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Wem sollen wir noch glauben?

Schlossallee verkauft, gehe zurück zur Badstraße. Die vierte Woche Alarmzustand, Ausgangssperre, Einschränkung der Bewegungsfreiheit sollte eigentlich die letzte sein. Doch alle Maßnahmen der Regierung waren so unkoordiniert wie wirkungslos. Das Volk bleibt im Käfig bis zum 26. April. Nicht so Industrie und Bauwesen, die Protagonisten der kapitalistischen Wirtschaft dürfen wieder schweißen und wühlen. Auf Kosten der Beschäftigten. Der Stressfaktor der Sperrzeiten wird zweifellos immens zunehmen.

Coronavirus: Beginn der vierten Woche Alarm im Baskenland fällt zusammen mit der Ankündigung der S-Regierung, den “Ausnahme-Zustand“ zu verlängern. Baskische Seuchenzentren bleiben Gasteiz und Bilbao. Viele Zahlen waren zur Volksunterhaltung gefälscht.

Der Höhepunkt von Ansteckungen und Totenzahlen will und will nicht kommen, nur die Zahlen der als geheilt Entlassenen steigt, was andererseits kein Wunder ist angesichts der hohen Ansteckungsziffer. Aber lassen wir die Zahlen. In den vergangenen Tagen wurden wir einerseits von offizieller Seite damit bombardiert; andererseits haben Expert/innen festgestellt, dass viele dieser Zahlen falsch, manipuliert, relativ, geschönt, ausschließlich und frisiert waren. Die Verlängerung des Alarm-Zustands, den spanische Behörden mit dem Einsatz von Militär (in Iruñea-Pamplona) bereits als Belagerungs-Zustand interpretieren, bedeutet nicht einfach zwei Wochen mehr Einschränkung, Unbeweglichkeit und Eingesperrtsein. Es ist gleichzeitig eine menschliche und psychologische Prüfung erster Klasse, die das Abitur in den Schatten stellt. Für die meisten (die Krieg und Franquismus nicht erlebt haben) etwas Unbekanntes. Nicht alle werden diesem Druck standhalten. Wir alle werden irgendwelche Folgen an Leib, Seele und Gemüt in Kauf nehmen müssen. Außer dem Kapitalismus wird hinterher nichts sein wie vorher.

Es ist also an der Zeit, den von offizieller Seite gelieferten Zahlen nur noch bedingt zu folgen, und das Thema Coronavirus von einer anderen Flanke her zu attackieren. Was bedeutet, das bisherige Informations-Konzept von baskultur.info ist in Frage gestellt. Wir überlassen den künftigen Diskurs der baskischen Existenzialistin und Feministin Olatz Urrats. Schönen guten Sonntag-Morgen, Olatz!

(2020-04-05)

22. Tag Alarm – 6. Woche C19

SINNKRISE

Olatz Urrats: Ebenfalls Guten Morgen! Drei Wochen eingesperrt und die Nachricht, dass es nochmal drei Wochen mehr sein sollen. Das strapaziert meinen Seelenzustand mehr, als ich mir das noch vor einer Woche eingestanden hätte.

covid5bIn den vergangenen drei, vier Wochen sind wir Zahlen gefolgt, um uns ein Bild zu machen von der Katastrophe, die auf uns zukommen könnte. Um Gründe zu haben für Gleichgültigkeit, Dramatik oder Panik. Jedem das Seine. Die Menge an Zahlen hat sich mittlerweile vervielfacht, nach China kamen andere auf die Tagesordnung, Italien, Frankreich, Spanien, USA. Die Statistikerinnen haben nun so viele Daten, dass sie alles vergleichen, widerlegen, hochrechnen, belegen und ich-weiß-nicht-was können. Das Ergebnis: jeden Abend bei der baskischen Teleberri-Tagesschau werden wir zugeschissen mit Zahlen, die wir uns weder merken, noch sie verarbeiten können, weil wir zum Glück noch keine Monitorschädel mit CPU sind und haben. Dieses Bombardement hat ein einziges Ziel: uns davon zu überzeugen, dass der schlimmste Tag bald kommt, dass dann alles ruhiger wird und die Krise vorüber sein soll (bis zur nächsten).

Die Nachrichten verlieren jeden Tag mehr an Informationsgehalt und an Qualität. Letztendlich geht es um dreierlei: 1. Den Höhepunkt herbeireden, je diffuser und unverständlicher die Zahlen, desto länger lässt sich das Publikum hinhalten: “wir hatten ja gestern schon gesagt …“. 2. Das Chaos zu verstecken, das hinter allen Bekämpfungs-Mühen steht und nicht allzu laut anzusprechen, dass der Gesundheits-Notstand nach vielfacher Privatisierung und Kürzung hausgemacht ist.

3. Durch Zahlenspiele Optimismus verbreiten, deutlich machen, dass die anderen alles falsch machen, die eigene Krisenpolitik jedoch die beste der Welt ist. 4. Durchhalteparolen: “dir geht es ja noch relativ gut“ das Privileg-Argument), “der 88-jährige XY hat den Virus überstanden und die Intensivstation verlassen“ (wie gut doch das System funktioniert), Allerweltgeschichten (… konnte seinen Geburtstag nicht feiern) rund um den Virus, oder “zwanzig Feuerwehrleute klatschen zwanzig Krankenschwestern Beifall für ihre Aufopferung“. Theatralisierter Beifall.

ENDLICH SOLIDARISCH!

