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Jesús Galíndez: Antifranquist und US-Agent

Jesús de Galíndez Suárez war nach dem Spanienkrieg von 1936 bis 1939 einer der bedeutendsten baskischen Exilpolitiker. Während des Krieges organisierte er als Parteiaktivist der PNV das baskische Zentrum in Madrid. Nach dem Krieg zog Galíndez über Frankreich in die Dominikanische Republik, wo er unter dem Diktator Trujillo zu einer wichtigen Persönlichkeit der baskischen Diaspora wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging er in die USA, wo er 1956 von dominikanischen Agenten entführt und ermordet wurde.

Jesús de Galíndez war Schriftsteller, Jurist, Universitäts-Professor und baskisch-nationalistischer Politiker, der sich während des Zweiten Weltkrieges in der diktatorisch beherrschten Dominikanischen Republik aufhielt, für das FBI arbeitete und nach seinem Umzug nach New York ermordet wurde.

Biografie

Jesús de Galíndez wurde am 12. Oktober 1915 in Madrid geboren als Sohn des Augenarztes Jesús de Galíndez Rivero und María Suárez Romarate. Weil der Vater aus Amurrio in der baskischen Provinz Araba stammte, behaupten manche Quellen, Jesús sei ebendort geboren. Nachdem die Mutter elf Tage nach seiner Geburt an dem damals noch üblichen Kindbettfieber starb, wurde der Kleine von seinen Großeltern in Amurrio aufgezogen. Er verbrachte seine Kindheit auf dem Larrabeobe-Bauernhof, sein Großvater war Arzt und Bürgermeister des Ortes. In frühen Jahren holte ihn der Vater nach Madrid in eine Jesuitenschule im damals noch eigenständigen Ort Chamartín de la Rosa. Der Vater war wieder verheiratet und hatte einen zweiten Sohn. (1)

Der junge Jesús nahm in den 1920er Jahren an den Schüler-Bewegungen gegen die Diktatur von Primo de Rivera teil. Entgegen der Familien-Tradition entschied er sich für Rechts-Wissenschaften als Studienfach. Früh erwachte sein literarischer Geist, bereits mit 18 Jahren (1933) publizierte er in Madrid Texte über die baskischen Selbstverwaltungs-Rechte (Fueros) in seinem “Heimatort“ Amurrio. 1934 folgten zwei weitere Publikationen zum Thema Strafrecht in Bizkaia und Psychologie der Kinder-Delinquenz.

galindez2Studium in Madrid

In seiner Studienzeit war er aktives Mitglied der baskisch-nationalistischen Studentengruppe "Euzko Ikasle Batza“, die in Madrid Konferenzen abhielt. Aktiv war er auch im baskischen Zentrum der spanischen Hauptstadt, dem “Hogar Vasco“ (Baskisches Zuhause), das zugleich Sitz der baskisch-nationalistischen Partei PNV war. Obwohl er in Madrid geboren wurde und den Großteil seiner Jugendjahre dort verbrachte hatte Galíndez immer eine starke emotionale Bindung zu Amurrio und dem Landkreis Aiara (span: Ayala). Wenn möglich verbrachte er seine Ferien im Haus der Großeltern. Diese Gefühlsverbindung führte zu einer Verpflichtung mit dem baskischen Nationalismus. Mit 17 Jahren wurde er Parteimitglied der PNV.

Seinen juristischen Abschluss machte er an der Zentral-Universität Madrid am 20. Juni 1936, knapp einen Monat vor dem Militärputsch der ultrarechten Generäle um Franco gegen die spanische Republik. In einer brillanten Diplomarbeit hatte er über die gesellschaftliche, wirtschaftliche und juristische Funktion der baskischen Bauernhäuser geschrieben (bask: baserri, span: caserío). Eigentlich sollte er mit diesem Abschluss eine Stelle als Hilfslehrer in Zivilrecht antreten, doch machte ihm der Krieg schnell einen Strich durch die Rechnung.

