Der Schauspieler Ramón Barea
Im November 2013 erhielt der baskische Schauspieler und Regisseur Ramón Barea den spanischen Theater-Preis, die höchste individuelle Auszeichnung in diesem Bereich. Anerkennung für ein Leben voller Bemühungen für eine stärkere Anerkennung der Theaterarbeit im Baskenland. Ramon Barea erhielt den Preis für sein Gesamtwerk, so die Begründung der Vergabe-Jury, das sowohl klassisches Theater umfasst, wie auch das Engagement für "riskante Projekte wie den Pabellon Nr.6".
Ramón Barea, 1949 in Bilbao geboren, begann seine Laufbahn als Ministrant, Trommler und Hunde-Torero in den Straßen Bilbaos. Barea, Schauspieler, Regisseur, Dramaturg und Produzent, begann seine Arbeit in den 70er Jahren und verband sie unermüdlich mit dem Engagement in und mit unabhängigen Theater- und Komiker-Gruppen, wie Legua y Karraka, die er mitgründete. Der vom Ministerium für Erziehung, Kultur und Sport verliehene Preis ist mit 30.000 Euro dotiert.
Barea schrieb später selbst Theaterstücke und versuchte sich in der Regie. Aus dieser Zeit stammen das Musical "Bilbao Bilbao" und die Stücke "Oficio de Tinieblas 5" (Beruf der Finsternis 5), "Okupado" (Besetzt), "Euskadifrenia" (Euskadifrenie), "Ubú Emperatriz" (Kaiserin Ubú), "La Palanca Gran Cabaré" (Das große Travestie Kabarett), und "Hoy última función" (Heute letzte Vorstellung).
Als Theater-Regisseur gehörten zu seinen letzten Arbeiten "El hombre que confundió a su mujer con un sombrero" (Der Mann der seine Frau mit einem Sombrero verwechselte), "El hombre de los dados" (Mann der Würfel), bei dem er auch als Dramaturg agierte.
Als Schauspieler fungierte er in verschiedenen TV-Serien und in mehr als 100 Filmen, darunter "El cura Santacruz" (Der Pfarrer Santacruz), "Entre todas las mujeres" (Zwischen alllen Frauen), "En la puta calle" (Mitten auf der Straße), "Matías juez de línea" (Linienrichter Matías), "Atilano Presidente" (Präsident Atilano), sowie in Erstlingswerken der Regisseure Imanol Uribe, Enrique Urbizu, Julio Medem, Juanma Bajo Ulloa, Pablo Berger, Ana Díez und Alex de la Iglesia. Aus seiner letzten Theaterzeit sind hervorzuheben "La Monja Alférez" (Die Nonne Fähnrich) von Domingo Miras, und der Monolog "Los perjuicios del tabaco" (Schäden von Tabak). (Quelle 1)
Dokumentarische Fundamental-Kritik
In einem Dokumentarfilm, der einiges Aufsehen erregte, setzte sich Ramón Barea im Jahr 2007 mit den Szenischen Künsten auseinander. "Nos sentamos a hablar" (Wir setzten uns zum Gespräch) nimmt Bilbao als Beispiel für ein armseliges Panorama in diesem Bereich. Im Film sprechen mehr als 80 Professionelle aus dem Bereich Tanz und Theater über ihre Erfahrungen in Bilbao, stellvertretend für die Situation im Baskenland. Über 90 Minuten wird der Zuschauerin die Realität dieses Kunstbereichs vor Augen geführt, ohne wertende Off-Stimme, die Zuschauer/innen selbst sollen sich ihren Reim machen.
