Black is Beltza, Teil zwei
In den fast vierzig Jahren seiner künstlerischen Laufbahn war Fermin Muguruza mehr als der Frontman der Rockgruppen Kortatu und Negu Gorriak. Er produzierte eine Reihe von Musikprojekten mit unterschiedlichen Künstler*innen und machte sich auch im Filmgeschäft einen Namen. “Black is Beltza“ wurde zum Historien-Comic, zu einer Ausstellung und zum Film. Der Tod seines Bruders Iñigo hat Fermin in eine persönliche Krise gestürzt, die er mit einem zweiten “Black is Beltza“-Film zu überwinden versucht.
Der Comic-Spielfilm "Black is Beltza II: Ainhoa" ist nicht nur der zweite Teil eines Filmprojekts. Für Fermin Muguruza ist es auch ein Teil der Verarbeitung des Todes seines Bruders Iñigo.
Der Künstler aus dem Baskenland feilt gerade an den letzten Details des Comic-Spielfilms "Black is Beltza II: Ainhoa", an dem er seit vier Jahren arbeitet. Fermin Muguruza: “Dieser Film hat mir geholfen, meine Depression nach dem Tod meines Bruders zu überwinden". Vier Jahre nach "Black is Beltza" arbeitet der Musiker und heutige Filmemacher Fermin Muguruza (Irun, 1963) am zweiten und letzten Teil der Serie "Black is Beltza II: Ainhoa", in dem die baskisch-kubanische Tochter von Manex die Hauptrolle spielt. Muguruza erzählt, dass der Tod seines Bruders Iñigo Muguruza im September 2019 ihn in eine Stresskrise stürzte, die zu Depressionen führte. "Der Tod von Iñigo hat in mir Abneigung und sogar Verachtung gegenüber dem Leben hervorgerufen, obwohl ich immer ein ziemlich vitaler Mensch gewesen bin. Die Dreharbeiten zu diesem Film haben mir geholfen, diese Depression zu überwinden". Der Film wird am 30. September in die Kinos kommen.
“Black is Beltza“
Der Titel ist ein Wortspiel, denn beide Begriff bedeuten “schwarz“, englisch und baskisch. Erzählt wird eine Geschichte, die im Oktober 1965 beginnt. Die Festgruppe der Riesengestalten aus Pamplona, ein typisches Bild der San-Fermin-Feste, wird zu einer Parade auf der Fifth Avenue in New York eingeladen. Aber nicht alle Figuren dürfen gezeigt werden: wegen der “Rassendiskriminierung“ verbieten die US-Behörden, dass die beiden schwarzen Giganten durch die Straßen getragen werden. Basierend auf dieser wahren Geschichte erzählt "Black is Beltza" die Geschichte von Manex, der einen der Riesen tragen soll. Auf einer langen und mit Hindernissen gespickten Reise wird Manex Zeuge von Schlüsselereignissen der Geschichte: die “Rassenunruhen“ nach der Ermordung von Malcolm X, die Exzentrik der Figuren von “The Factory“, die Verbindungen zwischen dem kubanischen Geheimdienst und den Black Panthers und die Hippie-Psychedelik der ersten Musikfestivals. Interview mit Fermin Muguruza:
Was haben Sie bei den Dreharbeiten zum ersten Film gelernt?
Ich hatte immer gute Berater. Ich halte es mit dem Satz von Juanba Berasategi am Ende von “Black is Beltza“: "Animation ist eine widerständische Übung". Iñigos Tod hat mich sehr angegriffen, er war jemand, der mir viele Ratschläge gegeben hat. Ich komme aus der Schule von John Lennon, der aus Liedern Zeitungen machen wollte. Wenn es ein Thema gibt, über das ich sprechen möchte, schreibe ich am nächsten Tag einen Song und nehme ihn dann auf, wie bei “Sarri Sarri“. Zeichentrickfilme sind ziemlich anders: drei Jahre für den Comic, vier Jahre für den Film. Insgesamt fast acht Jahre. “Black is Beltza II“ sind weitere vier Jahre meines Lebens, die ich voll und ganz dem Projekt gewidmet habe. Würde ich einen neuen Film machen, wenn ich mein Alter bedenke und mir vorstelle, wie weit ich noch gehen kann? Die Wahrnehmung der Zeit ändert sich völlig.