Der Spanienkrieg 1936 bis 1939

Der Franco-Putsch erwischte den seit seiner Jugend mit der PNV verbundenen Galíndez in Madrid, auch wenn die ersten Monate nicht vom Krieg geprägt waren und er seiner Arbeit als Hilfslehrer nachgehen konnte. Während der ersten Kriegsmonate erlebte er den Krieg entfernt von der Front und erlebte republikanische Repression gegen Putschfreunde. Im September 1936 wurde im baskischen Zentrum von Madrid ein Komitee gegründet, das sich um den Schutz der in der Stadt lebenden Baskinnen und Basken vor etwaigen Übergriffen von republikanischen Milizionären kümmerte. Geschützt wurden vor allem baskische Priester, Galíndez war mit von der Partie. (2)

Eine erste Wendung nahm die Geschichte, als die republikanische Regierung den Basken im Oktober 1936 eine Autonomie-Regierung zugestand und die katholisch-konservative PNV sich klar auf der Seite der legitimen Regierung positionierte (3). Galíndez meldete sich als Freiwilliger für die Nordfront, zu der das Baskenland und Asturien zählten (Navarra, Gipuzkoa, Araba und Galicien waren bereits in franquistischer Hand). Doch die Partei hatte andere Pläne, ihre Aktivisten sollten in Madrid eine Sonderwache bilden: zum Schutz des baskischen Zentrums und der nationalistischen Politiker in der Stadt. Gleichzeitig sollte sie die humanitären Aktivitäten der PNV schützen. Galíndez wurde zum Chef dieser Sonderwache ernannt.

Im Mai 1937 wurde der PNV-Politiker Manuel de Irujo zum spanischen Justiz-Minister ernannt (4). In der Folge wurde Galíndez zum Berater der Gefängnis-Direktion unter Vicente Sol. Im September 1937 schloss er sich der baskischen Brigade an der Aragon-Front an, als juristischer Berater mit dem Dienstgrad als Leutnant. Noch während des Krieges publizierte er 1938 “Träumereien. Dreißig poetische Essays“ (Ensueños. Treinta ensayos poéticos).

galindez3Das Exil 1939

Am 10. Februar 1939 überquerte Galíndez nach der Niederlage von Katalonien über die Bourg-Madame-Brücke im katalanischen Norden die französische Grenze, mit den Resten der republikanischen Armee. In Frankreich wurden sie im Lager Vernet interniert, zusammen mit Tausenden von anderen republikanischen Flüchtlingen. In diesem Lager blieb Galíndez sieben oder acht Monate eingesperrt, bevor ihm die Flucht gelang. Kurzzeitig versteckte er sich im Haus eines baskischen Priesters in Landas (frz: Landes, Nord-Baskenland), suchte Kontakt mit Diplomaten aus der Dominikanischen Republik, die ihm kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges bei der Flucht in jenes Land halfen. Diese Kontakte gingen zurück auf die Kriegszeit in Madrid, als Galíndez mit den Botschaftern aus der Karibik-Republik und aus Paraguay freundschaftliche Verbindungen gepflegt hatte.

Aufenthalt in der Dominikanischen Republik 1939 bis 1946

Etwas mehr als sechs Jahre lang lebte Jesús Galíndez im karibischen Inselstaat. Sein dortiger Aufenthalt überschnitt sich ungefähr mit der Dauer des Zweiten Weltkriegs. In jener Zeit herrschte dort der Diktator Rafael Leónidas Trujillo (5). Obwohl der ein fanatischer Antikommunist war, ließ er 100.000 Republikaner aus dem Spanienkrieg in seinem Land aufnehmen. Doch war die Dominikanische Republik kein besonders attraktives Ziel spanischer oder baskischer Flüchtlinge. Sie zogen Länder wie Argentinien, Mexiko oder Venezuela vor. Genau dieser Umstand motivierte Galíndez, die Hispaniola-Insel als Exilort zu wählen. Er wollte nicht in einem Land leben, das von Flüchtlingen überschwemmt war, auf der Insel versprach er sich mehr Chancen, sich eine berufliche Zukunft erarbeiten zu können. Am 19. November 1939 betrat er dominikanischen Boden, nach einer transatlantischen Überfahrt von Bordeaux, die von der SERE organisiert worden war, dem “Evakuations-Dienst für Spanische Flüchtlinge“ (6). Auf dem Schiff waren sowohl republikanische Flüchtlinge aus dem Spanienkrieg als auch eine große Anzahl jüdischer Familien, die vor den Gräueln der Faschisten in Europa flüchteten.

