Pedro de Morga aus Gernika
Pedro de Morga, baskischer Sklavenhändler – Ein Buch des Historikers Javier Ortiz Arza aus Bilbao dokumentiert die bedeutende Rolle von baskischen Geschäftsleuten im Sklavenhandel von Sevilla im 16. Jahrhundert, von den Lizenzen bis zu den Schiffen. Als Händler, Schiffbauer und Beamte spielten Basken eine große Rolle, sowohl am kastilischen Hof wie auch in Sevilla, der Stadt, von der aus die mörderischen kolonialen Unternehmungen ausgingen. Pedro de Morga aus Gernika ist ein aussagekräftiges Beispiel.
“Die Mulattin” von Velázquez dokumentiert die Präsenz von schwarzen Sklavinnen und Sklaven in Sevilla, Ende des 16. Jahrhunderts. Ein gesunder Sklave kostete um die 100 Dukaten, das entsprach der Jahresmiete eines Hauses. Baskische Geschäftsmänner nahmen im Sklavenhandel wichtige Funktionen ein und verdienten eine Menge Geld.
Jahr 1588. Die Galeone San Pedro, die von Sanlúcar de Barrameda (Sevilla) aus in See gestochen war, beladen mit Wein, Ölen, Seifen und Leinen zum Tausch, sichtet die Küste der Kapverden. An Bord befiehlt Kapitän Esteban de Irízar seinem Stellvertreter Juan de Uribarre, das Schiff zu steuern und zu ankern, um die Ankunft der Sklaven-Ladung abzuwarten. Pedro de Alsana, Juanes de Azcárate, Pedro de Amezqueta, Tomás de Licona, Juanes de Alsube, allesamt baskische Besatzungsmitglieder, bereiten sich auf die bevorstehende Arbeit vor.
Von Lekeitio zu den Kapverden
Juan de Uribe Apallúa aus Lekeitio und Besitzer der Galeone, hatte die Anweisungen, die ihm Admiral Juanes de Echagoya aus Orduña vor dem Ablegen gegeben hatte, ziemlich klar vor Augen. Er sollte "gute schwarze Männer und Frauen laden, die vom Land kamen, auch wenn sie deshalb teurer waren. Sie sollten in guter Verfassung sein, nicht zu teuer und nicht zu alt. Von guter Herkunft, bevorzugt wurden die Stämme Biafara, Bran Pael und ähnliche". Und ganz nebenbei sollte er für den Verkauf in Spanien so viele exotische Waren (Elfenbein, Bernstein) erwerben wie er im afrikanischen Kontinent auftreiben konnte, um sie auf die von den Portugiesen kontrollierte Inselgruppe der Kapverden zu bringen.
Dies ist Teil der umfangreichen Dokumentation, die der Bilbao-Historiker Javier Ortiz Arza im “Generalarchiv de las Indias“ (Kolonial-Archiv) und in der Casa de Contratación (Übersee-Handelskammer) in Sevilla gefunden hat. Sie zeigt, dass es Basken waren, die im 16. und 17. Jahrhundert den Sklavenhandel vom Golf von Guinea (Kamerun, Nigeria) bis zu den Besitzungen der kastilischen Krone in der “Neuen Welt“ betrieben. Ortiz' Doktorarbeit "Die baskische Gemeinde von Sevilla, das Lizenzsystem und der Sklavenhandel mit den Indios" dient als Grundlage für ein Buch, das in diesem Jahr veröffentlicht wird, nachdem er von der Provinzverwaltung Sevilla mit dem Preis Archivo Hispalense 2020 ausgezeichnet wurde.
