Gegen Patriarchat und Homophobie
In der Altstadt Bilbaos hat eine Gruppe Feministinnen vor zwei Jahren mit einem Projekt Kommunikationszentrum begonnen, das nun seine Türen öffnet. “La Sinsorga“ ist der Name von Haus und Projekt, der Begriff bedeutet “Die Sorglose“. Das Warten hat sich nunmehr gelohnt. Nach 18 Monaten intensiver Arbeit an der Renovierung des Gebäudes öffnet am 23. Juni 2023 der feministische Raum “La Sinsorga“ seine Pforten mit dem Ziel, ein Zufluchtsort für alle Frauen zu sein, die "außerhalb der Norm" stehen.
In der Altstadt Bilbo eröffnen baskische Feministinnen das Zentrum “La Sinsorga“, ein Raum für allerlei kulturelle, gastronomische und politische Aktivitäten gegen Machisten, Transphobiker, Sexisten, Faschisten und Homophobe.
Nach dem 23. Juni 2023 haben "Lesben, Feministinnen und Menschen außerhalb der Norm" in Bilbo ein neues Zentrum, dank der Eröffnung von “La Sinsorga“. Dieses von den Journalistinnen Andrea Momoitio und Irantzu Varela initiierte Projekt soll ein "Zufluchtsort" sein angesichts einer Welt, die "immer problematischer" wird. Bei einer Vorstellung für lokale Medien zeigten Momoitio und Varela die endgültige Gestaltung von “La Sinsorga“, in der Askao-Straße 9, der einzig übrig gebliebenen Verkehrsstraße in der sonst verkehrsberuhigten Altstadt. Hinter ihnen liegt ein langer Weg, denn es hat 18 Monate gedauert, bis für die Eröffnung alles bereit war. (1)
La Sinsorga ist ein imposantes Gebäude mit vier Stockwerken, in dem bis vor wenigen Jahren ein Geschäft für Brautmoden beherbergt war. Dies war jedoch nicht der Anfang der Existenz des Gebäudes, zuvor wurde es als Handel für Gepäck genutzt und seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Hafenlager. Jahrhunderts als Hafenlager genutzt wurde. Ausgehend von der Nutzung in der jüngeren Vergangenheit (Brautkleider), die die Initiatorinnen als Ausdruck von "romantischer Liebe" verstehen, wollen sie den Raum nunmehr "umwidmen" und ihn zu einem Bezugspunkt für den Feminismus in der Bizkaia-Hauptstadt machen.
Gastronomie und feministische Kunst
Die erste Etage, das Garito (span: Gelenk, Verbindung, Fuge) ist als Bar konzipiert. Dank einer Vereinbarung mit der agro-ökologischen Frauen-Kooperative Sustraiak Catering (bask: Wurzeln-Catering) wird La Sinsorga eine große Auswahl an veganen und vegetarischen Gerichten anbieten. Neben der Möglichkeit, in aller Ruhe einen Kaffee oder ein Glas Wein zu genießen, werden im Garito auch Mittag- und Abendessen serviert.
Eine der Grundlagen des Projekts La Sinsorga besteht darin, die von und für Frauen geleistete Arbeit aufzuwerten und sichtbar zu machen. Aus diesem Grund wird es im ersten Stock einen Laden mit Produkten von Künstlerinnen und feministischen Kollektiven geben, die alle unter "nachhaltigen Bedingungen" hergestellt wurden, wie zum Beispiel T-Shirts, Bücher, eine Sonderedition von Weinen, die La Sinsorga gewidmet sind, dazu Keramikdildos oder Untersetzer, die von der Illustratorin Raisa Álava entworfen wurden. Daneben Texte der Schriftstellerin Katixa Agirre.
Auch die Kultur wird ihren Platz in La Sinsorga haben, und zwar im dritten Stock, der Planta de las Flores (Blumen-Stockwerk). "Wir werden Vorträge, Buch-Präsentationen, Monologe, Bertsolaritza anbieten ... ein bisschen von allem. Wir wollen ein starkes feministisches Kulturprogramm auf die Beine stellen, denn wir befinden uns in einer Zeit, in der es viele kulturschaffende Frauen mit einer feministischen Perspektive gibt. Aber auch Seminare mit Workshops zur Selbstverteidigung und zum Denken", erklärt Varela über "den Raum mit öffentlicher Präsenz".
