diaspora101Die baskische Diaspora

Eines der Ziele baskischer Auswanderer war seit Jahrhunderten der amerikanische Kontinent. Zuerst der Lateinamerika genannte Süden, später auch der Norden. Eroberung, Mission, Kriege und die Suche nach einer Zukunft führte zur Gründung einer baskischen Community in den USA, die sich gut organisiert und ihre Traditionen wahrt. Pete Cenarussa und Dave Bieter sind Beispiele für die baskische Integration in die us-amerikanische Gesellschaft. Dennoch sind sie dem Baskenland treu geblieben.

(2015-11-05) Der baskisch-stämmige Dave Bieter ist in Boise zum vierten Mal zum Bürgermeister gewählt worden, in der Hauptstadt des US-Bundesstaates Idaho. Als Kandidat der demokratischen Partei erzielte Bieter 69% der Stimmen, seine republikanische Gegenkandidatin erhielt 26,5%. Bieter feierte seine dritte Wiederwahl zum Vorsteher der mit 215.000 Einwohnerinnen bevölkerungsreichsten Stadt des nord-westlichen US-Bundesstaates mit dem Ruf „Es lebe das freie Baskenland“ – sicherlich eine ganz besondere Art, in den USA einen Wahlerfolg zu feiern. Ein Blick auf die Familiengeschichte von Dave Bieter erklärt diesen Freudenausdruck allerdings. Denn Bieter ist Baske in dritter Generation, eine Großmutter stammt aus Lekeitio, ein Großvater aus Larrabetzu.

In Idaho und Boise, sowie Nevada, Reno und Kalifornien werden baskische Traditionen wohl gepflegt. Tausende von baskischen Familien sind im 19. und 20. Jh. dahin ausgewandert, haben neue Existenzen gegründet und zu Beginn dieser neuen Lebensetappe wie vorher in Euskal Herria vor allem von der Schafzucht gelebt. Daneben wurden baskische Kulturzentren gegründet, in denen baskische Traditionen gepflegt und die Sprache weiter vermittelt werden. Jedes Jahr werden große Feste veranstaltet, in Reno ist das Zentrum für baskische Studien ansässig, das ausgezeichnete Kontakte zum Baskenland unterhält.

Auch Dave Bieter hat seine baskischen Wurzeln bewahrt und ist euskaldun, also baskisch-sprachig. Seit 2003 ist er für die Demokraten Bürgermeister von Boise, er gilt als einer der wichtigen Unterstützer von Barack Obama bei dessen Wahl und Wiederwahl zum Präsidenten der USA. Bieter war schon immer ein überzeugter Verteidiger des Rechts auf Selbstbestimmung für das Baskenland. 2004 erhielt er von der PNV-nahen Sabino-Arana-Stiftung den Preis in der Kategorie „Basken in der Welt“. Als er den Preis aus den Händen des damaligen Ministerpräsidenten (Lehendakari) Juan Jose Ibarretxe erhielt, versicherte er, dass es für ihn eine große Ehre sei, für sein Eintreten um die Rechte der Basken geehrt zu werden und sei die Rolle noch so klein „beim Kampf um Autonomie, einem Kampf der perfekt mit den amerikanischen Idealen zusammenpasst“. (1)diaspora102

Pete Cenarrusa

Neben Bieter setzte sich ein weiterer baskisch-amerikanischer Politiker für baskische Rechte ein: Pete Thomas Cenarrusa (1916 – 2013), auch er Sohn baskischer Auswanderer und später Mitglied der Demokratischen Partei. Cenarussa war Befürworter einer erweiterten Autonomie des Baskenlandes. In den 70er Jahren arbeitete er mit anderen Demokraten zusammen an einer Initiative, die Auslandshilfe für das späte Franco-Regime zu beschneiden. Mehrfach forderte Cenarrusa von Idaho aus Gnade und Freilassung der baskischen politischen Gefangenen. Er lehrte Landwirtschaft und Mathematik an der Universität und wurde 1950 in das Repräsentantenhaus gewählt, später wurde er Staatssekretär in Idaho. 2003 gründeten Pete und Freda Cenarrusa die Cenarrusa Foundation for Basque Culture (zu Beginn: Cenarrusa Center for Basque Studies) zur Erforschung und Förderung der baskischen Kultur und Geschichte. Cenarrusa hatte großen Einfluss auf die Gründung des Basque Studies Program an der staatlichen Universität von Boise. Auch er sprach fließend baskisch.

