Bisons, Pferde, Ziegen in Fels graviert
Im Höhlensystem von Landarbaso (Gipuzkoa) wurden 25.000 Jahre alte Gravuren entdeckt. Ein Forschungs-Team hat dabei Figuren von Bisons, Pferden und Ziegen entdeckt, in den Höhlen von Aitzbitarte III, V und IX. Der Zugang zu den Höhlen ist relativ schwierig, deshalb wurden die Gravuren erst so spät entdeckt, sie stellen ein neues Kapitel in der Geschichte des Kantabrikums dar. Mit den Funden sind es jetzt neun Orte in der baskischen Provinz, in denen urzeitliche Relikte ausfindig gemacht wurden.
(2015-12-15) „Wir waren in einem engen Gang mit einem schwierigen Zugang. Als ich einmal den Kopf hob, stieß mich einer der Bisons“. Humorvoll erzählt der Archäologe Diego Garate den bedeutenden Fund vom vergangenen September 2015 in den Höhlen von Aitzbitarte, im Landarbaso-Gebiet. In diesem System von Höhlen, Grotten und Gruben von Landarbaso-Aitzbitarte bei Errenteria (span: Renteria, Gipuzkoa) hat ein Team von Archäologinnen neue urzeitliche Gravuren entdeckt aus zwei verschiedenen prähistorischen Epochen: zum einen aus der Epoche des Gravettien in der Altsteinzeit (1) in der Zeit vor 28.000 bis 20.000 Jahren, zum anderen in der Magdalenien-Zeit zwischen 14.500 und 12.500 Jahren (2).
„Es handelt sich um einen äußerst wichtigen Fund. Denn nach den Urzeit-Figuren von Altxerri in Aia, die mit ungefähr 30.000 Jahren die ältesten in Gipuzkoa sind, kommen gleich die Entdeckungen von Aitzbitarte III und IX“, stellten die zwei Archäologen bei ihrer Pressekonferenz am 20.11.2015 in Donostia (Span: San Sebastián) heraus. Anwesend waren der Kulturreferent der Provinzregierung, Denis Itxaso, der Bürgermeister von Renteria, Julen Mendoza, sowie die Archäologen Diego Garate und Joseba Ríos, daneben Javier Busselo für die Vereinigung Félix Ugarte aus Irún, die in ehrenamtlicher Form Höhlenforschung betreibt. (3)
Die Experten erinnerten daran, dass in der Gegend um Landarbaso bereits seit dem 19. Jahrhundert mehr oder weniger kontinuierlich gegraben wird. Der schwierige Zugang zu einigen Höhlengalerien habe jedoch dazu geführt, dass die nun entdeckten Gravierungen erst so spät bemerkt werden konnten. Diese Höhlen-Gravierungen in den Galerien Aitzbitarte III, IV und V, erst bei den letzten Untersuchungen entdeckt, wurden mit Feuerstein auf die Höhlenwände geritzt, vielleicht auch mit bloßen Fingern auf die lehmhaltigen Stellen. Dargestellt werden verschiedene Tiere jener Zeit.
Der erste der Funde stammt aus der Höhlen-Galerie Aitzbitarte V, entdeckt wurde er am 17.September. „Die bearbeitete Stelle befindet sich am unteren Ende der Höhle. Bis zum Sommer lief unser Zugang über die Galerie Aitzbitarte IV, denn der Zugang zur Galerie V war mit Lehm verstopft. Als wir das Hindernis weggeräumt hatten, fanden wir die Gravierungen“, erzählte Garate. Bei jenem ersten Besuch wurden vier Bisons gefunden aus der Altsteinzeit vor ca. 14.000 Jahren (2). „Die Gravuren waren einander gegenüber gestellt, detailliert gearbeitet und mit guter Perspektive. Sie waren jeweils ungefähr einen Meter groß“, so der Archäologe, der bedauerte, dass die Funde nicht gerade in bestem Zustand seien.
Einzigartig im kantabrischen Raum
Trotz ihres bedauernswerten Zustands sind die Funde überaus relevant, weil sie einen Stil von Höhlenkunst darstellen, der bisher im kantabrischen Raum (Baskenland, Kantabrien, Asturien) noch unbekannt war, und der Ähnlichkeiten mit Funden aus dem Pyrenäen-Raum aufweist. Außerdem haben die Spezialisten an der selben Stelle zahlreiche Linien gefunden, die bisher noch nicht dechiffriert werden konnten. Doch waren die Entdeckungen in Galerie V nur der Beginn einer größeren Entdeckung. Denn 10 Tage später fand eine zweite Gruppe von Archäologen weitere Exemplare von Höhlenkunst, dieses Mal in den Galerien Aitzbitarte III und IX. In der ersten befanden sich sechs bearbeitete Flächen, die laut Archäologen schwer zu entziffern waren, denn die Gravuren überlagerten sich. Dennoch konnten Bisons, Ziegen und Pferde eindeutig identifiziert werden.