Galíndez gewöhnte sich schnell an das neue Leben und schuf sich ein Netz von Kontakten und Freundschaften, sowohl innerhalb der baskischen Exil-Gemeinde, die in Santo Domingo lebte (damals unter dem Namen Ciudad Trujillo), wie auch mit spanischen Exilierten und einheimischen Dominikanern. Viele davon standen mit dem Regime in Verbindung, was Galíndez die Integration und Karriere im karibischen Land erleichterte.

Er bezog eine Wohnung im Zentrum der Hauptstadt und hatte bereits nach einem Monat Kontakt zu intellektuellen Zirkeln des Landes, nachdem er in einem Kulturzentrum einen Vortrag über “Die Basken, mysteriöses und legendäres Volk“ gehalten hatte. Kurz danach gab er Schul-Unterricht in Geschichte und Sprache, 1940 wurde er zum Lehrer für Rechts-Wissenschaften an der Schule für Diplomaten- und Konsular-Recht ernannt, die vom Außenministerium unterhalten wurde. Dort unterrichtete er Ramfis Trujillo, den Sohn des Diktators.

Prestige und politische Zurückhaltung

Seine Bildung, Dynamik und Arbeitsfähigkeit verschafften ihm ein großes Prestige. Kurz darauf wurde er an der Universität Santo Domingo zum Sekretär für das Institut “Vergleichende Amerikanische Rechtsprechung“ ernannt. Dafür übersetzte er ein entsprechendes Handbuch von Gordon Ireland. 1944 schließlich wurde er zum Berater des Ministeriums für Arbeit und Wirtschaft der Dominikanischen Republik ernannt. Parallel zu dieser Arbeit hielt er Vorträge, schrieb für verschiedene Zeitschriften Beiträge über Recht und Geschichte und publizierte selbst Bücher. Galíndez fand in der Bevölkerung große Anerkennung. 1944 erhielt er den ersten Preis für seinen Beitrag zum Literatur-Wettbewerb aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Staates.

Galíndez war immer sehr vorsichtig, wenn es um Innenpolitik und das Trujillo-Regime ging. Nie kritisierte er Trujillo offen, um keine Probleme mit dem Regime zu bekommen und seine Existenz zu sichern. Auch vermied er Huldigungen für den Diktator, dessen Politik er verabscheute. Während seiner Jahre auf der Großen Antilleninsel suchte und sammelte er Dokumente über die Diktatur, die später in eine Untersuchungsarbeit über das Trujillo-Regime münden und Galíndez das Leben kosten sollten.

Baskischer Delegierter

Parallel zu seiner akademischen Arbeit entwickelte Galíndez auch politische Aktivitäten, immer distanziert von der dominikanischen Innenpolitik. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in der Hauptstadt existierte eine Delegation der baskischen Regierung, die von Eusebio de Irujo geleitet wurde, dem Bruder des PNV-Führers Manuel de Irujo (4). Wenige Monate später, 1940, übernahm Galíndez diese Funktion, als sein Vorgänger nach Venezuela ging. Das heißt, er war fünf Jahre lang der oberste Repräsentant der baskischen Regierung in der Dominikanischen Republik.

galindez4Einige Historiker*innen gehen davon aus, das Galíndez in dieser Zeit bereits in Diensten des FBI stand, um Nachrichten zu liefern über Nazi- und Falange-Aktivitäten auf der Insel. Auch an Information über exilierte republikanische Kommunisten war die US-Polizeibehörde interessiert, in dieser Hinsicht zeigte sich Galíndez eher zögerlich. Diese Zusammenarbeit war Teil des Auftrags, den PNV und baskische Regierung an ihre Mitglieder ausgegeben hatte, nämlich mit den westlichen Demokratien zusammenzuarbeiten, um sie für die baskische Sache zu gewinnen.

