein Hochgeschwindigkeits-Zug (AHT) gebaut. Ein wahrhaft pharaonisches Projekt, der allein der Bauindustrie dient und dessen wirtschaftlicher Wert völlig in Frage gestellt wurde. Die Trassen durch Euskadi und Navarra sind in Anbetracht der unregelmäßigen Topografie durch Brücken und Tunnels geprägt, die eine Unmenge Geld kosten. Das Verkehrsproblem im Baskenland wird dennoch nicht gelöst, weil Hochgeschwindigkeit mit sich bringt, dass es keine Haltestellen geben darf. Insofern ist das Projekt mehr als umstritten. Von den ökologischen Folgen des Baus ganz zu schwiegen.

Die Kontra-Bewegung MUGITU hat deshalb in Navarra (Nafarroa) eine spektakuläre Aktion durchgeführt. Nachdem eine unabhängige Beobachtungs-Kommission kürzlich die Sinnhaftigkeit des AHT-Projekts in Zweifel gezogen hat, trat nun eine als Ingenieur-Trupp verkleidete Gruppe auf den Plan. Perfekt ausgestattet mit Helmen, Gelbwesten und Papieren wurde im Namen einer Finanzbehörde eine Großbaustelle abgeriegelt und versiegelt. Die Vorstellung war derart überzeugend, dass die anwesenden Arbeiter und Ingenieure keinerlei Widersprüche geltend machten und nur fassungslos zuschauten, wie Absperrbänder gezogen und Plakate geklebt wurden mit der Aufschrift: “Baustelle geschlossen“. MUGITU! (dt: Bewegen!) bietet nun den Behörden in Euskal Herria an, mit allen anderen Baustellen in gleicher Weise zu verfahren: “Wir bieten der öffentlichen Verwaltung an, kostenlos alle Baustellen zu versiegeln, damit den Steuerzahlern keine weiteren Unkosten entstehen.“ Die Pandemie hat mehr als deutlich gemacht, dass zu viel Geld in Rüstung und unnütze Giganten-Projekte investiert wird, anstatt das Alters- und Gesundheits-System in Bestform zu bringen. Fritz Teufel hätte an der Aktion seine Freude gehabt.

2020-08-23 / Post-Covid Tag (63)

Zweite Welle (11) / Gesundheits-Notstand (7)

AUF UND NIEDER, IMMER WIEDER

Die Ansteckungszahlen bleiben gleich (hoch). Die Vorsichtigkeit vieler Strandgäste bleibt gleich (niedrig). Die Zahl der Jugendfeten bleibt gleich (hoch). Die Ansteckungen in Altersheimen steigen (weiter). Die Zentralregierung schließt einen neuen Alarm-Zustand (nicht aus). Was viele befürchtet haben ist eingetreten: Die Schutzmaßnahmen gegen eine weitere Propagierung des Coronavirus werden immer mehr auf Dauer gestellt.

DER ARME BÜRGERMEISTER

Der Bürgermeister von Bilbao hat dieser Tage vorgerechnet, was ihm, dem Stadtsäckel und der Tourismus-Branche an Einnahmen durch die Lappen gegangen ist. Drei potente Elemente fehlen dieses Jahr in der Bilanz: das Kobeta-Musik-Festival, die Fußball-Europa-Meisterschaft und die Stadt-Fiesta. Macht 160 Millionen Miese. Nach des Stadtoberen Kalkül schlagen die neuntägige Fiesta und das europäische Fußball-Spektakel mit jeweils 70 Millionen zu Buche, abgerundet von 20 Millionen, die das zweitbekannteste Rockfestival im Staate eingebracht hätten. Oder eingebracht haben sollten. In Bilbo war schon immer angesagt, das Fell des Bären zu verkaufen, bevor er erlegt wurde. Somos de Bilbao!

Vor dem partei-eigenen Schlafzimmer-Radio gab der Vorsteher einige Blüten zum Besten. Zum Beispiel: “In keinem Stadtteil gibt es Corona-Notstand“. Knapp vorbei ist auch daneben! In keiner anderen baskischen Stadt gibt es derart viele Ansteckungen – Covid ist eine urbane Krankheit. Die Zahlen aus Altersheimen und mittlerweile geschlossenen Diskotheken sprechen eine andere Sprache. Öffentlicher Diskurs war eben schon immer reine Augenwischerei.

kolu22d2Das zeigt nicht zuletzt die gewerkschaftliche Kritik an verantwortungsloser Vorgehensweise eben dieser Stadtverwaltung. Was ist passiert? In einem städtischen Vielzweck-Sportzentrum kam es zu wenigstens zwei Covid-Fällen beim Reinigungs-Personal eines Sub-Unternehmens. Der erste Fall wurde weder den Beschäftigten, noch den Nutzerinnen des Zentrums mitgeteilt. Erst als eine Woche später ein zweiter Fall bekannt wurde, erfuhren die übrigen Beteiligten davon.

