Von Wasser keine Spur
Nicht in allen Regionen in derselben intensität, aber die Klimakatastrophe setzt der iberischen Haldinsel heftig zu. Ganz besonders Katalonien im Norden und Andalusien im Süden sind betroffen. Neben der Dürre gab es schon im April bis zu 40 Grad Sommer-Hitze im südspanischen Andalusien, 35 Grad im atlantischen Baskenland. Viele Wasser-Reserven sind schon fast aufgebraucht, Ökosysteme gefährdet und Ernten werden bereits im Mai abgeschrieben. Eine Mangel-Übersicht von Ralf Streck bei Overton-Magazin.
Trockenheit, Waldbrände, leere Stauseen , Hitzewellen im Frühjahr – alles Zeichen des Klimawandels, der besser als Klimakatastrophe bezeichnet wird. Denn die Phänomene sind nicht nur sichtbar, sondern wiederholen sich.
Die Sonne brennt schon Ende April unbarmherzig vom Himmel. Das Thermometer steigt auch im bergigen Hinterland der katalanischen Provinz Tarragona schon auf fast 30 Grad. Wind pfeift über das vertrocknete Land hinter dem Mittelmeer auf 700 Meter über dem Meeresspiegel. Ein Blick auf Stauseen, die es im spanischen Staat in großer Zahl gibt, spricht Bände. Katalonien, im Norden des Landes, stöhnt unter einer schweren Dürre. „So tief war der Wasserstand im Frühjahr noch nie“, erklärt ein älterer Anwohner. Er schaut vom idyllischen Dorf Siurana hinab auf die traurige Pfütze hinter der Staumauer. Umstehende nicken und fragen sich besorgt, wie lange hier noch Trinkwasser aus den Leitungen in der Gegend in der südlichen katalanischen Provinz Tarragona fließen wird.
Längst liegt der größte Teil der Seefläche trocken, Zuflüsse sind ausgetrocknet, wie der Fluss unterhalb. Gebäude sind aufgetaucht, die einst im Wasser versunken waren, da der See nur noch zu acht Prozent gefüllt ist. Sonst regnet es hier im Frühjahr öfter und gut. Doch im März und April wurde in Katalonien nur 14 Prozent des Niederschlags registriert, der nach Durchschnittswerten zwischen 2009 und 2021 zu erwarten wäre. Der Pegelstand sinkt beständig. Vor einem Jahr war der See noch zu 33 Prozent gefüllt, im Durchschnitt der letzten zehn Jahre waren es 73 Prozent.
Extremszenario
„Seit mehr als 30 Monaten haben wir im Oberlauf der Flüsse kaum Niederschläge verzeichnet“, bestätigt der Pressesprecher der katalanischen Wasserbehörde (ACA). Von einem „Extremszenario“ spricht Xavier Duran. Die bisher schwerste Dürre habe man 2007-2008 erlebt, als es in 18 Monaten kaum regnete. Nach Angaben des spanischen meteorologischen Dienstes (Aemet) ist es die schwerste Trockenheit, seit 1961 mit Aufzeichnungen von lokalen Daten begonnen wurde. Im gesamten Land „ist es noch nicht die schlimmste“, erklärt Rubén del Campo. Aber auch das südspanische Andalusien ordnet der Meteorologe schon unter den „schweren Dürren“ ein.
Vor 15 Jahren war die gestaute Wassermenge in Katalonien auf 20 Prozent gesunken, berichtet Duran. Jetzt seien es 25 Prozent, doch der heiße Sommer steht erst noch bevor. Dass man über mehr Stausee-Wasser als damals verfügt, hängt damit zusammen, dass mit der Vorwarnstufe ab Februar 2022 „die Produktion in Meerentsalzungs-Anlagen von 20 auf 85 Prozent gesteigert wurde“, sagt der ACA-Sprecher. Seit zehn Monaten produzierten sie schon die maximale Menge. Trotz allem unterliegt schon mehr als die Hälfte aller Gemeinden Wasser-Restriktionen. Wöchentlich kommen neue Gebiete hinzu und werden für bestimmte Orte die Alarmstufen erhöht. Über den „Dürreplan“ werden gestaffelt Restriktionen festgelegt, um angepasst Ressourcen schonen zu können, erklärt der ACA-Sprecher.
