betion1Gegen die Nachteile von Privatisierung

Im Unternehmen BetiOn (baskisch: Immer gut) wird gestreikt. Bei BetiOn handelt es sich um einen Pflegedienst für ältere und pflegebedürftige Menschen in der Region Baskenland. Zwischen März und April haben die dort Angestellten bereits neun Streiktage durchgeführt und sind bereit, in diesem Monat zwölf weitere durchzuführen. Bis die Geschäftsleitung des “Zeitlich begrenzten Gemeinschafts-Unternehmens“ (UTE) auf ihre Forderungen eingeht. Der Pflegedienst arbeitet im Auftrag der baskischen Regierung.

Nach neun durchgeführten kommen nun weitere zwölf Streiktage hinzu beim Pflegedienst-Unternehmen BetiOn. Es geht um Lohnerhöhungen, gegen Prekarität und gegen schlechtere Bezahlung im Vergleich zu Tarifverträgen im öffentlichen Sektor.

BetiOn ist ein typischer Fall von Privatisierung öffentlicher Dienst in Richtung privater Unternehmen, die sich nicht an Tarifverträge halten und durch Prekarität, Ungleich-Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen auffallen.

Dieser öffentlichen Telebetreuungs-Dienst BetiOn (Immer gut - der Name darf getrost als zynisch aufgefasst werden) gehört zur baskischen Regierung und wird von einem Unternehmenstrio verwaltet. Dieses Trio besteht aus dem britischen Unternehmen Tunstall Televida (mit der größten Beteiligung), der GSR der Mondragón-Gruppe und der Krankenhaus-Gruppe IMQ. Bisher ging der als unbefristet angekündigte Streik bereits über neun Tage, vier im März und fünf im April. Nachdem am 21. März 2022 die Verhandlungen von der Geschäftsführung und der regionalen Exekutive blockiert wurden, hat die Belegschaft beschlossen, auf dem Weg von Streiks für eine "anständige Vereinbarung" zu kämpfen. (1)

betion2Die bisher geltende Tarif-Vereinbarung ist seit Dezember letzten Jahres ausgelaufen und somit außer Kraft. Er enthält Bedingungen, die schlechter sind als jene, die in den Tarif-Vereinbarungen des Sozial- und Gesundheits-Sektors definiert sind. Dazu gehören zum Beispiel Altenheime, die der Tele-Hilfetätigkeit von BetiOn entsprechen. Diese Art von Regelverletzung ist so alt wie die Privatisierung von öffentlichen Diensten selbst. Mehr noch: die immer wieder festzustellende Ungleichbehandlung zwischen vergleichbaren öffentlichen und privaten Diensten ist letztlich das Ziel der Privatisierung. In der Vergangenheit gab es Streiks in Altenheimen, wo öffentliche Angestellte besser bezahlt wurden als privat Angestellte; oder in Schulen bei den dortigen Betreuungsdiensten, bei denen dasselbe System angewandt wurde. Beide Arbeitskämpfe gingen für die Streikenden positiv zu Ende.

Die fünf Sitzungen zwischen Gewerkschaften und dem Gemeinschafts-Unternehmen UTE (2), das den Auftrag für diesen öffentlichen Dienst erhalten hat, um einen neue Tarif-Vereinbarung auszuhandeln, führten zu keinem Ergebnis. "Es gab keinerlei Fortschritte, es waren Treffen ohne jeglichen Inhalt", sagt Alberto Pérez, Vertreter der Gewerkschaft LAB bei BetiOn.

Aus diesem Grund beschloss die Versammlung der Arbeitnehmer*innen, die von den Gewerkschaften ELA, LAB, ESK und UGT vertreten werden Ende Februar, in den Streik zu treten. "Um zu sehen, ob wir das Unternehmen auf diese Weise zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zwingen und die baskische Regierung als Eigentümerin dieser Dienstleistung einbeziehen können", erklärt Pérez. Die Regierung lässt sich diesen Privatisierungs-Spaß ganze 41 Millionen Euro kosten, von denen ein Teil selbstverständlich in den Dividenden-Taschen der Aktionäre landen.

Die Versammlung der Arbeitnehmer*innen hat sich darauf geeinigt, dass es im Mai zu weiteren zwölf Streiktagen kommen soll, solange sich die UTE-Leitung weiter weigert, sich an einen Verhandlungs-Tisch zu setzen. Während des neuntägigen Streiks demonstrierten die Mitarbeiter*innen in Donostia, wo der Tele-Hilfsdienst ein kleines Arbeitszentrum unterhält. sie gingen auch zum Hauptsitz in Bilbao und zur Niederlassung der baskischen Regierung in der Bizkaia-Hauptstadt. Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen, weil der baskische Innensenat immer wieder die Schlägertrupps der Ertzaintza-Polizei zum Einsatz befiehlt. Die Atmosphäre ist somit angespannt. "Vor allem dank der Haltung der Geschäftsleitung, die nicht in der Lage war, der Entscheidung eine Mehrheit der Angestellten zu akzeptieren". Die Streikenden von BetiOn sind auch bei der baskischen Bewegung der Rentnerinnen und Rentner präsent, die seit vier Jahren für eine elementare Verbesserung der Renten eintreten, vor allem für Frauen.