Der Abgang in die USA

Das Ende seines Aufenthalts hatte mehrere Gründe. Einerseits verkomplizierte sich die Situation der spanischen Republikaner, weil sich die Diktatoren Franco und Trujillo annäherten. Die dominikanischen Geheimdienste spionierten Republikaner aus und informierten die spanische Botschaft über deren Aktivitäten. Als offizieller Vertreter der baskischen Regierung hatte Galíndez eine wichtige Funktion unter den spanischen Flüchtlingen. Wegen seiner antifranquistischen Aktivitäten wurde er nie unter Druck gesetzt, aber in der Zukunft konnten sich die Dinge ändern.

Dann kam es im Januar 1946 zum großen Zucker-Streik. Als Vertreter des Arbeitsministeriums war Galíndez einer der Unterhändler mit den Streikenden. Es wurde ein Kompromiss ausgehandelt, mit kleinen Konzessionen für die Arbeiter, der zum Ende der Mobilisierungen führte, der Streik ging friedlich zu Ende. Aber das Regime startete eine Repressionswelle gegen die Streikführer, einer der Gewerkschaftsführer, mit denen Galíndez verhandelt hatte, wurde umgebracht.

Galíndez reagierte erschrocken und angewidert und beschloss, das Land zu verlassen. Der baskische Exil-Präsident José Antonio Agirre (Schreibweise auch: Aguirre) bat ihn, mit nach New York zu kommen und bot ihm eine Arbeit als Wissenschaftler und eine Funktion in der baskischen Delegation vor der 1945 gegründeten UNO. Dieses Angebot und die Hilfe beim Visumsantrag bestärkten Galíndez in seinem Entschluss, die Insel zu verlassen. Am 31. Januar 1946 verließ er Santo Domingo Richtung Havanna, von dort ging es über Miami in die USA. Vorher schaffte er die gesamte über die Diktatur gesammelte Dokumentation in die US-Botschaft, um sie als Diplomatengepäck in die Staaten bringen zu lassen.

galindez5Aktivitäten in New York (1946)

Im Februar 1946 ging er nach New York. Dort arbeitete er in der von Antón Irala geleiteten baskischen Niederlassung bei der UNO. Zusammen erreichten sie eine Verurteilung des franquistischen Regimes durch die UN-Vollversammlung. Gleichzeitig schrieb Galíndez weiter Bücher zu baskischem Recht und Scheidungsrecht in Amerika (1947). Für eine Arbeit über die französische Revolution und ihre Auswirkungen in Euskadi (7) erhielt er auf dem zweiten Kongress Baskischer Schriftsteller den ersten Preis.

1948 stellte er dem Internationalen Kongress Baskischer Studien eine Arbeit vor unter dem langen Titel: “Ein Jahrhundert Kampf um baskische Freiheiten; Wert der baskischen Fuero-Selbstverwaltungs-Rechte unter den historischen Umständen, die sie hervorbrachten; Die Basken und ihr Kampf für die Freiheit Amerikas; Ähnlichkeit der Fuero-Selbstverwaltungs-Rechte von Aiara und Bizkaia“ (Un siglo de lucha por la libertad vasca; Valor de los Fueros Vascos considerados según las circunstancias históricas que les dieron origen; Los vascos en la lucha por la libertad de América; Semejanza entre los Fueros de Ayala y Bizcaya). 1949 veröffentlichte er Bücher zum Scheidungsrecht in Amerika und 1951 über den Krieg. Im selben Jahr nahm er teil am Internationalen Anwalts-Kongress.

An der Columbia-Universität erhielt er eine Professur für “Hispano-amerikanisches Öffentliches Recht“ und “Geschichte der Zivilisation“ und schrieb über die Instabilität der Verfassungen in Lateinamerika. 1953 publizierte er “Neue Formel der politischen Selbstbestimmung in Puerto Rico“ und 1954 ein Werk mit dem schlichten Titel “Iberoamerika“. Sein politischer, sozio-ökonomischer, kultureller und internationaler Werdegang Entwicklung schockierte die dominikanische Diktatur. Galíndez nahm am gesellschaftlichen Leben New Yorks teil und war zwei Jahre lang Präsident der Iberoamerikanischen Schriftsteller und Poeten.

