Erster energieautarker Supermarkt Europas
Im baskischen Vitoria-Gasteiz startet die Konsumgenossenschaft Eroski ein Pilotprojekt für nachhaltige Supermärkte. In der Hautpstadt der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) haben die Vorbereitungen für einen Supermarkt von Eroski begonnen (1), der auf Energieautarkie setzt und Mitte 2016 eröffnet werden soll. Damit soll der in der Energiefrage fortschrittlichste Supermarkt Europas entstehen. Die Stadt wurde von der EU Kommission 2012 mit dem Attribut "Green Capital" ausgezeichnet.
(2015-10-26) Die EU-Kommission fördert über das Programm LIFE-2012 für innovative Umwelt-Projekte mit einer Kofinanzierung zu 50% den Umbau des Eroski-Supermarkts "Ali Gobeo" zu einem Energie-Selbstversorger. Für den Umbau werden knapp zwei Millionen Euro veranschlagt (2). Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem "Nationalen Zentrum für Erneuerbare Energien" (Cener) vorangetrieben (3). Cener hat den Sitz in der Nachbarprovinz Navarra, wo schon 2012 mehr als 80% des Stroms über erneuerbare Energien erzeugt wurden, vor allem mit Windanlagen und Fotovoltaik. Cener, das die technische Koordination übernimmt, setzt in diesem Fall auf Biomasse lokaler Herkunft, um die nötige Energie zu erzeugen. Biomasse spielt in Spanien trotz der großen Verfügbarkeit bisher kaum eine Rolle.
Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung
Das Herzstück der Anlage ist ein System zur Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung. Eroski baut den derzeitigen Supermarkt Ali Gobeo so um, damit er sich fast selbstständig mit der benötigten Elektrizität, Kühlung und Heizwärme versorgen kann. Mit der Ausarbeitung des Projekts wurde schon 2013 begonnen. Neben dem innovativen System zur Energieerzeugung wird zudem auf Einsparung gesetzt. "Es wird eine Stromeinsparung von mehr als 25% mit Maßnahmen zur Energieeffizienz angestrebt", erklärte der Technikdirektor von Cener, Sergio Diaz de Garayo. Der Eroski-Generalsekretär Mikel Larrea sagte bei der Vorstellung, dass die Nachhaltigkeit "eines der zentralen Ziele" des Strategieplans der Supermarktkette sei.
Das Herzstück der Anlage ist ein System zur Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, macht Diaz de Garayo deutlich. Dabei würden drei sehr verschiedene Technologien kombiniert: Biomasse, Absorption und Kraft-Wärme-Kopplung. Damit sei es möglich, die benötigte Kühlung für die Lager-Kühlhäuser, die Frostbereiche und die Kühltheken im Verkaufsbereich zu liefern. Vorgerechnet wurde, dass damit schon der größte Teil des Energiebedarfs gedeckt werden könne. Denn in einem normalen Supermarkt würden etwa 55% der Energie für die Kühlung über elektrische Kompressoren verbraucht.
In der Anlage wird über den Rankine-Kreislauf (Organic Rankine Cycle/ORC) die elektrische Energie über die Hitze im integrierten Biomasse-Heizkessel erzeugt und die Restwärme wird zudem für die Heizung benutzt. Das organische Material soll aus dem Umfeld kommen, um die Energiebilanz nicht durch Transporte zu verschlechtern. In der ländlich geprägten Provinz Alava dürfte das kein Problem sein.
Soziale Verantwortung
Ziel der Kooperativen sind qualitative hochwertige Beschäftigung und soziale Verantwortung. Geplant ist, das Modell auf andere Geschäfte auszuweiten. Denn Eroski ist inzwischen der drittgrößte Lebensmittel-Einzelhändler in Spanien. Die größte Einzel-Kooperative weltweit gehört zum baskischen Genossenschaftsverband Mondragón Corporación Cooperativa (MCC) (4) und betreibt fast 2000 Verkaufsstätten. Die Mehrzahl befindet sich in Spanien, aber die Kette hat sich auch schon über das französische Baskenland nach Frankreich ausgebreitet.