Im ersten Fall wurde nicht einmal ein Test gemacht. Osakidetza, die baskische Gesundheits-Organisation, weigerte sich, einen angefragten Test zu machen, das sei Aufgabe der Berufsgenossenschaft. Die wiederum gab die Arschkarte an Osakidetza zurück. Niemand will zuständig sein, auf behördlicher Ebene werden die von der Regierung getroffenen Maßnahmen nicht ernst genommen. Laut Vorgehens-Protokoll hätte die Einrichtung zur Desinfektion geschlossen werden, die übrigen Bediensteten in eine vorsorgliche Quarantäne geschickt werden müssen. Nichts davon geschah.

Wir stellen fest: Schaufensterreden auf der einen Seite und praktische Unfähigkeit auf der anderen. Absolut vertrauenserweckend, dieses Krisen-Management!

2020-08-22 / Post-Covid Tag (62)

Zweite Welle (10) / Gesundheits-Notstand (6)

DIE GROSSE WOCHE

Am heutigen Samstag um 18 Uhr wäre der Txupinazo-Startschuss für die Asta Nagusia gewesen, die Große Fiesta-Woche von Bilbo-Bilbao. Zehn Tage vorher wären Hunderte von Konpartseras und Konpartseros damit beschäftigt gewesen, ihre Txosna-Stände aufzubauen, um gastronomisch und kulturell ein Publikum zu verköstigen, das unter anderem aus halb Europa anreist. Es hat nicht sollen sein. Das Virus hat nach so vielen Jahren die Fiesta unmöglich gemacht. Im Grunde eine vernünftige Entscheidung, die überall im Baskenland gleich ausfiel. Dennoch hat sie in Bilbao eine politische Komponente, deren mittelfristige Folgen abzuwarten sind.

In keiner anderen baskischen Großstadt konnte sich seit 1978 ein Fiesta-Modell halten, das auf Volksbeteiligung und freiwillige Arbeit beruht. Dreißig Konpartsa-Gruppen mit teilweise 100 Mitgliedern machen fast alles, außer dem Aufbau ihrer Baugerüst-artigen Stände, die bis zu 20 Meter hoch sind. Eigentlich eine vorbildliche Bürgerinnen-Beteiligung in einer ansonsten durch schlechte politische Vertretung geprägten Gesellschaft.

kolu22d1Genau das passt der rechten Stadtregierung seit Jahren nicht. Denn diese Tausende von Aktivistinnen sind kein einfaches Wahlvolk, das alle vier Jahre ein Kreuzchen macht und ansonsten im Konsumgetümmel das Maul hält. Das sind kritische “Bürger“, die ihre Vorstellungen haben von Zusammenleben und Fiesta-Dynamik, die weit über Konsum hinausgeht. Viele dieser Gruppen – Ökologistinnen, Antimilitaristinnen, Jugendgruppen, Stadtteilgruppen, Anarchistinnen, Internationalistinnen und Freundinnen von politischen Gefangenen – finanzieren ihre politische Arbeit über das Jahr mit den Einnahmen aus diesen Fiestas.

Den bürgerlichen Parteien ist dies ein Dorn im Auge. Sie würden lieber das Konzept Oktoberfest kopieren, wo die fettesten Brauereien die dicksten Fische angeln und wo die gastronomische Vetternwirtschaft mit Fiesta-Euros versorgt wird. Deshalb versucht die Stadtverwaltung seit Längerem, den Einfluss der Konpartsak zurückzudrängen und nutzt jede Gelegenheit zu Repression, Einmischung und Illegalisierung. Insofern kam den unsäglichen Förderern des Massentourismus die Pandemie gelegen wie ein Geburtstags-Geschenk.

Für die Konpartsak geht in diesem Jahr nicht nur eine Einnahmequelle verloren. Denn die Fiesta-Zeit hat auch eine einmalige gruppendynamische Funktion: treffen, gemeinsam arbeiten, essen, trinken, tanzen, küssen, feiern. Deshalb ist heute eine Art Volks-Trauertag, der viele Aktivistinnen nervös durch ihre verfremdeten Stammkneipen treibt. Das Panorama könnte nicht trüber sein: selbst in den Gaststätten ist Stehen verboten, alle müssen sich setzen, an der Theke, auf der Straße. Der beliebte Poteo – von einer Kneipe zur andern ziehen – ist praktisch verboten, das hat schlimmere Konsequenzen als der lästige Maskenzwang, der irgendwie ja noch erträglich ist. Schlechte Zeiten für Feiern und Glückseligkeit.

2020-08-21 / Post-Covid Tag (61)

Zweite Welle (9) / Gesundheits-Notstand (5)

ALTE WELLE, NEUE WELLE …

Die zweite Coronavirus-Welle verspricht die erste Welle zu übertrumpfen. Anders sind die Zahlen von heute nicht zu interpretieren. Vorgestern gab es bereits einen Höchststand, dann ging die Zahl von Ansteckungen (angeblich) zurück, heute nun der Rekord. Rekord aber nicht für die zweite Welle, sondern für die gesamte Pandemie im Baskenland: 821 neue Covid-Fälle(in Euskadi und Navarra). Derweil wird am Plan festgehalten, ab 3. September wieder Kinder zur Schule zu schicken.

