Burgos-Enklave im baskischen Araba
Die Grafschaft Trebiñu (Treviño) ist geografisch komplett von der baskischen Provinz Araba (Álava) umschlossen und gehört dennoch nicht zum Baskenland. Gründe dafür sind in machtpolitischen Schachzügen des 13. Jhs. zu suchen, die bis heute ihre Spuren hinterlassen und trotz mehrfacher Versuche von Seiten der Bevölkerung nicht korrigiert wurden. Historisch, geografisch und kulturell ist Trebiñu sein baskischer Charakter nicht abzusprechen, deshalb ist an dieser Stelle von dem Ort die Rede.
Trebiñu (Treviño) liegt in der baskischen Provinz Araba (Alava), gehört aber formal dennoch zum 27 km entfernten Miranda del Ebro in der spanischen Provinz Burgos. Die Enklave besteht aus den Orten Trebiñu (200 Ew) und La Puebla de Arganzón (530 Ew), sowie 50 weiteren Dörfern.
Geschichte Trebiñu (Treviño)
Trebiñu wurde 1161 durch den König von Navarra Sancho VI. el Sabio gegründet, im Jahr 1200 wurde das Gebiet von Kastilien militärisch erobert. Die geografisch-politische Hypothek der Gemarkung entstand 1366 bei einem für das Mittelalter üblichen Vorgang: der damalige Landherr schuldete einem anderen einen Kriegstribut und beglich die Schuld mit der „Schenkung“ des Gebiets Trebiñu. Aufgrund dieser feudalen Besitzverhältnisse gehörte Trebiñu nicht zu der neugegründeten Provinz Araba und erhielt auch nicht die „Fueros“ genannten Selbstverwaltungsrechte, die den übrigen baskischen Provinzen zugesprochen wurden. Im Jahr 1453 erhielten die Besitzer Trebiñus von der kastilischen Krone für einen weiteren Vasallendienst den Grafen-Titel, im 16. Jh. kam der Titel Herzog von Nájera dazu. (Fotoserie Trebiñu) (1)
Jüngere Geschichte
Bei der Definition der Provinzgrenzen 1833 im sich formierenden spanischen Staat wurde Trebiñu der Region Kastilien-León zugeschlagen. In diesem Territorialstreit stehen sich verschiedene Institutionen gegenüber: die Regional-Regierung von Kastilien-León und die Provinz-Regierung Burgos wollen den Status Quo erhalten – auf der anderen Seite stehen die betroffenen Gemeinden, die baskische Regierung und die Provinz-Regierung Araba, die sich für eine Statusänderung aussprechen. Sie machen linguistische, politische und kulturelle Argumente geltend, sowie die Frage der Sozialversorgung und der Instandhaltung der Verkehrswege. Mehrfach sicherte die baskische Regierung der Verwaltung in Trebiñu vertraglich ihre Unterstützung zu in Fragen der wirtschaftlichen und ländlichen Entwicklung, von Bildung und Kultur – eine Unterstützung, die aus Burgos nicht zu erwarten ist. Das spanische Oberste Gericht annullierte diese Hilfs-Abkommen wegen Einmischung in Angelegenheiten anderer Regionen.
Eingliederung nach Araba
Nach 1880 gab es verschiedene Versuche von Seiten der Bevölkerung und der Trebiñu-Verwaltung, nach Araba zu wechseln. (*) 1880 wurde der erste Versuch gestartet, den Status von Trebiñu zu ändern. (*) 1919 forderte die Handelskammer Araba (Álava), die Grafschaft Trebiñu in das bevorstehende baskische Autonomie-Statut einzugliedern. (*) Im Mai 1936 forderte der Ort Puebla de Arganzón die Provinzregierung Araba auf, sich für eine Integration einzusetzen. (*) Im Juni 1940 (der Spanische Krieg war ein Jahr zuvor mit dem militärischen Sieg Francos zu Ende gegangen) führten die beiden Hauptorte ein Referendum durch, bei dem sich 98% der Bevölkerung für eine Zukunft in Araba aussprach. Doch selbst diese Mehrheit reichte nicht für eine Statusänderung. (*) Im Juli 1958 ordnete ein franquistisches Ministerium an, erneut eine Volksbefragung zum Thema durchzuführen, nur drei kleine der insgesamt über 50 Gemeinden sprachen sich für einen Verbleib in Burgos aus; ohne Konsequenz. (*) 1998 wurde ein nicht offizielles Referendum durchgeführt mit der Frage, ob ein entscheidendes Referendum durchgeführt werden sollte, erneut war eine Mehrheit für Volksentscheid. (*) 2013 beantragte die Verwaltung der Grafschaft förmlich eine Separation von Kastilien und eine Annexion in Araba. Erneut lehnte die Provinzregierung Burgos ab. (*) Mittlerweile sind alle Parteien in der Provinzregierung Araba für eine Integration Trebiñus in die Provinz. Sogar die rechte PP und die sozialdemokratische PSOE teilen diese Position, entgegen der Haltung ihrer Parteikollegen in Burgos, Kastilien und Madrid.