Was hat Sie schließlich dazu bewogen, einen neuen Film zu drehen?
Da ist der Tod meines Bruders (Iñigo Muguruza, der am 5. September 2019 an Multipler Sklerose starb) (2). Plötzlich hatte ich einen Auftrag, nämlich zu erzählen, was 1988 geschah, Iñigo durch Animation zum Leben zu erwecken und ihm diesen Film zu widmen. Was mir bei all dem Leid am meisten geholfen hat, war die Möglichkeit, diesen Film parallel zu drehen. Ich rief Gorka Otxoa an, um ihm zu sagen, dass unser alter Freundeskreis beschlossen hatte, dass er die Stimme von Iñigo übernehmen sollte.
Hat die Arbeit Ihnen geholfen, den Schmerz zu überwinden?
So war es, denn 2019 war ein überaus hartes Jahr. Drei Wochen vor Iñigos Tod fanden hier in Mosku (einem Viertel von Irún) Fiestas statt und wir sprachen über die Geschichte von Mikel Kazalis (3) von der Gruppe "Anestesia" (und Negu Gorriak), bei dem Krebs festgestellt worden war und dem noch drei Monate Leben vorausgesagt wurden. Die übrigen von unserer Gruppe “Negu Gorriak“ kamen zusammen und Iñigo war derjenige, der uns am meisten ermutigte, Fotos an Mikel zu schicken. Ich hatte vor, 2020 eine Tournee zu machen, um als Musikschaffender von meiner Karriere zu erzählen: "Das ist mein Repertoire, von den Anfängen bis heute". Was ich nicht wollte: Kortatu wieder zusammenzubringen, wie uns ein Veranstalter Anfang 2019 vorschlug.
Dann kam der Tod von Iñigo.
Dann kam das große Unglück. Am 17. Dezember 2019, seinem Geburtstag, haben wir in Bilbao an ihn erinnert, wir waren zu viert, und wir waren am Boden zerstört. Wir haben sechs Lieder gespielt, das Konzert fand im Kafe Antzokia statt. Ich betrachte diesen Moment als ein Fest des Lebens, denn die Anwesenden waren entzückt. Es war wunderbar, aber jeder 5. eines Monats ist ein schrecklicher Schlag für mich. Und am 5. März 2020, der vielversprechend begann, kam der Lockdown, eine Katastrophe, durch die ich einen posttraumatischen Stress erlitt. Ich fühlte mich weit entfernt von der Realität, zu Hause wurde ich ohnmächtig und brach zusammen. Jeder hat in dieser Pandemie seine eigene Hölle erlebt, meine war eine Reise durch die Wüste. Erst die Kreativität hat mich wieder motiviert. Der Schaffensprozess dieses Films hat meine Schmerzen geheilt. Die Arbeit hat mich vor dem Zusammenbruch bewahrt.
Sie litten unter Depressionen.
Ja, der Tod von Iñigo hat in mir Distanz und sogar Verachtung gegenüber dem Leben hervorgerufen, obwohl ich immer ein vitaler Mensch war, ein Verfechter von "das Leben leben". Die Dreharbeiten zu diesem Film haben mir geholfen, diese Depression zu überwinden. Das war wichtig.
Bei "Black is Beltza" wurden die Stimmen von bekannten Schauspielerinnen geliefert. Wen dürfen wir dieses Mal erwarten?