Gleich nach dem Beginn der No-Go-Sperre bildeten sich in vielen Stadtteilen Solidaritäts-Netze, um Härtefälle abzumildern und niemand auf sich gestellt zu lassen: keine soziale Isolierung. Als Gutmenschin meldete ich mich natürlich sofort, füllte mein Formular aus und war gespannt auf den sicherlich nur kurze Zeit später erfolgenden Einsatzbefehl. Nach zwei Wochen ohne Antwort ging ich davon aus, dass es sich um populistische Überheblichkeit handelte. Umso mehr als ich hörte, dass die Behörden ihre eigenen Freiwilligen-Armeen aufstellten und auf die Basis-Initiativen feindlich reagierten. Ihre Polizei machte Kontrollen, um zu dokumentieren, wie unprofessionell und sogar gefährlich diese Art von direkter Nachbarschafts-Hilfe sei. Ich beschränkte mich also darauf, den Alten bei mir im Haus und die Diabetes-Nachbarin gegenüber mit dem Nötigen zu versorgen, ohne mich deshalb gleich Solidaritätsnetz zu nennen.

covid5b fUmso größer die Überraschung, als ich nach fast drei Wochen überraschend den Stellungsbefehl erhielt (tut mir leid wegen meiner militaristischen Sprache, aber wir befinden uns im Krieg). Eine nette Stimme sagte mir, ich solle zur Apotheke gehen und ein Paket abholen, das ich dann bei Genoveva an der Adresse XY abgeben sollte, das sei ganz in meiner Nähe. Ich also zur Apotheke, und hatte sofort nicht nur eines sondern acht große Pakete Sanitätspapier an den Armen hängen (kein Klopapier übrigens), über deren Verwendung ich mir wenig Vorstellung machen konnte. Ich zog los, fragte mich durch, weil ich die Straße nicht kannte, traf glücklicherweise einen netten Profi-Auslieferer, der mich in einen Aufzug beförderte. Ich klingelte und stand vor dem personifizierten Risikofaktor, will sagen, eine neunzigjährige Dame, die sicher auch ohne Corona nicht mehr häufig auf der Straße war. Höflich legte ich die Ladung ab, verzichtete auf ein angebotenes Trinkgeld, weil es sich doch um Nachbarschaftshilfe handelte. Jeden Tag eine gute Tat.

ZAHLEN WIDER WILLEN

Baskultur: Müssen wir denn wirklich völlig ohne Zahlen auskommen? Okay, die Zahlen sind falsch! Aber innerhalb der falschen Angaben haben sie wahrscheinlich eine innere Logik, eine innere Ordnung, die aussagekräftig sein kann. Oder?

Olatz Urrats: Einverstanden, ihr sollt eure Zahlen haben. Weltweit wären das 1.204.246 Fälle (+85.000), 64.806 Tote (+5.800), 247.000 Dissidenten (+21.000). Im spanischen Staat: 130.759 Fälle (+6.023), 12.418 Tote (+674), 38.080 Dissidenten (+3.861). In Navarra: 3.073 Fälle (+101), 178 Tote (+11). In Euskadi: 8.628 Fälle (+441), 515 Tote (+38), 496 Dissidenten (+62). Der urbane Virus wütet besonders in Gasteiz (2.187 Fälle/ +99), Bilbao (1.383 / +94), Barakaldo (379 / +26), Donostia (361 / +20), Basauri (308 / +10), Getxo (304 / +12), Santurtzi (155 / +10), (Leioa (143 / +6). Wie schon mehrfach erwähnt, ist der Industriegürtel um Bilbao besonders betroffen, da fehlt kein Ortsname, mal abgesehen von Gasteiz.

(2020-04-06)

23. Tag Alarm – 6. Woche C19

covid5cGuten Morgen. Ich habe schlecht geträumt. Meine Eltern waren beide noch am Leben, das war anstrengend. Ich bin froh, dass sie diese Situation nicht mehr erleben mussten, weil die Lage in den Pflegeheimen natürlich echt kacke ist. Anzeichen einer kriegsähnlichen Situation. Die Lage von Alten und Kranken ist mehr als prekär. Krank werden möchte jetzt niemand, nicht mal am Blinddarm, weil die Kliniken mit ihrer jahrelangen Ausrichtung auf Profit bei geringem Personalstand ein einziges Desaster sind. Da stellen sich ein paar Fragen fast von selbst. Zum Beispiel: Warum eigentlich ist das Gesundheitswesen privatisiert? Warum sahnen Unternehmen und Kapital-Gesellschaften ab, während die dort hart Arbeitenden kaum genug zum Überleben kriegen? Warum rasen wir alle durch die Gegend, obwohl sich viele Sachen eigentlich auch ganz gut von zu Hause erledigen lassen? Wer entscheidet, dass trotz Viruskrise Betriebe weiterarbeiten? Warum sollten nicht die entscheiden, die darin arbeiten? Woher kommt "plötzlich" all das Geld, um Zusatzpersonal für Krankenhäuser einzustellen, mehr Arbeitslosengeld zu bezahlen und die kapitalistische Maschinen-Gesellschaft am Laufen zu halten? Warum ist das garantierte Grundeinkommen, das jetzt für alle äußerst hilfreich wäre, angeblich nicht bezahlbar? Warum sollten wir nicht auch ohne Virus die Eigentumsfrage zur Hauptfrage machen? Ondo segi – Olatz.

FERNSEHEN BILDET

covid5c 1Fernsehen kann doch pädagogisch wirken. In den Tagesnachrichten habe ich zwei neue Begriffe gelernt: Asymptomatisch und präsymptomatisch. Selbstverständlich im Zusammenhang mit Coronavirus, was sonst. Sogar die Rechtschreibkorrektur bei Word kennt die Begriffe. Asymptomatisch sind einerseits Leute, die den Virus haben, aber keine der üblichen Symptome zeigen; zum anderen solche, die etwas länger brauchen, bis der Schädling zum Ausbruch kommt, auch präsymptomatisch genannt. Beide Gruppen können das Virus übertragen, so die medizinische Forschung. Vor allem Kinder gehören dazu. Nun gibt es bei den spanischen Behörden Überlegungen, die As und Ps aus dem öffentlichen Leben zu isolieren, in eigens dafür eingerichtete Zentren. Dafür hat die Zentral-Regierung die autonomen Behörden um eine Liste mit geeigneten Gebäuden gebeten. Springender Punkt ist, ob die Isolierung freiwillig sein soll oder behördlich angeordnet werden kann. Eine Rechtsfrage, hier geht es um Grundrechte. Dass die Gruppen die allgemeine Gesundheit bedrohen ist klar. Wie herausgefunden werden soll, wer A und P ist, steht bei der manifesten Knappheit an Tests allerdings in den Sternen. Bedroht ist hier vor allem das Umfeld von Risikogruppen und von offenbar Angesteckten. Agur – Olatz.