In der Galerie Aitzbitarte IX wurde dazu eine Serie von vertikalen Linien ausgemacht, unter denen die Wissenschaftlerinnen einen Bison herausgearbeitet haben. „Dieser Bison hat nichts gemein mit dem, den wir vorher in der anderen Galerie entdeckt haben, seine Bedeutung liegt darin, dass die Art seiner Darstellung einzigartig ist im kantabrischen Raum. Das ist wichtig für uns, denn diese Verschiedenheit erlaubt uns zu verstehen, welche Territorien es vor 25.000 Jahren gab und wie seinerzeit die Beziehungen unter den Bewohnerinnen waren“. Mit der Entdeckung in Landarbaso sind es nun elf verschiedene Orte in Gipuzkoa, an denen urzeitliche Reste, Malereien oder Gravuren gefunden wurden. Dabei gehen die Archäologinnen davon aus, „dass dies nur der Anfang war. Wir stehen am Beginn, bisher wir haben nichts anderes erreicht als ein einziges Fenster zu öffnen und hinein zu schauen. Von nun an müssen wir die Forschungen besser koordinieren“.
Geschichte des Höhlensystems Aitzbitarte
Aitzbitarte ist ein kleiner Karstberg mit Steilhang außerhalb der Stadt Errenteria, in einer Landarbaso genannten Gegend. In diesem Berg gibt es fünf Höhlen: Aitzbitarte I, II, III, IV und V, durch die ein Sturzbach fließt. Dieser Bach hat sich zwischen die Berge Aitzbitarte und Igoin eingegraben. Die größten Höhlen sind die Galerien III und IV. Die Galerie III wurde in alten Schriften „große untere Höhle” genannt, die Galerie IV „große obere Höhle“. Die seit Jahrtausenden bekannten und zeitweise bewohnten Höhlen sollen laut Legenden von den „Jentilak“ bewohnt gewesen sein, baskischen Naturwesen, die bei Nacht jagten und sich bei Tag in den Höhlen verbargen. Deshalb wurden sie nie gesehen. Eine andere Geschichte lautet, dass ein Hirsch, der sich in den Höhlen verlief, in der Küche eines Bauernhauses in der Umgebung wieder auftauchte. Vom Jahr 1785 sind die ersten neuzeitlichen Nachrichten über das Höhlensystem. Die ersten Ausgrabungen fanden 1892 statt und brachten in der Galerie IV Funde aus der Altsteinzeit zu Tage. Aitzbitarte war somit der erste und älteste Fund steinzeitlicher Reste auf baskischem Boden (4).
Um die Jahrhundertwende 19. und 20. Jh. wurde unter anderem das Geweih eines Rentiers gefunden (1902), eine für den damaligen Stand der Archäologie wichtige Erkenntnis. Denn bis dahin war nicht bekannt, dass diese Gattung während der letzten Eiszeit den Weg bis ins Kantabrikum gefunden hatte. Entdeckt wurden auch Reste von Harpunen aus der Steinzeit. Die Anthropologen und Archäologen H. Breuil und Joxemiel Barandiaran (5) waren in Aitzbitarte zu Gange, wichtige Ausgrabungen kamen aber erst in den 50 Jahren wieder zustande. Der aus dem Exil zurückgekehrte Barandiaran begann 1960 mit einer Reihe von sechs Ausgrabungen in der Höhle Aitzbitarte IV. Dabei wurden bearbeitete Knochen und Feuersteine gefunden. Danach lenkten die Höhlen und Malereien in Ekain, Erralla und Amalda mehr Aufmerksamkeit der Forscher auf sich. Erst als Kinder und Lehrer bei Streifzügen durch die Aitzbitarte II Höhle immer wieder Knochenreste und einen Kegel anschleppten, wurden die Arbeiten wieder aufgenommen (4).
