Von Austrocknen bedroht
Kaum jemand denkt bei der Nutzung von Facebook, WhatsApp und Instagram auf dem Smartphone oder bei Cloud-Anwendungen für Computer über den riesigen Wasserverbrauch der entsprechenden Rechenzentren nach. Doch steht die Internet-Cloud nicht für Regen, sondern für Austrocknen. Der Internetkonzern Meta will ausgerechnet im heißen und trockenen Kastilien-La Mancha ein Hyperscale-Rechenzentrum bauen. Offizieller Wasserverbrauch 700 Millionen Liter. Doch daran gibt es erhebliche und berechtigte Zweifel.
Ein Rechenzentrum von Microsoft in den kühlen Niederlanden verbraucht die vier- bis siebenfache Wassermenge, wie einst vom Konzern versichert wurde. Deshalb legte Meta sein dortiges Projekt auf Eis. Dafür soll ein Krisenort in Kastilien-La Mancha herhalten.
Die Sonne brennt an diesen Sommertagen weiter extrem heiß von einem meist wolkenlosen spanischen Himmel, denn die Klimakatastrophe schlägt hier unbarmherzig zu. Auch auf der Hochebene in Kastilien-La Mancha werden immer neue Hitzerekorde registriert. Auf bis zu 47 Grad Celsius stieg das Quecksilber in der Region kürzlich und pulverisierte auch dort alle bisher registrierten Rekorde im Herkunftsgebiet des Don Quijote. Damit blieb man auf der Hochebene nur knapp unter dem bisherigen Allzeit-Hitzerekord im ganzen Land zurück, der am 14. August 2021 mit 47,6 Grad in Andalusien registriert worden war.
Wie praktisch das ganze Land wird diese ohnehin trockene zentralspanische Region zudem von einer Dürre heimgesucht. Stauseen sind weitgehend leer, doch der Sommer ist längst noch nicht vorbei. Trinkwasser wird im ganzen Land knapp und knapper, wie Overton schon im Frühjahr berichtet hatte.
Talavera de La Reina
Doch ausgerechnet in Kastilien-La Mancha will in Talavera de La Reina der Meta-Konzern nun ein gigantisches Hyperscale-Rechenzentrum bauen, das vor allem zur Kühlung enorme Wasser- und Strommengen verbraucht. Das Projekt soll nach konservativen Angaben 665 Millionen Liter Wasser im Jahr verbrauchen. Glauben muss man solche Angaben wahrlich nicht. Vergleichbare Rechenzentren haben zum Beispiel in den Niederlanden gezeigt, dass der reale Wasserverbrauch viel höher als angegeben ausfällt, wobei es an konkreten Daten fehlt. Statt 12 bis 20 Millionen Liter verbrauchte ein großes Microsoft-Rechenzentrum dort 2021 real 84 Millionen Liter Trinkwasser. Das sorgte für große Empörung im Land. Allerdings werden dort die Rechenzentren meist mit Luft gekühlt. Das geht über einer Temperatur von 25 Grad Celsius nur noch schwierig, weshalb auf Wasserkühlung umgeschaltet werden muss, wie die Webseite der Region Kroon in Holland erklärt. Das ist wegen der ansteigenden Temperaturen immer öfter der Fall, weshalb der Wasserverbrauch zunimmt. Andere Kühlformen würden den ohnehin enormen Stromhunger weiter explodieren lassen.
In Kastilien-La Mancha sind deshalb die Kühl-Voraussetzungen besonders schlecht. Hier sinken oft nicht einmal die Nachttemperaturen auf unter 25 Grad ab. Mit 35,3 Grad wurde gerade sogar ein neuer spanischer Allzeitrekord aufgestellt. Gegen das Meta-Projekt in Talavera formiert sich angesichts bitterer Erkenntnisse aus anderen Ländern deshalb deutlicher Widerstand um eine Bürgerinitiative herum. Sie führt den aussagekräftigen Namen: “Tu nube seca mi río“ (Deine Cloud trocknet meinen Fluss aus). Befürchtet wird nämlich, dass die “Wolke“ (Cloud) eben nicht für den oft ersehnten Regen steht, sondern für das weitere Austrocknen der Region. Umweltschutzorganisationen wie “Ecologistas en Acción“ (Umweltschützer in Aktion) kritisieren mit Blick auf die Vorkommnisse in Holland auch die spärlichen Angaben des Meta-Konzerns. Dort hatten Bauern und Bäuerinnen auch gegen den großen Flächen- und Wasserverbrauch protestiert, während andere den enormen Stromhunger anprangerten.