Während in Euskadi die Bedingungen dafür noch nicht geklärt sind, geht Navarra mit leuchtendem Beispiel voran. Klassen zu maximal 20 Schüler*innen, 666 neue Lehrkräfte werden eingestellt, um die Klassen-Reduzierung zu bewerkstelligen. Außerdem soll ab Oktober “kontinuierlicher Unterricht“ erteilt werden. Dahinter verbirgt sich ein Konzept mit minimalen Pausen, mittags soll Schluss sein. Gerade mal noch Mittagsküche und ab nach Hause, keine Freizeit-Aktivitäten mehr wie bisher. Die Arschkarte haben nun die Eltern, die sich eine Betreuung suchen müssen von Schulschluss bis Ende der eigenen Arbeitstätigkeit. Den Großeltern diese Bürde aufzuhalsen ist nicht empfehlenswert, nachdem sich herausgestellt hat, dass viele Kinder asymptomatisch sind, aber das Virus durchaus übertragen können.

kolu22c5September wird somit brutal, nach den steigenden Fallzahlen fehlt nur die steigende Todeszahl. Was sagen die Verantwortlichen dazu? Fürs erste wird relativiert: dass zum ersten Mal mehr als 10.000 Tests gemacht wurden (11.046), mehr Tests = mehr Positive, so die Rechnung, wenn auch die Mehrheit asymptomatisch. Im April waren es gerade mal 2.000 Tests pro Tag. Die Verbreitungs-Geschwindigkeit soll bei einem Sechstel von der im April liegen. Neue Maßnahmen sollen (vorerst) dennoch nicht ergriffen werden, im Raum steht ja seit drei Wochen eine nächtliche Ausgangssperre.

Stattdessen wird appelliert und appelliert, an die bürgerliche Vernunft und andere illusionäre menschlichen Eigenschaften. Die baskische Gesundheits-Tante empfiehlt, “kleine Beziehungs-Blasen zu gründen mit Menschen, mit denen wir zusammen leben“. So sollen die sozialen Kontakte reduziert und das Virus ausgegrenzt werden. Die Kleinen sollen ebenfalls Mini-Spielgruppen gründen, aber so wenig wie möglich in öffentlichen Räumen wie Schwimmbädern, Parks, Stränden und Plätzen. Wie viele Individuen in diesen neuen Sozialgruppen sein sollen (dürfen), darüber wollte sich Frau Gesundheit nicht äußern.

Unterdessen verbietet Belgien Reisen ins Baskenland, die nicht unbedingt notwendig sind. Der spanische Ober-Epidemist Simon warnt eindringlich vor der bedrohlichen Situation. Und in den südlichen Stadtteilen von Madrid tickt eine Zeitbombe. In Deutschland erfahren Gebiete, in denen in 14 Tagen mehr als 100 Covid-Fälle pro 100.000 erfasst werden, einen Lockdown. In den Madrider Süd-Barrios gibt es dichtbevölkerte Stadtteile mit dem fünffachen Faktor. Der Countdown für den Lockdown läuft.

2020-08-20 / Post-Covid Tag (60)

Zweite Welle (8) / Gesundheits-Notstand (4)

NEGATIONISTEN

… sind Menschen, die nicht wahrhaben wollen, was um sie herum geschieht. Ihr Weltbild verhindert die Wahrnehmung der aktuellen Gefahr für die Gesundheit, die sich derzeit lokal, regional, kontinental, global abspielt. Manche versteigen sich in die Aussage, die Pandemie sei erfunden, es gäbe keinen Virus. Maskenpflicht wird deshalb abgelehnt, die vielleicht kommende Impfspritze ebenfalls, gefaselt wird von der Verletzung von Grundrechten und einer Weltverschwörung.

Szenenwechsel. In Madrid wurde ein 40-Jähriger mit Verdacht auf Covid ins Krankenhaus eingeliefert. Der Verdacht bestätigte sich. Mittlerweile liegt er auf der Intensivstation und kämpft um sein Leben. Ein Fall wie viele andere in diesen Zeiten. Oder etwa nicht? Das Besondere an diesem jungen Mann ist, dass er wenige Tage zuvor an einer Demonstration in Madrid teilgenommen hat, deren zentrale Botschaft die Leugnung der Pandemie war. Masken und Abstand gab es bei dieser Veranstaltung selbstverständlich und logischerweise nicht!

kolu22c4Wahrscheinlich hat sich unser Freund gerade dort angesteckt. Und möglicherweise viele andere mehr. Hier geht der Dolch durch Knie und Brust ins Auge. Mit seiner Teilnahme an der Demonstration bezeugte er das Gegenteil von dem, was ihm nunmehr widerfuhr. Könnte jemand auf die Idee kommen und sagen: “Dieser Mann muss sofort aus der Intensiv-Station entlassen werden. Es kann nicht angehen, dass er wegen etwas behandelt wird, was er selbst leugnet. Denn was nicht existiert, kann logischerweise auch nicht behandelt werden. Notfallplätze müssen wirklichen Covid-Betroffenen reserviert werden.“ Diese Argumentation ist durchaus plausibel, widerspricht aber den Regeln der Menschenrechte. Und die gelten auch für Covidioten, Erleuchtete, Verschwörungs-Paranoiker und Weltfremde.