“Viel Sinn für Handel”
Um die bisher am wenigsten bekannten Anfänge des Sklavenhandels mit den neuen Kolonien zu analysieren, hat Ortiz Arza eine der im 16. Jahrhundert in Sevilla omnipräsenten “Handelsnationen" vorgenommen: die Basken, “eine der mächtigsten Gemeinschaften", wie er sagt. "Die Bedürfnisse des Handels passten perfekt zu einigen ihrer besonderen Fähigkeiten: ihre Präsenz in den Institutionen der Monarchie, ihr gutes Gespür für Geschäfte, ihre unternehmerische Natur, die Kenntnis der Navigation und der Schifffahrt. Die Basken waren in allen Phasen des Handels präsent", bemerkt der Historiker.
Das Einzige, was außerhalb des Zugriffs der baskischen Sklavenhändler blieb, war der Fang der Sklaven. Diese Aufgabe wurde von afrikanischen Stämmen übernommen, die den Spaniern und Portugiesen Gefangene rivalisierender Nationen und Ethnien verkauften, meist aus dem Golf von Guinea, "einem kolossalen Dschungel, so dunkelgrün, dass er fast schwarz war, gesäumt von weißem Schaum", wie Joseph Conrad die Küstenlinie in “Herz der Finsternis“ beschreibt. (2)
Afrikaner statt Indigene
Nach der “Entdeckung“ der neuen Territorien wurde schnell klar, erklärt der Historiker, dass die produktiven Aufgaben im “kastilischen Amerika“ nicht den eingeborenen Indianern (als Arbeitssklaven) zufallen konnten. "Bereits 1501 sahen die Anweisungen der Katholischen Könige die Einführung von schwarz-afrikanischen Sklaven vor. Die Kolonial-Verantwortlichen waren zu dem Schluss gekommen, dass der Eingeborene "faul" sei (Worte von König Ferdinand) und dass die Afrikaner für harte Arbeit besser geeignet seien, wie z.B. den Bergbau. Es gab mehrere Phasen der Unsicherheit, teilweise wurde die Einfuhr von Sklaven ausgesetzt, weil es zu Aufständen kam und aus Angst vor der Verbreitung des Islam in Amerika".
Im Jahr 1518 begann der koordinierte und durch Bewilligungen und sogenannte Lizenzen organisierte Sklavenhandel, überwacht von der Casa de Contratación (eine Art von Übersee-Handelskammer), in denen Basken wie Recalde, Isasaga und Matienzo das Sagen hatten. Die großen Sklaven-Transporte, die in Afrika verladen wurden, kamen laut Ortiz Arza seit jenem Jahr in den Häfen von Veracruz und San Juan de Ulúa (Mexiko), Nombre de Dios (Panama) und Santo Domingo (Dominikanische Republik) an.
Reichtum mit Ebenholz
Die Beteiligung der Basken, der eigentlichen de-facto-Macht im Kastilien des 16. Jahrhunderts, ist in allen Gliedern der Kette des Sklavenhandles wiederzufinden. Von den Ministern des Königs, die die Lizenzen für den Sklavenhandel ausstellten, wie Martín de Gaztelu, Juan de Ibarra oder Juan López de Zubizarreta, bis hin zu den Verantwortlichen für die Registerbücher, in denen das Ebenholz eingetragen wurde, wie Ochoa de Urquiza; oder die Verwaltung der Lizenzen, eine Aufgabe, die ein gewisser Ochoa de Luyando übernahm.
Ebenfalls unter den "Begünstigten" des Königs waren Eroberer, Höflinge, hohe Beamte der Kolonien, Seefahrer im Ruhestand, Kreditgeber, Finanziers und Gläubiger, wobei der Forscher insbesondere Diego de Ibarra, Juan Ortiz de Zárate und den Bankier Pedro de Morga aus Gernika als entscheidende Figuren vermerkt. "Der Zulueta des 16. Jahrhunderts, ein wahrer Magnat des Sklavenhandels", so Ortiz Arza. Zusammen mit Francisco de Zavala aus Gipuzkoa, Juan de Urrutia (aus Balmaseda), Juan de Narria (aus Araba) und Pedro de Murueta (Bilbao) bildete Pedro de Morga die Keimzelle der "großen baskischen Sklavenhändler" von Sevilla.