So kritisierte die sozialdemokratische Senatorin Arda Gerkens: “Wenn man knappe nachhaltige Energie und knappe Landschaft hat, dann sollte man sich den Mehrwert eines solchen Rechenzentrums ansehen. Und im Grunde hat Facebook keinen Mehrwert. Meiner Meinung nach nicht.“
Rechenzentren: gewaltige Land-, Wasser- und Energiefresser
Ähnliche Vorkommnisse gab es bereits in den USA, wo ebenfalls protestiert wurde, weil die Landwirtschaft das Wasser braucht, da man “Daten nicht essen kann“. Zum Wasserverbrauch kommt bei solchen Rechenzentren ein riesiger Flächenverbrauch hinzu. In Talavera soll das Projekt auf 180 Hektar Land umgesetzt werden, das sind etwa 250 Fußballfelder. Dazu wären geschätzt weitere 400 Hektar Land nötig, um über Solarmodule den dafür nötigen Strom zu erzeugen. Schließlich beschwören große Tech-Firmen wie Meta oder Microsoft, dass sie nicht nur klimaneutral sein wollen, sondern bald mit Carbon-Negative-Programmen mehr CO2 aus der Umwelt entziehen wollen, als sie erzeugen.
Sage und schreibe 250 Megawatt soll die Anlage in Kastilien-La Mancha verbrauchen, das ist etwa ein Viertel der Leistung eines Atomkraftwerks. Ob es dabei bleibt, darf bezweifelt werden. Das hat nicht nur mit steigenden Temperaturen im Rahmen des Klimawandels zu tun. Erst kürzlich wurde schon auf die “durstigen Stromfresser“ hingewiesen, deren Bedarf im Rahmen der sogenannten “Künstlichen Intelligenz“ (KI) weiter deutlich ansteigt. “Bei Google verbrauchte die KI 10-15 Prozent des gesamten Strombedarfs des Konzerns im Jahr 2021“, hatte Overton kürzlich geschrieben. Sogar im eigenen Umweltbericht gibt der Konzern zu, 2022 über 12 Milliarden Liter Wasser verbraucht zu haben. Das sind sogar nach eigenen Angaben etwa 20 Prozent mehr als noch im Vorjahr und deshalb vermutet Florian Rötzer, „dass der gestiegene Ressourcenverbrauch mit KI zu tun hat“.
Dass es bei dem bisher angesetzten Verbrauch von Wasser und Strom in Kastilien-La Mancha bleibt, das glaubt auch Ana Valdivia nicht. Die Professorin am Oxford Internet Institute verweist auf den Skandal in den Niederlanden. Sie geht davon aus, dass der Verbrauch des Meta-Rechenzentrums in Talavera de la Reina viel höher ausfallen wird.
In den Niederlanden hatte der Konzern von Marc Zuckerberg fast unüberwindliche Probleme, um sein Projekt umzusetzen. Die Landesregierung hatte im vergangenen Jahr schließlich ein neunmonatiges Moratorium für neue Rechenzentren verkündet, die viel Fläche, Energie und Wasser verbrauchen, während gesetzliche Vorgaben ausgearbeitet werden. Meta legte schließlich dort sein Vorhaben auf Eis, da es dem Konzern nicht gelang, entsprechende Ländereien in Zeewolde zu erwerben, wo das Projekt sogar schon genehmigt worden war. In den Niederlanden sollte das Hyperscale-Rechenzentrum sogar offiziell nur 200 Megawatt Strom verbrauchen, in Talavera sollen es offiziell 50 Megawatt mehr sein.
Kaum jemand denkt bei der Nutzung von Facebook, WhatsApp und Instagram auf dem Smartphone sowie bei Cloud-Anwendungen für Computer über den riesigen Wasserverbrauch der Rechenzentren nach. Dabei spielt dieser, vor allem für die Kühlung, eine enorme und mit dem voranschreitenden Klimawandel immer größer werdende Rolle. Das kann schon an der Differenz beim Stromverbrauch zwischen den beiden Mega-Projekten in den Niederlanden und Spanien abgelesen werden. Entsprechend wird die Kühlung mit steigenden Temperaturen immer aufwendiger, damit steigt nicht nur der Energieverbrauch, sondern auch der Wasserverbrauch weiter an. Ein solches Projekt also ausgerechnet in einer heißen und trockenen Region umzusetzen, erschließt sich nicht.