Wasser für Golfplätze
Weiterhin werden aber Golfplätze bewässert, Schwimmbäder gefüllt und Wasser-Vergnügungsparks sind in Betrieb. Das erzeugt Unmut, da Landwirten das Wasser zum Teil längst abgedreht oder stark limitiert wird. Sie dürfen, je nach Alarmzone, auch eigene Brunnen nicht mehr verwenden. Bewässert werden können zum Beispiel um Lleida herum Obstbäume nur noch, um sie vor dem Vertrocknen zu retten. Die Ernte auf 70.000 Hektar, auf denen auch Getreide angebaut wird, ist praktisch verloren, um die Bevölkerung weiter mit Trinkwasser versorgen zu können.
Golfplätze sind Großverbraucher. Die Tageszeitung El Periódico rechnet vor, dass sie allein zehn Prozent des Wassers verbrauchen, das in Katalonien gewonnen wird. Damit könnten „alle Einwohner Barcelonas (1,6 Millionen Menschen) eineinhalb Monate“ versorgt werden. Es beruhigt Bauern wenig, wenn die Wasserbehörde ACA darauf verweist, dass es sich bei fast zwei Dritteln des Golfplatz-Wassers um wiederaufbereitetes handele. Auch das könnte die Landwirtschaft gebrauchen. Gut ein Drittel werde aus deren eigenen Brunnen gefördert, meint die ACA. Dass zum Beispiel die Gemeinde Castellterçol ihr Trinkwasser zum Teil per Tankwagen erhält, während der nahe Golfplatz weiter berieselt wird, sorgt für Groll.
Weiter werden auch dort private Schwimmbäder gefüllt, wo es schon verboten ist. Dazu sollen bisherige Begrenzungen zum Teil wieder aufgeweicht werden, obwohl sich die Lage zuspitzt. „Die Regierung arbeitet daran, das Füllen von kommunalen und gemeinschaftlich genutzten Schwimmbädern als Zufluchtsorte bei Hitzewellen zu erlauben, wie es sie im vergangenen Sommer gab“, erklärt der ACA-Sprecher. Die Regierungssprecherin Patrícia Plaja kündigt zudem an, dies werde auch für Hotels und Campingplätze gelten.
La France
Einen genau umgekehrten Weg geht man auf der anderen Seite der Pyrenäen. In ganz Frankreich soll das Flicken von Lecks in Trinkwasser-Leitungen nun Priorität bekommen. Im Südwesten ist trotz der früh-sommerlichen Temperaturen nun an Baden nicht mehr zu denken. Seit Mittwoch ist dort das Befüllen von privaten Schwimmbecken, ja sogar der Verkauf von aufstellbaren Schwimmbassins, verboten. Das gilt auch für das Bewässern von Feldern und Gärten, da auch dort die Versorgung mit Trinkwasser in Gefahr ist. Auch Strandduschen wurden abgedreht. Seit Wochen darf in einigen Gemeinden das Wasser nicht mehr getrunken werden, das aus den Hähnen fließt, da Wasser aus landwirtschaftlichen Brunnen ins System eingespeist wurde.
Dass die Restriktionen im spanischen Teil Kataloniens sogar wieder aufgeweicht werden sollen, bestätigt viele hier in der Meinung, dass die Tourismus-Industrie ungeschoren davonkommen solle. Dabei verweist sogar die Vereinigung kleiner und mittlerer Betriebe (Pimec) auf „Studien“, die zeigte, „dass ein Tourist fünfmal mehr Wasser verbraucht als ein Bürger“, erklärte deren Präsident Antoni Cañete kürzlich.
