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Geschäfte auf dem Rücken der Beschäftigten

Nach wie vor gibt es Leute, die ernsthaft behaupten, die in den 80er Jahren verloren gegangenen Arbeitsplätze in der baskischen Industrie seien gut ersetzt durch ebenso viele Arbeitsplätze im heutzutage vorherrschenden Tourismus- und Dienstleistungs-Bereich. Wie falsch diese Annahme (oder Behauptung) ist, zeigen Streiks in den großen Museen von Bilbao, die zum Großteil vom Tourismus leben. Bilbo ist weit entfernt von einem Gleichgewicht der Interessen von Besuchern und Tourismus-Angestellten.

Nach dem Museum der Schönen Künste sind auch im Guggenheim-Museum Bilbao Bedienstete in Streik gegangen für die Verbesserung ihrer unsäglichen Arbeits- und Gehalts-Bedingungen.

(2016-09-08) Nach den eintägigen Warnstreiks im August sind die über ein Sub-Unternehmen angestellten Arbeiterinnen und Arbeiter des Guggenheim-Museums in einen unbefristeten Streik gegangen. Zuletzt wandten sie sich mit ihren Forderungen an die Behörden, die in der Verwaltung des Museums impliziert sind.

Die achtzehn Erzieherinnen und Animateurinnen des Guggenheim-Museums in Bilbo sind über ein Sub-Unternehmen angestellt, seit dem 5. September befinden sie sich in einem Totalstreik, mit dem sie den Erhalt all ihrer Arbeitsplätze und eine deutliche Verbesserung ihrer Arbeits- und Gehalts-Bedingungen erreichen wollen. Zuletzt forderten sie die im Aufsichtsrat des Museums vertretenen Institutionen auf, nach einer Alternative zu suchen, um die „kulturelle Würde und Arbeitsrechte“ zu garantieren – angesprochen sind die baskische Regierung, die Bezirks-Regierung von Bizkaia und die Stadtverwaltung Bilbo.
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Vom Teilstreik zum unbefristeten Streik

Wiederholt hat sich die pädagogische Belegschaft in den vergangenen Wochen vor dem Museum neben dem berühmten Puppy-Hund versammelt, um auf die Situation aufmerksam zumachen, in der sie sich befindet. Dabei wird das Transparent der baskischen Gewerkschaft LAB entfaltet, auf dem zu lesen ist: „Das Guggenheim vernichtet 18 Arbeitsplätze“.

Nach dem erfolgreichen Streik der Belegschaft des Museums der Schönen Künste Bilbo im Juli hatten die Pädagoginnen des Guggenheim sozusagen das Staffelholz übernommen und mit eintägigen Streiks ihre Rechte eingefordert. Dabei ging es um die Sicherung der Arbeitsplätze und eine würdige Bezahlung angesichts der bisherigen 6 Euros pro Stunde.

Die Antwort der Museums-Führung könnte aus dem Handbuch für Kapitalisten entnommen sein: ignorant, lakonisch, arrogant. Nach dem ersten Streiktag wurde per Pressemitteilung festgestellt, der Betrieb des Museums sei in keinster Weise beeinträchtigt – was ein schlechtes Licht wirft auf einen Service, der plötzlich nicht mehr funktioniert. Nach weiteren auf den August verteilten Streiktagen ließ das Museum verlauten, man habe die Entscheidung getroffen, den Service in Zukunft nicht mehr an Sub-Unternehmen abzugeben, sondern selbst anzustellen.

Was sich erst einmal positiv anhörte wurde zur schlechten Nachricht, als sich herausstellte, welche Strategie hinter der Entscheidung stand. Erstens sollte der Vertrag mit dem Sub-Unternehmen, der Ende September ausläuft, nicht verlängert werden, die bisherigen Angestellten stehen somit auf der Straße. Zweitens sollten drei Personen direkt beim Museum eingestellt werden, um sich in Zukunft den pädagogischen Arbeiten zu widmen. Die bisherigen Bediensteten sollten keine Chance haben, sich auf diese Stellen zu bewerben, weil „qualifiziertes Personal“ angestellt werden solle – ein Schlag ins Gesicht der Bisherigen: wurde ihre Arbeit plötzlich nicht mehr als professionell betrachtet?!
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Streikaktionen