ZAHLEN WIDER WILLEN

Wenn es denn stimmt, wären es heute weltweit 1.276.302 Fälle (+72.000), 69.527 Tote (+4.700), 264.000 Dissidenten (+16.000). Im spanischen Staat: 135.032 Fälle (+4.273), 13.055 Tote (+637), 40.432 Dissidenten (+2.357). In Navarra: 3.231 Fälle (+158), 187 Tote (+9), 380 Dissidenten (+46). In Euskadi: 8.810 Fälle (+182), 548 Tote (+33), 496 Dissidenten (+0). Der urbane Virus wütet nach wie vor besonders in Gasteiz (2.250 Fälle/ +63), Bilbao (1.421 / +38), Barakaldo (399 / +20), Donostia (372 / +11), Basauri (328 / +20), Getxo (310 / +6), Santurtzi (157 / +2), (Leioa (147 / +4).

(2020-04-07)

24. Tag Alarm – 6. Woche C19

WERTVOLLE NOSTALGIE

Egunon jendea. Beginnen wir den Tag mit einer positiven Nachricht. Zum ersten Mal kenne ich eine Person persönlich, die sich mit dem Coronavirus angesteckt hat, eine mehr als 70-jährige Frau, die den Virus überstanden hat und sich erholt. Dieser erste “persönliche Fall“ durchbricht sozusagen eine Schallmauer, weil sie eine direkte Verbindung schafft zu den anonymen Zahlen von 1,3 Millionen Angesteckten weltweit und über 9.000 im Baskenland. Es muss was dran sein an den Nachrichten und der Ausgangssperre. Erfreulich, dass der Fall sogar noch ein positives Ende hatte.

covid5c 2Aber was ich eigentlich sagen wollte … Nicht nur die modernen Technologien erleben in Zeiten des Coronavirus ihren Klimax, auch alte Kommunikations-Wege geraten in den nostalgischen Blick. Wenn Gefangene in aller Welt keine Besuche mehr erhalten dürfen, ist (neben dem limitierten Telefon) der Rückgriff auf Briefe und Postkarten ein überaus pragmatischer Weg. Baskinnen und Basken haben es dabei enorm schwer, im Prinzip schreiben sie nur, wenn sie mit einem Fuß über dem Abgrund stehen. In meinem Erwachsenen-Leben habe ich etwa 20 von baskischen Händen geschriebene Briefe erhalten, alle waren von Gefangenen, von politischen Gefangenen.

Vergangene Woche rief ich beim Vater des Gefangenen an, den ich jeden Herbst besuche. Dazu muss erklärt werden, dass jeder Gefangene pro Halbjahr eine Liste mit zehn Personen angeben kann, die zu Besuch kommen. Weil dafür oft bis zu 1000 Kilometer Weg zurückzulegen sind, ist Abwechslung unter den Besucherinnen wichtig. Für die direkten Angehörigen gilt die Liste nicht. Mein gefangener Freund hat bereits zwanzig Jahre hinter sich. Vergangenen Herbst gab es für ihn eine ausgesprochen gute Nachricht: sein Haftstatus wurde vom dritten in den zweiten Grad umdefiniert (keine Gefährlichkeit mehr), das eröffnete die Möglichkeit zu kurzen Besuchen im Baskenland bei der Familie. Wie der erste Bohnenkaffe nach dem Krieg! Drei vier Mal konnte er schon Wochenendbesuche machen, bis nun der Virus dazwischenkam. Ein neuer Stressfaktor. Der Vater alt und Risikoperson, der Knast isoliert und Risiko-Umgebung, nur noch telefonischer Kontakt mit der Familie, immerhin mehr Minuten als bisher. Bleibt nur der Postweg – an dieser Stelle ein Gruß an alle Briefträgerinnen der Welt!

INHALIEREN BITTE!

covid5c 3Auch ich kam zu dem Vergnügen, Post zu erhalten, aus Germany, ein alter Freund aus Studienzeiten schrieb mir Folgendes: “Das Wasser ist trüb, die Luft ist rein, Franz Josef muss ertrunken sein – las ich vor vierzig Jahren an einer Klowand in einer Fabrik, wo ich mir nach dem Abitur den Lebensunterhalt verdiente. Gemeint war der Pinochet-Freund Strauß. In Zeiten des Coronavirus ist nicht nur die Luft zum Atmen besser geworden, auch beim Flusswasser steigt die Qualität. Wie konnte das Kommen? Die Erklärung ist so einfach wie tragisch. Weniger Autos und Fabriken. Wo keine Verschmutzung stattfindet, weder oben noch unten, verbessert sich die Qualität der Umwelt. In Abwesenheit der Tourismus-Millionen meldet Venedig kristallines Wasser, Fische sollen gesehen worden sein. Feinstaub-Krisenzentren überall melden Entwarnung, weil der Autoverkehr drastisch eingeschränkt ist. Die Dunstglocken in Kesselstädten wie Stuttgart oder Bilbao sind Vergangenheit. Schade um alle, die das nicht erleben. Wir hätten es billiger haben können.“ Dem kann ich nur zustimmen, Entschleunigung ist angesagt, ein langsameres, aber intensiveres Leben. Über die baskischen Medien sehen wir Rehe vor Krankenhäusern, Wildschweine auf Kinderspielplätzen, Entenfamilien wie sie Verkehrsinseln umrunden, Füchse auf Schulhöfen spazieren gehen. Die Natur kehrt zurück in ihre ursprünglichen Reviere, die die menschliche Zivilisation kolonisiert hatte. Wahrscheinlich nur kurzfristig. Dennoch erstaunt die Schnelligkeit der Entwicklung. Vielleicht sollten wir nach der Krise drei, vier, fünf Mal im Jahr komplette Wochenenden zu Hause bleiben, freiwillig und ohne Virus, in häuslichen Lernseminaren. Von mir aus auch zehn Mal, mit den geeigneten Freundinnen. Vielleicht. Olatz.