Löhne und Arbeitszeit

Die Bediensteten fordern, dass der neue Tarifvertrag an den des Sozial- und Gesundheits-Sektors angeglichen wird. Dazu gehören sowohl Heime wie auch Dienste, die häusliche Hilfe und soziale Betreuung organisieren, deren Gehälter derzeit jedoch aufgrund der bei Arbeitskämpfen erzielten Tarife "deutlich besser" sind. "Obwohl einige dieser öffentlichen Tarifverträge seit Jahren nicht mehr verlängert wurden, sind unsere Arbeitsbedingungen immer noch schlechter", prangert Pérez an.

Streikende und Gewerkschaften fordern, "dass die Verhandlungen von einem Nichtverlust von Kaufkraft ausgehen". Das impliziert eine Lohnerhöhung auf der Grundlage des realen Verbraucher-Preisindexes IPC im Vergleich zum Vorjahr. Die Erhöhung soll, wie auf der Versammlung vereinbart wurde, linear sein, so dass die Erhöhung für Arbeitnehmer*innen aller Kategorien gleich ist und nicht prozentual.

Ihre letzte Forderung bei BetiOn zielt auf die Verkürzung der Arbeitszeit ab. BetiOn, bekannt durch die Medaille oder den Druckknopf im Logo, mit dem die Nutzer*innen die Angestellten des Unternehmens kontaktieren können, bietet Menschen mit Mobilitätsproblemen, verschiedenen Behinderungen oder älteren Menschen, die allein zu Hause leben, eine telefonische Hilfe rund um die Uhr. Gegenwärtig sind dort 120 Mitarbeiter*innen beschäftigt, die rund 62.500 Nutzer*innen bedienen. Das Zentrum bearbeitet etwa 1.000 Anrufe pro Tag und führt weitere 2.000 Anrufe pro Tag durch.

Auch hier stimmen die Arbeitszeiten nicht mit den in den Tarifverträgen für den öffentlichen Sozial- und Gesundheits-Bereich festgelegten Arbeitszeiten überein. Während die meisten Tarifverträge rund 1.592 Arbeitsstunden pro Jahr vorsehen, muss bei BetiOn 1.612,5 Stunden gearbeitet werden.

Kontaktrunde

betion3In den vergangenen zwei Wochen (Ende April 2022) haben die Gewerkschaften ihren Kampf durch eine Reihe von Kontakten mit den im Parlament von Gasteiz vertretenen Fraktionen ergänzt. Bisher haben sie sich mit EH Bildu und mit den Regierungs-Fraktionen PSOE (Sozialdemokraten) und PNV (Christdemokraten) getroffen. Letztere wurden aufgefordert, sich an dem Konflikt zu beteiligen und Druck auf das Unternehmen auszuüben, um Verhandlungen möglich zu machen.

"Wir haben auch darum gebeten, darüber Buch zu führen, wie jeder Euro des BetiOn gewährten Budgets ausgegeben wird", fügt Alberto Pérez hinzu. Dies ist für neoliberale Politiker*innen, bei denen Privatisierung auf der Tagesordnung an erster Stelle steht, ein besonders sensibles Thema. Es versteht sich von selbst, dass nur ohnehin “profitable“ Dienstleistungen privatisiert werden; oder solche, die mit der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen “profitabel gemacht“ werden können.

Zwei Seiten einer Medaille

Die letzte Vergabe für die Dauer von vier Jahren umfasste 41 Millionen Euro an öffentlichen Geldern. "Wir denken, dass dies ein recht hoher Betrag ist, so dass wir davon ausgehen, dass das Unternehmen erhebliche Gewinne erzielt. Diese Gewinne müssen kontrolliert und in die Qualität der Dienstleistungen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer investiert werden".

Die Fraktionen haben Verständnis für die Situation und halten die Forderungen der Gewerkschaften für legitim, so Pérez. "Sie haben uns gesagt, dass sie die Probleme an die baskische Regierung weitergeben werden", sagt er. Sollte dieser Weg keinen Erfolg haben, steht die Strategie bereits fest: Im Mai werden zwölf Tage lang Streiks durchgeführt. "Die Kolleginnen und Kollegen haben beschlossen, eine deutliche Sprache zu sprechen. Dazu sind wir bereit", betont der LAB-Gewerkschafter Pérez.

Bei dem Einfluss, den die baskische Regierung als Zahl- und Vergabestelle geltend machen kann, ist eine Lösung dieses Arbeitskampfes nur eine Frage des politischen Willens. “41 Millionen öffentliche Gelder außer Kontrolle – baskische Regierung trägt die Verantwortung“ – steht auf dem BetiOn-Transparent vom April in Bilbao. Damit ist eigentlich alles gesagt.

ANMERKUNGEN:

(1) “La huelga sigue en BetiOn” (Weiter Streik bei BetiOn), Tageszeitung Gara, 2022-05-04

(2) Ein UTE-Unternehmen ist, wie die Abkürzung “Unión Temporal de Empresas“ schon sagt, ein zeitlich begrenztes Gemeinschafts-Unternehmen, bei dem sich zwei oder mehr Unternehmen oder Unternehmer für einen bestimmten Zeitraum oder ein bestimmtes Unternehmens-Projekt zusammenschließen, um gemeinsam eine Arbeit oder eine Dienstleistung auszuführen.

ABBILDUNGEN:

(1) BetiOn (FAT)

(2) BetiOn (FAT)

(3) BetiOn (FAT)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-05-05)

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