Im Staate unterhalb der Pyrenäen geht derzeit ein Video durch die sozialen Medien, das nicht nur die Existenz des Virus und die Nützlichkeit von Masken in Frage stellt. Auch härtere Geschütze werden aufgefahren. Es geht angeblich um einen Plan, bei dem der Bevölkerung über Impfspritzen Minichips verabreicht werden sollen, die über die neue Internet-Technologie 5G kontrolliert werden sollen. Die Macher vermuten und beklagen, dass mittels einer Verschwörung 80% der Weltbevölkerung liquidiert werden soll. Hinter der Verschwörung stehe der Apple-Gründer, Multimilliardär und Philantrop Bill Gates.

Für Sonntag haben die neinsagenden Besserwisser in Madrid erneut eine Demonstration angekündigt, mit allem Drum und Dran der Verleugnung der Pandemie. Die Madrider, bzw. spanischen Behörden sollten sich davon herausgefordert fühlen. Hinter diesen Aktivitäten stehen häufig Rechte, Ultrarechte und noch schlimmer.

2020-08-19 / Post-Covid Tag (59)

Zweite Welle (7) / Gesundheits-Notstand (3)

FRAUEN-FINALE IM BASKENLAND

Die Pandemie hat dem Baskenland ein Fußball-Finalturnier beschert. Mitten im neuen Gesundheits-Notstand kommen die besten europäischen Kickerinnen, um Viertel-, Halb- und Final-Finale der Champions-League auszutragen. In Bilbao und Donostia. Wie üblich sollte das Turnier in Hin- und Rückspielen vor jeweils heimischem Publikum ausgetragen werden. Doch das ist längst vergessen. Um Reisen zu limitieren wurde ein Endturnier mit acht Teams angesetzt, unter Ausschluss von Publikum versteht sich.

kolu22c3Regelrecht eingesperrt sein werden die anreisenden Damen. Das Turnier beginnt am Freitag in Donostia mit dem Viertelfinal-Duell zwischen den deutschen Double-Gewinnerinnen VfL Wolfsburg und den Außenseiterinnen aus Glasgow City. Parallel dazu das “spanische“ Kräftemessen zwischen Atletico Madrid und dem FC Barcelona. Am Samstag fordert Bayern München die Frauen von Olympique Lyon heraus, gleichzeitig spielt der FC Arsenal gegen Paris St. Germain. Die Halbfinals werden am 25./26. August ausgetragen, das Endspiel steigt am 30. August.

Die Spiele werden mit einem strikten Hygienekonzept ausgetragen. Langeweile ist angesagt in Ermangelung von offenen Direktübertragungen. Das einzig Interessante an der Geschichte sind die steigenden Ansteckungszahlen im Baskenland, die das Turnier umrahmen. Dennoch bleibt die UEFA entspannt, wie es offiziell heißt. Immerhin gibt es in verschiedenen Ländern Reisewarnungen für oder gegen Spanien. Wer von dort nach Deutschland zurückkehrt, muss in Quarantäne oder einen Test vorlegen.

Doch vielleicht werden die deutschen Damen davon befreit, weil sie weder auf Campingplätzen hausen, noch sich in Diskotheken die baskischen Nächte um die Ohren schlagen. Akute Schwierigkeiten in der Vorbereitung hatte Atletico Madrid, das in der vergangenen Woche fünf Corona-Fälle zu beklagen hatte, keine guten Voraussetzungen für Top-Leistungen.

Anders als beim Männer-Turnier durften die Clubs wegen der Corona-Auswirkungen im begrenzten Umfang auch Sommer-Neuzugänge nominieren. Sechs neue Spielerinnen dürfen jeweils im Kader sein, maximal drei von ihnen dürfen in dieser Saison der Königsklasse schon für einen anderen Viertelfinalisten aufgelaufen sein. Das führt zu kuriosen Konstellationen: So könnte die isländische Mittelfeldspielerin Sara Gunnarsdottir nach ihrem Wechsel von Wolfsburg zu Lyon theoretisch im Finale gegen das Team spielen, mit dem sie ins Viertelfinale eingezogen war.

Auch wenn die ganze Welt an Corona zerbricht: Fußball gibt es bis zum Ende lang und schlapp. Auch bei den Frauen. Im Baskenland.

2020-08-18 / Post-Covid Tag (58)

Zweite Welle (6) / Gesundheits-Notstand (2)

VERDAMMTE DIESER ERDE

Wir haben es geahnt. Und dennoch ist es positiv, dass sich jemand die Mühe macht, den Sachverhalt noch einmal nüchtern darzustellen: Die Coronavirus-Pandemie bedeutet für Frauen eine deutlich höhere Arbeitsbelastung wie für Männer.