KATASTROPHISMUS

Ist nicht meine Sache, ganz und gar nicht, ich bin eher Optimistin, auch wenn die Vorzeichen nicht so günstig sind. Derzeit sprießen die Katastrophen-Phantasien wie die ersten Kirschblüten, nachts zwischen den Krimiserien (Hawai-5-0 und Autobahnpolizei) bietet eine schrullige Vieloperierte neben einer Weltkugel ihre transzendentalen Weisheiten feil und empfiehlt dem nächtlichen Publikum, sich in der Not doch an sie zu wenden. Esotherik der billigsten Art, Katastrophismus, der verboten werden müsste.

Beim Kramen in meiner Katastrophen-Erinnerung bin ich auf ein Werk gestoßen, dass eigentlich aus der Feder von Hans-Dieter Hüsch stammen muss. Tut es aber nicht! Sie kannten Hüsch nicht? Diesen singenden niederrheinischen Kotzbrocken, dessen Texte ätzender waren als Ameisensäure. Ähnlich wie der Text, der nicht vom Niederrhein kommt, sondern aus dem Drei-Seen-Land, er geht derart ins Detail, dass wir uns ein Schmunzeln sicher nicht verkneifen können. Grüezi mitanand!

covid5c 4Der Weltuntergang, meine Damen und Herren, wird nach dem, was man heute so weiß, etwa folgendermaßen vor sich gehen. Am Anfang wird auf einer ziemlich kleinen Insel im südlichen Pazifik ein Käfer verschwinden. Ein unangenehmer und alle werden sagen, Gottseidank ist dieser Käfer endlich weg. Dieses widerliche Jucken, das er brachte. Und er war immer voller Dreck. Wenig später werden die Bewohner dieser Insel merken, dass am Morgen früh, wenn die Vögel singen, eine Stimme fehlt. Eine hohe, eher schrille, wie das Zirpen einer Grille, die Stimme jenes Vogels, dessen Nahrung – es ist klar – der kleine dreckige Käfer war.

Wenig später werden die Fischer dieser Insel bemerken, dass in ihren Netzen eine Sorte fehlt. Jene kleine aber ganz besonders zarte, die – hier muss ich unterbrechen und erwähnen, dass der Vogel mit der eher schrillen Stimme die Gewohnheit hat oder gehabt haben wird, in einer langen Schlaufe auf das Meer hinauszukehren und während dieses Fluges seinen Kot zu entleeren – und für die kleine, aber ganz besonders zarte Sorte Fisch war dieser Kot: das tägliche Brot!

Wenig später werden die Bewohner des Kontinents, in dessen Nähe die ziemlich kleine Insel im Pazifik liegt, bemerken, dass sich überall an den Bäumen, auf den Gräsern, an den Klinken ihrer Türen, auf dem Essen, an den Kleidern, auf der Haut und in den Haaren, winzige schwarze Insekten versammeln, die sie niemals gesehen und sie werden's nicht verstehen. Denn sie können ja nicht wissen, dass die kleine aber ganz besonders zarte Sorte Fisch, die Nahrung eines größeren gar nicht zarten Fisches war, welcher seinerseits nun einfach eine andere Sorte jagte, einen kleinen gelben Stichling von selbem Maß, der vor allem diese schwarzen Insekten fraß!

Wenig später werden die Bewohner Europas, also wir, merken, dass die Eierpreise steigen und zwar gewaltig und die Hühnerfarm-Besitzer werden sagen, dass der Mais, aus dem ein Großteil des Futters für die Hühner besteht, vom Kontinent, in dessen Nähe die ziemlich kleine Insel im Pazifik liegt, plötzlich nicht mehr zu kriegen sei, wegen irgendeiner Plage von Insekten, die man mit Giften erfolgreich abgefangen, nur leider sei dabei auch der Mais draufgegangen!

Wenig später jetzt, geht es immer schneller, kommt überhaupt kein Huhn mehr auf den Teller. Auf der Suche nach Ersatz für den Mais im Hühnerfutter, hat man den Anteil an Fischmehl verdoppelt. Doch jeder Fisch hat heutzutage halt seinen ganz bestimmten Quecksilber-Gehalt! Bis jetzt war er tief genug, um niemand zu verderben, doch nun geht's an ein weltweites Hühnersterben!

Wenig später werden die Bewohner jener ziemlich kleinen Insel im südlichen Pazifik erschreckt vom Ufer in die Häuser rennen, weil sie das was sie gesehen haben, absolut nicht kennen. Die Flut hat heute – und dazu muss man bemerken: der Himmel war blau und Wind gab es keinen und der Wellengang war niedrig, wie stets bei schönem Wetter. Und trotzdem lagen heute Nachmittag die Ufer der Insel unter Wasser. Und natürlich wusste niemand, dass am selben Tage auf der ganzen Welt die Leute von den Ufern in die Häuser rannten und die Steigung des Meeres beim Namen nannten!

Wenig später werden die Bewohner jener ziemlich kleinen Insel im südlichen Pazifik von den Dächern ihrer Häuser in die Fischerboote steigen, um in Richtung jenes Kontinents zu fahren, wo seinerzeit die Sache mit dem Mais passierte. Doch auch dort ist das Meer schon meterhoch gestiegen und die Städte an der Küste und die Häfen, die liegen schon tief unter Wasser. Denn die Sache ist die, man musste das gesamte Federvieh, also sechs Milliarden Stück, vergiftet wie es war, verbrennen und der Kohlenstaub, der davon entstand, gab der Atmosphäre – durch Wärme und Verbrennung schon bis anhin strapaziert – den Rest. Sie ließ das Sonnenlicht wie bisher herein, aber nicht mehr hinaus, wodurch sich die Luft dermaßen erwärmte, dass das Eis an den Polen zu schmelzen begann. Die Kälte kam zum Erliegen und die Meere stiegen!