Die Hauptfiguren wurden von Maria Cruickshank und Itziar Ituño (4) zum Leben erweckt. Dazu kommen Stimmen von Antonio de la Torre, Ariadna Gil, Darko Peric. Die baskische Besetzung besteht aus: Ramon Agirre, Eneko Sagardoy, Miren Gaztañaga, Maite Iturbe, Gorka Otxoa, Manex Fuchs. Der Soundtrack wird auf einer Doppel-LP erscheinen und ist kraftvoll. Die Musik stammt von Mursego, es werden auch Lieder von Kortatu, RIP, Cicatriz, Barricada und auch eines von den Pogues enthalten sein, über das ich mich besonders gefreut habe, weil es eine von Iñigos Lieblingsbands war.
Ergänzt "Black is Beltza II" die Geschichte von "Maixabel"?
In dem Sinne, dass es bei uns keine eindimensionale Geschichte erzählt wird, denn das ist nicht möglich. Es gibt eine Vielfalt von Geschichten, die wir respektieren müssen. Die Geschichte, die “Maixabel“ erzählt, ist interessant, doch gibt es auch andere Geschichten, die wir erlebt haben. (5)
Ihre musikalische Seite ist ein wenig ins Stocken geraten?
Das letzte Mal stand ich am 17. Dezember 2019 zum Gedenken an Iñigo auf der Bühne. Zwei Jahre später fühle ich eine große Distanz zur Bühne. Ich betrachte meine Konzerte und erkenne mich durchaus wieder, aber ich fühle mich nicht mehr so stark.
In diesem Jahr feiern Sie den 25. Jahrestag Ihrer Solokarriere, sind Sie ein Überlebenskünstler?
Sicherlich. Es gibt nur sehr wenige von uns. Jetzt treffe ich mich mit Iñigos Freundeskreis, weil von meiner Clique alle an AIDS gestorben sind. Dieses Gefühl, ein Überlebender zu sein, wurde noch verstärkt, als Iñigo starb. Zuvor war Amaia Apaolaza gestorben, meine lebenslange persönliche Managerin; der Kameramann Jordi Abusada, mit dem ich vier Jahre lang durch die arabischen Länder reiste; meine Mutter starb an Alzheimer. Posttraumatischer Stress verursachte einige Konsequenzen in meinem Verdauungssystem, die mich zu sechs Monaten Behandlung zwangen. Jetzt bin ich wieder okay. So gesehen fühle ich mich tatsächlich wie ein Überlebender.
Es scheint, dass die Geschichte der radikalen baskischen Rockmusik neu geschrieben wird. Was halten Sie von der Dokumentation, die das baskischen Fernsehen EITB vor einigen Monaten ausgestrahlt hat?
Ich würde es als einen Versuch bezeichnen, eine eindimensionale Sichtweise durchzusetzen. Dieser Dokumentarfilm war eindeutig Teil des Versuchs zu sagen: "So war es". Es gibt einen Streit der Interpretationen der Geschichte, aber jeder muss seine eigene Version erzählen.
Gibt es rückblickend irgendeine Art von Selbstkritik? Kommt Ihnen in den Sinn: "Das hätte ich nicht sagen sollen" oder "Das hätte ich nicht singen sollen"?