Regional-Regierung will trotz Dürre das Meta-Projekt möglichst schnell durchsetzen
Ohnehin wurde in der Region um Talavera schon im April wegen Wassermangel eine Vorwarnstufe ausgerufen. Seit Mai dürfen dort die Gärten nicht mehr bewässert werden. An die Land- und Forstwirtschaft werden über einen “Dürreplan“ längst Subventionen im Umfang von fast 50 Millionen Euro ausgereicht. Trotz allem soll etwa 120 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Madrid nach dem Willen der Regional-Regierung das vierte große Meta-Projekt in Europa umgesetzt werden. In Schweden, Dänemark und Irland betreibt Meta bereits riesige Anlagen. Das Projekt in Spanien soll zudem eine Sogwirkung haben und für die Ansiedelung weiterer Unternehmen sorgen, womit der Wasser und Stromverbrauch noch weiter ansteigen würde.
Das “Meta Data Center Campus“ in Talavera soll nun in aller Eile umgesetzt und mit dem Bau noch in diesem Jahr begonnen werden. Es wurde deshalb zu einem Projekt von besonderem Interesse (PSI) in der Region deklariert. Das hebt auch der Regional-Präsident Emiliano García-Page hervor. Er meint, dass “darüber Talavera de Reina verändert wird“. Er war einer der wenigen Sozialdemokraten, die sich bei den Regionalwahlen noch knapp im Amt halten konnten. Der im Mai im Amt bestätigte Regierungschef erklärte unmissverständlich: “Ich werde nicht zulassen, dass sich auch nur ein einziges Unternehmen auf Grund von Wassermangel in diesem Gebiet nicht niederlassen kann.“ Er kann nicht verstehen, dass die Ansiedelung wegen Wassermangel in Frage gestellt wird. Für die Bürgerinitiative ist klar, dass er die Interessen von Unternehmen über die der Bevölkerung stellt.
Wie der Regierungschef blickt auch die sozialdemokratische Bürgermeisterin der schrumpfenden Gemeinde mit etwa 83.000 Einwohnern auf das Projekt. Auch Tita García Élez hält es für “unsinnig“, das Projekt in Frage zu stellen. “Wasser ist mehr als genug vorhanden“, erklärt sie mit Blick auf 27 Kubikhektometer (hm3), die für Industrie, Intensivlandwirtschaft und Tourismus monatlich in die durstige Mittelmeerregion abgeleitet werden. Sie macht damit ein Konfliktfass auf. Ihr Parteifreund und Regional-Präsident sagte zudem: “Ich will niemandem das Wasser wegnehmen, aber wir müssen als Region dafür sorgen, dass es uns hier nicht fehlt.“
Kollateralschaden in Portugal
Allerdings dürfte ein intensiverer Wasserverbrauch zu neuen Problemen mit Portugal führen, das sich schon in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt darüber beschwert hat, dass die vereinbarten Mindestmengen nicht über die grenzüberschreitenden Flüsse wie den Tajo oder Douro ins Nachbarland fließen.
Die Umweltschützer in Aktion verweisen darauf, dass der Fluss Alberche, der die Region mit Wasser versorgt, längst nicht mehr genug Wasser führt. Der Tajo-Zufluss sei “Teil eines bereits stark belasteten Wasserdefizit-Systems“. Die Organisation hat erhebliche Zweifel, dass die Versorgung gesichert werden kann, wenn noch weitere Verbraucher hinzukommen. Zudem kamen schon, auch über das Mittel PSI, etliche große Verbraucher hinzu, wie diverse Golfplätze. Einer davon, ebenfalls umstritten, findet sich ebenfalls in Talavera de la Reina.
Der Golfplatz ist ein Beispiel, das auch der Wissenschaftler Luis Alfonso Escudero-Gómez in einer Studie zu den Projekten anführt, die wie das Meta-Projekt von „besonderem Interesse“ für die Region sein sollen. Der Geograph und Landschaftsplaner der Universität Kastilien-La Mancha spricht von einer “neoliberalen Urbanisierung“ für die in Regionen wie hier Instrumente wie die PSI geschaffen worden seien. Sie ermöglichten es, “jede beliebige Initiative unter den unbestimmten Rechtsbegriffen des öffentlichen und sozialen Interesses zu errichten“.
Solche Projekte erleichterten die “Verstädterung durch die Umwidmung von Flächen, wobei die bestehenden Ökosysteme vernachlässigt und die Bebauung in Schutzgebieten ermöglicht wurden“. Dies sei mit der Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen gerechtfertigt worden, resümiert er. Er fügt an, dass viele Projekte letztendlich gescheitert sind. Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 sei das Instrument jedoch wieder eingeführt worden, “nun allerdings in direkter Verbindung mit Investitionen transnationaler Unternehmen in der Region“.
