Hier werden Kriege vorbereitet
Keine große Überraschung, die sich auskennen, beklagen es schon lange: Das Baskenland erwirtschaftet mit der Rüstungs-Industrie einen Jahresumsatz von 750 Millionen Euro. Der Fahrrad-Marsch durch den Großraum Bilbao am 23. April 2022 dient dazu, auf diesen Schandfleck hinzuweisen und die Umwandlung der Rüstungs-Industrie in eine zivile Industrie zu fordern, sowie die Ablehnung von Militärausgaben insgesamt. Und auf den widersprüchlich-heuchlerischen Diskurs der baskischen Regierung hinzuweisen.
Die baskische Rüstungs-Industrie ist eine der “schlagkräftigsten“ im Staat und kann sich mit deutlich größeren Regionen messen. Der friedenspolitische Diskurs der baskischen Regierung steht in hartem Kontrast zur Förder- und Subventionspolitik gegenüber den Kriegsprofiteuren.
Mehrere antimilitaristische, umweltpolitische und internationalistische Gruppen stellten am 20. April 2022 vor dem Sitz der Provinzregierung von Bizkaia den "Vierzehnten Fahrrad-Marsch gegen Krieg, Militär-Ausgaben und die Rüstungsindustrie" vor. Von diesem Ort aus startet am kommenden Samstag, 23. April um 11 Uhr eine Fahrrad-Demonstration, das sich vor den Niederlassungen der wichtigsten Unternehmen versammelt, die mit den Rüstungsfabriken im Großraum Bilbao zusammenarbeiten: ITP Aero in Barakaldo (ehemals Precicast PCB) und SENER in Getxo, wo der Zweirad-Marsch zu Ende gehen wird. (1)
Hauptziele der Tour über ca. 14 Kilometer sind die Anprangerung des zunehmenden institutionellen Engagements baskischer Unternehmen in diesem Sektor angesichts der Kürzungen im Gesundheitswesen, bei den Renten, der Gleichstellungspolitik, den Sozialleistungen und den Möglichkeiten des Zugangs zu angemessenem Wohnraum. Diese sozialen Probleme wurden während der Coronavirus-Pandemie so deutlich wie nie zuvor, der derzeitige Anstieg der Lebenshaltungskosten auf allen Ebenen verschärft die Situation ins Unerträgliche.
An der Präsentation der Kampagne nahmen Menschen in der üblichen Fahrradkleidung (Fahrräder, Trikots, Helme, Radlerhosen) teil, um die Umstellung der Waffenproduktion auf zivile Zwecke und ein Ende der Militär-Haushalte zu fordern.
Die Organisationen beklagen, dass "die Regierung von Pedro Sánchez beschlossen hat, die ohnehin schon exorbitanten Militärausgaben, die in diesem Jahr bereits den Rekordwert 22 Milliarden Euro erreicht haben, um weitere 6,5 Milliarden zu erhöhen". Darüber hinaus hat die spanische Sozialdemokratie (ohne die Stimmen des Koalitionspartners Unidas Podemos) beschlossen, 10 Milliarden Euro für Kampfflugzeuge, Raketen, U-Boote und Kriegsschiffe zu investieren: Leopard- und Pizarro-Panzer, Eurofighter- und F35-Kampfflugzeuge, und F2000-Kampfflugzeuge, U-Boote der S-80-Klasse, Angriffs-Hubschrauber der Klassen Tiger, NH-90 und Chinook CH47, militärische Transport-Flugzeuge A400, Fregatten vom Typ F-100 und F-110, sowie Raketen vom Typ Meteor, Harpon und Taurus. Die Liste ist länger.
Es muss daran erinnert werden, dass Sanchez einer Minderheits-Regierung vorsteht, die auf die Zustimmung von kleinen regionalen Parteien angewiesen ist, um Haushalte zu verabschieden und politische Entscheidungen zu treffen. In dieser Hinsicht bleibt unvergessen, dass die linksliberale baskische Wahlkoalition EH Bildu den beiden letzten Haushalten zugestimmt hat, mit der Begründung, man wolle die “fortschrittlichste spanische Regierung“ des Postfranquismus angesichts der Vox-Bedrohung nicht im Regen stehen lassen.
