Neues Konzept antifaschistischer Bildung
Seit die spanische Rechte nicht mehr an der Regierung ist, wurde in der baskischen Region Navarra ernsthaft damit begonnen, die Vergangenheit von Krieg und Diktatur aufzuarbeiten. Eine Kommission wurde beauftragt, Erinnerungs-Orte aus der Zeit des Krieges von 1936 und danach zu definieren und sie in ein Bildungs-Programm einzubinden. Orte, an denen franquistische Verbrechen stattfanden. 80 Jahre nach Ende des Krieges kommt dieser Arbeit eine wichtige Funktion in der Aufarbeitung des Franquismus zu.
Die Regierung in Navarra hat ein Verzeichnis der “Orte der Historischen Erinnerung in Navarra“ ins Leben gerufen, über das bestimmte Orte franquistischer Repression markiert werden sollen. Gleichzeitig sind sie Teil eines antifaschistischen Bildungsprogramms.
Mit dem Militäraufstand vom 18. Juli 1936 zettelten die ultrarechten Generäle um Franco den Spanienkrieg an, der fast drei Jahre viele Teile des Staates in Schlachtfelder verwandelte. Im baskischen Navarra gab es keinen Krieg, weil sich die dortigen Militär- und Polizei-Körperschaften den Putschisten umgehend anschlossen und die Republik an dieser Stelle keine wehrhaften Verteidiger hatte. Das hielt die Aufständischen nicht davon ab, wahre Massaker anzurichten, massenhaft Menschen umzubringen und eine brutale Repression auszuüben. Diese franquistische Gewaltorgie hat in der Region ein Trauma hinterlassen, das nur über Erinnerung an die Opfer gelindert werden kann.
Die Kommission der Regionalregierung Navarra zum Erhalt der Erinnerung aus der Kriegszeit hat die ersten sechs Orte in das entsprechende Register eingeschrieben. Die Aufnahme weiterer sieben Orte in dieses Verzeichnis der “Memoria Historica“ werden zur Zeit geprüft. Mit dieser Maßnahme sollen diese “Orte des Terrors“ zu Gedenkorten gemacht werden, dies teilte die Senatorin für Bürger- und Institutionsfragen bei einer Pressekonferenz mit. (1)
Dort erschien die Politikerin zusammen mit dem Direktor des Erinnerungs-Instituts Navarra. Bei den ersten sechs Orten, die in das Verzeichnis der “Orte der Historischen Erinnerung in Navarra“ aufgenommen wurden (Lugares de la Memoria Histórica de Nafarroa) handelt es sich um (A) den Erinnerungspark in Sartaguda (Parque de la Memoria de Sartaguda), (B) die Otsoportillo-Grube (sima de Otsoportillo), (C) das Massengrab von Olabe (fosa de Olabe), (D) die Gedenkstätte an der Landstraße zwischen Igal und Bidankoze (Memorial de la carretera de Igal a Bidankoze), (E) die Gedenkstätte der Massengräber von Erreniega (Memorial de las fosas de Erreniega), (F) sowie die Skulptur zur Erinnerung an die Unterdrückung von Frauen in Azkoien-Peralta (escultura en memoria de la represión de la mujer de Azkoien).
Zweiter Schritt
Bei den sieben Orten, deren Aufnahme in das antifaschistische Erinnerungs-Verzeichnis noch geprüft wird, handelt es sich um (A) das Massengrab bei der Ziegelei von Monreal (fosa de la Tejería de Monreal), (B) das Massengrab Valcaldera in Cadreita (fosa de Valcaldera en Cadreita, (C) den Großen Wanderweg GR 225 (GR 225), (D) das Massengrab des Drei-Kreuze-Passes von Ibero (fosa del alto de las Tres Cruces de Ibero), (E) der Erinnerungspark von Etxauri (Parque de la Memoria de Etxauri), (F) der Steinbruch von Bera (cantera de Bera), sowie (G) die Säule zur Erinnerung an German Rodriguez und die Skulptur Gogoan in Iruñea-Pamplona (estela en recuerdo de German Rodríguez y la escultura ‘Gogoan’).
