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Risiko eines ökologisch-energetischen Chaos

Reise durch den vom ökologisch-energetischen Kollaps bedrohten Großraum Bilbao: das “Verdauungs-System“ der Hauptstadt ist krank. Und nicht nur das. Auch das “Atmungs-System“ und die “Kreislauf-Funktionen“ zeigen besorgnis-erregende Symptome. Die “Gesundheit“ der Stadt verschlechtert sich im selben Rhythmus, wie sich auch das sozio-ökonomische Modell verschlechtert, das die Stadt am Leben hält. Der Blick auf die Wirklichkeit der baskischen Großstadt bringt verschiedene Notstände zum Vorschein. 

Viele Städte im Baskenland und im spanischen Staat bewegen sich mit hoher Geschwindigkeit in die gleiche Richtung: hin zu einer ökologischen Katastrophe ohne Umkehr. Zu den Elementen, die für diesen Kurs verantwortlich sind, gehören Probleme der Ernährung, die Energie-Frage, die Wasser-Versorgung, sowie verschiedene Probleme gesellschaftlicher Art.

Die in diesem Artikel beschriebene Reise durch den vom ökologisch-energetischen Zusammenbruch bedrohten Großraum Bilbao (1), oder besser Irrfahrt durch Bilbao und seine Umgebung, allgemein bekannt als Großraum Bilbao, wurde begleitet von der auf staatlicher Ebene arbeitenden Umweltschutz-Gruppe Ecologistas en Marcha (im Baskenland: Ekologistak Martxan) und der Euskal Gune Ekosozialista (2) (3). Eine Reise entlang der Grenzen des Zusammenbruchs, der sich nicht nur auf Bizkaia bezieht, sondern auf das gesamte aktuelle politisch-ökonomische System.

Erster Halt: Energie

Vom zentralen Moyua-Platz in Bilbao erreichen wir nach 22 Kilometern Landstraße den Hafen von Bilbao. Er beeindruckt bereits auf den ersten Blick. Seine Ausmaße brechen die zerklüftete baskische Küste und erinnern daran, welche Dimensionen von Waren in diesem Hafen bewegt werden. Jährlich sind es mehr als 35 Millionen Tonnen, die durch diese logistische Installation geschleust werden, ein Großteil davon steht in Verbindung mit fossilen Brennstoffen und umfasst ein Geschäftsvolumen von jährlich ca. 70 Millionen Euro.

kollaps2Der Parkplatz des Unternehmens CHL, ein Kohlenwasserstoff-Logistik-Unternehmen, ist der erste Halt auf unserer Route, die einer Irrfahrt gleicht. Iñaki Barcena, Professor für Politikwissenschaft an der baskischen Universität UPV / EHU und gleichzeitig Aktivist von Ekologistak Martxan spricht über die bio-physikalischen Grenzen des Planeten und über den Peak Oil: “In zwei Generationen haben wir mehr als 50% des auf der Erde verfügbaren Öls gefördert und verbrannt.“ Er setzt auf einen fairen und demokratischen Wachstumsrückgang (Degrowth).

Während des Gesprächs verlassen Tankwagen mit enormen Firmenlogos von Repsol und Campsa die Anlage. Die Enklave vor uns ist von großer Bedeutung: von hier aus kann man einen Teil des Hafens von Bilbao beobachten, der zwischen den Orten Zierbena und Santurzi liegt. Zum Meer gewandt liegt der Bereich, wo die Firma Haizea Wind Windgeneratoren aufgestellt hat, die sich ununterbrochen bewegen. Der Serantes-Berg im Hintergrund wirkt wie der aufmerksame Gastgeber des Gesprächs.