Dave Bieter und Pete Cenarrusa waren die beiden Initiatoren der sogenannten Idaho-Erklärung, mit der das Recht der baskischen Bevölkerung gefordert wurde, ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Ausdrücklich unterstützte Bieter den „Ibarretxe-Plan“ genannten Vorstoß der baskischen Regierung, das Autonomie-Statut des Baskenlandes zu erweitern und das Baskenland als eigenständige Nation zu definieren, ein Versuch, der vom spanischen Parlament abrupt geblockt wurde. Im Jahr 2013 nahm Bieter in Donostia (San Sebastián) an einer Konferenz von Bürgermeistern teil, bei der es ebenfalls um das Selbstbestimmungs-Recht ging.

Von Dave Bieter ist eine Anekdote überliefert, die seine baskischen Wurzeln und seine starke Bindung zum Baskenland deutlich macht. Anfang 2015 reiste er mit Präsident Obama im Flugzeug nach Idaho und nutzte die Gelegenheit, ihm die Geschichte eines Hirten aus Larrabetzu zu erzählen – die Geschichte seines Großvaters, der nach Amerika ausgewandert war. Dem Präsidenten gefiel die Geschichte, er zeigte sich interessiert an weiteren Details über die baskische Migration und nahm die Hirten-Geschichte bei seiner Rede in Boise über Wirtschaftspolitik als Einstieg.diaspora103

Migration nach Amerika

Die baskische Migration hat verschiedene Gründe und Hintergründe. Bereits im 16.Jh. waren baskische Eroberer an der Unterwerfung des amerikanischen Kontinents beteiligt, davon zeugt unter anderem der Film „Aguirre, Zorn Gottes“ von Werner Herzog (2). Armut und politische Verhältnisse in Europa trieben die Menschen weg aus ihrer Heimat, bei den Basken kam immer wieder die Tatsache ihrer Sprache hinzu, wegen der sie marginalisiert wurden. Später waren es Kriege, die für Schübe von Auswanderung verantwortlich waren, im 19.Jh. waren es die Karlistenkriege. Der Spanische Krieg und das folgende faschistische Regime trieben erneut Tausende in die Ferne. Ziele waren vor allem Chile und Argentinien, aber auch andere Länder wie Bolivien, Paraguay, Uruguay, Venezuela oder Brasilien. Ein Grund für die Migration war auch das baskische Erbrecht, nach dem der Mayordomo, der oder die älteste der Nachkommen den gesamten Hof erbte, um ihn nicht durch Teilung zu schwächen. Die übrigen Söhne wurden Handwerker, gingen ins Kloster oder wurden Knechte, die Töchter wurden Mägde, heirateten oder gingen ebenfalls ins Kloster.

Basken in den Vereinigten Staaten

Als Mitte des 19.Jhs. der Goldruf erklang, kamen nach Kalifornien viele Basken, die vorher in Südamerika gelebt hatten. Nur wenige kamen direkt aus dem Baskenland. Die aus dem Süden gekommenen waren vorher Schafhirten in der Pampa gewesen. Diesem Lebensunterhalt wandten sie sich wieder zu, als sie kein Gold fanden, die großen Prärien Kaliforniens boten dazu gute Gelegenheit (3). Bis 1870 hatten die baskischen Hirten ihre Herden stark ausgedehnt zwischen den Rocky Mountains, der Sierra Nevada und der Hochebene des Columbia-Flusses, im gesamten amerikanischen Westen. Die baskischen Hirten waren es, die auf dem Kontinent die Transhumanz einführten.