Pedro de Morga aus Gernika
Morga begann in der Umgebung der Burg San Jorge de Triana zu "gedeihen", die zur Inquisition gehörte, einer weiteren Macht, mit der der baskische Clan gute Beziehungen pflegte. Er kam in Kontakt mit dem Aufseher Bartolomé de Vizcarra und dessen Schwager Domingo de Azpeitia, die beschlagnahmte Waren in Empfang nahmen und Geschäfte mit der jüdischen Kaufmannselite von Sevilla machten, die zum Konvertieren gezwungen worden waren.
Anfang 1550 gründete Morga eine öffentliche Bank und begann mit Lizenzen und Sklaven zu handeln. "In den 1560er Jahren gründete er eine Handels-Gesellschaft, die ausschließlich aus Basken bestand, wie Jimeno de Bertendona, Juan de Arregui und dem Bevollmächtigten für die Kolonien, Pedro de Arriarán. Morga war einer der reichsten und beliebtesten Männer der Stadt. Er kaufte eine beeindruckende Villa in der Nachbarschaft von Santa Cruz". Einer seiner Söhne, Antonio, der in Salamanca studierte, hatte einen Auftrag auf den Philippinen und befehligte das Schiff “San Diego“, die Galeone von Manila, die von Holländern angegriffen wurde. Sein Vater war nach dem Konkurs der königlichen Schatzkammer im Jahre 1576 völlig ruiniert und starb kurz darauf.
“Der Schweißgeschmack verriet die Gesundheit der Sklaven“
García Márquez nahm eine Sklavenauktion in Cartagena de Indias in einen seiner Romane auf und schrieb, dass die Frau, "eine abessinische Gefangene", "mit Melasse statt mit dem üblichen handelsüblichen Öl eingerieben" wurde. Das war Marquez' Interpretation, denn in Wahrheit wurde Melasse in Haiti verwendet, um widerspenstige Schwarze (wie die unruhigen Wolof) zu foltern und Wespen und Fliegen anzulocken. (3)
"Es gab Sklaven, die als Trunkenbolde, Diebe und Ausreißer katalogisiert waren, sie kosteten die Hälfte. Die Rebellischen wurden von den Beamten des Königs für einen symbolischen Preis verkauft und auf die Galeeren geschickt", erklärt Ortiz Arza. "In den Kolonien war der Kauf eines Sklaven nicht billig. Es kam darauf an, ob er unerfahren war, das heißt kein Spanisch sprach und aus Afrika kam. Oder ob er ein Ladino war und die Sitten kannte." Schätzungsweise 100.000 bis 150.000 afrikanische Sklaven wurden bis 1595 nach Amerika gebracht. Nur wenige als Diener an Bord der Galeonen der Flotten von Neuspanien und Tierra Firme (Festland); die meisten auf den Schiffen, die einzeln auf den Kapverden landeten und den Atlantik überquerten.
Obwohl sie mit Eisen gebrandmarkt waren, wurden sie in der Regel gut behandelt. Der Fall von Pedro de Mollinedo, der 35 der 100 eingeschifften Sklaven verlor, war ein Einzelfall. In Sevilla fand das Kaufen und Verkaufen auf den Stufen der Kathedrale oder in der Straße Bayona, auf der Plaza de San Francisco oder in Privathäusern statt.
Prüfung durch Damen von Welt
Ildefonso Gutiérrez Azopardo, der die Spanier von afrikanischer Abstammung erforschte, beschreibt eine Auktion: "Die Schwarzen mussten laufen, tanzen, singen, reden und lachen. Kahlgeschoren, nackt und mit Öl eingeschmiert. Unter den Käufern waren Mönche, Priester und Beamte. Manchmal waren Damen von Rang und Namen dabei. Sie begannen, die Schwarzen zu untersuchen, indem sie ihre Muskeln prüften, ihre mit Sklaven-Schweiß getränkten Finger an die Zunge führten, “denn im Geschmack des Schweißes erkannten sie die Gesundheit der Schwarzen“. Ohne Scham gingen sie auch zur Inspektion der intimsten Körperteile über".