Barea war der Ansicht, dass ihm sechs Jahre Arbeit außerhalb des Baskenlandes ausreichend Distanz verschafft hätten, um halbwegs nüchtern die Situation der Stadt zu analysieren, in der er als Schauspieler groß wurde und die meiste Zeit seiner Karriere verbrachte. "Bilbao treibt die Szenischen Künste an den Rand einer Katastrophe. Die neuen Schauspieler/innen beginnen beim Drei-Königs-Umzug oder beim Karneval, die alten führen ihre Karriere außerhalb fort". Die Dokumentation analysiert die Situation der existierenden Gruppen im Baskenland, private und öffentliche Theater, das Publikum - drei Jahrzehnte ohne wesentliche Änderungen. "Vor 30 Jahren gab es viel anzupacken, das baskische Theater und der Tanz befanden sich in den Kinderschuhen. Es ist Zeit für das Ende der Zersplitterung, Zeit für größere Projekte, jedoch nicht in Bezug auf ihre Formate, sondern was die Qualität anbelangt. Es gibt anerkannte Professionelle und ein Netz von Bühnen, für die bedeutende Investitionen gemacht wurden. Doch warum haben wir bis heute keine Produktions-Zentren und keine eigenen Theaterkompanien? Warum sind nicht Leute aus der Theaterwelt für die Programmierungen zuständig?" Barea forderte die Einrichtung einer Theaterschule in Bilbao, ein bis heute unerfülltes Ansinnen. Eine solche Schule solle nicht nur Akademie für Schauspieler/innen sein, sondern gleichzeitig forschen und Professionelle weiterbilden in den Bereichen Regie, Bühnenbild und Dramaturgie. (Quelle 2)
Pabellon No.6
Vor etwas mehr als einem Jahr hat Barea im bilbainischen Stadtteil Zorrozaurre (Deustu) mit weiteren 12 Kulturschaffenden zusammen ein privates Theater-Projekt ins Leben gerufen, mit dem Initiativen gebündelt und in selbstverwalteter Form innovative Erfahrungen möglich gemacht werden sollen. Die Kreativen selbst sollen für die Verbreitung ihrer Arbeit sorgen und das Publikum von der Qualität überzeugen. Barea: "Der Pabellon No.6 ist eine Alternative zum kommerziellen Theater. Wir wollen weiterhhin mit anderen Regisseuren zusammenarbeiten und im besten Fall eine eigene Gruppe auf die Beine stellen". Der Weg zum Pabellon No.6 war nicht leicht. "Unsere bisherige Bilanz ist optimistisch, vor allem haben wir die ersten harten Monate überstanden. Im ersten Winter hatten wir ohne Heizung eine Kältephase zu überstehen, das Dach hatte Risse, der Besuch der Vorstellungen war ein heldenhafter Akt". Mehr als 70 Aufführungen waren bisher zu sehen und dennoch wissen viele Leute in Bilbao noch nicht, wo das etwas außerhalb liegende Theater zu finden ist. Ramón Barea arbeitete gleichzeitig noch ein halbes Jahr in Madrid am Nationalen Klassischen Theater. (Quelle 1) (Das Theater Pabellon No.6 befindet sich im Stadtteil La Ribera de Deustu, Zorrozaurre, in der Calle Ribera de Deusto 47)
Interview mit Ramón Barea
Nachfolgend ein Interview mit Ramón Barea nach der Preisverleihung im November 2013:
Wie erfuhren Sie von der Erteilung des spanischen Theaterpreises?
Voller Überraschung. Als mehrere Anrufe einer Madrider Telefonnummer bei mir eingingen, dachte ich zuerst an Werbeanrufe, aber als sich herausstellte, dass der Anruf vom Ministerium kam und sie mir den spanischen Theaterpreis verliehen haben, überwältigte mich die Freude des Unerwarteten. Diese Art Preise erhalten normalerweise Schauspieler, die gerade in Mode sind und mit einer aktuellen Arbeit großen Erfolg haben, was bei mir nicht der Fall ist. Da begann ich zu reflektieren über den symbolischen Charakter dieses Preises für jemanden wie mich, der seit so vielen Jahren im Bereich der darstellenden Künste aktiv ist. Ich erhielt Anrufe von Kolleg/innen, die mich beglückwünschten und das wiederum macht diesen Preis zu einer Art Gemeinschaftspreis.
Sie gehören zu einer Generation, in der es eines inneren Antriebs bedurfte, Schauspieler zu werden. Wie kam es dazu?
So genau kann ich das nicht sagen. Als ich begann, gab es kaum Schauspielschulen und die meisten Kolleg/innen kamen aus Schauspielerfamilien. Meine Mutter sagte immer, ich solle einen sicheren Beruf ergreifen, was ich zunächst auch tat. Klar ist, dass die Schauspieltätigkeit keine Beständigkeits-Garantie beinhaltet. Ohne mir dessen bewusst zu sein, war ich plötzlich mit anderen dabei, das unabhängige Theater in Euskadi zu erfinden. Das einzige was ich klar im Blick hatte, dass ich Theaterschauspieler sein wollte. Die Bühne gibt mir die Möglichkeit, mich ungeachtet des sozialen Drucks auszudrücken.
Diese Anerkennung entschädigt heute sicher für die heldenhaften Zeiten des Ein- und Ausladens des Theater-LKWs. Der Lieferwagen war das Maß für alles: Bühnenbild, Beleuchtung, Kostüme. Alles musste reinpassen. Das Be-und Entladen war Teil unserer Arbeit, genauso wie die Entwicklung der Stücke, speziell in einem Land wie Euskadi, in dem es bis weit in die 90er Jahre kein mehr oder weniger stabiles professionelles Theater gab.
War diese Art Bühne wünschenswert? Ich frage, weil im Zusammenhang mit Theater viel von Berufung gesprochen wird und damit auch prekäre berufliche Bedingungen der Theaterleute impliziert werden.