Die unbezahlte und vor allem zu Hause geleistete Arbeit hat während der Krise zugenommen. Aber auch im Bereich der bezahlten Arbeit kommen Frauen schlechter weg. Denn in allen “feminisierten Arbeitsbereichen“ musste mehr und härter geschuftet werden. Diese Feststellung stammt vom Frauen-Institut der baskischen Regierung, Emakunde. “Gleichstellung in Zeiten der Pandemie - Der Einfluss von Covid-19 aus Geschlechter-Perspektive“ lautet der Titel der Studie.

kolu22c2“Alle Personen, die bereits vor der Pandemie angreifbar und verletzlich waren, haben durch die Covid-Krise zusätzlich gelitten.“ Weiter heißt es: “Die Geschlechter-Ungleichheit führt dazu, dass Frauen und Mädchen der Diskriminierung, Gewalt und Rechtseinschränkung in der Krise stärker ausgeliefert sind.“ Im Bereich der Pflege hat sich eine “Re-Familisierung“ abgespielt, das heißt, die Umstände der Pandemie haben dazu geführt, dass wieder mehr Pflegearbeit (vor allem von Kindern und älteren Menschen) in die Familien zurückgeführt wurden. Zu Lasten der Frauen versteht sich, weil Schulen und Beratungsstellen für Familienkonflikte geschlossen waren, und professionelle Haus-Versorgung älterer Menschen nicht mehr möglich war.

Mit den Aggressoren leben

Auch im Bereich der bezahlten Arbeit zogen Frauen durch Covid das schlechtere Los. “Feminisierte Bereiche“ wie Krankenpflege, Reinigung, Altenpflege oder Verwaltungs-Hilfskräfte mussten härter arbeiten und waren zusätzlich dem Risiko des Kontakts mit Covid-Infizierten ausgesetzt. Dazu mussten sie den gesteigerten Stress zu Hause meistern. Auch in den Sektoren Tourismus, Gastronomie und Kleinhandel stellen Frauen die Mehrheit – bekanntlich waren dies die von der Pandemie mit am stärksten betroffenen Bereiche.

Die Lockdown-Maßnahmen infolge der Pandemie haben viele Frauen dazu gezwungen, länger als gewollt mit ihren männlichen Peinigern und Aggressoren zusammenzuleben, weil behördliche Hilfe und der Ausweg in Frauenhäuser abgeschnitten waren. “Die Pandemie betrifft Frauen stärker als Männer. Diese Feststellung muss uns dabei helfen, wirksame Antworten zu finden bei der Hilfe für die betroffenen und benachteiligten Frauen.“

2020-08-17 / Post-Covid Tag (57)

Zweite Welle (5) / Gesundheits-Notstand (1)

TSUNAMI

Wie angekündigt treten am heutigen 57. Tag der “Post-Covid-Epoche“ erneut starke Einschränkungen in Kraft, mit denen die baskische Regierung die zweite Coronavirus-Welle in den Griff bekommen will. Im Gegensatz zu März handelt es sich um keine zentralstaatliche Maßnahme, sondern um ein Paket, dass auf regionalen Gesetzen beruht, in diesem Fall das baskische Gesetz zum Gesundheits-Notstand, Euskadi ist die erste Region, die zu einer Art von Ausnahmezustand zurückkehrt.

Alle Regionen des spanischen Staates haben, teilweise schon vor Tagen, zu ähnlichen Maßnahmen gegriffen. Weil diese regional unterschiedlich ausfallen wurden bereits Stimmen laut, die erneut eine staatliche Lenkung der Krise und strengere Einschnitte fordern: “um einen Wasserfall von regionalen Normen zu vermeiden, durch den die Bevölkerung verrückt gemacht wird“. Tatsächlich wird es jeden Tag schwieriger, den Überblick zu behalten, was wo verboten und erlaubt ist. In solchen Situationen haben es jene Stimmen leichter, die einen starken autoritären Staat fordern.

kolu22c1DIE MASSNAHMEN IM ÜBERBLICK

Um die Mobilität der Bevölkerung zu stoppen und die Gastronomie zu limitieren, endet der öffentliche Transport um 22 Uhr, die Nachtbusse werden komplett gestrichen. Tagsüber dürfen nur 50% der Sitzplätze im Transport genutzt werden.

Das Gaststätten-Gewerbe erleidet folgende Einschränkungen: Bars schließen um 24 Uhr, letzte Kunden werden um 23 Uhr zugelassen. Die Kundschaft muss sitzen, stehen ist verboten. Restaurants mit 40% ihrer Kapazität, Reservierung obligatorisch, Schluss um 23 Uhr. Diskotheken werden komplett geschlossen. Untersagt ist, auf der Straße zu essen oder zu trinken. Verboten wird auch, sich in privaten Lokalen, Clubs, Jugendclubs, gastronomischen Gesellschaften oder Grundstücken zu treffen.

Am 24. August beschließt die baskische Regierung neue Maßnahmen. Ein Lockdown ist im baskischen Rahmen ausgeschlossen, dies könnte nur der Staat veranlassen. Lokale Einschlüsse oder Ausgehverbote sind jedoch denkbar in Stadtteilen oder Orten. Der Ministerpräsident hat bereits über die Möglichkeit sinniert, eine nächtliche Ausgangssperre zu verhängen, was es bisher nie gab. Sollte sich die Situation weiter verschärfen, behält sich die Regierung vor, die Rückkehr von im Baskenland angemeldeten Personen anzuordnen, die sich derzeit außerhalb aufhalten.