Wenig später werden die Leute, die mittlerweile in die Berge flohen, hinter den Gipfeln weit am Horizont ein seltsam fahles Licht erblicken. Und sie wissen nicht, was sie denken sollen, denn man hört dazu ein leises Grollen. Und wenn einer der Älteren jetzt vermutet, dass nun der Kampf der Großen beginnt um den letzten verbleibenden Raum für ihre Völker, da fragt ein anderer voller Bitterkeit: "Wie, um Himmels willen, kam es soweit?"

Tja meine Damen und Herren: Das Meer ist gestiegen, weil die Luft sich erwärmte. Die Luft hat sich erwärmt, weil die Hühner verbrannten. Die Hühner verbrannten, weil sie Quecksilber hatten. Quecksilber hatten sie, weil Fisch gefuttert wurde. Fisch hat man gefuttert, weil der Mais nicht mehr kam. Der Mais kam nicht mehr, weil man Gift benutzte. Das Gift musste her, weil die Insekten kamen. Die Insekten kamen, weil ein Fisch sie nicht mehr fraß. Der Fisch fraß sie nicht, weil er gefressen wurde. Gefressen wurde er, weil ein anderer krepierte. Der andere krepierte, weil ein Vogel nicht mehr flog. Der Vogel flog nicht mehr, weil ein Käfer verschwand. Dieser dreckige Käfer der am Anfang stand!

Bleibt die Frage, stellen Sie sie unumwunden: Warum ist denn dieser Käfer verschwunden? Das, meine Damen und Herren, ist leider noch nicht richtig geklärt. Ich glaube aber fast er hat sich falsch ernährt! Statt Gräser zu fressen, fraß er Gräser mit Öl. Statt Blätter zu fressen, fraß er Blätter mit Ruß. Statt Wasser zu trinken, trank er Wasser mit Schwefel – so treibt man auf die Dauer an sich selber eben Frevel!

Bliebe noch die Frage, ich stell' mich schon drauf ein: Wann wird das sein? Da kratzen sich die Wissenschaftler meistens in den Haaren, sie sagen in zehn, in zwanzig Jahren, in fünfzig vielleicht oder auch erst in hundert! Ich selber habe mich anders besonnen. Ich bin sicher, der Weltuntergang, Meine Damen und Herren, hat schon begonnen!

ZAHLEN WIDER WILLEN

Wenn es denn stimmt, wären es heute weltweit 1.350.523 Fälle (+74.000), 74.856 Tote (+5.300), 285.000 Dissidenten (+21.000). Im spanischen Staat: 140.510 Fälle (+5.478), 13.789 Tote (+743), 43.208 Dissidenten (+2.771). In Navarra: 3.355 Fälle (+124), 202 Tote (+15), 421 Dissidenten (+41). In Euskadi: 9.021 Fälle (+211), 586 Tote (+38), 3.728 Dissidenten (+163). Der urbane Virus wütet nach wie vor besonders in Gasteiz (2.302 Fälle/ +52), Bilbao (1.439 / +18), Barakaldo (406 / +7), Donostia (381 / +9), Basauri (329 / +1), Getxo (313 / +3), Santurtzi (160 / +3), (Leioa (148 / +1).

(2020-04-08)

25. Tag Alarm – 6. Woche C19

DER WELTUNTERGANG

Gut geschlafen? Ich weiß, natürlich bin ich noch die Auflösung des Weltuntergangs schuldig! Eigentlich einfach, das auch ohne mich herauszukriegen: du kopierst irgend einen Satz aus dem Weltuntergang, machst eine Suche im Internet und es erscheint: nein, auch nicht Ludwig Hirsch, aber schon näher, die Lach- und Schieß hatte zu wenig Musik dafür und der E wie Emil hatte nicht genug Tiefgang. Dafür aber denselben schweizer Pass. Noch nie was von Franz Hohler gehört? “Schließlich war schon bei Dante – die Hölle das Interessante!“ Damit wären wir wieder bei den aktuellen infernalen Geschichten wie dem Krieg um die Masken und der heftig kritisierten baskischen Krisenpolitik.

covid5d 1Es hört sich an wie Untergrund-Journalismus: “In einem internen Schreiben (das dieser Redaktion vertraulich zuging) ordnet die Gesundheitsbehörde Osakidetza an, dass alle Angestellten mit Atem-Symptomen, die auf Coronavirus hindeuten könnten, wie Husten, die aber kein Fieber haben, zur Arbeit gehen sollen, mit dem Risiko der Ansteckung anderer Kollegen und Patienten“. Daraus ist zu schließen, dass immer noch das Personal knapp ist. Verglichen mit dem Versuch der Zentral-Regierung, die asymptomatischen Virusträger*innen zu isolieren, geht der baskische Weg genau in die Gegenrichtung. Viele Gesundheits-Angestellte beklagen das Fehlen von ausreichender Schutz-Ausrüstung, auch auf der Straße. Die Gewerkschaften sind ständig mit Überwachung und Reklamation von Missständen beschäftigt, improvisieren Pressekonferenzen und klagen gegen konkrete Maßnahmen. Unter einer überlegten und überlegenen Krisenarbeit stelle ich mir etwas anderes vor.

Wichtigstes Anliegen der Autonomie-Regierung ist nach wie vor, die Industrie so schnell wie möglich auf 100% zu fahren, auch wenn das gegen die Wand geht. Auch dort besteht eine deutliche Tendenz zum Autoritarismus, weit entfernt von der behaupteten Transparenz. Das Parlament, eigentlich demokratische Instanz, wurde außer Kraft gesetzt, übrig ist eine Kommission, die medial verbunden ist. Diese Rest-Kommission dürfe nicht zum Ort für tägliche Debatten werden, so der Kommentar aus der zweiten Reihe regierenden Christdemokraten (PNV). Was nichts anderes als das Ende jeglicher parlamentarisch-demokratischen Kontrolle bedeutet. Wir befinden uns in einem vor-totalitären Zustand, über dessen Existenz sich kaum jemand bewusst ist. Bezeichnend ist dabei, dass dieselbe PNV in Madrid ihre Stimmen der postfranquistischen PP angeschlossen hat, um genau das zu beantragen, was sie “zu Hause“ unbedingt vermeiden will: parlamentarisch-demokratischen Kontrolle. Opportunismus in reinster Form.