Euskera
Trebiñu war Teil des in früheren Zeiten weit über die heutigen baskischen Grenzen hinaus verbreiteten Euskara-Sprachraums. Aus verschiedenen Gründen ging die Sprache jedoch zwischen dem 17. und dem 18. Jh. verloren und wurde erst in den vergangenen Jahren wieder eingeführt. Burgos ist offiziell jedoch nicht zweisprachig, deshalb ist jegliche Förderung der baskischen Sprache in den Grund- und weiterführenden Schulen von privater Initiative abhängig. 2007 wurde festgestellt, dass statistisch 13,5% der Bevölkerung zweisprachig sind und weitere 13% Euskara zumindest verstehen. Bis 2012 stiegen diese Zahlen auf 22% bzw. 17%. Im Mai 2001 wurde das Fest der baskischen Schulen „Araba Euskaraz“ in Arganzón durchgeführt. Diese Feste wechseln jedes Jahr ihren Standort, in der Regel nehmen mehr als 100.000 Personen teil, der Erlös wird in neue Schuleprojekte investiert.
Sehenswürdigkeiten
Einige der Ortschaften der Verwaltungseinheit Trebiñu wurden verlassen, die meisten der 50 verbliebenen haben nur noch 15 bis 20 Einwohnerinnen. Insgesamt leben in der Grafschaft 1.460 Personen. Einige der Orte haben baskische Namen, die von ihrem baskischen Ursprung zeugen, die meisten lassen es sich nicht nehmen, ihre Straßenbenennung zweisprachig zu halten. Obwohl das Euskara nicht offiziell ist.
La Puebla de Arganzón
Auf Baskisch nennt sich der Ort Argantzun. In Chroniken wird er bereits 801 erwähnt, anlässlich eines militärischen Konflikts zwischen den maurischen Invasoren der Halbinsel und den Anfängen von Kastilien, das sich in Asturien formierte und zur Wiedereroberung (reconquista) rief. 871 ist von der Kirche Santa María de Arganzón die Rede. Bisher wurde davon ausgegangen, dass Arganzón gegründet wurde, um Menschen aus Nachbarregionen anzusiedeln. Denn die Rückeroberung gegen die arabischen Besetzer konnte nur gelingen, wenn der Ausgangspunkt gut strukturiert war, wenn dort Leute lebten, es Wege gab und eine Produktion von Lebensmitteln – so erklärt sich auch die wirtschaftliche, politische und strategische Notwendigkeit des Jakobsweges, die skurrilen Geschichten um den Heiligen Santiago waren lediglich Vorwand und Motivation, um Gläubige zu mobilisieren.
Ausgrabungen, deren Ergebnis im Oktober 2015 publiziert wurden, widersprechen dieser Gründungs-These. Denn es wurden Anhaltspunkte gefunden, dass Arganzón bereits im 6. Jh., nach dem römischen Niedergang und vor der arabischen Invasion gegründet worden war. Um das Jahr 1000 wurde neben dem Ort die Burg Arganzón gebaut, die teilweise erhalten ist. Doch geriet das Dorf nach und nach in Vergessenheit, weil unweit des historischen Ortes Ende des 12. Jhs. der neue Ort La Puebla de Arganzón errichtet wurde. Eine Zeit lang waren beide Orte bewohnt, der alte wurde zwar im späten Mittelalter verlassen, dennoch wurde seine Kirche in den folgenden Jahrhunderten noch renoviert. Ab 1615 wurde auf den Mauern der Kirche ein Franziskaner-Kloster gebaut mit dem Namen Nuestra Señora de la Concepción. Bei aktuellen Ausgrabungen wurden Teile des Klosters gefunden, zu dem eine Kirche, ein großer Kreuzgang, ein Garten und Zusatzgebäude gehörten. Der mittelalterliche Ortskern ist erhalten, heute leben dort 520 Einwohnerinnen. Argantzun gehört zum Landkreis Miranda, bereits 1646 und 1742 wurde jeweils fruchtlos die Integration ins baskische Araba beantragt. Lediglich 1822, bei der Definition der spanischen Provinzgrenzen gehörte der Ort kurzzeitig zu Araba.
Sehenswert sind die Reste der Burgfestung Arganzón, die Kirche Nuestra Señora de la Asunción (Kulturerbe), sowie die romanische Brücke, die vom breiten Zadorra-Fluss hinauf ins Zentrum führt. Unweit der Brücke ist ein Stück der alten Stadtmauer erhalten, ein Teil des Flusses wird umgeleitet zu einer Mühle, die ebenfalls renoviert wurde.
