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Faschistische Monumente werden abgewickelt

Abriss oder Neubestimmung. Diese Frage wird in der Bevölkerung Iruñeas (span: Pamplona) seit Sommer 2016 eifrig diskutiert. Objekt der Auseinandersetzung ist ein gigantisches Monument, das Größte in Euskal Herria, das zur Ehrung der Gefallenen des Spanienkrieges errichtet wurde. Obwohl sein offizieller Name neutral formuliert ist, werden mit diesem Gebäude-Denkmal nur die Gefallenen auf Seiten der Franquisten geehrt. Die Basilika des Vatikans stand Modell beim Bau des Monuments in der Hauptstadt Navarras.

In Pamplona / Navarra begann die Aufarbeitung des Franquismus / Faschismus mit 40 Jahren Verspätung im Jahr 2015, mit der Wahl einer linksliberalen Regierung. Veränderungen am Monument der Gefallenen" waren und sind Grund für bittere Polemik.

Sonntag 29. Januar 2017: Morgens um 10h versammeln sich bei einer Temperatur von nur 2° C mehr als 100 Personen zur Teilnahme am ersten von öffentlicher Seite organisierten Besuch des Monuments für die Gefallenen des Spanienkrieges von 1936 bis 1939. Es handelt sich um das größte Monument seiner Art im gesamten baskischen Territorium. (1)

caidos02„Wir haben kein Megaphon mitgebracht, weil wir nicht mit so viel Interesse gerechnet haben“, entschuldigt sich zu Beginn der Führung der Schriftsteller Javier Eder. Zusammen mit dem Uni-Professor Iñaki Arzoz und dem Fotografen und Dokumentarfilmer Clemente Bernad vermittelt er die Bedeutung des franquistischen Monuments. An der metallenen Eingangspforte von fast fünf Metern Höhe erzählt Eder die Geschichte des Monuments, das seinerzeit 10 Millionen Peseten kostete. „Im Jahr 1941 eine astronomische Summe“, betont er, vor allem, wenn man sich den Hunger vor Augen hält, an dem der Großteil der Bevölkerung in der Nachkriegszeit litt.

Die Idee, ein solches Bauwerk zu errichten, stammte vom damaligen Bischof Marcelino Olaechea und dem Orden der freiwilligen Kreuzritter (Hermandad de los Caballeros Voluntarios de la Cruz). „Sie wollten damit den Geist der Kreuzzüge verewigen. Sie organisierten Prozessionen zu verschiedenen Kultstätten, unter anderem zur Festung von Javier (2) und wollten ein eigenes Monument haben zum Gedenken an ihren Kriegsgewinn“, erklärt Javier Eder.

Es war der Conde de Rodezno (3), der den Bau dieses Monuments an die Architekten José Yárnoz und Victor Eusa übertrug, die wiederum die Basilika des Vatikans als Modell nahmen. „Dort, so wird gesagt, sei das Grab des heiligen Petrus und hier das Mausoleum von Mola“, führt Eder als Parallele an.

Eine andere Besonderheit, die er hervorhebt, sind die sechs enormen quadratischen und neun Meter hohen Säulen, die den Portikus der Hauptfassade stützen. Sie stehen in Bezug zu der von Nazis und italienischen Faschisten benutzten Architektur. An dieser riesigen Fassade ist der offizielle Name des Bauwerks zu lesen: „Navarra seinen im Kreuzzug Getöteten“. Diese Worte sind heutzutage genauso abgedeckt wie zwei große Steinplatten, die Sätze des Franco-Regimes und sein Wappen zur Schau stellten. Sie wurden mit Holzplatten abgedeckt, nachdem im Jahr 2003 das „Gesetz der Symbole“ verabschiedet worden war. Genau genommen, besagt dieses Gesetz, dass franquistische Symbolik entfernt werden muss, nicht einfach abgedeckt.

caidos03„Der Name selbst ist bereits Lüge, denn nicht alle Bewohner/innen Navarras unterstützten den Aufstand, den sie „cruzada“ (Kreuzzug) nennen und es wird auch nicht an alle Toten dieses Kriegs erinnert. Was dieses Gebäude proklamiert ist, dass die Gewalt und das Blut der Märtyrer den Kreuzzug legitimiert“, führt Eder aus.