“Die Geier der Datencenter in La Mancha“
Für die Umweltschützer in Aktion, die reichlich Erfahrung mit der Umsetzung von PSI-Projekten haben, besteht kein Zweifel, dass das Projekt genehmigt werden wird. “PSI werden eingesetzt, um Projekte zu beschleunigen, für die bereits eine positive politische Entscheidung vorliegt“, zitiert El País einen Sprecher der Organisation. Der Wasserwirtschafts-Verband (CHT) sei von der Zentralregierung abhängig und der werde den Parteifreunden in der Region letztendlich die Wasser-Verfügbarkeit bestätigen. Ohnehin schieben sich CHT und Gemeinde die Bälle zu. Der CHT gibt die Verantwortung an die Gemeinde ab, die, ebenfalls sozialdemokratisch geführt, seit 1941 für die Wasserversorgung zuständig sei.
Für Aurora Gómez ist klar, warum Meta ausgerechnet in Talavera bauen will. “Sie haben sich ein unbesiedeltes Gebiet mit einer hohen Arbeitslosenrate ausgesucht“, erklärt die treibende Kraft der Bürgerinitiative gegenüber der Zeitung El País. Die Zeitung hatte Projektunterlagen eingesehen und einige Daten daraus veröffentlicht. Hintergründe zu dem Projekt hat die Bürgerinitiative auch in einem Artikel dargelegt. Der Titel lautet: “Die Geier der Datencenter in La Mancha“.
Gómez, Psychologin und Aktivistin für digitale Rechte, verweist bei der Vorgehensweise der großen Tech-Firmen auf Projekte in den USA, wo ebenfalls in wenig besiedelten, aber heißen Bundesstaaten wie Arizona, Utah und Oregon Hyperscale-Zentren die Dürreprobleme verschärfen. Eine der größten bekannten Anlagen ist allerdings nicht im Besitz eines multinationalen Technologieunternehmens, sondern im Besitz des Geheimdienstes NSA. Sie befindet sich in Camp Williams, ebenfalls in Utah. Dieses Rechenzentrum hat einen geschätzten Verbrauch von 64 Millionen Litern pro Tag! Ob diese Zahl stimmt oder nicht, gibt Washington seit 2014 nicht mehr bekannt. Man beruft sich dabei auf Gründe der nationalen Sicherheit.
Informationssperre
Meta hält sich, wie fast der gesamte Sektor, mit konkreten Angaben zu den Projekten wie üblich zurück. Sogar die eigene Zunft beklagt Intransparenz und das Schweigen von großen Firmen. “Die IT-Branche selbst hat kein Interesse daran, dass diese Zahlen bekannt werden“, kommentieren Yann Lechelle und Paul Benoit. Die CEO von Scaleway und Qamot kritisieren: “Ohne transparente Daten sind Verbesserungen jedoch unmöglich.“ Sie verweisen ebenfalls auf die USA, unter anderem auf ein Google-Projekt im Wüstenstaat Arizona. “Für die Kühlung des Rechenzentrums hat der Hyperscaler von der Gemeinde Mesa eine Vereinbarung über den täglichen Verbrauch von einer Million Gallonen Wasser, das sind etwa 3,8 Millionen Liter, erhalten sowie eine Zusage über 4 Millionen Gallonen, rund 16 Millionen Liter Wasser, wenn das Rechenzentrum voll ausgelastet ist.“ Lange sei der Wasserverbrauch von Rechenzentren ein Tabuthema gewesen, doch nun hagele es immer mehr Kritik, stellen sie fest und fordern: “Brecht das Schweigen!“
Die lokale Bürgerinitiative in Talavera glaubt auch nicht an die Versprechen zu Arbeitsplätzen und Investitionen im Umfang von einer Milliarde Euro. Mit Versprechungen solle der Widerstand gegen solche Projekte mit hohen Umweltkosten verringert werden, erklärt Gomez. Ohnehin seien viele Arbeitsplätze so hoch qualifiziert, dass sie kaum mit einheimischen Leuten besetzt werden können. Man darf auch davon ausgehen, dass für viele Stellen gar kein Umzug in die Region nötig wird. So spricht man bei Meta offen von einer Basis für Remote‑Mitarbeiter in Madrid. Das sagte zum Beispiel Javier Olivan, Vizepräsident von Cross‑Meta Products and Infrastructure zum Projekt in Talavera.
ANMERKUNGEN:
(1) “Wenn die Cloud nicht für Regen, sondern für das Austrocknen steht“, Overton-Magazin, Autor, Ralf Streck, 2023-08-19 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Meta Data (el diario)
(2) Meta Data Spain (capital radio)
(3) Meta Data (deseret news)
(4) Meta Data Irland (meta)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-08-24)