Petronor-Raffinerie

Auf der anderen Seite des Berges verfügt Petronor, eine Tochtergesellschaft von Repsol, über eine riesige Ölraffinerie, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht: aus einem hohen Schornstein kommt ein Feuerball und verschmilzt zu einem chromatischen Bild. Petronor ist ein “umweltschädliches und giftiges Unternehmen, das im Vergleich mit anderen Unternehmen am meisten CO2 ausstößt und das die meisten ökologischen Probleme verursacht”, sagt Barcena. Ein aktuelles Beispiel von geringerem Umfang ereignete sich am 12. Februar dieses Jahres (4).

kollaps9Was die Hafenaktivitäten betrifft, übertrifft Petronor alles andere. Die 2019 veröffentlichte Bilanz des Hafens von Bilbao zeigt, dass von den 35 Millionen Tonnen, die in jenem Jahr bewegt wurden, mehr als 14 Millionen Tonnen Erdölprodukte waren und mehr als 4 Millionen Tonnen Erdgas. Beim Erdgas bedeutet dies einen Anstieg von 95% im Vergleich zu 2018. Ein weiterer signifikanter Anstieg war der beim Diesel: 52%. “2019 war der Verbrauch von Diesel und Benzin im Baskenland so hoch wie nie zuvor”, sagt Barcena am Fuße der CLH Anlagen.

Die vom Hafen von Bilbao veröffentlichten Zahlen unterteilen sich in flüssige und feste Stoffe. Erdölprodukte gehören zur ersten Rubrik, während in der zweiten Rubrik 2019 die Sojabohne auffällt. Sie hatte in den Jahren davor weniger Gewicht ausgemacht, 2019 war es mehr als eine Million Tonnen. Welches Unternehmen steckt hinter diesem Geschäft? Der Hafen von Bilbao, ein öffentliches Unternehmen, beantwortet uns diese Frage nicht.

Paradigmenwechsel gefordert

Zusammen mit dem Rückgang der Mobilität von Personen, was Kreuzfahrten wie auch Fähren betrifft, zeigen diese Daten, dass der Hafen Bilbao eine Energieversorgungs-Enklave ist. “Energie ist nicht nur ein Konsumgut und kommerzielles Austauschprodukt, es ist ein Grundrecht”, unterstreicht Barcena, der auf Energie-Einsparung besteht und sich dafür engagiert. “Eine Transformation, die nicht nur technologisch, sondern auch sozial, gerecht, ökologisch und demokratisch sein sollte.”

Aber die offiziellen Pläne sprechen eine andere Sprache, die Energieprojekte hören nicht auf zu wachsen. Im September 2020 gab der Hafen Bilbao bekannt, dass Petronor die Ausschreibung eines Grundstücks gewann, um dort eine synthetische Brennstoff-Anlage zu bauen und eine weitere für die Erzeugung von Gas aus Siedlungsabfällen. “Petronor will eine führende Rolle bei der Entwicklung eines Wasserstoff-Ökosystems einnehmen, ein aktiver Teil bei der Problem-Lösung sein und zu einer möglichst schnellen wirtschaftlichen Erholung beitragen, das Ziel der Reduzierung der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Dekarbonisierung) erreichen und dabei vorhandene Infrastruktur nutzen”, so heißt es in einem Hinweis des Unternehmens.

Unterwegs: Mobilität

Unser nächstes Reiseziel ist das Unternehmen “Aguas de Bilbao“, die öffentliche Wasserversorgung mit Sitz in Arrigorriaga, etwas mehr als 26 Kilometer vom Hafen entfernt, wenn man die Route auf der Autobahn Supersur wählt. Diese mautpflichtige Autobahn, die Bilbao im Süden umfährt und deren erste Abschnitte 2011 freigegeben wurden, vermittelt auf unserer Irrfahrt eine Vorstellung, was der bevorstehende systemische Zusammenbruch bedeuten kann.

kollaps4“Transport spielt eine fundamentale Rolle, denn er ist nicht nachhaltig. Er macht 35% der Emissionen des Baskenlandes aus und ist der Sektor, der am wenigsten kontrolliert wird”, beginnt David Hoyos seine Ausführungen. Er ist Professor der Wirtschafts-Wissenschaften an der UPV/EHU und spezialisiert auf die wirtschaftliche Bewertung natürlicher Ressourcen. Wie er erklärt, bringt die vorherrschende Nutzung des Autos für die Mobilität der Bürger*innen, neben anderen Konsequenzen, mit sich, dass große Infrastrukturen bevorzugt werden. Während er spricht, sehen wir durch das Fenster des Busses die Gebäude verschiedener Zementfirmen und Verbrennungs-Anlagen, die sich hintereinander aufreihen.