Iñaki Arzoz ergänzt, dass das Monument ursprünglich keinen öffentlichen Vorplatz hatte, auch die beiden Anbauten wurden erst später hinzugefügt: die Kirche Cristo Rey (König Christus) und das Pfarrhaus. „Bei seiner Erbauung hatte das Monument mehr sagenhaft-epischen Charakter als heute“. Für seinen Standort wurde der höchste Punkt der Hochebene ausgewählt, auf der Pamplona liegt. Zusammen mit der Kathedrale ist das „Monument für die Gefallenen“ das höchste Gebäude der Stadt.

Nach einer langen Einführung im Vorbereich, ist der Moment gekommen, das Innere zu betreten. „Wir stehen jetzt über dem Grab Emilio Molas“, zeigt Iñaki Arzoz und weist auf den Boden (4). Dort ist ein großes Rundfenster eingelassen, das einen Blick in das Mausoleum zulässt, in dem Mola zusammen mit anderen franquistischen Militärs bis im November 2016 bestattet war, darunter auch der General Sanjurjo, der maßgeblich an der Vorbereitung des Militärputschs beteiligt war, allerdings am 20. Juli (zwei Tage nach der Erhebung) mit dem Flugzeug abstürzte (5). Die Krypta selbst ist vom Besuch ausgeschlossen.

Die Blicke richten sich auf die beeindruckende Kuppel und ihre auffälligen Gemälde. „Es ist wie ein Comic aus der Hölle, bei dem sich Kampfszenen mit religiösen Bildern mischen“, fasst Eder zusammen. Die Krypta war den „Helden des Kreuzzugs“ gewidmet, während diese enorme Kuppel die entsprechende eigene „Mythologie“ repräsentiert. Dabei wird das dem Militärputsch folgende Navarra mit dem geistlich-katholischen Navarra vermischt, Bilder der Kreuzzüge des Mittelalters mit denen des Missionars Francisco Javier und mit dem Bild des navarrischen Königs Sancho VII (6), der bei einer Schlacht der Reconquista mit seiner Keule gegen muslimische Kämpfer voranstürmt. Dieses letzte Bild diente zudem als Vorlage für die Dekoration des Empfangssaals der Regionalregierung Navarra.

Faschistisch-katholische Propaganda

„Auf diesen Gemälden sind die drei tragenden Säulen vertreten, die den Militärputsch von 1936 unterstützten: Karlisten, Falange und Militär. Dargestellt sind auch Kämpfer und Missionare, die wiederum nichts anderes sind als Soldaten Christi. Eine der gemalten Standarten zeigt das Heilige Herz Jesu“, beschreibt Eder. Seiner Meinung nach sollte damit vermittelt werden, „dass es sich bei diesem Krieg nicht um einen Staatsstreich handelte, sondern um eine spontane Volksbewegung, die in den Kreuzzügen ihren Anfang nahm“.

caidos04Tatsächlich ist zwischen den Bildern ein Satz in lateinischer Schrift zu lesen, dessen Botschaft nicht klarer sein könnte: „Deus lo vult“, also „Gott will es“. Das war genau der Schlachtruf, mit dem Papst Urban II im Jahr 1095 zum ersten Kreuzzug gegen die Muslime aufrief. Derselbe Satz findet sich auch auf dem Wappen des „Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem“, einem bis heute aktiven katholischen Laienorden.

Diese sinnbildlichen Malereien wurden im Jahr 1950 von Ramón Stolz (7) angefertigt und bedecken einen Großteil der 697 Quadratmeter Fläche umfassenden Kuppel. Eine der größten Kuppeln in Euskal Herria, wenn nicht die größte. Um die Malereien aus größerer Nähe betrachten zu können, gibt es einen Aufstieg über 82 Stufen einer Art Wendeltreppe, die in den oberen Teil des Monuments führt und erlaubt, den gesamten Innenkreis der Kuppel abzulaufen. Dieser Kreis ist mit einer weiteren Inschrift versehen, die in riesigen Buchstaben folgendes sagt: „Vater, du weißt wie sehr wir in den Schlachten gearbeitet haben, genauso viel wie meine Brüder und das Haus meines Vaters, um unsere Gesetze und unser Heiligtum zu verteidigen“. Die Sprache klingt, als stamme sie aus dem Mittelalter, genau wie die dargestellten Kreuzzüge.

