Die versteckten Riesen von Treviño
Seit 1984 haben Wissenschaftler an einem Fundort im Baskenland Fossilien verschiedener Urtiere entdeckt und konnten dabei 14 bisher unbekannte Spezies identifizieren. Bei den ausgegrabenen Resten handelt es sich um verschiedene Arten von Sauriern, Fischen, Schildkröten, Meeressäugern und wirbellosen Tieren. Die Paläontologen sind der Meinung, die weltweit einmalige Fundgegend sei zu schlecht gesichert, sie fordern von den Behörden, Abhilfe zu schaffen und weitere Forschungen sicherzustellen.
Pfanzenfresser von 7 Metern Größe und kleine Raubtiere beherrschten die Umgebung von Laño in Trebiñu (Treviño) vor 73 Millionen Jahren. Der Fund von neuen Spezies macht den Fundort weltweit zu einer Besonderheit.
Die 80 Meter Erdschicht im ehemaligen Steinbruch von Laño, im Herzogtum Treviño (1), im Norden der iberischen Halbinsel zwischen Logroño und Gasteiz-Vitoria, sind ein einzigartiges Fenster in die Vergangenheit der urzeitlichen Fauna. Die fossilen Reste, die der Forscher Xabier Orue-Etxebarria entdeckt hat, erlauben den Rückblick in eine Zeit, in der Europa ein Archipel war und Dinosaurier die Erde beherrschten – Xabier Orue ist Professor für Paläontologie an der Baskischen Universität EHU-UPV.
Funde im alten Steinbruch
Der ehemalige Steinbruch, in dem die spektakulären Funde gemacht wurden liegt in der Nähe des kleinen Ortes Laño, in der sogenannten Grafschaft Trebiñu (Treviño). Die Besonderheit dieses Condado ist, das es geografisch komplett von der baskischen Provinz Araba eingeschlossen ist, administrativ aber zur spanischen Provinz Burgos und zur Region Kastilien und Leon gehört. Diese spezilelle Geschichte geht zurück auf einen mittelalterlichen Schenkungsakt, der auf politischer Ebene nie rückgängig gemacht wurde.
In Laño wurden seit dem ersten Fund im Jahr 1984 vierzehn neue Spezies von Wirbeltieren entdeckt, gleichzeitig wurden Reste von wenigstens einem Dutzend Dinosauriern ausgegraben, daneben Flugsaurier (Pterosauria), Meeres-Reptilien, Krokodile, Schildkröten, Haifische, Rochen und andere Tiere. (2)
„Laño ist im europäischen Kontext ein bedeutender Fundort was die Vielzahl und Verschiedenheit der Fossile anbelangt. Wir haben Säugetiere gefunden und Amphibien von weniger als 100 Gramm Gewicht, daneben Dinosaurier von mehreren Tonnen“, sagt Xabier Pereda Suberbiola, ein zweiter Paläontologe der EHU-UPV. Die Fossile, die zwischen 1987 und 1997 ausgegraben wurden, stammen aus zwei verschiedenen Epochen und unterschiedlichen Umgebungen der Erdgeschichte: aus einer Fluss-Umgebung vor 73 Millionen Jahren und aus einer Küsten-Zone vor 67 Millionen Jahren. Die Fundstücke wurden im Naturwissenschafts-Museum von Araba deponiert.
Netz von Flüssen
Die ältesten Funde stammen aus der Umgebung eines weitläufig zergliederten Flusses und in Küstennähe“. Aus heutiger Sicht müssen wir uns vorstellen, dass der Meeresspiegel damals deutlich höher lag. Europa war vor 73 Millionen Jahren „ein Archipel von kleinen Inseln mit subtropischem Klima“. Im Flussgebiet bei Laño lebten Krokodile, Knochenfische, Amphibien und Wasser-Schildkröten. In unmittelbarer Umgebung fanden die Wissenschaftler Reste von Dinosauriern, Säugetieren, Eidechsen, Schlangen und Land-Schildkröten, die über das Wasser zu ihren Lebensorten gekommen waren.