“Wir leben mit einem Paradigma, das uns sagt, je mehr Mobilität, desto mehr Zugang haben wir zur Befriedigung unserer Bedürfnisse und desto höher entwickelt ist die Gesellschaft”, kommentiert der Professor. Gerade in dem Moment, in dem es dunkel wird, da der Bus durch einen der Tunnel der Supersur-Autobahn fährt. Die Bauarbeiten der zweiten Phase dieser Autobahn sind derzeit in vollem Gange. Obwohl der erste Teil mehr als das Doppelte der geplanten Kosten verschlang und die Zahlen des Verkehrsaufkommens geringer sind. Im Bus, mit dem Mikrofon in der Hand, setzt David Hoyos seine Erklärungen fort: “Es handelt sich um Bauarbeiten, die nutzlos, mangelhaft und teuer sind”. (Zudem wird bei dieser Erweiterung ein Naturschutzgebiet stark in Mitleidenschaft gezogen, wenn nicht zerstört) (5). Zum Ausgangspunkt seiner Ausführungen zurückkehrend, sagt er, dass Zugänge in Städte durch rationale Bebauungs-Pläne geschaffen werden, mit Nahverkehrszügen durch die kompakten Zentren, in denen die Benutzung von Autos kompliziert ist.

Produzieren – Konsumieren – Wegwerfen: die Müllverbrennung

Die Erklärung über Mobilität wird unterbrochen, die Irrfahrt-Mitfahrer*innen sollen aus dem Busfenster schauen und einen der vielen Berge betrachten, die Bilbao umgeben. Der Blick fällt nahe der Stadt Alonsotegi auf Zabalgarbi (bask: offen-sauber), die Müllverbrennungs-Anlage von Bizkaia. “Energie-Rückgewinnung” ist das meistbenutzte Wort, mit dem das Konzept Abfall-Entsorgung erklärt werden soll. Da die Anlage beim Verbrennen von Müll Energie erzeugt, wird sie als erneuerbare Energie eingestuft und erhält dafür Subventionen, obwohl an diesem Punkt die Meinungen weit auseinander gehen.

kollaps5Die Daten, die Gorka Bueno anführt, Ingenieur-Professor der UPV/EHU, zeigen, dass während des Coronavirus-Lockdowns (d.h. seit Ende März bis Ende Juli 2020) zwischen 60.000 und 80.000 Tonnen Müll “ohne Rückgewinnung” verbrannt wurden. Das bedeutet, dass während der Verbrennung keine Energie erzeugt wurde, obwohl genau dies das erklärte Ziel der Anlage ist. Der Professor ist der Ansicht, dass der Rückgang der Stromnachfrage und in der Folge des Strompreises diese “Rückgewinnung“ nicht kompensiert oder rentabel macht, da die Anlage Erdgas benötigt, um durch Verbrennung Energie zu erzeugen. Er nennt ein weiteres Beispiel. Im Jahr 2006 kam es zu einer Betriebsstörung, erneut konnte keine “Rückgewinnung“ erfolgen. Dennoch erhielt Zabalgarbi weiterhin die entsprechenden Prämien, um die neun Millionen Euro.

Gorka Bueno hebt hervor, “dass das Wirtschaftsmodell von Produzieren-Konsumieren-Wegwerfen nach wie vor Priorität hat, so als wäre es eine unveränderbare Größe (lineare Matrix), anstatt sich zu bemühen, den Materialkreislauf zu beenden. Von den 700.000 Tonnen Müll, die in der Provinz Bizkaia jährlich anfallen, werden 350.000 Tonnen “ohne jegliche Mülltrennung, auch nicht von gefährlichen Abfällen, direkt verbrannt.”

Nächster Stopp: Wasser

Im Gegensatz zum Materialverbrauch ist der natürliche Wasserkreislauf geschlossen. Die urbane Wasserversorgung in Bizkaia verläuft jedoch nur in eine Richtung. Gegenüber der Anlage des öffentlichen Unternehmens “Aguas de Bilbao“, erklärt Joserra Díez, Professor für Didaktik der Mathematik und der Experimentellen Wissenschaft der UPV/EHU, sowie Mitglied der Stiftung Nueva Cultura del Agua (Neue Wasserkultur) die Besonderheit in Bilbao. Der “Botxo“ (baskisch: Loch), wie die von Bergen umschlossene Stadt genannt wird, wird nur durch eine einzige Rohrleitung des Systems Zadorra-Flusses versorgt. Hierbei handelt es sich um ein Netzwerk von Wasserleitungen in der Provinz Araba, das die Stauseen Ulibarri-Ganboa, Urrunaga und Albina verbindet. Von dort und durch ein enormes Rohr mit “großer Störungs-Anfälligkeit” wird 50% des gesamten Baskenlandes versorgt. Diéz spricht lieber von “Umleitung” und erklärt diesen wider-natürlichen Effekt so: “Anstatt nach Tortosa im Ebro-Delta zu fließen, wird das Wasser ins Kantabrische Meer geleitet.”