Kalter Krieg

Die Beziehungen des baskischen Exils mit dem US-amerikanischen Establishment waren positiv für beide Seiten. Galíndez stand in Kontakt mit Franklin Roosevelt, dem Sohn des gleichnamigen US-Präsidenten, was die Kooperation mit den US-Geheimdiensten erleichterte. Doch verfinsterte sich dieses Szenarium Anfang der 1950er Jahre in einem neuen politischen Panorama: dem “Kalten Krieg“. Bereits 1939 hatten die USA Franco als neuen Staatschef akzeptiert, nur einen Tag nach dem dieser den Krieg für beendet erklärt hatte (zeitgleich mit Frankreich, Großbritannien und den faschistischen Mächten Deutschland und Italien).

galindez61953 unterzeichneten die USA und Spanien die sogenannten “Pakte von Madrid“. Wichtigster Inhalt war die Installation von vier US-Militärbasen auf spanischem Territorium, im Gegenzug erhielt Franco wirtschaftliche und militärische Hilfe. Für Spanien bedeutete dieser Pakt – nach der Isolierung nach dem Zweiten Weltkrieg wegen der Verbindungen mit dem Faschismus – die definitive Integration in den westlichen Block. Dies gefährdete die Position der baskischen Regierung, der PNV und von Galíndez. Er selbst bestätigte dies in Gesprächen mit Vertrauten jener Zeit. Tatsächlich galt die Besorgnis der USA nach dem Verschwinden der Nazi-Gefahr und der Akzeptanz des Franquismus allein dem Kommunismus sowjetischer Prägung. Galíndez verlor seine Bedeutung.

Er flüchtete sich in seine Vorlesungstätigkeit und promovierte an der Columbia-Universität in Philosophie. Am 27. Februar 1956 wurde in jener Hochschule seine 700 Seiten umfassende Doktorarbeit über die Diktatur Rafael Leónidas Trujillo angenommen. Sie trug den Titel “Die Ära Trujillo: eine Fallstudie hispano-amerikanischer Diktaturen“ (La era de Trujillo: un estudio casuístico de dictadura hispanoamericana). Darin wurde das Regime des dominikanischen Diktators angegriffen und der Beweis geführt, dass dessen Sohn Ramfis kein biologischer Nachkomme war.

Entführung, Verschwinden 1956

Die Publikation von Galíndez Doktorarbeit war für den Diktator Trujillo ausreichend Grund, seinen Geheimdienst nach New York zu schicken, um Galíndez entführen und auf die Insel bringen zu lassen. Die Billigung der US-Geheimdienste war dabei überaus hilfreich. Am 12. März 1956 verschwand Jesús Galíndez aus seinem Apartment 15-F Nummer 30 in der Fifth Avenue von Manhattan. Sieben Jahre später, am 30. August 1963 wurde er offiziell für tot erklärt, seine Leiche tauchte nie auf.

Laut FBI nahmen an der Vorbereitung, der Entführung und der Vertuschung des Verbrechens insgesamt 35 Personen teil, von denen später neun umgebracht wurden oder unter mysteriösen Umständen das Leben verloren. Bevor die CIA Galíndez Verschwinden öffentlich machte wurde sein Apartment minutiös untersucht. Der nordamerikanische Anwalt Stuart McKeever untersucht den Fall seit mehr als 25 Jahren. Er geht davon aus, dass Trujillo mehr als eine Million Dollar für das Auslöschen von Galíndez ausgab. Unter anderen bezahlte er Joseph Frank, einen ehemaligen FBI-Agenten, der die Aktion auf dominikanischem Territorium plante.