(PS. Den Weltuntergang gibt es auch als Audio im Internet, empfehlenswert in jedem Fall). Good day sunshine! Olatz

ZAHLEN OHNE DUNKELZIFFERN

Vielleicht sind die Zahlen zu schrecklich, die weltweiten Angaben fehlen heute in den baskischen Medien, zu finden sicher bei der Welt-Gesundheits-Organisation WHO. Im spanischen Staat: 146.690 Fälle (+6.180), 14.558 Tote (+760), 48.021 Dissidenten (+4.813). In Navarra: 3.467 Fälle (+112), 206 Tote (+4), 495 Dissidenten (+74). In Euskadi: 9.452 Fälle (+431), 638 Tote (+52), 4.151 Dissidenten (+423). Der urbane Virus wütet nach wie vor besonders in Gasteiz (2.326 Fälle/ +24), Bilbao (1.520 / +81), Barakaldo (426 / +20), Donostia (398 / +17), Basauri (337 / +8), Getxo (323 / +10), Santurtzi (179 / +19), Leioa (152 / +4).

(2020-04-09)

26. Tag Alarm – 6. Woche C19

DURSTSTRECKE

Guten Morgen. Vergangene Nacht um halb drei erhielt ich einen Anruf, ich war noch wach. Es war die alte Nachbarin aus dem vierten Stock, sie war gefallen und ihre Begleiterin konnte sie nicht hochheben. Drei Etagen höher erwartete mich das Dilemma: kein Körperkontakt mit niemand – oder Hilfe in der Not. Wäre die erste Option in Frage gekommen, hätte ich mich gar nicht erst auf den Weg gemacht. Mit etwas Mühe brachte ich die Señora wieder auf die Beine. Eskerrik asko! Es spricht für sich, dass ausgerechnet ich angerufen wurde, die Outsiderin und nicht die 20 anderen, die hier im Haus wohnen. Ausnahmesituationen machen – wie sonst nie – deutlich, in welch defekten sozialen Beziehungen wir leben. Dennoch Zweifel: könnte es ein Fall von Übertragung gewesen sein … hin oder her …

covid5e 4Fünf harte Tage stehen uns bevor. Zwei Feiertage (hier auch Gründonnerstag), ein kleiner kommerzieller Zwischenstopp am Samstag und nochmal zwei Feiertage. Wer halbwegs gut geplant hat, zeichnet sich durch den Besitz eines vollen Kühlschranks aus. Meine Strategie war erneut erfolgreich, trotz langer Schlangen vor den Supermärkten musste ich kein einziges Mal anstehen. Die Baskinnen und Basken tendieren zum 0815-Verhalten: alle machen alle gleich und zur selben Zeit. Beim Marokkaner im Arbeiterviertel gab es keine Schlange, der Service war sicher freundlicher als in allen Supermärkten der Stadt. Selbst beim Schlecker-Nachfolger durfte ich direkt an die Regale – nebenan vor dem Bioladen standen mehr als zwanzig. Zudem habe ich noch Reste von meinem “untergründigen“ Gemüsekorb von letzter Woche, ein Direktvertrieb von Freundinnen, die sich nur noch halb-legal durch die Landstraßen bewegen. Ihr Anbau liegt bei Gernika, Gemüse gemäß der Jahreszeit, dazu bestes Brot von einem anderen Kleinproduzenten. Wir drücken die Daumen, dass am kommenden Samstag keine Polizeikontrolle wartet. Weil …

VON SPINAT UND ECHTEN RADIESCHEN

Die Entscheidung der baskischen Regierung ist eine Schande. Am 6. April haben sie ein Dekret rausgegeben, mit dem alle Landwirtschaftsmärkte und der Direktverkauf von Bäuerinnen verboten wurde – obwohl auf diesen Märkten die Schutzvorschriften strengstens eingehalten wurden. Gleichzeitig wird uns eine “Alternative“ geboten, nämlich: unsere Produkte über die Eroski-, Carrefour- und Ubesco-Supermärkten zu verkaufen, also bei all jenen, die weder würdige Preise noch würdige Bedingungen garantieren. Und wenn der Alarm-Zustand erst einmal vorbei ist, sollen völlig restriktive Bedingungen herrschen. All das im Namen der Gesundheit. Dabei sind die Supermärkte weit entfernt von minimalen vernünftigen Maßnahmen, zum Beispiel das Anfassen von Produkten, die anschließend andere kaufen … Was steht für uns auf dem Spiel? Welches Konsum- und Wirtschaftsmodell wird hier vertreten?

covid5e 3Für die Arbeitgeber ist Flexibilisierung trotz Ausgangssperre erste Bürgerpflicht, sie zwingen zur Arbeit in einer Fabrik mit 1.000 Beschäftigten – aber in einem kleinen Markt mit Sicherheitsabstand unter den Kundinnen darf nicht eingekauft werden! Wo bleiben die Rechte der Konsumentinnen, frei auszuwählen, welche Lebensmittel wir kaufen und über welches Produktionsmodell? Jahrzehntelang wurde von dieser Regierung eine destruktive Landwirtschafts- und Lebensmittel-Politik betrieben: intensiver Anbau, Zentralisierung, Monopolbildung, Industrialisierung der Landwirtschaft. Nie wurde das offen propagiert, nun ist es so offensichtlich wie nie zuvor. All jene Regierungen sind verantwortlich für das Verschwinden des Sektors Land- und Viehwirtschaft, die letzte Dekret war lediglich ein weiterer Schritt in diese Richtung. – Der vorliegende Text stammt nicht aus meiner Feder, auch wenn ich ihn zu 100% unterschreiben würde. Industrielle, kapitalistisch orientierte Landwirtschaft, Viehwirtschaft und Lebensmittel-Produktion führt zu Krisen wie wir sie aktuell erleben: Pandemien, Rinderwahn, Vogelgrippe, Schweinepest. Ökologische Null-Kilometer-Produktion ist nicht gefragt – dennoch wird sie sich Bahn brechen, in der Nach-Virus-Zeit mehr denn je. Radikal-ökologische Grüße - Olatz.