Dies war der Moment, an dem aus den Warnstreiks ein unbefristeter Streik wurde. Wenn drei Personen achtzehn ersetzen sollen, stellt sich natürlich auch die Frage, wie das ohne Einschränkung des entsprechenden Services funktionieren soll. Selbst wenn es sich um drei Vollzeit-Kräfte handelt, ist es undenkbar, dass sie die Arbeit von achtzehn Teilzeitkräften leisten. Also eine Abwertung und Reduzierung der Dienstleistung, in Frage gestellt ist somit nicht nur die Qualität der bisherigen und zukünftigen Arbeit, sondern auch das mittlerweile weit verbreitete Konzept der „Museums-Pädagogik“ als wichtigem Standbein von Kultur-Institutionen, die sich mangels gesellschaftlicher Akzeptanz vermehrt der jungen Generation widmen.

An einem der Streiktage inszenierten die Streikenden das Guggenheim in Anlehnung an eine bekannte Fastfood-Kette als „Burgerheim“. Um deutlich zu machen, dass Qualität im Museum nur für die ausgestellte Kunst gilt, nicht aber für die Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten. Auf einem Plakat ist der „King Ahorro“ abgebildet, der „Spar-König“ mit dem Stundenlohn von 5,35 Euro, den die Betroffenen kassieren für eine Arbeit, die angeblich keine Qualifikation erfordert. Fotoserie der Streikaktion (1) (Link).

Streikaussichten

Sicher haben die Bediensteten des Museums alles Recht der Welt, den Fortbestand ihrer Arbeitsplätze und eine würdige Bezahlung zu fordern. Das Problem bei ihrem Streik ist, dass er nur von einer Gewerkschaft unterstützt wird. Alle Streikenden sind bei der Gewerkschaft LAB organisiert, das ist zwar gut für die Gewerkschaft, aber weniger gut für die Erfolgsaussichten des Streiks. Das Museum selbst hat nur wenige Festangestellte, die Sicherheits- und Wachkräfte sind über ein anderes Sub-Unternehmen angestellt, für das ein anderer Tarifvertrag gilt. Und andere Gewerkschaften, die keine eingeschriebenen Mitglieder zu vertreten haben, beteiligen sich mangels Interesse nicht. Im Baskenland gibt es – zum besseren Verständnis – keine Einheits-Gewerkschaft nach deutschem Modell, sondern Richtungs-Gewerkschaften, die mitunter auch unternehmensbezogene Tarifverträge abschließen, wenn es sein muss gegen die Konkurrenz.
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Dazu gibt es einen wichtigen Unterschied zum Streik im Museum der Schönen Künste im Juli 2016: dort waren alle Bediensteten – von den Putzkommandos, über die Sicherheitsleute bis zum Empfangs-Personal bei demselben Sub-Unternehmen angestellt – das Museum musste deshalb geschlossen werden (übrigens dasselbe Unternehmen, das nun im Guggenheim zum Auslaufmodell wird). Es handelte sich um mehr als 50 Angestellte, die in den zwei großen baskischen Gewerkschaften organisiert waren, insofern war die Unterstützung weit größer und vor allem der Druck auf die politisch Verantwortlichen, die ein großes Interesse daran hatten, das Museum zur besten Besuchszeit mitten im Sommer so schnell wie möglich wieder zu öffnen.

Nicht nur vor dem Guggenheim fanden die Proteste statt, die Streikenden traten auch vor dem Sitz der Provinz-Regierung auf und haben vor, sich im Rathaus mit den drei Fraktionen zu treffen, die ihre Forderungen unterstützen: die abertzale Gruppe EH Bildu und die zwei Podemos-Fraktionen Goazen und Udalberri. Diese drei Gruppen haben den Bürgermeister Juan María Aburto zu einem Treffen aufgefordert, bei dem er seine Position zum Arbeitskonflikt klären soll.

Die Zeichen stehen nicht gut für einen erfolgreichen Ausgang des Konflikts, doch die Streikenden wollen bis ans Ende kämpfen, auch wenn die Sache bereits verloren scheint. Im Namen der Streikenden wies Jon Lopez darauf hin, dass das Problem nicht am 30.September beendet sei, wenn die 18 Arbeitsverträge auslaufen. „Zwar verschwindet das Sub-Unternehmen, aber wir als Personen verschwinden nicht“. Er unterstrich die Wichtigkeit der Arbeit, die von den 18 Bediensteten geleistet wird, mit der Zahl von 200.000 Personen, die das Team im Jahr 2015 betreut hatte.
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Verteilung des Kuchens