Aus den Sachverständigen-Daten geht hervor, dass sich die Verwendungszwecke des Wassers im Baskenland stark von denen anderer Regionen Spaniens unterscheiden, wo Wasser vor allem in der Landwirtschaft verbraucht wird. In der Autonomen Gemeinschaft Baskenland (CAV) fällt ungefähr 50% des Wasserverbrauchs auf die städtische Versorgung und rund 36% wird in der Industrie verbraucht. „Niemand weiß, woher das Wasser kommt, wie es genutzt und verschmutzt wird. Wichtig ist Aufklärung und Teilnahme“, sagt Diéz. Gleichzeitig erinnert er daran, dass “Wasser kein Sektor ist, sondern ein Verbindungsmittel. Es ist ein wichtiges Element für die Nachhaltigkeit und für die Verwaltung eines Territoriums“.

Nächste Haltestelle: Zentralmarkt Bilbao (Mercabilbao)

Zadorra, Santurtzi, Basauri ... Bilbao ernährt sich von dem, was von außen kommt. In der Industriestadt Basauri (nur wenige Kilometer von der zentralen Wasser-Versorgung entfernt) wurde Mercabilbao gebaut, der zentrale Großmarkt Bilbaos. Es handelt sich um ein öffentliches Zentrum zur Verteilung von Lebensmitteln – ein Paradigma des vorherrschenden Lebensmittel-Systems. Der Eingang des Marktes ähnelt eher dem Eingang eines Gewerbegebietes und erinnert nicht an die bäuerliche Umgebung, in der Lebensmittel hergestellt werden. Amets Ladislao, ein Baserritarra (baskisch: Landwirt) kritisiert “das wüste, kapitalistische Nahrungsmittel-System, das von multinationalen Unternehmen kontrolliert wird, die den Profit zum Ziel haben und nicht die Ernährung der Bevölkerung“. Ein System, das seiner Ansicht nach Lebensmittel produziert als wären es Autos. Dabei erwähnt er die Hydrokultur, mit der Lebensmittel ohne Land hergestellt werden können.

kollaps6Nach den Jahresdaten von Mercabilbao wurden 2019 hier 253.736 Tonnen an Lebensmitteln bewegt, 90% davon waren Obst und Gemüse (mehr als 227.000Tonnen) und 24.000 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte. Orangen, Bananen und Äpfel waren die Früchte, die am meisten verkauft wurden, während bei den Gemüsesorten Kartoffeln, Tomaten und Zwiebeln zu den meistgehandelten gehören. Laut diesem Bericht sind die maßgeblichen Ursprungsorte dieser Früchte die spanischen Regionen Valencia, die Kanarischen Inseln und Katalonien. Während das Gemüse hauptsächlich aus Andalusien, La Rioja und Valencia kommt. Über eine Pressemitteilung erfahren wir, dass “der größte Teil der im letzten Jahr vermarkteten Obst- und Gemüsesorten aus dem Staat selbst kam, ungefähr 86%, der Rest wurde importiert.”

Ohne ins Detail der genannten Daten zu gehen, fallen dennoch einige Zahlen auf. Bezüglich des Gemüses sticht ins Auge, dass der Bereich des Marktes, der vor Jahren den Baserritarra-Landwirten für ihren Direktverkauf zur Verfügung stand, heute kaum noch genutzt wird. Obwohl Mercabilbao ein öffentliches Unternehmen ist, scheint man hier kein Interesse an dieser Art des direkten Verkaufs zu haben. Kaum fünf oder sechs Bauern sind es, die dort jeden Tag ihre Waren anbieten. Im vergangenen September, eigentlich ein guter Monat für die lokale Produktion, wurden in diesem für die Bauern vorgesehenen Bereich 17 Tonnen Tomaten, Bohnen, Lauch usw. verkauft, während die dort agierenden Großhändler 5.855 Tonnen an Gemüse-Importen bewegten. Dabei ragen die 484 Tonnen Gemüse-Importe aus Almeria heraus.