Folgen des Mordes

Trujillo hatte die Kampagnen US-amerikanischer Antikommunisten finanziell unterstützt: zum Beispiel die Kommunistenhetze des berühmten Senators Joseph McCarthy, oder die Wahlkampagne von Richard Nixon (Vize-Präsident von Eisenhower). Er sorgte für das Verschwinden einiger Zeugen der Aktion, unter anderem von Gerald Lester Murphy, einem US-Piloten, der Galíndez auf die Antillen-Insel zurückgebracht hatte, ohne zu wissen, worum es ging. Dieser Pilot stand in Kontakt zu einem US-Senator, der zusammen mit der New York Times Druck machte, den Fall aufzuklären.

galindez7Nach dem Entführungs-Fall wurde in der US-Öffentlichkeit ein negatives Bild von Trujillo gezeichnet, was zu einer Verschlechterung der Beziehungen mit den USA führte. Am 30. Mai 1960 wurde der dominikanische Diktator vom Bruder eines seiner vielen Opfer ermordet. FBI-Beamte benannten einige Zeit später die zahlreichen Verantwortlichen, die in die Entführung und die später folgenden Morde verwickelt waren.

Am 5. Juni 1956, zwei Monate nach seinem Verschwinden, wurde Galíndez von der Columbia-Universität "in absentia" mit dem Doktortitel ausgezeichnet. Sein Leben in Verbindung mit den amerikanischen Geheimdiensten kam ins Kino und wurde von verschiedenen Autoren in Romanen verarbeitet. Zum Beispiel “Galindez: das offene Grab. Krieg, Exil und Scheitern“ (Galíndez: la tumba abierta. Guerra, exilio y frustración) von Iñaki Bernardo und Iñaki Goiogana. Oder “Galíndez”, für das der katalanische Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán den nationalen Literaturpreis erhielt.

An sein Lebenswerk erinnern von Zeit zu Zeit leitende Persönlichkeiten der PNV, sowie Personen aus der Dominikanischen Republik für die Arbeit gegen den Diktator Trujillo. Aus Anlass des 50. Jahrestages von Galíndez Verschwinden organisierte die PNV-nahe Stiftung Sabino Arana eine Ausstellung unter dem Titel "GALÍNDEZ MISSING. Askatasunen aldeko borrokalaria” (Galíndez Missing. Kämpfer für die Freiheit). Darin waren die 700 Berichte der US-amerikanischen Geheimdienste zu sehen, in denen die Zusammenarbeit mit den Basken von 1942 bis 1945 dokumentiert war. Dazu Informationen über das von Galíndez geleitete Spionagenetz gegen die Nazis in der Karibik. Ebenfalls dokumentiert waren hunderte von bislang unveröffentlichten Postkarten, sowie Dokumente über die Arbeit von Galíndez in seiner Madrider Zeit, 1936 und 1937. Und schließlich der komplette Untersuchungsbericht des FBI über die Entführung, die 100.000 teilweise zensierte Dokumente umfasst.

Ein Leben als Spion

Letztendlich war es nicht die unaufhörliche literarisch-historische Arbeit und deren internationale Anerkennung, die Jesús Galíndez bekannt machten. Wichtiger war die Tatsache, dass er im Auftrag der Baskischen Regierung im Exil für das US-Außen-Ministerium und das FBI unter Edgar J. Hoover als Agent gearbeitet hatte. Mit der Zeit kam ans Tageslicht, dass es Verbindungen gab zwischen den von der Antilleninsel geschickten Mördern und ehemaligen Mitarbeitern und Scheinfirmen der CIA. Diese “Schmutzkanäle“ tauchten später wieder in Erscheinung bei “Watergate“ (9) und bei Mordversuchen gegen Fidel Castro.

galindez8Kenner der Geschichte behaupten, Galíndez habe bereits vor seinem Umzug nach New York erst unter dem Pseudonym "DR-10" und später als "Agente Rojas" (Agent Rojas) mit der Kennziffer "ND507" gearbeitet. Er habe an das FBI vor allem Informationen geliefert über Aktivitäten von Nazis und Falangisten. Was die von den USA ebenfalls erwünschten Informationen über Kommunisten angehe, sei Galíndez jedoch immer zurückhaltend gewesen.

Bei Wikipedia wird Arthur P. Duggan zitiert, der US-Agent, der den baskischen Politiker angeblich anheuerte: "Galíndez sagte ganz offen, dass er lieber über die Nazis in Santo Domingo informiere als über die Aktivitäten von spanischen Kommunisten, zu denen er gute Beziehungen hatte. Alles in allem, wenn er konnte leitete er immer wertvolle Information weiter über die Bewegungen und Absichten der spanischen Kommunisten" (1). Es heißt auch, Galíndez habe die CIA über die Vorbereitungen Fidel Castros zum Sturz des Batista-Regimes informiert, sei aber von der US-Behörde nicht ernst genommen worden.