“Wir stehen vor einem möglichen Tsunami, den wir heute besser berechnen können. Es handelt sich um eine wachsende Welle, die jedoch weniger bedrohlich ist“, sagt die Gesundheits-Senatorin etwas kryptisch. “Ausgeprägte Mobilität und Freizeitaktivitäten haben insbesondere im Großraum Bilbao die Ansteckungen vervielfacht.“ Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit zwischen der Provinzen und Regionen ist derzeit nicht in Sicht. Voraussichtlich werden die Bußgelder wegen Verstößen gegen Schutzregeln verschärft.

2020-08-16 / Post-Covid Tag (56) / Zweite Welle (4)

COVIDIOTEN

Athletic Bilbao ist der Stolz aller Fußballfans in Bizkaia und weit darüber hinaus. Wegen seiner eigentümlichen Personalpolitik – nur baskische Spieler*innen dürfen auflaufen – ist der Club weltbekannt und wird überall gewürdigt. Athletic ist eine Philosophie, klassenübergreifend. Ganz wenig kann diesem Nimbus etwas anhaben.

Wie zum Beispiel das “Kommando Ibiza“ in Zeiten des Coronavirus. Weil sie sich so gut verstehen hat eine Gruppe von Spielern mit Freundinnen gemeinsam Urlaub gemacht. Auf Ibiza. Und weil man-frau sich nun wirklich toll versteht wurde ein gemeinschaftliches Foto gemacht, das Männlein und Weiblein eng umschlungen, maskenfrei und Küsse verteilend am Strand zeigt. Leicht erotisch, sympathisch und unschuldig – wäre dieses Foto normalerweise bewertet worden, in anderen Zeiten als der Pandemie. Wohl gemerkt, dieses Foto ist nicht irgendeinem Paparazzi zu verdanken, nein, es wurde von den Beteiligten selbst ins Netz gestellt.

kolu22b3Was einfach nur nett hätte sein können, hatte sein Nachspiel bei der Rückkehr, nach Hause und auf dem Sportplatz. Denn beim Routinecheck wurden sechs Kicker positiv auf Covid getestet. Das brachte eine Lawine ins Rollen. “Covidioten“ oder “eine Gruppe von Verantwortungslosen“ waren noch die mildesten der Bezeichnungen, die sich die Lieblinge der Provinz anhören mussten.

“Was haben diese Herrschaften an idyllischen Stränden verloren, solange auch nur ein Club-Mitglied zu Hause leidet und womöglich nicht einmal einen Kaffee trinken gehen kann in der Kneipe an der Ecke“. Ein schreibendes Athletic-Mitglied holte zur schallenden Ohrfeige aus und forderte gleich zwei spürbare Strafen: eine von Seiten des Clubs wegen absoluter Disziplinlosigkeit, eine zweite von den Behörden, weil dieses Verhalten ein mehr als schlechtes Beispiel für die Jugend darstellt. “Was wäre, wenn eine Gruppe von Jugendlichen am Strand von Plentzia bestraft würde? Sie könnten zu ihrer Verteidigung sagen, dass sie doch nur genau dasselbe praktiziert haben wie die großen Vorbilder von San Mamés! Als Angestellte des Vereins müssten sie wegen Rufschädigung bestraft werden.“

Der legendäre Ex-Trainer Marcelo Bielsa, der das Team vor 8 Jahren in ein Europa-Finale führte, sagte einst: “Das sind frühreife Millionäre, deren Probleme gelöst werden bevor sie überhaupt auftreten. Selbst wenn sie bestraft werden, sind sie weiter Millionäre.“ – “Millionäre, Covidioten und Trottel“, meint der rot-weiße Moralapostel.

Nachtrag: Von den sechs Positiv-Fällen war nur einer an der Orgie von Ibiza beteiligt, fünf davon haben sich das Virus also offenbar an anderen Stränden und Diskotheken geholt. Fußball: von wegen klassenübergreifend! In der Pandemie ist eben alles anders.

2020-08-15 / Post-Covid Tag (55) / Zweite Welle (3)

ZURÜCK IN DEN COVID-MÄRZ

Wieder überschlagen sich die Ereignisse. Wieder kommen die politischen Entscheidungen zu spät. Und wieder sind die verkündeten Maßnahmen widersprüchlich. Aber der Reihe nach. Gegen die Zeit-Einschränkungen hatte die Gastronomie vor Gericht geklagt und Recht bekommen. Also dürfen Diskotheken wieder bis fünf Uhr früh öffnen. Gleichzeitig beschloss die Zentralregierung die komplette Schließung von Diskotheken und die erneute Einschränkungen der Platzzahlen und Öffnungszeiten in den Gaststätten. Und die baskische Regierung verkündete in Anbetracht der laufenden zweiten Corona-Welle wieder den Gesundheits-Notstand für einschneidende Maßnahmen.

Weil die Maßnahmen erst ab Montag wirksam werden, steht den Baskinnen von Samstag auf Sonntag perverserweise eine letzte Exzess-Nacht bevor, die viele sicher zum Last-Covid nutzen werden. Denn die Coronavirus-Infektionen sind im ganzen Staat wieder außer Kontrolle. Die baskische Gesundheits-Senatorin spricht mit Blick auf die steigenden Covid-Zahlen von einem drohenden zweiten Krankenhaus-Kollaps.