Die beiden Vertreter*innen der Regierung erinnerten daran, dass in Navarra mehr als 3.000 Personen erschossen worden waren, obwohl es keinen Krieg gegeben hatte, weil sich die damaligen Behörden sofort dem franquistischen Militärputsch angeschlossen hatten. Auch nicht vergessen ist, dass Tausende von Bewohner*innen der Region alle denkbaren Schikanen und Demütigungen erlitten. Um an diese Opfer zu erinnern und so die Vergangenheit aufzuarbeiten “müssen diese Orte mehr darstellen als ein Schild oder eine Informationstafel, es darf nicht vergessen werden, was sich an diesen Orten abspielte“. Nur das Nicht-Vergessen könne eine Garantie sein, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.
“Diese ersten sechs Einschreibungen haben zum Ziel, die Orte bekannt zu machen. Es waren Orte des Terrors und der Gewalt, nun sollen sie zu Orten der Erinnerung werden, wo die Werte von Frieden und Koexistenz vermittelt werden“. – “Unser Ziel ist es, mit einem kritischen Blick diese Erinnerung zu erneuern. Gleichzeitig gehen wir einen Schritt nach vorne auf dem Weg zu einem friedlichen Zusammenleben und einer Friedenskultur“.
Ultrarechte in Navarra
Dies ist in Navarra ebenso wichtig wie schwierig. Schon 1936 war es kein Zufall, dass sich die politisch Verantwortlichen in Navarra sofort auf die Seite der Putschisten stellten. Denn Navarra hat eine ultrarechte und ultrakatholische Tradition, die karlistischen Requeté-Truppen bildeten einen wichtigen Teil der Aufstands-Armee. Auch nach dem Tod des Diktators hielten sich kleine, aber aktive Gruppen der faschistischen Falange am Leben. Sie greifen linke Personen an, zerstören Gedenkorte und provozieren mit Fahnen und Graffitis.
Der Direktor des Erinnerungs-Instituts hob die Bedeutung des Erziehungs-Programms “Schulen mit Erinnerung“ hervor. Dieses Programm soll Lehrerinnen unterstützen, neue Lehrmethoden zu nutzen, um die historische Erinnerung an die Gräuel des Franquismus an neue Generationen zu vermitteln“. Das interessanteste Element dieses Programms ist die Einführung von Treffen, bei denen Angehörige von Franquismus-Opfern mit Schüler*innen zusammenkommen. “Dies ist das zentrale Glied der Erziehungsarbeit“. Die Opposition, die spanische Rechte und die Fans des Franquismus sehen das mit Sicherheit anders, vielleicht sogar die navarrische Sozialdemokratie, die sich in den vergangenen Jahrzehnten als eher rechtslastig denn als liberal-sozialdemokratisch gezeigt hat.
Treffen mit Franquismus-Opfern
“Diese Treffen mit erzieherischem Anspruch sollen an jenen Orten stattfinden, an denen die traumatischen Ereignisse in der Vergangenheit stattgefunden hatten – die Rede ist von der Unterdrückung der Bevölkerung nach dem Militärputsch im Sommer 1936“. Nun sind die antifaschistischen Erinnerungsgruppen an der Reihe, aktiv zu werden, sowie die Bevölkerung im Allgemeinen und die lokalen Behörden – sie alle sind im navarrischen Erinnerungs-Gesetz für den Vermittlungsprozess als Protagonisten vorgesehen.
Bei Baskultur.info erschien bereits im Februar 2019 ein Artikel (“Navarra Memoria Exkursion“), bei dem die neue antifaschistische Erinnerungs-Regelung der Region Navarra vorgestellt wurde (2). Alle genannten Orte sind öffentlich zugänglich und können problemlos besucht werden.
(Publikation Baskultur.info 2019-05-03)
ANMERKUNGEN:
(1) Information aus dem Artikel “Nafarroa inscribe los primeros seis lugares de Memoria Histórica” (Navarra deklariert die ersten sechs Orte der Historischen Erinnerung“, Tageszeitung Gara 2019-04-27 (LINK)
(2) Artikel Baskultur.info: “Navarra Memoria Exkursion” (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Memoria-Collage (FAT)
(2) Otsoportillo (FAT)
(3) Sartaguda (FAT)
(4) Erreniega (naiz)