Der Bau dieses gigantischen Monuments begann 1942 und dauerte ungefähr zehn Jahre. Die hohen Kosten wurden von der Regionalregierung Navarra (Diputación Foral de Navarra) getragen, also aus Steuereinnahmen aller Bewohnerinnen Navarras finanziert, dennoch werden dort nur die Toten der Franco-Seite geehrt.

Die tragende Bedeutung der katholischen Kirche beim Sieg der Faschisten um Franco spiegelt sich wider in der Tatsache, dass das fertiggestellte Monument für die Gefallenen von der Regionalregierung an den Erzbischof von Iruñea (Pamplona) übertragen wurde. Dieser wiederum übergab das Gebäude der Stadtverwaltung zu kulturellen Zwecken, allerdings unter der Auflage, keinen Teil des Gebäudes und seiner Dekoration zu verändern oder gar zu entfernen. Die Verwaltung der Stadt lag zu jenem Zeitpunkt in Händen der rechten Partei UPN (Unión del Pueblo Navarro), die das Monument, ihrer Ideologie entsprechend, schützte und pflegte. Tatsächlich haben in den letzten Jahren hin und wieder Ausstellungen in dem Gebäude stattgefunden.

Der Erzbischof hat sich lediglich die Oberhoheit über die Krypta erhalten, weshalb diese nicht besucht werden kann. Die dort bestatteten franquistischen Generäle und andere Militärs wurden nach einer offenen und polemisch geführten Debatte im November 2016 von der seit Mai 2015 im Amt befindlichen sozialliberalen Stadtregierung aus der Krypta entfernt, nach vorherigen Gesprächen mit den Angehörigen der Toten, die den Wünschen der Nachkommen entsprechend auf öffentlichen Friedhöfen beigesetzt wurden.caidos05

Abbruch oder Neubestimmung

Beim Verlassen des Gebäudes weist Javier Eder auf einige Stellen hin, die mit franquistischen Symbolen verziert sind, heutzutage allerdings hinter Tafeln verborgen sind. Abgehängt sind auch die mehr als 4.000 Namen von Männern aus Navarra, die als Soldaten an verschiedenen Fronten im spanischen Staat getötet wurden. In Navarra selbst gab es keine Kämpfe, weil sich die politisch und militärisch Verantwortlichen sofort auf die Putschisten-Seite stellten. Insgesamt starben ungefähr 4.500 Navarros, die auf Seiten der Aufständischen kämpften. Die Gesamtbevölkerung Navarras zugrunde legend (1936 etwa 342.000 Personen) bedeutet das, dass 1,32% der Bevölkerung außerhalb der eigenen Provinz im Einsatz für den sogenannten „Kreuzzug“ ihr Leben ließ. Geschichts-Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass viele dieser Soldaten nicht freiwillig in den Krieg zogen.

Ihre Namen sind nach wie vor in die Wände des „Monuments für die Gefallenen“ eingraviert, mit Angabe ihrer Heimatorte. Viele Navarros sind auch bei der Verteidigung der rechtmäßig gewählten Republik getötet worden, ihre Namen sind jedoch weder eingraviert noch werden sie sonstwie in Ehren gehalten.

caidos06Nach Abschluss des Besuchs im Monument fand in einem Kulturzentrum eine Veranstaltung statt, die den Verbleib des Gebäudes zum Thema hatte. Eine Initiative mit Namen ZER (baskisch WAS), zu der auch Javier Eder und Iñaki Arzoz gehören, hat eine dreitägige Veranstaltungsreihe zu diesem umstrittenen Bauwerk organisiert. Es gibt mehrere Vorschläge zur Zukunft des Gebäudes, sie reichen vom Abriss des gesamten Komplexes bis zu einer Umwidmung mit völlig unterschiedlichem Charakter.