Mit Blick auf die Einschränkungen stehen sich Applaus und Ablehnung frontal gegenüber. Schroff abgelehnt werden sie (aus wirtschaftlichen Gründen) von den Gastronomie-Verbänden und Diskotheken-Betreibern. Beifall erhalten sie aus dem Gesundheitsbereich, wo sich das Personal einer neuen Riesen-Herausforderung gegenübersieht.

kolu22b2Die Situation entwickelt sich wie im März. Die Infektionszahlen steigen unaufhörlich, die Zahl der Toten ebenfalls. Das bundesdeutsche Auswärtige Amt brauchte zwei Wochen, um die Lage in den spanischen Regionen realistisch einzuschätzen: Madrid und Mallorca entwickeln sich wie Aragon fatal, eine letzte Nachricht besagt, dass Reiseveranstalter 40.000 Deutsche von den Balearen evakuieren.

Auch vor dem Baskenland wird gewarnt. Die Zahl der Neu-Ansteckungen liegt bei 600 pro Tag, sicher auch deshalb, weil so viele Tests gemacht werden wir nie. Wieder ist Bizkaia mit Bilbao besonders betroffen. Überall ist davon auszugehen, dass mit rückkehrenden Urlaubern auch verstärkt das Virus in die Region getragen wurde. Befremdlich ist, wenn in deutschen Zeitungen getitelt wird: "Spanien wundert sich über die Wucht der zweiten Welle." Verwunderlich ist daran überhaupt nichts. Denn es wurde viel zu schnell und unkontrolliert geöffnet, um die darbende Wirtschaft mit Geld zu versorgen und die Tourismus-Saison nicht ganz abzuhaken.

RAUCHEN VERBOTEN

Das Rauchen im Freien wird nun verboten, wenn der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann. Wer das kontrollieren soll ist ein zusätzliches Rätsel. Das Verbot hatten einige Regionen schon eingeführt, da sich das Virus im Rauch besser verbreitet. Der Betrieb von Kneipen und Restaurants wird nun wieder eingeschränkt. Kneipen müssen um 1 Uhr schließen, ab 24 Uhr werden keine neuen Gäste mehr angenommen. Die Tisch-Abstände werden wieder vergrößert, die Höchstzahl von Zusammenkünften auf 10 Personen verringert.

2020-08-14 / Post-Covid Tag (54) / Zweite Welle (2)

SINKENDE MIETEN

Die Coronavirus-Pandemie hat zur Neuordnung des Mietmarktes und der Mietpreise geführt. In den von Massentourismus heimgesuchten Stadtteilen wurde Airbnb praktisch auf Null gefahren. In der Altstadt von Bilbao zum Beispiel war der private Wohnungsmarkt vor Covid so gut wie nicht mehr existent, weil alle Miet-Objekte in den Tourismus-Sektor geschleust wurden. Mit Unterstützung der städtischen Behörden, versteht sich. Vor allem junge Leute ohne viel Geld wurden aus dem Stadtteil gedrängt. Mit der fast kompletten Abwesenheit von Touristinnen (auf unabsehbare Zeit) ging ein Teil dieser Wohnungen wieder an den privat-einheimischen Mietmarkt. Dazu kommt, dass potenzielle Wohnungs-Käuferinnen in Anbetracht der bevorstehenden Wirtschafts-Krise vorsichtig geworden sind und sich weniger schnell zum Kauf entscheiden.

kolu22b1Bilbao ist ein teures Pflaster, das ist hinlänglich bekannt. Durch die Pandemie sind die Mieten in der Provinz Bizkaia leicht gesunken, im Jahresvergleich um 3%, im Juli um 4%. Als Vergleichsmodell werden Wohnungen mit 90 Quadratmeter genommen. In Bilbao müssen dafür im Schnitt 1.196 Euro bezahlt werden. Auch hier liegen die Mieten 1,5% niedriger als im Juli des Vorjahres, dennoch sind sie insgesamt um 5,4% gestiegen. In Donostia (San Sebastian) liegt die Jahres-Steigerung bei der Hälfte, in Vitoria-Gasteiz sind sie übers Jahr um 0,5% gesunken, seit Juni sogar um 2%.

Selbst kleine Wohnungen mit nur einem Zimmer sind in Bilbao kaum unter 1.000 Euro zu kriegen. Im Provinz-Vergleich sind es 862 Euros. Mit zunehmender Größe steigen auch die Preise: zwei Zimmer 1.223 Euro, drei Zimmer 1.429 Euro, vier Zimmer 2.222 Euro. Das ist sogar teurer als in Barcelona mit 2.142 Euro. Nur Madrid liegt .mit 2.933 noch darüber.

Bilbao ist die fünft-teuerste Stadt des Staates, was Mieten anbelangt, nach Madrid (1.807), Barcelona (1.702), Donostia (1.367) und Palma de Mallorca (1.348). Zum Vergleich die billigste spanische Stadt: Zamora mit 433 Euro pro Monat. In den genannten Großstädten gehen die Preise nicht zurück (+2,7%), weil der Tourismus die Nachfrage anheizt und erhält. In unsicheren Zeiten werden weniger Wohnungen gekauft, mehr Mieten werden gesucht, aus lukrativen Tourismus-Wohnungen werden wieder solche für die Einheimischen.