ZAHLEN OHNE GEGENPROBE

Im spanischen Staat: 152.446 Fälle (+5.756), 15.238 Tote (+680), 52.165 Dissidenten (+4.144). In Navarra: 3.467 Fälle (+112), 206 Tote (+4), 495 Dissidenten (+74). In Euskadi: 9.806 Fälle (+354), 680 Tote (+51), 4.514 Dissidenten (+363). Der urbane Virus wütet nach wie vor besonders in Gasteiz (2.391 Fälle/ +65), Bilbao (1.593 / +73), Barakaldo (466 / +40), Donostia (411 / +13), Basauri (341 / +4), Getxo (339 / +16), Santurtzi (186 / +7), Leioa (158 / +6). Gemeinden ohne Coronavirus: in Araba 7 Orte, in Bizkaia 8 Orte, in Gipuzkoa 14 – alles ländliche Gebiete ohne dichte Ortskerne.

(2020-04-10)

27. Tag Alarm – 6. Woche C19

ZWEITE VERLÄNGERUNG IN SICHT

Noch genau 16 Tage Alarm-Zustand stehen uns bevor und bereits jetzt ist eine weitere Verlängerung angekündigt. So der Chef der Zentralregierung gestern. Um ehrlich zu sein, die Nachricht schockiert mich nicht, nach dem Chaos bei der Virus-Bekämpfung ist sie eher logisch. Auch schockiert mich nicht die Vorstellung, weiter ein oder zwei Wochen eingesperrt zu sein. Dadurch wird immerhin der Zeitpunkt hinausgeschoben, an dem wir zur Normalität zurückkehren, einer neuen Normalität, einer Schein-Normalität. Vor deren Charakter habe ich tatsächlich ziemlich Respekt, wenn nicht sogar Angst. Weil sie unkalkulierbar ist. Wirtschaftliche Konsequenzen sind schmerzhaft, aber kalkulierbar, die menschliche Seite nicht. Es wird neue individualisierte Umgangsformen geben (müssen), von denen es heißen wird, sie seien vorläufig. Bis wir uns eines Tages bewusst werden, dass sie doch mehr als vorläufig waren, sich aber verewigt haben.

covid5f 1AUTORITARISMUS

Die Zentral-Regierung sucht nach legalen Wegen die Asymptomatischen – ich hatte bereits erklärt, was sich hinter dem Begriff verbirgt – isolieren zu lassen, unter Quarantäne zu stellen, einzusperren – es gibt verschiedene Wege, das zu beschreiben oder zu umschreiben. Dass es notwendig ist haben die Chinesen gezeigt. Dort wird gemacht was angeordnet wird. Hier sieht es anders aus, die Vernünftigen werden sich freiwillig fügen, die Lumpen sicher nicht.

Die baskische Regierung hat, in Widerspruch zur Madrider Verlängerungs-Ankündigung, mitgeteilt, dass das “normale Leben“ ab 26. April wieder beginne. Mithilfe von “klaren Anweisungen“ –eine bereits in sich widersprüchliche Aussage. “Es wird keine vollgestopften Bars geben“, drückte sich die Senatorin für Tourismus, Handel und Konsum aus. In den Läden und Gaststätten werde es strikt einzuhaltende Regeln geben, maximaler Besuch und körperliche Distanz gehören dazu. Vorher sei allerdings die Normalisierung im Industriebereich vorgesehen.

Mein Freund Mikel wurde von einem Ertzaintza-Polizisten mit Maschinenpistole kontrolliert. “Ich weiß nicht, ob der Virus mit Maschinenpistolen bekämpft werden kann. Ich denke eher, die erscheinen in dieser aggressiven und martialischen Form, damit wir uns an diesen Anblick immer mehr gewöhnen, an den totalitären Zustand, damit wir das als normal betrachten und uns nicht mehr daran stören. Eine langsame Gehirnwäsche“, sagte er. “Ich sehe Verhaltensweisen, die mich ganz fatal an den Franquismus erinnern.“

ZAHLEN OHNE GEGENPROBE

Im spanischen Staat: 157.022 Fälle (+4.576), 15.843 Tote (+605), 55.668 Dissidenten (+3.503). In Navarra: 3.748 Fälle (+173), 218 Tote (+4). In Euskadi: 10.103 Fälle (+297), 729 Tote (+40), 4.680 Dissidenten (+166). Der urbane Virus wütet nach wie vor besonders in Gasteiz (2.428 Fälle/ +37), Bilbao (1.660 / +67), Barakaldo (493 / +27), Donostia (431 / +20), Basauri (346 / +5), Getxo (345 / +6), Santurtzi (195 / +9), Leioa (157 / +0). Gemeinden ohne Coronavirus: in Araba 7 Orte, in Bizkaia 8 Orte, in Gipuzkoa 14 – alles ländliche Gebiete ohne dichte Ortskerne. Das Coronavirus hat in 185 Ländern 1,6 Millionen Personen befallen, offiziell 95.000 Todesopfer gefordert, 355.000 Personen wurden kuriert. Die USA sind mit 466.000 Fällen am stärksten betroffen 34.000 mehr als am Vortag und 2.500 weiteren Toten. Epizentrum bleibt New York mit 7.067 Toten (+779) und 159.000 Fällen (+10.600). Die meisten Todesfälle gab es bisher in Italien (18.279), von den Geheilten sind 77.700 aus China.