Alternativ-Modelle

Eine Aktivistin Mitglied der Gewerkschaft EHNE Bizkaia (6) und des Kollektivs Etxaldeko Emakumeak (7) warnt vor einer möglichen “Zukunft ohne Baserritarras, aber mit Menschen, die unter sklavenähnlichen Bedingungen für ein intensiviertes und industrialisiertes System arbeiten“. Sie kritisiert, dass “fast alles, was wir essen, von außerhalb kommt, von großen Monokulturen, angepflanzt im Süden der Weltkugel, was dort nicht nur die Territorien zerstört, sondern auch die Lebensweise der dort lebenden Menschen.” Die industrielle Landwirtschaft hängt ab vom Öl, von Düngemitteln und Pestiziden, und von der industriellen Maschinerie. Die Daten von Mercabilbao unterstreichen, dass das Baskenland seine Bevölkerung zwar mit etwas Fisch versorgt, der Rest der vom Zentralmarkt verkauften Lebensmittel aber von außerhalb kommt (die Herkunft von Fleisch und Fleisch-Produkten ist nicht angegeben).

EHNE (Euskal Herriko Nekazarien Elkartasuna) ist die Gewerkschaft der in der Land- und Viehwirtschaft Tätigen im Baskenland. 1976 und 1977 wurde EHNE mit dem Ziel gegründet, die Interessen der Baserritarras zu vertreten. Sie hat mehr als 3.000 Mitglieder. (6) Etxaldeko Emakumeak ist eine Gruppe von Frauen mit unterschiedlichen Profilen: Baserritarras, Landfrauen und Frauen, die sich mit Konzept der Ernährungs-Souveränität identifizieren. “Wir definieren uns als Agro-Öko-Feministinnen und wollen folgende Ziele erreichen: die Ernährungs-Souveränität dem Feminismus nahebringen und den Feminismus in die bäuerliche Bewegung tragen. Wir kämpfen seit ein paar Jahren, kommen langsam vorwärts, versuchen Allianzen zu bilden und kleine, aber feste Schritte zu machen.“ (7)

kollaps7Diejenigen, die das Vieh füttern müssen, wie die Bäuerin Amets Ladislao, dringen darauf, dass ein Umdenken auf der politischen Ebene stattfindet. Sie erinnert an die PAC (Politica Agraria Comun – Gemeinsame Agrarpolitik) und erklärt: “Anstatt Steuern zu zahlen, sollten wir für errungene historische Rechte bezahlen und entsprechend des Geschäfts-Volumens.” Sie nennt ein Beispiel: “In Hegoalde (CAV-Euskadi und Navarra) gibt es immer weniger Viehbetriebe, aber immer mehr Vieh; Priorität hat die Produktivität.”

Landwirtschaft ohne Bäuer*innen?

Ihre Befürchtung ist, dass die Zukunft eine Landwirtschaft ohne Landwirte sein könnte, weil das Durchschnittsalter der Bauern bereits heute bei 60 Jahren liegt (in diesem Zusammenhang nur von Bauern (männlich) zu sprechen und nicht Bäuerinnen macht insofern Sinn, weil die Mehrheit wirklich männlich ist). Sie warnt: “Wenn sich dieser Prozess fortsetzt, werden allein im Landkreis Durangaldea (Umgebung der Stadt Durango in Bizkaia) in den nächsten 5 Jahren 65% der heute noch existierenden Bauernhöfe verschwunden sein: Soll das die Zukunft sein?“