Laut Iñaki Arzoz sollte es jedoch nicht um Abriss oder Neubestimmung gehen. Seiner Meinung nach „wäre dies eine falsche Reduzierung, die von der inhaltlichen Diskussion ablenkt. Es ist auch keine Frage der Architektur, der Stadtgestaltung, Ästhetik oder gar der Moral“. Wichtig für die Bevölkerung ist nicht ein „ja oder nein“ zum Gebäude, vielmehr gehe es darum, ein Projekt zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit zu entwickeln und dem Vergessen und einer verfälschten Geschichtsversion entgegenzuwirken.

ANMERKUNGEN:

(1) Der Text basiert auf Information aus zwei Artikeln: 1. Iñaki Vigor: “El mayor monumento franquista de Euskal Herria, a debate en Iruñea”, erschienen in der Tagseszeitung Gara am 30. Januar 2017; 2. A.Ibarra, I.Porto: “Lo que importa a la ciudad no son los Caídos sino el proyecto de memoria histórica”, erschienen am 29. Januar 2017 in der Tageszeitung Noticias de Navarra (Link)

(2) Die Festung Javier (Castillo de Javier) befindet sich am Fuße der Pyrenäen etwa 45 Kilometer von Pamplona entfernt. Hier wurde am 7. April 1506 der später heiliggesprochene Francisco de Xavier (oder Javier, deutsch Franz Xaver) geboren, der als Jesuiten-Missionar in Ostasien wirkte. Die Burg ist heute eine Wallfahrtsstätte, sie beherbergt ein Museum und dient als Kulturzentrum. Besitzer ist der Jesuitenorden. Von diesem wurde um 1900 eine Basilika errichtet, die dem Heiligen gewidmet ist. (Wikipedia)

(3) Conde de Rodezno: Tomás Domínguez Arévalo (1882 - 1952), besser bekannt unter seinem Adelstitel Conde de Rodezno, war u.a. Justizminister in Francos erster Regierung, Vizepräsident der Regionalregierung Navarra, Abgeordneter für Navarra im spanischen Parlament der ersten Legislaturperioden unter Franco. Er erhielt mehrere Auszeichnungen und wurde zum Ehrenbürger Navarras erhoben. Ideologisch war er ein bedeutender Vertreter der reaktionär-absolutistischen und katholisch-traditionalistischen Karlisten.

(4) Der aus Navarra stammende Emilio Mola (1887-1937) war einer der Putschisten-Generäle vom 18. Juli 1936, er war für die Nordfront zuständig (u.a. Baskenland) und galt als besonders brutaler Militär, der den Nazis befehlen wollte, sie sollten Bilbao dem Erdboden gleich machen. Er galt als starker Mann des Putsches, bis er im Juni 1937 mit dem Flugzeug abstürzte. Weil Franco damit einen Konkurrenten verlor, sagt die Legende, er könnte aus dem Weg geräumt worden sein.

(5) José Sanjurjo (1872-1936) war spanischer Militär, bekannt aus dem Rif-Krieg in der Kolonie-Marokko. Er hatte 1932 bereits einen Putsch organisiert und ging ins Exil ins faschistische Portugal. Nach dem Putsch von 1936 sollte er den Oberbefehl übernehmen (Franco steckte in Marokko fest). Auf dem Weg von Portugal stürzte er mit dem Flugzeug ab.

(6) Sancho VII de Navarra (1170-1234), auch bekannt als „Sancho der Starke“ war König von Navarra zwischen 1194 und 1234, sein Name geht darauf zurück, dass er mehr als 2,20 Meter groß gewesen sein soll. Er war Nachfolger von Sancho VI „dem Weisen“ aus der Jimena-Dynastie.

(7) Ramón Stolz (1903 – 1958) war spanischer Maler, sein Großvater war ein deutscher Wissenschaftler, der sich in Castellón niederließ, daher der Nachname.

ABBILDUNGEN:

(1) Gefallenen-Monument Pamplona (publico.es)

(2) Gefallenen-Monument Pamplona (todocoleccion)

(3) Faschisten-General Mola (Wikipedia)

(4) Bürgermeister Asiron, Wissenschaftler Etxeberria (navarra.com)

(5) Gefallenen-Monument im Bau (diariodenoticias)

(6) Gefallenen-Monument Pamplona (publico.es)

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