Das Einsparpotenzial sei enorm. "Dieses Projekt bedeutet eine direkte Strom-Einsparung von 494 MWh jährlich, was zu einer Verringerung der CO2-Emissionen um 178 Tonnen im Jahr führt", erklärte Diaz de Garayo. Würde das System, das nun in Gasteiz eingesetzt wird, im gesamten europäischen Handel und in Supermärkten zur Anwendung kommen, könnte der gesamte Stromverbrauch in Europa um 2,4% gesenkt werden.
Eroski beginnt deshalb nicht mit einem Neubau, sondern will eine ökologisch-energetische Reform für die bestehenden Märkte vorantreiben. Der energienachhaltige Supermarkt soll auch als eine Art Labor dienen. Hier sollen weitere ökologische Innovationen und Maßnahmen zur Energieersparnis getestet werden, die dann in das Geschäftsnetz integriert werden sollen. Der Markt solle auch zur Sensibilisierung der Verbraucher dienen. In Echtzeit werden Energiewerte angezeigt und mit einem vergleichbaren traditionellen Supermarkt verglichen. So würden die Kunden über reale Daten der Energieersparnis in Kenntnis gesetzt.
Sowohl Eroski als auch dem Genossenschaftsverband MCC ist es wichtig, über solche Projekte zu zeigen, was Innovation für Europa bedeutet. Die "bescheidenen Ackermänner" aus Arrasate (spanisch Mondragón) (5) bilden das zehntgrößte spanische Konsortium und beschäftigen fast 80.000 Personen. 40% davon sind derzeit Teilhaber an den Unternehmen. Derzeit findet der Prozess zur Integration von Caprabo statt, eine spanische Supermarktkette, die von Eroski in der Krise übernommen wurde. Wenn die Integration abgeschlossen ist, sollen 75% der Beschäftigten Teilhaber sein.
Es ist Ziel der Kooperativen, für qualitative hochwertige Beschäftigung zu sorgen und soziale Verantwortung zu tragen. Deshalb wird Aus- und Fortbildung betrieben und mit diversen Forschungszentren und einer eigenen Universität an Forschung und Innovation gearbeitet. Im Vordergrund sollen Menschen und nicht das Kapital stehen. In der schweren Krise unterstützten sich die Kooperativen untereinander, weshalb sie gut, aber nicht ganz unbeschadet hindurchkamen, wie der Absturz von Fagor gezeigt hat.
Dass das Baskenland in der Krise stets die niedrigste Arbeitslosigkeit auswies, ist auch auf MCC zurückzuführen. Besonders sticht deshalb die Provinz Gipuzkoa hervor, wo sich die Mehrzahl der Kooperativen findet. Sie weist weiter die niedrigste Arbeitslosenquote in ganz Spanien aus, die mit 12% nur gut halb so hoch wie im spanischen Durchschnitt ist. Die Frage des Umweltschutzes, der Umgang mit Ressourcen und Nachhaltigkeit haben in den vergangenen Jahren eine besondere Bedeutung gewonnen, was in dem Eroski-Projekt und Strategieplanungen seinen Ausdruck findet. Dies sollen auch zukünftig verstärkt Geschäftsfelder der Genossenschaften sein.
ANMERKUNGEN:
(1) Information von der Webseite der Konsum-Genossenschaft Eroski
(2) Quelle: ein Artikel von Ralf Streck auf Heise.de
(3) CENER, National Renewable Energy Center. Das Energie-Forschungs-Zentrum ist spezialisiert auf angewandte Forschung und die Nutzung neuer Energieformen. Dafür stehen mehr als 200 Wissenschaftlerinnen bereit, die Aktivitäten des Zentrum finden in allen 5 Kontinenten statt. IM Vorstand von Cener vertreten sind das spanische Wirtschaft-Ministerium und die Regierung der autonomen Region Navarra. Cener Webseite (englisch)
(4) Wikipedia Mondragón Corporación Cooperativa (MCC)
(5) Arrasate (span: Mondragón) Wikipedia
FOTOS:
(1) Baskische Landschaft (Foto Archiv Txeng)
(2) Ladenszene (Foto Archiv Txeng)
(3) Vertragsunterzeichnung Gasteiz (Webseite Eroski)
(4) Mondragón – Arrasate (Foto Archiv Txeng)