Das gleiche Votum kam von der sozialdemokratisch-republikanischen ERC aus Katalonien, auch die baskische PNV und die katalanische Unabhängigkeits-Rechte votierten im selben Sinn. Genau jene Kräfte, von denen erst vor wenigen tagen bekannt wurde, dass sie vom spanischen Geheimdienst mit dem in Israel entwickelten Pegasus-Abhör-Programm jahrelang ausspioniert worden waren. Angesichts dieser Zustimmungen – auch zum Militär-Haushalt – ist es für die baskische und katalanische Linke nicht einfach, die aktuelle Militarisierung und Kriegspolitik zu kritisieren.
Der baskische Anteil
Nach Angaben des Verteidigungs-Ministeriums gibt es rund hundert baskische Unternehmen, die im Bereich Rüstungs-Industrie tätig sind. Das Baskenland erzielt mit dieser Industrie einen Jahresumsatz von 750 Millionen Euro. Damit ist die baskische Region Euskadi nach den Regionen Madrid und Andalusien die dritt-stärkste autonome Gemeinschaft Spaniens was Rüstungs-Produktion betrifft.
"80% der baskischen Rüstungs-Produktion sind für Länder wie Saudi-Arabien bestimmt, dem Hauptkunden des spanischen Staates in diesem Sektor. Dort werden diese Waffen im seit sieben Jahren andauernden Krieg gegen das jemenitische Volk einsetzt. Oder sie werden an Verteidigungs-Ministerien und Streitkräfte in Spanien, den Vereinigten Staaten, Mexiko, Brasilien, Saudi-Arabien, Marokko und Israel verkauft, wobei ein Gewinn von rund 150 Millionen Euro erzielt wird", so die antimilitaristische Klage.
Subventionierte Rüstungs-Produktion
Ein Beweis für die zunehmende institutionelle Verflechtung mit der Rüstungs-Industrie ist, dass die baskische Regierung die baskische Kriegs-Industrie mit 100 Millionen Euro aus ihrem Haushalt subventioniert. Unter anderem Rüstungsbetriebe, die vor allem mit dem Luftfahrt-Sektor verbunden sind, wie ITP Aero, dessen Tochtergesellschaft in Barakaldo Komponenten für das militärische Transportflugzeug Airbus A400M und für das europäische Kampfflugzeug herstellt. "ITP Aero räumt ein, dass der militärische Bereich heute 29% seines Gesamtgeschäfts ausmacht, was auf die Beteiligung am europäischen Kampfflugzeug Eurofighter und die Wartung von Flugzeugen der Luftwaffe zurückgeht, deren Auftragswert sich auf 111,5 Millionen Euro beläuft", so die zur Protestfahrt aufrufenden Gruppen.
Der Krieg geht von hier aus
SENER wiederum ist ein führendes europäisches Unternehmen im Bereich "Handlungs- und Kontroll-Systeme, SAC" und in den Bereichen "Geheimdienst, Überwachung, Feinderkennung and Integrierte Systeme" für die Raketen-Flugkörper Taurus KEPD 350, IRIS-T, RBS 70 NG, Meteor und NSM. Außerdem arbeitet sie im Rahmen des Programms "VULCAN" mit dem israelischen Rüstungs-Unternehmen "Israel Aircraft Industries Ltd" bei der "Entwicklung neuer Materialien für die Luftfahrt" zusammen.