Trebiñu – Treviño
Trebiñu (Treviño) ist der Hauptort der Gemarkung und wurde 1161 gegründet. Er liegt an einem Hügel, überragt von der Kirche und hat sich seinen mittelalterlichen Ortskern bewahrt. Vier Gassen führen am Hang entlang, die meisten Häuser stilvoll renoviert, die Fassadenreihe wird unterbrochen von kleinen Gärten. Dazu ist Trebiñu neben Argantzun der einzige Ort mit Gastronomie.
Sehenswert sind die Kirche San Pedro Apóstol (Baubeginn 13. Jh.); Manrique de Lara, der Palast der Grafen von Treviño (16. Jh.), heute Rathaus; der Palacio de los Izquierdo (18. Jh.), im Barockstil mit Wappen; ein mittelalterlicher Brunnen (15. Jh.); sowie eine gotische Brücke. Neben der Kapelle San Juan Bautista (15. Jh.) steht ein Metallschild mit dem Navarra-Symbol, das daran erinnert, dass auch Trebiñu vor 500 Jahren zum Königreich Navarra gehörte.
Teilorte in der Grafschaft
Unter den zur Grafschaft zählenden Orten hat neben Argantzun und Trebiñu lediglich Añastro eine erwähnenswerte Größe. Alle anderen Orte bestehen aus wenigen Gebäuden, Bauernhäusern, in der Regel einer imposanten Kirche, einige haben kommunale Waschplätze. In Añastro (140 Einwohnerinnen) steht die Kirche San Andrés, zu sehen ist ein überdachter Waschplatz (19. Jh.), die Kapelle San Miguel, ein Eisenkreuz, sowie ein Herrschaftshaus von 1780.
Im Santo-Tal (im äußersten Südosten von Trebiñu), an dessen Ende sich der kleine Ort Laño befindet, sind 31 künstliche Höhlen zu finden, „Las Gobas“ genannt, in denen frühchristliche Eremiten lebten. Die Höhlen wurden im 4. Jh. in den Fels gehauen und waren bis zum 6. Jh. bewohnt. Einige weisen Grabstätten auf, im 16. Jh. wurden sie zur Viehhaltung benutzt. Die Höhlen auf beiden Seiten des Tals wurden zum Kulturerbe erklärt und sind frei zugänglich. Zwar weltberühmt, aber nicht wirklich bekannt wurde Laño als Fundort einer großen Anzahl von Dinosaurier-Resten, die dort gefunden wurden. Neben vierzehn verschiedenen Spezies von jenen Urtieren vor 73 Millionen Jahren wurden auch Fossilien von Rochen, Schildkröten, Haifischen und weiteren Lebewesen gefunden (2).
Unweit von Laño, auf Araba-Terrain liegt der Ort Faidu (Faido), in dem es am Berg eine interessante Kapelle mit Höhlenanschluss zu sehen gibt.
Die übrigen Orte in der Grafschaft: Burgueta: Mächtige Kirche, Park und Bauernhäuser. Kutxu (Cucho): mit romanischer Kirche, altem Termalbad, traditionellen Gebäuden. Busto de Treviño: Pfarrkirche. Arrieta: Kirche mit barockem Turm. Askartza (Ascarza): Im Jahr 2008 hatte der Ort nur 4 Einwohner, kleine romanische Kirche. San Vicentejo: Kapelle aus dem 13. Jh. (historisch-kulturelles Kulturerbe), Kirche San Jorge, traditionelle Häuser. Otxate (Ochate): Verlassener Ort, zu sehen noch der Kirchturm. Uzkio (Uzquiano): Kirche mit zwei romanischen Portalen. Agilo (Aguillo): Gotische Kirche (15. Jh.). Samiano: Kirche, Waschplatz aus dem 19. Jh., traditionelle Häuser. Saratsu (Saraso): Romanische Kirche (16. Jh.) mit barockem Altaraufsatz. Albaina: Mittelalterlicher Ortskern, Brunnen von 1870, Kirche (16./17. Jh.), Herrschaftshaus Samaniego, romanische Kapelle, großer Frontón. Bajauri: Kirche aus dem 16. Jh. Obekuri (Obécuri): Kirche aus dem 13. Jh., Festungshaus.
ANMERKUNGEN:
(1) Fotoserie bei Foto Archiv Txeng (Link)
(2) Artikel "Baskische Dinosaurier" bei Baskultur.info (Link)
FOTOS:
(1) der Ort Argantzon in der Grafschaft Trebiñu (Foto Archiv Txeng – FAT)
(2) der Ort Trebiñu in der Grafschaft Trebiñu (Foto Archiv Txeng – FAT)
(3) der Ort Argantzon in der Grafschaft Trebiñu (Foto Archiv Txeng – FAT)
(4) der Ort Trebiñu in der Grafschaft Trebiñu (Foto Archiv Txeng – FAT)