Doch waren die Basken nicht besonders beliebt. Die übrigen Viehzüchter betrachteten sie als Eindringlinge, die Hirten und ihr Beruf wurden im Westen verachtet. So lebten die meisten baskischen Hirten einsam in einer harten und feindlichen Umgebung, für viele sollte es deshalb nur ein Übergang sein. Asimilation in die Gesellschaft oder die Gründung einer Familie waren fast unmöglich. Deshalb unterhielten die Basken eine starke emotionale Bindung zu ihren Wurzeln und ihrer Heimat. Viele wollten Geld machen und wieder zurückkommen nach Europa. Einige erhielten einen US-Pass und blieben, kauften sich Ranches und betrieben dort ihre Schafzucht. Andere kamen tatsächlich zurück, manche um im Baskenland zu bleiben, andere nur, um sich eine Braut zu holen und wieder in den amerikanischen Westen zurück zu reisen. Im Baskenland wurden die Rückkehrer abfällig „Amerikanoak“ genannt (baskisch: die aus Amerika), weil sie reich waren und Neid hervorriefen.diaspora104

1920er Jahre

Zwischen 1900 und 1920 gingen ca. 430.000 Basken und Baskinnen in die USA. Viele blieben auch in der Diaspora zusammen, in der Stadt Jordan Valley zum Beispiel, in der Grafschaft Malheur in Oregon, die 1915 von Basken gebaut wurde. Andere siedelten sich in Idaho an, oder in Elko und Winnemucca in Nevada. Zu Beginn des Jahrhunderts steigerten die Basken ihren Einfluss in Handelsbetrieben, der wirtschaftliche Erfolg machte sie auch als Basken sichtbar. Über ihre Kulturzentren begannen die baskischen Diaspora-Gemeinschaften, Festivals zu organisieren und die baskische Kultur zu propagieren.

1921 wurde die baskische Einwanderung durch das National Origins Quota Act praktisch lahmgelegt, dieses Gesetz limitierte die Inmigration aus dem Süden und Osten Europas. Aus dem spanischen Staat durften nur noch 130 einreisen, aus Frankreich 4.000. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Arbeitskräfte knapp, die Schafindustrie kam in die Krise. Deshalb erlaubte der Senator Pat McCarran aus Nevada 1952 erneut die Einwanderung von 500 baskischen Hirten (Spanish Sheep Herders). Doch wegen der Streitigkeiten zwischen Ranchern und Ökologen wurde die Zahl der Tiere begrenzt, sodass die Gewinne aus diesem Geschäft nicht mehr attraktiv waren. Die Schafzucht und Nachfrage nach Hirten wurde nach Mexiko, Chile und Peru umgeleitet. Mitte der 70er Jahre des 20.Jhs. gab es wenigstens 100 große baskische Schafsbetiebe im Westen der USA, die Basken hatten der ländlichen Wirtschaft in der Gegend ihren Stempel aufgedrückt.

ANMERKUNGEN:

(1) Artikel Tageszeitung Deia “El euskaldun Dave Bieter reelegido como alcalde de Boise” 2015-11-05) (Link)

(2) Der Film „Aguirre, Zorn Gottes“ ist ein Abenteuerfilm des deutschen Regisseurs Werner Herzog aus dem Jahr 1972. Der Film schildert eine fiktive Expedition spanischer Konquistadoren im 16. Jahrhundert, die das legendäre Goldland Eldorado im Urwald des Amazonas ausfindig machen wollen. Nachdem die Expedition zu Lande kaum vorangekommen ist, wird auf Befehl Pizarros eine 40 Mann starke Gruppe zusammengestellt, die auf Flößen eine Route ausfindig machen soll. Der Voraustrupp wird von Don Pedro de Ursúa geführt, der aber von Lope de Aguirre abgesetzt wird. Der scheinbar verrückte Despot Aguirre stammt aus Gipuzkoa, aus einem Dorf nahe des Klosters Arantzazu. (Link) 

(3) Baskische Auswanderung bei Wikipedia (Link)

FOTOS:

(1) Jaialdia-Fest 2010 in New York. Foto: Gara-Naiz

(2) Baskischer Schäfer im kalifornischen Winter. Foto: euskonews.com

(3) San Francisco, Basque Identity. Foto: www.blogseitb.us

(4) Baskische Flagge vor der Freiheitsstatue. Foto: irekia.euskadi.eus

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