covid5f 2G STATT KKK

Der beste Karfreitag meines Lebens! Keine Touristen-Massen, keine Prozessionen, die an den Ku-Klux-Klan erinnern. Und diese Stille, offenbar trauen sich heute nicht einmal die notorischen Techno-Lärmer, ihre Boxen auf den Balkon zu stellen und akustische Umweltverschmutzung zu betreiben. Meine Mitbewohnerin hat den leckersten Gulasch der vergangenen Jahrzehnte gekocht, in Essig eingelegt, mit gutem Wein und einer ganzen Knolle Knoblauch zubereitet – dazu lief aus dem Internet die alte Anarchisten-Combo Cochise: “Was kann schöner sein auf Erden, als Bundeswehrsoldat zu werden“. Wirklich: was kann schöner sein! Wenn nicht dieser Zwangscharakter dahinter stünde, könnte es ein richtig runder Tag gewesen sein. Gabon, gute Nacht – Olatz

(2020-04-11)

28. Tag Alarm – 6. Woche C19

covid5g 1GEMÜSEKORB

Der Tag beginnt mit Spannung. Heute werden unsere Gemüsekörbe ausgeliefert. Ist nicht ganz klar, ob das legal ist, weil die baskische Regierung (wie beschrieben) alle Direkt-Verkaufs-Märkte verboten hat. Die Produzentinnen kommen aus 30 Kilometer Entfernung und müssen sich erst einmal durch Polizeikontrollen quälen. Hier in Bilbao gibt es dann einen exakten Zeitplan: 12:15 Iker, Arantza und Haizea in Atxuri, 12:30 Andrea, Paolo und Lore in Bilbi, 12:45 Arturo, Mertxe und Fer in Sanfran, und-so-weiter. Disziplin ist angesagt, wird jedoch nicht schwerfallen, heute kommt niemand zu spät, wir verlieren keine Minute Gemeinsamkeit – mit Abstand versteht sich. Und wenn es in Strömen regnet. Direktverkauf bedeutet unter anderem, das kapitalistische System zu umgehen. Keine Zwischenhändler. Wissen, woher der Spinat kommt. Kein Supermarkt. Wissen, wer davon lebt. Und Polizisten, die zum Kontrollieren kommen.

ZAHLEN OHNE GEGENPROBE

Weltweit: 1.650.000 Fälle, 100.000 Tote, 369.000 Dissidenten. Im spanischen Staat: 161.353 Fälle (+4.830), 16.353 Tote (+510), 59.109 Dissidenten (+3.441). In Navarra: 3.817 Fälle (+69), 227 Tote (+9), plus 43 Dissidenten. In Euskadi: 10.103 Fälle (+297), 729 Tote (+40), 4.680 Dissidenten (+166). Der urbane Virus wütet nach wie vor besonders in Gasteiz (2.502 Fälle/ +74), Bilbao (1.749 / +89), Barakaldo (504 / +11), Donostia (443 / +12), Basauri (354 / +8), Getxo (358 / +11), Santurtzi (212 / +17), Leioa (164 / +7).

ERFOLG DER DIREKTVERKÄUFERINNEN

Die Bewegung der Direkt-Konsumentinnen, Kleinbäuerinnen und Minimärkte hat die baskische Regierung zur Rücknahme ihres Dekrets zum Verbot von öffentlichen Kleinmärkten gezwungen. In kurzer Zeit hatten sich Tausende gegen das Dekret aufgelehnt, innerhalb weniger Stunden wurden 10.000 Unterschriften gesammelt. Produzentinnen und Bürgermeisterinnen sprachen sich vehement und mit einleuchtenden Argumenten gegen das Verbot aus. Verschiedene Gemeinden – Ondarrua, Bergara, Azpeitia, Oñati – hatten öffentlich ihren Ungehorsam angekündigt. Märkte seine nicht Kompetenz der baskischen Regierung, deshalb würden die Kleinmärkte weiter geöffnet bleiben. Um einen größeren Aufstand zu vermeiden, ist die Regierung nun zurückgerudert und gibt die Märkte wieder frei.

MASSENGRÄBER

covid5h kzMassengräber – werden in New York angelegt, weil die Beerdigungs-Institute der “Nachfrage“ nicht mehr nachkommen. Auf einer kleinen Insel, auf der bisher unbekannte Tote begraben wurden. Alles nur vorläufig, bis das Schlimmste vorbei ist. Sicher sind die Interim-Särge gut gekennzeichnet, mit Namen und Datum. Damit die Massengräber – sobald es irgend geht – wieder exhumiert werden können. Massengräber, das Wort stinkt nach Krieg. Massengräber auch bei uns, in diesem postfranquistischen Staat, der sich Demokratie und Spanien nennt, geschätzte 140.000. Nicht aus Zeiten von Coronavirus, sondern aus Zeiten von Massenexekutionen.

Eine Freundin schrieb mir, unermüdliche Aktivistin in Sachen Aufarbeitung des Franquismus und seiner Massengräber. Auch sie wurde von der Pandemie frontal gebremst: “Mir geht’s gut, aber die Enttäuschung sitzt tief, dass wir die vielen Veranstaltungen absagen mussten, die wir geplant hatten. Wir hatten verschiedene Veranstaltungen abgesprochen mit Abiturs-Klassen, die üblicherweise das Thema Bürgerkrieg streifen. Eine Vertreterin unserer Schwester-Organisation aus Frankreich war dazu eingeladen, wie schon Jahre vorher, denn sie wurde mit ihren Eltern durch die Konzentrationslager geschleust als diese 1939 flüchteten. Bereits im Januar hatten wir eine Riese nach Mauthausen geplant, aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung am 5. Mai. Die Hotels waren gebucht, alles organisiert, mit einer Gruppe von 16 Personen – alles abgesagt! Wie bei euch, unsagbar schade. Mal sehen, wann wir all das nachholen können. Ich hoffe, wir können uns bald sehen. Gesundheit!“ – Dasselbe wünsche auch ich – Osasuna! Olatz

(11-04-2020 – Letzter Eintrag der sechsten Coronavirus-Woche im Baskenland, zum Abschluss der vierten Alarm-Woche mit relativer Ausgangssperre. Am morgigen Sonntag erscheint an gleicher Stelle ein neuer Beitrag, der die Ereignisse täglich kommentiert.)

(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-04-05)

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