Erfolg ohne Anerkennung
Die erfolgreichste Pelotaspielerin aller Zeiten zieht sich im Alter von 44 Jahren aus den Turnier-Wettkämpfen ihres Verbands zurück. Bei den im Oktober 2018 in Barcelona stattfindenden Weltmeisterschaften des baskischen Pelota will sie nicht mehr teilnehmen. Hinter ihr liegt eine beispiellose Karriere von Erfolgen. Die fanden dennoch keinen gesellschaftlichen oder mediatischen Wiederhall. Maite Ruiz hat alles gewonnen, was es in dieser Sportart zu gewinnen gibt. Dennoch ist sie weithin unbekannt.
Maite Ruiz de Larramendi hat alles gewonnen, was es für Frauen im Pelota-Sport zu gewinnen gibt. Dennoch blieb sie weithin unbekannt. Denn das baskische Pelotaspiel ist weitgehend eine Männerdomäne.
(2018-06-19) Wenn Maite Ruiz de Larramendi nach ihren Siegen gefragt wird, beginnt sie aufzuzählen. Dabei verliert sie schnell den Überblick: „Ich habe sieben Medaillen gewonnen in den sieben Weltmeisterschaften, die ich gespielt habe. Beim Weltcup vier Mal Gold und zwei oder dreimal Silber. Bei Europameisterschaften etliche Medaillen, ich erinnere mich nicht, wieviele es waren. Bei den Spanischen Open ebenfalls ziemlich viele“. (1) Zweifellos eine beeindruckende Erfolgserie. Doch verhalf dieser Erfolg der Sportlerin aus Navarra nicht zu großer Berühmtheit, er reichte nicht aus, Maite vom Amateursport zum Profisport zu bringen.
Fünfundzwanzig Jahre lang hat sie Trophäen in Empfang genommen. Die einzig relevante finanzielle Unterstützung in dieser Zeit war ein Stipendium in Höhe von insgesamt 2.000 Euro auf vier Jahre verteilt. „Und was sollte ich damit anfangen?“ kommentiert sie heute. Vor Kurzem gab Maite Ruiz ihren Teil-Rückzug bekannt. Nach einem Vierteljahrhundert aktiver Jahre will sie sich aus der „Selección de Pelota Vasca“ (Baskische Pelota Auswahl) zurückziehen und wird bei den Weltmeisterschaften in Barcelona im Oktober 2018 nicht mehr teilnehmen.
Eine Pionierin in der Vergessenheit
Es dürfte schwierig sein, eine andere aktive Sportlerin im Land zu finden, die so viele Titel gewonnen hat und gleichzeitig so wenig bekannt ist. Ihr Fall ist ein besonderer. Zum einen wegen ihres Alters (sie ist 44 Jahre alt). Zum anderen, weil sie sich einem Sport widmet, der von Männern monopolisiert ist: sowohl bei der Zahl der Aktiven, wie auch beim Zuspruch der Zuschauer*innen. „Es ist mir gleichgültig, wenn sie nicht wissen, wer ich bin. Aber nicht egal ist mir die Ignoranz gegenüber dem weiblichen Pelota. Es ist ein attraktiver Sport und wir geben alles“, bedauert sie, ohne ihren heiteren Gesichtsausdruck zu verlieren. „Sie sollen uns gefälligst nicht Mannsweiber nennen oder mit anderen despektierlichen Begriffen belegen“.