In den Zeiten, als wir mit dem Lieferwagen unterwegs waren, gab es keinerlei Subventionen und wir schafften es ohne institutionelle Hilfe. Aber klar, natürlich muss die öffentliche Hand das Theater unterstützen. Ihre Aufgabe ist es, diesen kulturellen Keim zu fördern. In den 80er Jahren kam es dann zu einer Art Überbeschützung seitens der Institutionen, das war wohl gut gemeint, aber sie übernahmen eine Rolle im Bereich der Produktion und Ausstellung von Theater, die ihnen nicht wirklich zustand. Es wurde wenig gemacht, neue Kreise von Zuschauer/innen zu suchen und schaffen. Die Verbindung zwischen Theater und Gesellschaft ist sehr instabil, daran hat sich nichts geändert, viele Theatergruppen überleben als Dienstleistung, die unter Vertrag genommen werden kann. Was sich geändert hat, dass es heute mehr Schauspiel-Häuser mit besserer finanzieller Ausstattung gibt. Aber wenn diese Häuser kein festes Ensemble haben, muss hinterfragt werden, ob die gemachte Investition sinnvoll ist. Meiner Meinung nach wäre es besser, nicht so viele Räume zu schaffen, diese jedoch besser zu nutzen und ihre Verwaltung in die Hand der Theatergruppen selbst zu geben, die sie als ihre verstehen und an einer sozio-kulturellen Struktur arbeiten, als wahllos Subventionen aufzuteilen.
Aber es gibt doch Räume, die nach diesem System arbeiten, oder?
Ja, das Theater Arriaga kommt dem Modell, von dem ich sprach, relativ nahe. Wichtig ist, dass die Behörden sich nicht in Produktion und Programmgestaltung einmischen, weil ihre Kriterien einer eigenen Logik folgen, genau wie ihre Bezuschussungspolitik.
Kurz nach Bekanntgabe der diesjährigen Preisvergabe, haben Sie Ihr Befremden geäußert, dass Sie trotz der langen Jahre von Theaterarbeit fast unsichtbar waren. Hält dieser Eindruck an?
Ja, vermutlich kommt dieses Gefühl daher, dass ich praktisch meine ganze Laufbahn in Euskadi verbracht habe, das verurteilt dich zur Unsichtbarkeit. Hier wurde schon immer mehr Wert gelegt auf die Schaffung eines Symphonie-Orchesters für ältere Menschen und nicht auf neue Theatergruppen. Allerdigs habe ich diese Sichtbarkeit auch nie gesucht, ich habe keinen Protagonismus gesucht, bis heute habe ich keinen Repräsentanten.
Aus Ihren Worten schließe ich, dass Sie sich hier im Baskenland mehr Anerkennung gewünscht hätten.
Ja, aber nicht mir gegenüber, sondern generell all den Theatergruppen gegenüber, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Hier in Euskadi geben wir dem Hausgemachten oft weniger Wertschätzung. Ich sah mich bei unserer Arbeit damals auf der Strasse immer als Teil der baskischen Gesellschaft, wir hatten ein treues Publikum, die Leute applaudierten, wir standen in Beziehung. Aber wenn wir zu den Behörden gingen und anfragten, ob wir in einem Theatersaal auftreten können, wurde uns gesagt: "Nein, das geht nicht. Die Leute wollen prunkvolle Spektakel sehen mit großen Namen auf den Plakaten." Zur Zeit ändert sich das ein wenig und das stimmt mich optimistisch, aber es war und ist ein langer und beschwerlicher Weg.
Wie bewerten Sie die aktuelle Situation der darstellenden Künste in Euskal Herria?
Wie gesagt, mit gemäßigtem Optimismus. Es gibt Theaterschulen und die neuen baskischen Generationen sind besser vorbereitet für große Projekte. Was für mich am Wichtigsten ist, ist die Verbindung vom Theater zu seiner unmittelbaren Umgebung. Die Arbeit der Theatergruppen muss eine soziale Funktion erfüllen.
Von allen Facetten Ihrer langen Karriere, in welcher haben Sie sich am wohlsten gefühlt?
Als Schauspieler ohne Zweifel. Meine Ausflüge in die Regie haben mir deutlich gemacht, dass ich mich wohl fühle, wenn ich selbst Anweisungen erhalte. Da habe ich mit großen Regisseuren wie Fernando Fernán Gómez sehr gute Erfahrungen gemacht. (Quelle 3)
QUELLENHINWEIS:
(1) Monats-Zeitung Bilbao, Dezember 2013
(2) Tageszeitung El Pais 22.5.2007
(3) Tageszeitung Gara 26.11.2013
FOTOS:
(*) Die benutzten Fotos stammen aus der Tageszeitung El País, Album 26.11.2013