Alle gefundenen Dinosaurier sind von eher kleiner Dimension. Der eindrucksvollste ist ein Titanosaurier – ein vierbeiniger Pflanzenfresser mit langem Hals – von einer Spezies, die bis zu ihrem Fund im Jahr 1999 unbekannt war. Die ersten Reste wurden im Steinbruch von Laño entdeckt. Das Tier bekam den Namen „Lirainosaurus astibiae“ oder „großer Dinosaurier von Astibia“, benannt nach Humberto Astibia, Professor für Paläontologie der baskischen Universität. In jener Urzeit-Epoche gab es in Patagonien (Argentinien) gigantische Titanosaurier von mehr als 30 Metern Länge, die nach Schätzungen mehr als 30 Tonnen Gewicht hatten. Das Exemplar von Treviño war etwas leichter.
Pflanzenfresser
„Der Liranosaurus ist klein. Ein erwachsenes Exemplar wäre nicht größer geworden als 6 bis 7 Meter und hätte zwischen 2 und 4 Tonnen gewogen. Das ist das Größte, was wir in Laño gefunden haben, aber es ist kein großer Dinosaurier. Im Languedoc gibt es Exemplare von 10 bis 15 Metern Länge und wahrscheinlich mehr als 10 Tonnen Gewicht“, erklärt Pereda Suberbiola, der seit Jahren die Untersuchungen des Fundortes leitet. Neben diesem Dinosaurier, damals die dominierende Gestalt jenes Ökosystems, wurden drei Spezies von Schildkröten gefunden und benannt, zwei Schlangenarten, zwei Spezies von Krokodilen und zwei Arten von Säugern, die „nicht mehr als 10 Gramm wogen und Zähne aufwiesen, die darauf hindeuten, dass es sich um Pflanzenfresser handelte. Uns ist kein anderer Fundort bekannt, bei dem die Funde die Charakteristika von Laño aufweisen“, sagt der Wissenschaftler, der in Bilbao gerade über Dinosaurier jenes Fundortes referiert hat im Rahmen der Ausstellung „Giganten aus der Jura-Kreide-Zeit“ (Colosos jurásicos).
Unter den pflanzenfressenden Dinosauriern von Laño gab es auch einen „Flugzeugträger“. „Das war ein kleiner Ankylosaurus, dieser ‘Struthiosaurus‘ war 2,5 Meter lang und ein Meter hoch“. Daneben gibt es einen Ornithopoda (Vogelfüßler), ein zweibeiniger Dinosaurier, der wie ein Strauß auf seinen Hinterbeinen lief. Er heißt Rhabdodon und „sieht dem Iguanodon ähnlich, ist aber etwas primitiver und kleiner“. Dinosaurier wurden aufgrund der gefundenen Zahnreihen als Fleischfresser identifiziert, mit mehr als 100 Zähnen. „Es gibt sechs Spezies, eine davon ist groß, die übrigen sind klein. Eine Art, die wir bis zum Geschlecht bestimmen konnten, ist der Pyroraptor, ein kleiner gefiederter Dinosaurier aus der Oberkreidezeit Südfrankreichs, wie die Unwesen im Film ‘Jurassic Park‘, nur deutlich kleiner. Er dürfte bis zu 150 Zentimetern groß gewesen sein und lebte ursprünglich in der Provence“. Daneben gibt es einen großen Flugvogel, bei dem die Wissenschaftler „fast sicher“ sind, dass er zum Geschlecht der Gargantuavis gehört, die in verschiedenen Fundorten im Süden Frankreichs identifiziert wurden.
Meer-Ambiente
Sechs Millionen Jahre später (vor 67 Millionen Jahren) hatte sich die Landschaft in Laño geändert. Was vorher eine kontinentale Zone mit Flüssen war, war danach zum Meer geworden. Bisher haben die Wissenschaftler aus der Meeres-Epoche nur den Knochen eines Hadrosauriers gefunden, ein Dinosaurier mit Entenschnabel, der zusammen mit Organismen gefunden wurde, die in dieser kontinentalen Umgebung lebten: Haifische, Rochen, Meeresreptilien, Schildkröten und wirbellose Tiere wie Ammoniten und andere.