Finanzierung und Konzept
Das oberste Stockwerk, Ganbara (span: Dachboden), ist den "Sinsorgas" vorbehalten, den Mitglieds-Frauen, die Aufbau und Einrichtung des feministischen Raums ermöglicht haben. Insgesamt waren es um die 300 Frauen, die Beiträge vorgestreckt haben, um einen "gigantische Investition" für die Renovierung des Gebäudes aufzubringen. "Es war nicht nur ein Zustrom von Geld, sondern auch ein wichtiges Zeichen der Unterstützung", kommentiert Andrea Momoitio.
"Wir wollten einen Ort schaffen, an den wir alle gerne gehen würden, und ich denke, das ist uns gelungen. Es wird ein Zufluchtsort für alle Lesben, Feministinnen und Frauen außerhalb der Norm sein. Wir wollen, dass sie sich hier zu Hause fühlen", betont Irantzu Varela angesichts einer "immer konfliktiver werdenden Außenwelt". "Das wird unser Zuhause, wir wollen keine Transphobiker, Sexisten, Faschisten oder Homophoben", stellt sie klar.
La Sinsorga wird täglich ab 8.00 Uhr früh geöffnet sein. Von Sonntag bis Mittwoch endet die Öffnungszeit um 23 Uhr. Donnerstags und freitags wird sie bis Mitternacht, an Samstagen bis 1 Uhr verlängert.
Dokumentarfilm von Al Borde Films
Ursprünglich wollten die Initiatorinnen von La Sinsorga das Sanierungs-Projekt ausschließlich mit Handwerkerinnen aus dem Bausektor durchführen. Diese Idee mussten sie leider aufgeben, weil sie Schwierigkeiten hatten, in einem so stark männlich geprägten Sektor ausreichend Fachkräfte zu finden. Obwohl sie für punktuelle Arbeiten auf externe Unternehmen zurückgreifen mussten, konnte der Großteil der Arbeiten von Handwerkerinnen ausgeführt werden.
Eine Klempnerin, eine Elektrikerin, eine Schreinerin und zwei "Allrounderinnen" waren mit der Fertigstellung von La Sinsorga betraut. "Wir sind dem Ziel, ein Projekt nur mit Frauen durchzuführen, viel näher gekommen, als wir uns das vorgestellt hatten", sagt Andrea Momoitio und kommt auf die unterschiedlichen Arbeitsweisen von Frauen und Männern zu sprechen. In diesem Zusammenhang erzählt Irantzu Varela, dass sie bei der Arbeit auf "viel Überheblichkeit gestoßen sind, Frauen mit vielen Fähigkeiten, die sich aber nicht trauten". Auf der anderen Seite "hatten wir es mit Männern zu tun, die unsere Architektin in Frage gestellt und uns wie kleine Mädchen behandelt haben, die Hausbauen spielen. Wir haben volles Verständnis für die Frauen, die den Bausektor wegen dieser Art von Machismo verlassen mussten", sagt sie.
Video-Dokumentation
Um diesen Aufbau-Prozess zu aufzuzeichnen, hat La Sinsorga mit der feministischen Produktionsfirma “Al Borde Films“ zusammengearbeitet, die einen Dokumentarfilm über die 18-monatige Arbeit an der Sanierung des Gebäudes gedreht hat. "Was als Geschichte einer Arbeit begann, die nur von Frauen ausgeführt wurde, endete als Dokumentarfilm über eine Arbeit, an der so wenig Männer wie möglich beteiligt waren", erklärt Paula Iglesias, die zusammen mit Marta Gómez Regie führt, über die audiovisuelle Produktion. Unter dieser Prämisse wird der Dokumentarfilm über La Sinsorga ausschließlich von Frauen produziert und gedreht.
Um mögliche Zweifel auszuräumen, haben Andrea Momoitio und Irantzu Varela klargestellt, dass La Sinsorga "ein Ort sein wird, der allen Frauen offensteht, die Freiheit und ein würdiges Leben für alle wollen", und zwar immer aus einer lila und feministischen Sichtweise heraus.