Vor neuen Entdeckungen
In der Zuversicht, bald weitere Funde zu machen, erinnerte Garate daran, dass die Entdeckung von Höhlenkunst ein relativ neues Phänomen ist. „Es gab ein Vakuum, wir Archäologen mussten uns eingestehen, dass es bei den Untersuchungen Defizite gab“. Garate erklärte, dass es unter den Forscherinnen erst seit 10 Jahren eine Spezialisierung gäbe, die bei den Forschungen zur Anwendung kommt. Deshalb versichern die Spezialistinnen, „dass es sehr wahrscheinlich ist, dass in Zukunft weitere Figuren in Gipuzkoa entdeckt werden“.
Die beiden Politiker lobten die in Landarbaso geleistete Arbeit. „Es war eine nette Überraschung, dass die Entdeckungen ausgerechnet in Höhlen gemacht wurden, die schon so lange bekannt sind“, sagte Itxaso, der die Arbeit der Höhlen-Forschungs-Gruppen Félix Ugarte Elkartea aus Irún, Antxieta Taldea aus Azpeitia sowie Munibe aus Azkoitia hervorhob. “All diese Routine-Arbeiten, die Wochenende für Wochenende ausgeführt werden, führen schließlich zu Entdeckungen, die uns erlauben, die Gedankenwelt der Bewohnerinnen dieser Höhlen zu studieren. Vor 25.000 bzw. vor 13.000 Jahren haben sie an diesen Orten mit so schwierigem Zugang Pferde, Ziegen und Bisons verewigt. Tiere, die sie sehr wahrscheinlich vor den Höhlen vorbeigehen sahen“. Der Bürgermeister legte Wert auf die Feststellung, dass Renteria trotz seiner groß angelegten Industrialisierung nach wie vor Naturgebiete konserviert habe, in denen solcherart Funde gemacht werden können. „2012 wurde in Aitzbitarte IV eine Art von roten Flecken gefunden, die nach wie vor untersucht werden, auch sie könnten ein Relikt aus der Gravettien-Zeit sein (1), das wäre ein einzigartiger Fund im Kantabrikum. Seit 2011 wurden in Renteria außerdem zwei Cromlech gefunden, mit Txoritokieta gibt es einen urzeitlichen Steinblock – wir arbeiten daran, dass all dies erforscht und bekannt wird“. Seit im September die neuen Gravierungen gefunden wurden, sind die Höhlen für die Öffentlichkeit geschlossen, damit die Untersuchungen weiter gehen können. Generell ist ein Teil der Höhlen zu besichtigen.
ANMERKUNGEN:
(1) Das Gravettien ist die wichtigste archäologische Kultur des mittleren Jungpaläolithikums in Europa (mittlere Altsteinzeit). Jäger und Sammler des Gravettiens haben ihre Spuren in weiten Teilen Europas (auf den Gebieten des heutigen Belgiens, der Niederlande, Englands, Wales, Frankreichs, Süddeutschlands, Österreichs, Tschechiens, Polens, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens, Moldawiens und der Ukraine) sowie bis nach Sibirien hinterlassen. (Wikipedia)
(2) Das Magdalenien ist eine archäologische Kulturstufe im jüngeren Abschnitt des Jungpaläolithikums (Altsteinzeit) in Mittel- und Westeuropa am Ende der letzten Eiszeit. Benannt wurde das Magdalenien im Jahre 1869 von Gabriel de Mortillet nach der Halbhöhle La Madeleine im Département Dordogne. Die älteren Stufen des Magdaleniens waren auf den südwest-französischen Raum beschränkt. Flächenhaft breitete sich das Magdalenien in Mitteleuropa erst ab etwa 13.300 aus. Der älteste Magdalenien-Fundplatz in Süddeutschland liegt bei Munzingen. (Wikipedia)
(3) Information aus dem Artikel „Hallan grabados rupestres de hace 25.000 años en las cuevas de Landarbaso”, publiziert am 21.11.2015 in der baskischen Tageszeitung Deia. (Link)
(4) Errenteria.net - PDF-Text: “Las cuevas de Aitzbitarte, Landarbaso, Renteria. Situación e historia de las investigaciones. Jesus Altuna
(5) José Miguel de Barandiaran, einer der bedeutendsten baskischen Anthropologen und Archäologen (1889 bis 1991), Artikel bei Baskultur.info (Link)
FOTOS:
(1) Szenen um die Aitzbitarte-Höhlen. Webseite Diario Vasco (Link)
(2) Szenen um die Aitzbitarte-Höhlen. Webseite Diario Vasco (Link)
(3) Foto von der Webseite Felix Ugarte Elkartea (Link)
(4) Szenen um die Aitzbitarte-Höhlen. Webseite Diario Vasco (Link)