Die Titel, die sie in ihrer Karriere gesammelt hat, reichten nicht aus, um Profi-Spielerin zu werden und vom Sport zu leben. Ihr Einkommen verdient sie als Spezialistin für Diagnostische Radiologie im Krankenhaus Virgen del Camino in Iruñea (spanisch: Pamplona). Wenn Maite einen Titel gewinnt, bekommt sie nichts als einen Pokal und eine Txapela, die übliche Baskenmütze für die Gewinnerinnen (2). „Die Txapela ist nicht einmal bestickt, wie das sonst bei Siegerehrungen üblich ist. Sie trägt lediglich einen Aufkleber, der sich schnell wieder ablöst“, erzählt sie. „Bei einem Schaukampf bekomme ich 100 Euro, während ein Mann, der bereits nicht mehr aktiv ist, 1.000 Euro bekommt“. Selbst die Reisekosten muss sie in den meisten Fällen selbst tragen. „Vor fünf Jahren gab der Verband jeder Spielerin, die ins Halbfinale oder Finale der spanischen Meisterschaften kam, ganze neun Euro. Das war alles, was sie uns an Unterstützung zukommen ließen für ein Turnier, das von Donnerstag bis Sonntag in Valencia ausgetragen wurde. Was soll ich damit bezahlen? Das Hotel vielleicht?“
Erfolg ja, Anerkennung nein
Maites Situation unterscheidet sich komplett von jener vor hundert Jahren. Damals füllten sich bei Spielen der Raquetistas die großen Frontons von Madrid und in Argentinien, Uruguay, Mexiko und den USA. Raquetas waren bespannte Schläger, ähnlich wie beim Tennis, deshalb wurden die Spielerinnen Raquetistas genannt. Bei Männern wie bei Frauen wurden durch Wetteinsätze hohe Preisgelder erzielt. In der Folge wurden diese Frauen zu den ersten weiblichen Profi-Sportlerinnen Europas. „Die wenigen aus jener Zeit, die noch leben, können kaum glauben, in welcher Situation wir Spielerinnen uns heutzutage befinden. Vor Jahren wurde uns gesagt, der Starkoch und Pelotamäzen Karlos Arguiñano (3) hätte möglicherweise Interesse. Nur leider gäbe es nicht genug Spielerinnen. Was wir brauchen, sind Sponsor*innen und Leute, die sich reinhängen und für die Sache arbeiten“, erklärt Maite. „Eine Spielerin des erfolgreichen Frauen-Handballclubs Bera-Bera aus San Sebastián sagte einmal, uns würden Erfolge fehlen. Dabei frage ich mich, was ich denn noch gewinnen soll. Wo ich doch schon alle Titel gewonnen habe!“
Schon immer mit dem Ball gegen die Wand
Maite Ruiz de Larramendi wurde in der kleinen Gemeinde Eulate in Navarra geboren, am Fuße der Sierra de Urbasa, nahe der Grenze zur baskischen Region Alava. In solchen Orten verbringen Kinder ihre Freizeit nicht etwa auf Fußball- oder Kinderspielplätzen. Treffpunkt sind hier die Frontons – grün gestrichene, rechteckige Areale mit zwei oder drei Wänden, auf denen Pelota gespielt wird. „Seit ich laufen lernte hatte ich immer einen Ball in der Hand, den ich gegen Wände schlug, in der Küche, im Hausflur, wo auch immer. Mit acht Jahren begann ich im Club zu spielen. Damals spielten wir alle gegen alle, ohne Einteilung in Mädchen und Jungen. Ich habe die Meisterschaft von Euskadi gewonnen, wurde zweite bei den Navarra-Meisterschaften und in einem Halbfinale gewannen wir sogar gegen Rubén Beloki (4), der später ein erfolgreicher Pelota-Profi wurde.“
Mit 14 Jahren aussortiert
Aber Maites Karriere wurde mit 14 Jahren jäh unterbrochen. Vom 14. bis 18. Lebensjahr wurde sie nicht mehr für Turniere nominiert. „Die Verantwortlichen sagten zu meinem Vater, ich würde mir als Frau die Hände verderben. Ich sollte mir was anderes suchen, zum Beispiel Akkordeon spielen. Ab da nahmen sie mich aus der Liste“. Vier Jahre lang ging das so, bis ihr großer Mentor Adon Larrión sich erinnerte, dass es in Eunate ein Mädchen mit großem Talent gegeben hatte und sich mit Maites Eltern in Verbindung setzte. „Meine Mutter meldete mich sofort zur Aufnahmeprüfung an, ohne mich zu fragen. Meine Eltern unterstützten mich immer. Sie merkten, dass mir etwas felhlte und ich ziemlich traurig war“, erzählt sie. Ihre Rückkehr in die Wettbewerbe war allerdings mit einem Kategoriewechsel verbunden. Ab sofort spielte sie nicht mehr mit den Händen (pelota mano, oder esku pilota), sondern Pelota mit dem Holzschläger (pelota pala). Zusammen mit der Pelota-Spielerin Susana Muneta sowie mit Adon und dessen Frau begann Maite wieder zu trainieren. Auch mit Jungs. Das war gut für uns, weil es uns stärker forderte. Die beiden jungen Frauen meldeten sich für die ersten Wettbewerbe an. Es dauerte nicht lange bis sich die ersten Erfolge einstellten. Mit 19 Jahren nahm Maite an ihrer ersten Sub-22-Weltmeisterschaft teil und gewann Bronze.
Wechsel der Pelota-Varianten
Die offiziellen Turniere spielt Maite in der Frauenliga, aber bei Freundschaftsspielen scheut sie keine männlichen Gegner. Beim Wettbewerb ihres Clubs Oberena in Pamplona, stellte sie zusammen mit ihrer früheren Schülerin Uxue das einzige weibliche Paar. Dabei ist sie doppelt so alt wie ihre Partnerin. „Was Pelota betrifft ist Maite meine Mutter“, bestätigt Uxue.