ANMERKUNGEN:

(1) Jesús de Galíndez Suárez (Wikipedia)

(2) Positionierung der PNV zur Republik: Als katholische, konservative und antikommunistische Partei hatte die PNV ideologische Überschneidungen mit den Franquisten. Die reaktionären navarrischen Karlisten zum Beispiel waren im Krieg an der Nordfront mit ihren Requeté-Milizen wichtiger Bestandteil der aufständischen Armee. Gelegentlich wird deshalb behauptet, die Republiktreue der PNV sei durch das Zugeständnis eines Autonomie-Statuts im Oktober 1937 “erkauft“ worden. Dagegen spricht, dass im Baskenland bereits im September eine Armee aufgestellt und mit dem Bau des Verteidigungswalls “Eiserner Ring“ begonnen wurde. Tatsache ist, dass sich einige weniger bedeutende PNV-Mitglieder auf die Seite der Aufständischen stellten.

(3) Autonomie-Statut 1936: Am 7. Oktober wurde in Bilbao José Antonio Agirre als erster baskischer Ministerpräsident vereidigt, nachdem die Zentralregierung den Basken ein Autonomie-Statut zugestanden hatte.

(4) Manuel de Irujo Ollo (Lizarra-Estella, 1891 – Pamplona, 1981) war Anwalt und Politiker der baskisch-nationalistischen Partei PNV. Während der Zweiten Republik war er in Madrid Abgeordneter und Minister. Er gehörte zu den PNV-Führern, die sich für die Positionierung der PNV auf Seiten der Republik stark machten und gegen die aufständischen Faschisten.

(5) Rafael Leónidas Trujillo Molina (1891 – 1961) war ein dominikanischer Militär, Politiker und Diktator der Dominikanischen Republik, der 1961 vom Bruder eines seiner Opfer ermordet wurde.

(6) SERE: “Servicio de Evacuación de Refugiados Españoles” oder “Servicio de Emigración de los Republicanos Españoles” – Evakuierungs-Dienst für Spanische (oder Republikanische) Flüchtlinge: der erste Hilfs-Organismus für Flüchtlinge, im Februar 1939 von der republikanischen spanischen Regierung in Paris gegründet.

(7) Euskadi: Die von PNV-Gründer Sabino Arana erfundene und seit 1900 benutzte Bezeichnung Euzkadi umfasste zuerst alle historischen baskischen Provinzen, einschließlich Navarra und Iparralde. Heute (mit “s“ statt “z“) sind damit nur noch die drei baskischen West-Provinzen Araba, Bizkaia und Gipuzkoa gemeint, die seit Ende des Franquismus die “Autonome Region Baskenland“ im spanischen Staat bilden (Comunidad Autónoma Vasca). Im Baskenland selbst wird der Begriff heutzutage weniger benutzt (vielmehr Euskal Herria), in Spanien dagegen häufig.

(8) Die “Pakte von Madrid 1953“, Wikipedia

(9) Als Watergate-Affäre wird eine Reihe von schweren “Missbräuchen von Regierungsvollmachten“ bezeichnet, zu denen es in der Amtszeit des republikanischen Präsidenten Richard Nixon zwischen 1969 und 1974 kam. Die Aufarbeitung dieser Missbräuche verstärkte in den USA die durch den Vietnamkrieg ausgelöste gesellschaftliche Vertrauenskrise gegenüber der Politik in Washington. Höhepunkt war der erzwungene Rücktritt Nixons durch Impeachment am 9. August 1974.

ABBILDUNGEN:

(1) Mord an Galindez (FAT)

(2) Provisorische baskische Armee 1936

(3) Jesús Galindez (Anasagasti)

(4) Trujillo, Franco (elindependiente)

(5) Zuckerrohr-Arbeiter (elconfidencial)

(6) Manhattan (pinterest)

(7) Buchtitel Galindez

(8) Galindez (lacapitalmdp)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-09-04)

 

 

 

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