2020-08-13 / Post-Covid Tag (53) / Zweite Welle (1)

ALARM

Die “neue Normalität“ hat ausgedient. Keine Rede mehr von Post-Covid-Sommer. Denn aus Post-Corona ist Pre-Corona geworden, in kaum zwei Monaten. Wir drehen uns im Kreis. Mitten in der Urlaubszeit schrillen überall die Sirenen. Alarm in mehreren baskischen Altersheimen. Einmal mehr. In der anlaufenden zweiten Coronavirus-Welle waren sie bislang weitgehend verschont geblieben – die Verbreitung hatte sich vor allem im Ambiente von jüngeren Personen abgespielt. Damit ist nun Schluss, nachdem bereits drei Einrichtungen von Massen-Ansteckungen betroffen sind. Dazu passt die Nachricht, dass die Zahl der Todesfälle durch Covid wieder steigt und die höchste Ziffer seit zwei Monaten erreicht hat.

Alarm in verschiedenen Regionen des spanischen Staates, die mittlerweile auch in der Liste der Reisewarnungen verschiedener europäischer Regierungen auftauchen. Die Zahlen gleichen denen von Anfang Mai, ein Rückschritt um drei Monate, 3.000 neue Fälle in 24 Stunden: Ihr Kinderlein kommet!

kolu22a2Alarm in der Gastronomie. Weil Arbeitskräfte oder Klientinnen infiziert sind, werden Lokale geschlossen. Dazu will der Verband der gastronomischen Einrichtungen und Diskothekenbesitzer von der Gefahrenquelle nichts wissen und klagt gegen die Beschränkung der nächtlichen Öffnungszeiten. Das Publikum soll sich anstecken dürfen, wo es will: freier Corona für freie Bürger. Im Gegensatz zur ersten Welle soll diesmal mit lokalen und regionalen Maßnahmen reagiert werden. Zum Beispiel mit nächtlicher Ausgangssperre, um distanzlose nächtliche Umtriebe einzuschränken.

KRANK UND AUF REISEN

Alarm in den Krankenhäusern. Weil in der zweiten Welle bislang vorwiegend jüngere Personen betroffen waren hielt sich die Ziffer der Einlieferungen (insbesondere auf Intensivstationen) in Grenzen. Nun treten wieder harte Fälle in Erscheinung und sofort steigen die unfreiwilligen Hospitalbesuche. Das Personal, mittlerweile besser ausgerüstet und mit weitaus mehr Test-Kits versorgt, befürchtet dennoch Schlimmes. 570 neue Fälle an einem Tag sprechen eine klare Sprache: “Bisher hatten wir einzelne lokale Virenherde. Wenn es nun so viele verschiedene gibt, kann es sich nicht mehr um keine Einzelfälle handeln, vielmehr haben wir es mit einer gesellschaftlichen Verbreitung zu tun.“ Sagt ein Viren-Spezialist. Im Baskenland werden mehr Fälle entdeckt, weil mehr Tests gemacht werden als zum Beispiel in Valencia oder Andalusien, obwohl dort mehr Personen in Intensivstationen eingeliefert sind.

Alarm in der Tourismus-Branche. Denn die wenigen Touris, die sich in die Höhle des Löwen gewagt haben, werden nun bei Rückkehr in ihre Ursprungsländer mit Quarantäne bestraft. Einige Hotels haben bisher gar nicht erst geöffnet, weil es billiger ist, das Personal in Kurzarbeit zu schicken, als die wenigen Gäste zu versorgen. Dieser Reise-Sommer ist somit gelaufen. Darüber freuen sich die Bewohnerinnen der üblicherweise von Massentourismus überquellenden Orte und Stadtteile besonders (… herzliche Grüße aus der Altstadt Bilbaos!). In Abwesenheit von Fiestas war es noch nie so ruhig wie jetzt in den baskischen Stadtzentren, eine Lebensqualität, an die sich kaum jemand erinnern kann.

kolu22a3RAUCHEN IST SCHÄDLICH

Als ob wir das nicht schon gewusst hätten. Nachdem die Raucherinnen per Gesetz bereits aus den baskischen Kneipen verbannt wurden, sollen sie nun auch “im freien Raum“ mit Einschränkungen konfrontiert werden. Denn der ausgeblasene Rauch eignet sich vorzüglich, um die Corona-Viren gleich mit zu transportieren. Durchaus nachvollziehbar. Nach Gel und Handschuhen und Masken ist mit dem Rauchen also eine weitere Front eröffnet. Die baskischen Verantwortlichen zieren sich noch – wie immer. In Galicien und auf den Kanaren ist man schon einen Schritt weiter: Das Rauchen auf Terrassen, in Straßencafés und sogar in Straßen wurde verboten, sofern nicht ein Mindestabstand von zwei Metern garantiert ist (Anmerkung: bei Windstille sind 2 Meter Abstand beim Rauchen praktisch gar nichts). Eingefleischte Raucherinnen hingegen behaupten, das Rauchen töte den Virus. Das Böse ist immer und überall.

(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-08-13)

 

 

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