Schöne Künste – Schöne Bescherung
Sommer, wenn die europäischen Touristenströme kommen, ist auch für Museen Hauptsaison – eigentlich, denn das Bellas Artes in Bilbao (Museum der Schönen Künste) ist seit mehr als 5 Wochen geschlossen wegen Streik. Die über ein Sub-Unternehmen angestellten Arbeiterinnen leiden unter prekärer Bezahlung und Absicherung und wollen ihre Situation verbessern. Die zur Präsentation bereit gestellte Ausstellung verstaubt solange, weil die Geschäftsführung sich weigert, in ernsthafte Verhandlungen zu treten.
Seit 39 Tagen befinden sich die 34 Arbeiterinnen des Museums für Schöne Künste in Bilbao im Streik für angemessene Bezahlung und bessere vertragliche Absicherung – mitten in der Hauptsaison. Die prekär Beschäftigten fordern von dem Unternehmen, das mit dem Betrieb des Museums beauftragt ist, eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Vertragssituation. Trotz verschiedener Kontaktaufnahmen kamen ernsthafte Verhandlungen bisher jedoch nicht zustande, weil die Unternehmens-Führung keinen Handlungsspielraum sieht. Bereits am 16. Mai, drei Wochen vor Beginn des eigentlichen Streiks, hatten die Angestellten mit einem Warnstreik ihre Haltung deutlich gemacht. (2016-07-15)
Das Sub-Unternehmen Manpower Group ist eines der üblichen Ergebnisse von Privatisierungs-Prozessen im öffentlichen Dienst. In früheren Jahren waren die Bediensteten öffentliche Angestellte, für die allgemein ausgehandelte Tarifverträge galten. Die kleinen Sub-Unternehmen fühlen sich häufig nicht an diese Tarife gebunden und spekulieren mit prekären Verhältnissen. Letztendlich geht es ihnen darum, bei diesen Sub-Verträgen eine möglichst große Gewinnspanne zu erzielen. Dabei ist die öffentliche Hand gar nicht ganz aus dem Spiel, denn das Geld kommt nach wie vor zum Teil aus Steuergeldern.
Die Museums-Angestellten, die im Empfang, in den Ausstellungs-Sälen, im Museumsladen und als Museums-Pädagoginnen arbeiten, fordern mehr Stabilität bei ihrer Arbeit, sowie einen würdigen Lohn. Unterstützt werden sie bei ihrem Anliegen von den beiden baskischen Gewerkschaften ELA und LAB, in denen die Mehrheit organisiert ist. Diese Gewerkschaften beklagen, dass es für die Museums-Arbeiterinnen keinerlei Garantie auf Kontinuität gäbe, der Arbeitsalltag sei von Teilzeit geprägt, sowie von Löhnen, die nicht an die 880 Euro kommen.
Weil im Sommer der größte Besucherstrom ansteht und damit auch die größte Jahres-Einnahme erwartet wird, sind die Institutionen zwar besorgt, aber nicht in der Lage, einen Schritt zur Lösung des Problems beizutragen. Ende Juni traf sich das Exekutiv-Komitee des Museums, zu dem die Stadtverwaltung Biilbao, die Provinzregierung Bizkaia und die baskische Regierung gehören, daneben die Stiftung der größten baskischen Bank als wichtigste Geldgeberin. Die Situation wurde erörtert, das Sub-Unternehmen aufgefordert, die Bemühungen zu intensivieren, um den Konflikt zu lösen, der zu einem unbefristeten Streik geführt hat. Dieses Exekutiv-Komitee hat zugestimmt, den Angestellten die Vertragsverlängerung im Fall von Veränderungen der Vertragsbedingungen zu garantieren – das war eine der wesentlichen Forderungen der Streikenden und der Gewerkschaften. Es sprach sich auch dafür aus, die kollektiven Tarifverträge in Bizkaia anzuerkennen und zu berücksichtigen, was bisher offenbar nicht der Fall war. Doch verhandeln muss das Unternehmen.
Die Unternehmensseite übt sich in der für solche Situationen üblichen Terminologie: die Forderungen seien zu hart, die Arbeiterinnen nicht kompromissbereit, mann suche nach der besten Lösung für alle. Die Streikenden sehen das anders. Zum einen fordern sie, die öffentlichen Institutionen sollen sich als Vermittler einmischen, was bisher nicht geschah. Andererseits berichten sie von lächerlichen Angeboten, die ihnen bei vergangenen Treffen mit der Unternehmensleitung vorgelegt wurden. „Ihr Angebot haben sie uns per Email geschickt. Wir haben es mit den Gewerkschaften studiert und abgelehnt. Sie bieten uns Lohnerhöhungen für das Jahr 2018 an, die Erhöhungen für 2016 und 2017 sind aber lächerlich. Unsere Forderung sind 1.200 Euro in 14 Zahlungen, das scheint uns nicht zuviel für eine Arbeit, die die meiste Zeit unseres Alltags ausfüllt. Wir sind bereit, darüber zu sprechen, wie wir auf diese 1.200 Euro kommen können. Aber die bisherigen Angebote sind ein Witz“.
Weil den Streikenden das bisherige Verhalten des Unternehmens wie ein Theater vorkam, haben sie für ihre Streik-Mobilisierungen die Form eines Zirkus gewählt: „The show must go on“ heißt es und „Zirkus der Prekarität“. Dem Museums-Direktor ist vor lauter Zirkus schon ganz schlecht, er versteht nicht, weshalb es keine Lösung gibt und trauert dem „großen Verlust im kulturellen Angebot der Stadt“ nach, der durch den Streik verursacht wurde, dass Streikkultur ebenfalls Kultur ist, kam ihm noch nicht in den Sinn. Dabei ist die Ausstellung „Hyperrealistische Skulptur“ aufgebaut und wartet –sicher verdientermaßen – auf ihre öffentliche Vorstellung.
Der Streik und die mit ihm verbundenen Forderungen könnten eines Tages auch den großen Bruder Guggenheim betreffen, denn Manpower Group ist auch Betreiber des Star-Museums am Nervión-Fluss. Und die von der öffentlichen Hand ausgehandelten Verträge mit Sub-Unternehmen sind sich nicht unähnlich. Nicht auszudenken, dass die silberne Blume einen Sommer lang geschlossen dastehen könnte, Bilbao wäre wie … ein Fisch ohne Fahrrad.
NACHTRAG: Am 20.Juli, 43 Tage nach Streikbeginn wurde das Museum wieder geöffnet, nachdem sich zwei Tage zuvor die Unternehmens-Leitung bereit erklärt hatte, die Forderungen der Streikenden fast komplett anzuerkennen. Es wurde ein Tarifvertrag abgeschlossen, der bis 2019 die geforderte Lohnhöhe garantiert, vierzehn Jahreszahlungen vorsieht und eine Arbeitsplatz-Garantie. Es ist schade, dass die aktuelle Ausstellung der Öffentlichkeit so lange vorenthalten wurde, die Bereitschaft zu Verhandlungen von Seiten der Direktion hätte auch früher kommen können. Der Entschlossenheit der Angestellten ist es zu verdanken, dass der Streik nicht länger ging, das Streikergebnis geht völlig in Ordnung. Manche fragen sich nun, wie lange die vom selben Unternehmen im Guggenheim-Museum Angestellten nun zusehen wollen, bis sie dieselben Lohnbedingungen erhalten - oder erkämpfen.
FOTOS:
(*) Foto einer Streik-Demonstration der Angestellten des Museums der Schönen Künste Bilbao (Foto Archiv Txeng)