Die Protagonistinnen
Andrea Momoitio ist eine baskische Journalistin und eine der Koordinatorinnen der feministischen Digital-Zeitschrift Pikara Magazine. Sie hat eine 14-tägige Kolumne in der Zeitschrift Ctxt und schreibt für Medien wie El Salto, Periódico Diagonal, Público, Eldiario.es, La Madeja und Altaïr Magazine. Andrea Momoitio wurde 1989 in Ortuella (Bizkaia) geboren. Abschluss in Journalismus an der baskischen Universität UPV/EHU. Master-Abschluss in Feminismus und Gender Studies an der UPV/EHU. In ihrer Abschlussarbeit untersuchte sie, wie junge Lesben Elemente des Lesbischseins in Spielfilmserien erkennen, die in Spanien produziert wurden. Sie hat einen Master-Abschluss in Digitalem Journalismus. Andrea Momoitio definiert sich selbst wie folgt: "Süchtig nach Makkaroni und Tomaten. Überschwänglich, respektlos und Musikliebhaberin. Lesbisch und feministisch, in dieser Reihenfolge".
Nach der Gründung des Pikara-Magazins im November 2010 arbeitete sie an einer Reportage über junge Feministinnen. Derzeit ist sie eine der Koordinatorinnen und hat Berichte über Leihmutterschaft und die historische Erinnerung des Feminismus veröffentlicht. Seit 2013 hält sie in ganz Spanien Konferenzen, Workshops und Vorträge, hauptsächlich zu den Themen Gender, Feminismus, Kommunikation, feministischer Journalismus und soziale Netzwerke. Im Jahr 2013 berichtete sie für die Zeitschrift Pikara über die III. Internationale Konferenz zur Unterstützung der saharauischen Frauen: Der Widerstand der Frauen in den besetzten Gebieten der Westsahara. Im Jahr 2016 berichtete sie über die Karawane nach Griechenland: Öffnung der Grenzen, eine Mobilisierung zur Anprangerung der Migrationspolitik der Europäischen Union und der Situation der in Europa ankommenden Flüchtlinge. (2)
Irantzu Varela (Portugalete 1974) ist baskische Journalistin und feministische Aktivistin. Sie ist Gründerin und Koordinatorin von "Faktoria Lila" sowie Schöpferin und Moderatorin von "El tornillo", dem feministischen Bereich von "La tuerka" und später "En la frontera" auf Público TV. Sie arbeitet mit verschiedenen Medien zusammen, u.a. mit der digitalen Zeitung Pikara Magazine. Sie studierte zwischen 1993 und 1998 an der Universität des Baskenlandes, wo sie ihren Abschluss in Kommunikations-Wissenschaften machte. Sie absolvierte weitere Studien in den Bereichen Entwicklung und internationale Zusammenarbeit sowie Kommunikation und Gender. Sie interessierte sich für Feminismus und die Situation der Frauen und begann einen autodidaktischen Prozess, um eine anerkannte Feministin zu werden. Sie hat zahlreiche Workshops zu den Themen Gender, Gleichberechtigung, Feminismus, symbolische Gewalt, Führung und Kommunikation gegeben. (3)
Varela ist auf nationaler und internationaler Ebene für die Videos über Feminismus bekannt, die sie für "El Tornillo" produziert. Diese Videos werden auf der Website von "La Tuerka", auf PúblicoTV und auf YouTube veröffentlicht und sind von Ironie und Sarkasmus geprägt. In ihnen behandelt sie in etwa 5 Minuten und in einfacher, alltäglicher Sprache Themen, die mit der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen zu tun haben. Sie ist auch als Talkmasterin in baskischen Fernsehsendungen auf ETB 2 aufgetreten. Irantzu Varela schreibt in der Presse über den feministischen Kampf und die Kritik am Machismo.
Sie war die Regisseurin des Dokumentarfilms "Él nunca me pegó" (Er hat mich nie geschlagen), der sich mit psychologischer Gewalt in einer Paarbeziehung befasst. In einer halben Stunde erzählt sie die Geschichte von drei Frauen, die psychische Gewalt durch ihre heterosexuellen Partner erlitten haben. Dieser Dokumentarfilm wird häufig in feministischen Schulungs-Workshops verwendet, die die Regisseurin selbst gibt. Er soll zeigen, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur körperlich ist, sondern dass sie die extreme Form einer ganzen Reihe symbolischer und psychologischer Gewalt ist, die ein Schlüsselelement der männlich-weiblichen Herrschaftsstruktur darstellt.
ANMERKUNGEN:
(1) “La Sinsorga, el espacio feminista” (La Sindorga, ein feministisches Zentrum) Tageszeitung Gara, 2023-06-22 (LINK)
(2) Andrea Momoitia, Wikipedia (LINK)
(3) Irantzu Varela, Wikipedia (LINK)
ABBILDUNGEN:
(*) La Sinsorga (foku)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-06-22)