Die Küsten-Schichten des Fundortes geben Auskunft über die Meeresfauna in Breitengraden, über die aus jener Zeit bisher wenig bekannt war. „Damals existierte das Mittelmeer nicht. Die Kontinente der südlichen und nördlichen Halbkugeln – Afrika und Europa – waren getrennt durch das Tethys-Meer. Wir wissen einiges über die Meeresfauna des nördlichen Tethys, aus Belgien und Holland, und vom südlichen Tethys in Marokko. Aber wir wissen nichts von den Breitengraden dazwischen, also jenen, mit denen wir es hier zu tun haben. In Laño, das können wir dank der Haifische und Rochen sagen, gab es eine Art von Mischung zwischen der nördlichen und südlichen Fauna des Tethys-Meers. Es gibt bestimmte Tiere und Spezies, die typisch sind für den Norden oder für den Süden“, erklärt Pereda Suberbiola. Das heißt, an der beschriebenen Fundstelle wurden zwischen 35 und 40 Meereswesen gefunden, darunter vier bis dahin unbekannte Rochen.
Forschungsprojekt
Den Paläontologen steht noch jahrelange Arbeit bevor. Die Materialen, die in jenem bis 1997 in Betrieb befindlichen Steinbruch ausgegraben wurden, müssen untersucht werden. Beauftragt sind mit dieser Arbeit Forscherinnen und Forscher der baskischen Universität, der Autonomen Universität von Madrid und des Naturwissenschafts-Museums in Araba, auch verschiedene französische Wissenschafts-Einrichtungen sind beteiligt.
Bisher ist nicht entschieden, wo die Fossile von Laño definitiv gelagert werden sollen, vorläufig sind sie in Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt von Araba, doch Eigentümerin ist die spanische Provinz Burgos, zu der die Enklave Treviño gehört. In jedem Fall werden die Institutionen aufgefordert, den historischen und kulturellen Wert der Fundstücke anzuerkennen und die Fundorte besser zu schützen.
Ausstellung Bilbo
Bis zum 27. November 2016 ist im Veranstaltungssaal Bizkaia Aretoa der Baskischen Universität (neben dem Guggenheim-Museum) eine Ausstellung zu sehen über die Geschichte der Dinosaurier (3). In Lebensgröße ausgestellt sind zwei Exemplare: zum einen ein Skelett des größten in Europa gefundenen Sauriers, ein Turiasaurus Riodevenis, der zum ersten Mal öffentlich ausgestellt ist. Zum anderen die Nachbildung eines in den USA gefundenen Exemplars eines Camptosaurus, eine Gattung der sogenannten Vogelbecken-Dinosaurier, die eine Körperlänge von bis zu 7 Metern erreichten und ein Gewicht von 1,5 Tonnen. Auf Tafeln wird erklärt, in welcher Verbindung die Dinosaurier der drei Kontinente standen, die in der Kreidezeit miteinander verbunden waren. Die Ausstellung wird begleitet von wissenschaftlichen Vorträgen. Der Eintritt zur Ausstellung ist gratis, geöffnet ist sie von Montag bis Freitag 8 bis 20 Uhr, Samstag 10 bis 14 und 16 bis 20 Uhr, Sonntag 10 bis 14 Uhr.
ANMERKUNGEN:
(1) Artikel Baskultur.info: „Trebiñu-Treviño. Burgos-Enklave im baskischen Araba“ (Link)
(2) Information aus dem Artikel „Los Dinosaurios ocultos de Treviño”, Tageszeitung El Correo, 28.10.2016 (Die versteckten Dinosaurier von Treviño)
(3) Orain-Noticias de Euskadi, 21.10.2016: „Colosos Jurásicos de visita en Bilbao“ (Link)
FOTO:
(1) Artikelkopie „Los Dinosaurios ocultos de Treviño”, El Correo 28.10.2016
(2) Dinosaurier-Ausstellung Bilbao (Foto: Orain Noticias Euskadi)
(3) Straßenschild zur urzeitlichen Fundstätte Laño in Trebiñu (Foto Archiv Txeng)
(4) Artikelkopie „Los Dinosaurios ocultos de Treviño”, El Correo 28.10.2016
(5) Veranstaltungs-Plakat „Los Dinosaurios ocultos de Treviño” (saposyprincesas.com)