Nein. Ich bin selbstkritisch mit allem, was ich tue, was ich gestern Abend getan oder gesagt habe. Doch die Vergangenheit ist wie sie ist. Die Umstände haben mich geprägt, das erklärt, wie ich in jedem Moment agiert habe. Ich war ein Chronist meiner Zeit. Ich habe versucht, von einer Wirklichkeit zu sprechen, die nichts mit der offiziellen Version zu tun hat. (6)
ANMERKUNGEN:
(1) “Esta pelicula me ha ayudado a superar la depresion tras la muerte de mi hermano“ (Dieser Film hat mir geholfen, die Depression nach dem Tod meines Bruders zu überwinden), Tageszeitung El Correo, 21. Januar 2022 (LINK)
(2) Iñigo Muguruza Ugarte (Irun, 17. Dezember 1964 / 5. September 2019) war ein baskischer Musiker, der jüngere Bruder von Fermin und Jabier Muguruza. Er war Mitglied folgender Bands: Desband (später Beti Mugan), Kortatu, Delirium Tremens, Negu Gorriak, Joxe Ripiau und Sagarroi. In diesen Gruppen spielte er Bass und E-Gitarre. Abgesehen von der Musik war Iñigo Muguruza ein vielseitiger Künstler. Er führte bei einem Kurzfilm Regie, wirkte an der Inszenierung des Theaterstücks Ezekiel mit und schrieb ein Buch mit Kindergeschichten. Wikipedia (LINK)
(3) Mikel Kazalis ist ein Musiker aus dem Baskenland, geboren in Zarautz (Gipuzkoa). Er begann seine Karriere 1985 in der Thrash-Metal-Band Estigia, die er 1988 verließ, um Anestesia zu gründen. Seine Engagement in dieser Band wurde mit anderen musikalischen Projekten kombiniert, von denen das wichtigste seine Zeit zwischen 1990 und 1996 bei der Band Negu Gorriak (mit den Muguruza-Brüdern) war. Außerdem gründete er zusammen mit Izaskun Forcada die Industrial-Metal-Band 2 Kate, die zwei Jahre lang (von 1997 bis 1999) existierte. Im Jahr 2001 kam er zu Kuraia. 2011 gründete er zusammen mit Fer Apoa, Aitor Abio und Txarly Diaz ein weiteres Industrial-Rock-Projekt namens Matxura. Mikel hat eigene Aufnahmestudios in Zarauz (genannt Fidelenea), wo er als Tontechniker und Produzent arbeitet. 2019 wurde ihm ein Kehlkopfkrebs im Endstadium diagnostiziert, den er unerwartet überlebte. Wikipedia (LINK)
(4) Maixabel – Film: Im Jahr 2000 verlor Maixabel Lasa bei einem ETA-Attentat ihren Ehemann, Juan María Jauregui. Elf Jahre später erhielt sie eine ungewöhnliche Anfrage: Einer der verurteilten Mörder schlug ihr vor, sich mit ihr im Gefängnis von Nanclares de la Oca (Araba) zu treffen, wo er seine Strafe verbüßte, nachdem er seine Verbindungen zu ETA abgebrochen hatte. Trotz ihrer Zweifel willigte Maixabel ein. 2021 wurde die Geschichte verfilmt, nachdem in den Vorjahren bereits verschiedene andere Episoden aus der ETA-Zeit in Filme gegossen wurden. Allen gemeinsam ist, dass sie ein einseitiges Bild des Konflikts zwischen dem Staat (der franquistischen Diktatur) und der bewaffneten Organisation darstellen. (LINK)
(5) Itziar Ituño Martínez (Basauri, Bizkaia; 1974) ist eine baskische Schauspielerin und Sängerin, die vor allem durch ihre Rolle als Inspektorin Raquel Murillo in der Antena-3- und Netflix1-Serie “La casa de papel“ sowie durch ihre Rolle in Goenkale bekannt ist, der bisher dauerhaftesten Seifenoper im Baskenland.
(6) In dieser etwas kryptischen Formulierung bezieht sich FM auf den aktuellen Streit in der baskischen Gesellschaft, bei dem es um die Interpretation und Bewertung des Konflikts zwischen ETA und staatlichen Kräften geht (debate sobre el relato) und um die Form, wie dieser Konflikt künftigen Generationen vermittelt werden soll. FM stand immer klar auf der Seite der baskischen Linken, die heute ständig angegriffen und von der gefordert wird, sie müsse sich von ihrer Vergangenheit vollständig distanzieren.
ABBILDUNGEN:
(1) Fermin Muguruza (elplural)
(2) Kortatu (eitb)
(3) Black is Beltza (filmaffinity)
(4) Iñigo Muguruza (wikipedia)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-01-05)