Es vergeht kein Jahr, ohne dass besagtes Museum keine neuen Besucherrekorde meldet, die vergangenen Wochen sind voller Nachrichten, in denen von der Anziehungskraft des Komplexes die Rede ist. Dieser Erfolg kommt auch anderen Dienstleistern zu Gute, seien es Hotels oder Gaststätten, Ketten oder Unternehmer – die einzigen, die nicht in den Genuss dieses „Erfolges“ kommen sollen, sind die Bediensteten, jene, die den „Erfolg“ täglich mit ihrem Schweiß begleiten. Dass sozial verantwortlicher Tourismus nicht nur in Besuchszahlen gemessen wird, sondern auch mit ökologischer Verantwortung und der Zufriedenheit der im Sektor Beschäftigten einhergeht, hat sich in Guggenheim-Kreisen und in Bilbao generell noch nicht herumgesprochen. Dabei sind die Kriterien für einen Tourismus dieser Art bereits formuliert:

Verantwortlicher Tourismus

„Verantwortlicher Tourismus ist eine weltweite Herausforderung", ist auf den Webseiten von TourCert zu lesen. TourCert, die gemeinnützige Zertifizierungs-Gesellschaft, vergibt das sogenannte CSR-Siegel für Nachhaltigkeit und Unternehmens-Verantwortung im Tourismus. CSR bedeutet Corporate Social Responsibility (2). CSR steht für kontrollierte gesellschaftliche Verantwortung im Tourismus. „TourCert" ist das Zertifikat, das die CSR-Organisation jenen ausstellt, die sich auf freiwilliger Basis den Kriterien unterwerfen und sich regelmäßig prüfen lassen von der „Gesellschaft für Zertifizierung im Tourismus". Die Kriterien sind folgende:

• Was bleibt im Land, wenn die Reisesaison vorbei ist?
• Zahlen Touristikunternehmen ihren Beschäftigten im Land Löhne, mit denen sich eine Familie ernähren lässt?
• Vermeiden Hotelanlagen Müll und entsorgen sie umweltgerecht?
• Nimmt die Reiseplanung Rücksicht auf natürliche Ressourcen, z.B. bei der Wasser- und Energieversorgung und beim Natur- und Artenschutz?
• Stammen die Lebensmittel im landestypischen Restaurant wirklich aus heimischer Produktion?
• Wieviel CO² produziert der Reiseweg pro Kunde?
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CSR ist die Verantwortung der Unternehmen für ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt. Dazu müssen die beteiligten Unternehmen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus soziale und ökologische Anforderungen in ihrem Kerngeschäft erfüllen. CSR steht nicht für einzelne gute Taten, sondern für eine im ganzen Unternehmen verankerte Haltung und strategische Ausrichtung. Mit dem CSR-Siegel bekennen sich Tourismus-Unternehmen klar zu ihrer Verantwortung für einen nachhaltigen Tourismus. Sie verpflichten sich dazu, ihre Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern. Das CSR-Siegel wird in verschiedenen Sektoren vergeben. Für Reiseveranstalter, Reisebüros und Unterkünfte gelten jeweils spezifische Anforderungen und Kriterien an die Zertifizierung.

Bis Bilbao ist die Idee von TourCert noch nicht vorgedrungen, das Guggenheim-Museum würde bereits bei der ersten Prüfung glatt durchfallen, weil hier der „Erfolg“ weiterhin auf dem Rücken der Beschäftigten fabriziert wird, ohne Rücksicht auf Rechte und Würde der Arbeitenden.

ANMERKUNGEN:

(1) Fotoserie der Streikaktion vom 8.9.2016 (Link)

(2) Artikel „Alternative Reisekonzepte“ (Link)

FOTOS:

(1) Streikaktionen der Guggenheim-Beschäftigten im Sommer 2016 (Foto Archiv Txeng - FAT)

(2) Streikaktionen der Guggenheim-Beschäftigten im Sommer 2016 (Foto Archiv Txeng - FAT)

(3) Streikaktionen der Guggenheim-Beschäftigten im Sommer 2016 (Foto Archiv Txeng - FAT)

(4) Die übliche Sommerschlange vor dem Guggenheim-Museum (Foto Archiv Txeng - FAT)

(5) Streikaktionen der Guggenheim-Beschäftigten im Sommer 2016 (Foto Archiv Txeng - FAT)

(6) Streikaktionen der Guggenheim-Beschäftigten im Sommer 2016 (Foto Archiv Txeng - FAT)

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