Zusammengefasst: dieser "Bizi Martxa" (baskisch, Fahrrad-Marsch) fordert ein Ende der Verschwendung von Ressourcen im Zusammenhang mit Militärausgaben und die Umwandlung der Militärindustrie in eine zivile Industrie. Der Fahrrad-Hersteller Orbea hat dies in der nahen Vergangenheit bereits praktiziert, dieses Unternehmen, das einst Pistolen, Revolver und alle Arten von Handfeuerwaffen herstellte, die Menschenleben forderten, stellt heute Fahrräder her und fördert damit einen gesunden und umweltfreundlichen Lebensstil.
Organisiert wird der Fahrrad-Marsch von: Askapena und Komite Internazionalistak (Internationalismus), Eguzki und Ekologistak Martxan (Ökologie), Kakitzat und KEM-MOC (Antimilitarismus), von der Gruppe “La Guerra Empieza Aquí“ (Der Krieg beginnt hier) und von der Flüchtlings-Initiative “Ongi Etorri Errefuxiatuak“ (Herzlich willkommen Flüchtlinge). (1)
Bereits 2017 hatte Baskultur.Info über die baskisch-spanische Rüstungs-Produktion berichtet: Ein Blick auf den spanischen Staat macht deutlich, welch immense Ausgaben für Militärzwecke getätigt werden. Der Haushalt des Verteidigungs-Ministeriums im Jahr 2017 wurde im Vergleich zu 2016 um 30% erhöht, von 5,7 Milliarden auf 7,6 Milliarden Euro. Gleichzeitig werden weitere 5,3 Milliarden ausgegeben für Schulung und militärische Organismen. Für das Innen-Ministerium sind 2,8 Milliarden vorgesehen, für das Industrie-Ministerium 700 Millionen. Dem hinzuzufügen sind 1,8 Milliarden Euro zur Schuldentilgung für vergangene Rüstungsprogramme. Die Schulden für Waffeneinkäufe in der Vergangenheit belaufen sich trotz fortgesetzter Tilgung noch auf 21 Milliarden Euro.
Interessant ist ein Blick auf die Liste der weltweit operierenden Waffenexporteure. Auf der spanisch-sprachigen Seite von Wikipedia steht der spanische Staat in den Jahren 2003, 2005, 2006, 2007, 2009, 2010 und 2011 an der Spitze der exportierenden Länder, vor großen Produktions-Konkurrenten wie USA, Russland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und China. Die Zahlen stammen vom “Stockholm International Peace Research Institute“, die Zahlen beruhen somit auf gründlicher Recherche. (2)
Baskische Rüstungs-Studie
Im Jahr 2016 publizierte ein Untersuchungs-Kollektiv aus Vitoria-Gasteiz (Colectivo Gasteizkoak) eine Studie zu den in Rüstung und Waffen-Produktion involvierten Unternehmen. Titel: “Estas guerras son muy nuestras – Industria militar vasca” (Diese Kriege haben viel mit uns zu tun – Baskische Rüstungsindustrie). Seit der Erstellung dieser Studie sind sechs Jahre vergangenen, doch die mit Namen genannten Kriegs-Profiteure sind dieselben geblieben. Das Buch ist in spanischer Sprache erschienen und im Internet kostenlos als PDF zu finden. (3)
ANMERKUNGEN:
(1) “Euskadi factura anualmente 750 millones de euros de la industria militar” (Die Militär-Industrie in Euskadi setzt jedes Jahr 750 Millionen Euro um), Ecuador Etxea, 2022-04-20 (LINK)
(2) “Baskischer Waffenhandel – Produktion im Wert von 800 Millionen Euro“, Baskultur.Info, 2017-06-17 (LINK)
(3) “Estas guerras son muy nuestras – Industria militar vasca” (Diese Kriege haben viel mit uns zu tun – Baskische Rüstungsindustrie) Verlag Txalaparta, Autorinnen: Colectivo Gasteizkoak, Mai 2016 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Gegen Waffenhandel (ecuador etxea)
(2) Gegen Waffenhandel (txalaparta)
(3) Gegen Waffenhandel (ecuador etxea)
(4) Gegen Waffenhandel (txalaparta)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-04-21)