Angesichts dieser Situation skizziert die Bäuerin Amets Ladislao als Alternative eine zukünftige Agrar-Ökologie, die mit dem gegenwärtigen intensiven Agrarsystem unvereinbar ist. “Es kann nicht zwei Systeme geben. Die industrielle Agrarproduktion frisst unsere bäuerliche Landwirtschaft auf. Mit unserem System könnten wir die gesamte Bevölkerung ernähren. Wir haben die Kapazität dafür, aber wir müssen die Verwaltung des Territoriums ändern”, fordert die Baserritarra, für die klar ist, dass “die Ernährung in der Gesellschaft viele Spuren hinterlässt, nicht nur bezüglich der Gesundheit, sondern auch bezüglich der Ökonomie und der Verwaltung des Bodens. Wir können entscheiden, welche Spuren wir hinterlassen wollen. Wir können sogar selbst Energie erzeugen und Dinge diversifizieren. Die Produktion von Lebensmitteln eröffnet viele Möglichkeiten.”

kollaps8Eine reale Alternative: ein ökologischer Supermarkt in Form einer Kooperative

Nach der Reise durch den Großraum Bilbao, fährt der Bus erneut in Richtung Hauptstadt, konkret in das Viertel Santutxu, wo seit drei Jahren das Projekt “Labore“ existiert: der erste kooperative Supermarkt in Bilbao. Hier werden Produkte verkauft, die entweder im Umkreis von Kilometer Null oder agrarökologisch oder unter sozialverträglichen Bedingungen produziert wurden. Plastik wird nur akzeptiert, wenn unumgänglich. Während Genossenschafts-Mitglied David Lopategi das Projekt erklärt, machen andere Teilhaber*innen ihre täglichen Einkäufe. Das Konzept “Kunde-Kundin“ passt hier insofern nicht, da in diesem Fall Kunden*innen und Teilhaber*innen eng zusammen gehören.

Brot, Gemüse, nicht abgepackte Seife, Nudeln, Wein, Nüsse, in Essig eingelegtes Gemüse – die Konsumgenossenschaft plus Landwirt*innen zählt ungefähr 600 Familien-Einheiten als Teilhaber*innen und bietet ca. 1.000 verschiedene Produkte an, von ungefähr 100 verschiedenen lokalen Produzent*innen, die Mehrheit aus Bizkaia. “Die Transformation des Konsums kann nur kollektiv erfolgen,” betont Lopategi.

ANMERKUNGEN:

(1) “Viaje por el Gran Bilbao del colapso” (Reise durch das Groß-Bilbo des Kollaps) Soberania Alimentaria, 11.01.2021, M.ª Ángeles Fernández und J. Marcos (LINK)

(2) Ekologistak Martxan ist der baskische Ableger des spanienweit arbeitenden Netzwerks Ecologistas en Marcha (Ökologinnen in Bewegung) (LINK)

(3) Euskal Gune Ekosozialista: Öko-feministisches Netzwerk, das auf internationaler Ebene arbeitet (LINK)

(4) “Petronor controla una pequeña fuga de crudo en el río Barbadun” (Petronor hat ein kleines Erdöl-Leck am Barbadun-Fluss unter Kontrolle) (LINK)

(5) Bolintxu ist der Name eines kleinen Tals außerhalb Bilbaos. Um die Umgehungs-Autobahn Supersur mit der Autobahn A68 Richtung Vitoria-Gasteiz zu verbinden, werden durch das enge Tal Brücken und Tunnels gebaut, wertvolle Fauna geht dadurch verloren, der “Zeitgewinn“ auf der Autobahn ist minimal.

(6) EHNE: Euskal Herriko Nekazarien Elkartasuna – baskische Gewerkschaft von und für Bauern und Bäuerinnen (LINK)

(7) Etxaldeko Emakumeak: “Wir stellen die Dokumente zur Verfügung, die wir während der letzten Jahre nach internen Debatten erstellt haben, und organisieren den Austausch mit anderen feministischen Gruppen, Gleichstellungs-Beauftragten von Institutionen und der Bauernbewegung. Ernährungssouveränität und Feminismus gehen Hand in Hand. Dies ist unsere Präsentation, hier sind die Schlussfolgerungen unserer internen Debatten zu finden, das Warum und Wofür von Etxaldeko Emakumeak.“ (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Müllverbrennung (sener)

(2) Hafen Bilbao (j.marcos)

(3) Wasserversorgung (retema)

(4) Autobahn Supersur

(5) Mercabilbao (elcorreo)

(6) Mercabilbao (j.marcos)

(7) EHNE (diario vasco)

(8) Labore Koop (j.marcos)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-02-17)

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