Treppe zum sozialen Aufstieg
Ortiz' Arbeit deckt die Funktionen auf, die die Basken im Sklavenhandel spielten. Er zeigt, dass sie nicht nur Nutznießer oder Verteiler von Sklaven-Lizenzen waren, sondern vor allem Verlader und Transporteure von Sklaven. Diese Aktivitäten "verhalfen ihnen zu einem wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg innerhalb der wirtschaftlichen und politischen Hierarchie Sevillas und brachten Figuren von großer historischer Bedeutung hervor, wobei der Bankier Pedro de Morga aus Bizkaia alle anderen überragt", schlussfolgert Ortiz, nachdem er verschiedene Archive in Sevilla durchstöbert hat.
Seine Doktorarbeit erklärt, dass die Basken "eine Gemeinschaft waren, die traditionell mit der Wirtschaft, dem Meer, der Schifffahrt und der Verwaltung zu tun hatte" und daher leicht "einige der Hauptanforderungen" des maritimen Sklavenhandels abdeckten, einer sehr lukrativen Tätigkeit, "die qualifizierte Fachleute mit Erfahrung in eben diesen Disziplinen erforderte".
ANMERKUNGEN:
(1) “Pedro de Morga, negrero vasco“ (Pedro de Morga, baskischer Sklavenhändler), Tageszeitung El Correo, 2021-02-14 (LINK)
(2) Joseph Conrad, eigentlich Józef Teodor Nałęcz Konrad Korzeniowski (1857 in Russland, heute Ukraine – 1924 Großbritannien) war ein polnisch-britischer Schriftsteller, einer der wichtigsten englisch schreibenden des 19. Jahrhunderts. Einfluss auf sein Werk hatten Conrads Erfahrungen mit dem britischen Kolonialreich, seine Tätigkeiten bei der französischen und britischen Handelsmarine und die Erinnerung an seine polnische Heimat. Hannah Arendts Interpretation Conrads: In ihrem 1951 erschienenen Hauptwerk “Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ führt Hannah Arendt Joseph Conrad im Rahmen ihrer Reflexion über die Ursprünge des Rassismus als einen von mehreren Hauptzeugen an und beschäftigt sich unter dieser Perspektive eingehend mit seinem Werk. Arendt geht davon aus, die Rassenideologie des 20. Jahrhunderts sei erst durch die europäische Expansionspolitik im Zeitalter des Imperialismus entstanden. Die furchtbaren Massaker, die der Rassenwahn dann hervorrief (die Ausrottung der Hottentotten-Stämme, das Morden Carl Peters‘, die ungeheuerliche Dezimierung der Kongobevölkerung durch den belgischen König), deutet Arendt als Konsequenz. Der Irrsinn und die entsetzlichen Folgen des Rassismus hätten das Entsetzen, aus dem er entstand, noch weit übertroffen, seien jedoch nur daher begreiflich. Über Conrads Texte lasse sich die Erfahrung, die dieser grausamen Praxis des überseeischen Rassismus vorausging, erschließen. (LINK)
(3) “En el sabor del sudor se sabía la salud del negro“ (Der Schweißgeschmack verriet die Gesundheit der Sklaven) El Correo, 2021-02-14 (LINK)
(4) “Los vascos usaron la trata de esclavos para ascender en la Sevilla del XVI” (Die Basken nutzten den Sklavenhandel zum sozialen Aufstieg im Sevilla des 16. Jahrhunderts) Tageszeitung La Vanguardia, 2019-11-21 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Velazquez (elcorreo)
(2) Sklavenlizenz (elcorreo)
(3) Sevilla 16. Jh. (elcorreo)
(4) Sklavenketten (elcorreo)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-02-21)