Kürzlich spielten die beiden in einem Trinquete-Turnier gegen zwei Männer. Trinquete-Frontons sind im Baskenland eher selten, sie haben (mit Squash vergleichbar) vier Wände, sodass die Bälle an mehr Flächen abprallen können und weniger berechenbar sind (siehe Foto). Die Variante wird auch Argentinisches Pelota genannt, weil sie im Cono Sur besonders beliebt ist. Zusätzliches Hindernis im Trinquete ist die lang gezogene Hütte an der linken Wand, auf deren Dach der Ball ebenfalls landen kann. Weil mit Holzschlägern gespielt wird entwickelt sich im Trinquete ein überraschendes, unterhaltsames und schnelles Spiel, weshalb zum Schutz teilweise Brillen und Helme benutzt werden.
Die beiden Frauen begannen die Partie gut, machten ein paar entscheidende Fehler und verloren. Eine Woche später jedoch gewann Maite den letzten navarrischen Titel, der ihr noch fehlte. Sie gewann gegen ihre 15-jährige Nichte Olatz das Finale im Pelota Mano (Handpelota) – vor einigen Jahren hatte sie diese Disziplin wieder aufgenommen. „Wir hatten beide klar, dass ich sie nicht gewinnen lassen würde“, stellt sie nüchtern fest.
Abschied auf Raten
Eigentlich war Maite bereits in die Vorauswahl für die Pelota-Weltmeisterschaft in Barcelona im Herbst 2018 aufgenommen. Doch nun hat sie entschieden, nicht teilzunehmen. Der Grund: sie ist nicht mit der Liste des Verbands einverstanden. „Einmal mehr wurden nicht alle nominiert, die es verdient gehabt hätten“, kritisiert sie. Mit dieser Entscheidung kam die Frage ins Spiel, ob dies nun der erste Schritt sei, in Zukunft gar nicht mehr an Wettkämpfen teilzunehmen und ihren sportlichen Abschied einzuleiten. Maites Antwort auf diese Frage ist ein klares NEIN.
ANMERKUNGEN:
(1) Alle Zitate stammen aus dem Artikel “La campeona de todo ignorada por todos” von Lorenzo Calonge (Alles gewonnen, von allen ignoriert), erschienen in der Tageszeitung El Pais am 3. Juni 2018. Übersetzt und ergänzt von Baskultur.info. (Link)
(2) Txapela ist der baskische Name für die legendäre Baskenmütze. Bei Turnieren oder Wettbewerben, die auf baskisch „Txapelketa“ genannt werden, bekommen Sieger*innen eine Txapela auf den Kopf gesetzt, die mit dem Namen des gewonnenen Wettbewerbs bestickt ist. Nicht nur im Bereich des Sports, sondern auch im kulturellen Bereich (Bertsolaris, Hirten-, Käse-, Hunde- und Viehwettbewerbe). Die Gewinner*innen sind deshalb die „Txapeldunak“, also jene, die den Sieg in Form der Baskenmütze auf ihrem Haupte tragen.
(3) Karlos Arguiñano Urkiola (* 1948) ist ein bekannter baskischer Koch und Unternehmer mit eigenem Restaurant in Zarautz. Er unterhält eine Gastronomieschule und macht seit 1991 im Fernsehen mehrere Kochsendungen. Außerdem hat er in Kinofilmen mitgewirkt und ist Hauptaktionär des Unternehmens Asegarce, ein privates Unternehmen zur Förderung der Austragung von Pelota-Spielen. Neben Asegarce gibt es mit Aspe ein zweites Unternehmen, beide organisieren die Turniere des baskischen Hand-Pelota. Alle Profispieler sind bei einem dieser beiden Unternehmen angestellt.
(4) Rubén Beloki Irribarren (*1974, Burlada, Navarra) war ein erfolgreicher Pelotaspieler. Mit 18 Jahren feierte er sein Debüt als Profi bei den olympischen Spielen in Barcelona mit einer Goldmedaille, als die Disziplin „Pelota Vasca“ erstmals als Schaukampf zu sehen war. Bevor er sich im Jahr 2011 37-jährig aus dem Profilager zurückzog, hatte er viele bedeutende Titel gewonnen: Darunter vier Mal den Manomanista-Wettbewerb (1995, 1998, 1999, 2001) und zweimal die Meisterschaft im Doppel (Campeonato de mano parejas, 1996 und 2003). In dieser Disziplin erreichte er weitere fünf Mal das Finale.
ABBILDUNGEN:
(1) Maite Ruiz (Pablo Lasosa)
(2) Raquetistas 40er Jahre (Diario Vasco)
(3) Manista (Euskal Kultura)
(4) Txapeldunak (mundodeportivo)
(5) Trinquete-Fronton (paleta-argentina)
(6) Cesta Punta (Nekane Vado)
(7) Manista-Spiel (elcomercio)