Privilegien
Die Gemeinden hätten bei den Vorgängen auf Golfplätzen, oder wenn Schwimmbäder von Ferienhäusern illegal gefüllt würden, keine Handhabe. Man könne nur „appellieren“, erklärte der Bürgermeister von Castellcir. 300.000 Euro habe sein Dorf mit 800 Einwohnern schon für Wasserfahrten ausgegeben, viermal täglich karrt ein Tanklaster die kostbare Fracht heran. „Das ist untragbar”, sagte Eduard Guiteras der Tageszeitung El País. Vor allem Urlauber hielten sich an keine Beschränkungen, meinen die Bewohner. Sie fürchten angesichts der extremen Trockenheit nicht nur, dass das Wasser bald abgestellt wird, sondern es auch zu Waldbränden kommt. Denn trotz der Verbote werde auch weiter gegrillt.
Wie sich die Lage zuspitzt, davon zeugen die Stausee-Pegelstände in der Provinz Barcelona, die nur noch zu 14 Prozent gefüllt sind. Der große Sau-Stausee, etwa 50 Kilometer von Castellterçol und Castellcir entfernt, war im letzten Jahr noch zu 61 Prozent gefüllt. Im Zehnjahres-Durchschnitt sogar zu 77 Prozent. Jetzt ist er nur zu gut acht Prozent gefüllt. Das ist sogar ein Prozentpunkt mehr als eine Woche zuvor, da es endlich etwas geregnet hat. Trotz allem ist das einst geflutete Dorf Sant Romà de Sau aufgetaucht, die Kirche liegt vollständig frei. Tonnenweise Fische mussten aus dem Wasser gezogen werden, um zu verhindern, dass Fischkadaver das Wasser kontaminieren und damit die Versorgung von Millionen Menschen noch stärker gefährden. Invasive Arten, vermutlich zum Fischen eingesetzt, werden getötet, heimische Arten eingesetzt. Regnet es weiterhin nicht, würden die Fische ohnehin sterben, aber die Wasserqualität stark beeinträchtigen, sagt die Wasserbehörde.
Wasserbringdienst
Dass Trinkwasser abgestellt werden muss, ist keine abstrakte Drohung. Im Hinterland des Siurana-Stausees liegt L’Espluga de Francolí mit 3.700 Einwohner*innen. Im Dorf wird das Wasser zwischen 22 Uhr und sieben Uhr längst abgedreht. Neu ist hier nicht, dass die Brunnen, aus denen das Dorf einst versorgt wurde, nicht mehr ausreichen. Schon im Herbst 2021 wurde mit Tankwagen-Lieferungen begonnen, da auch das nächtliche Wasser-Abstellen nicht mehr ausreichte. 20 Mal pro Woche, vier Mal an jedem Wochentag, bringt inzwischen ein LKW, sogar schon im Frühjahr, die wertvolle Fracht aus der Kleinstadt Montblanc heran.
Im vergangenen August wurde sogar in Betracht gezogen, das Wasser zum Teil ganze Tage abzustellen, da Tanklaster auch an vielen anderen Stellen gebraucht wurden, sagt Xavier Rosell, der für Umweltfragen zuständige Gemeinderat. Der Spedition, die das Dorf beliefert, fehlen heute keine Fahrzeuge, sondern Fahrer, die sie auf den Weg schicken könnte. Für Rosell ist der Zusammenhang zur Klimakatastrophe klar: „Mit dem Klimawandel wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen und der macht sich in den letzten zwei oder drei Jahren ganz besonders bemerkbar.“
Der Süden
Im Süden Spaniens entwickelt sich die Lage noch dramatischer. Auch in Andalusien sind die Stauseen nur noch zu 25 Prozent gefüllt. Pegelstände fallen dort noch schneller und die Region leidet schon unter Temperaturen, die sonst erst im Sommer zu erwarten sind. Ende April wurden fast 40 Grad registriert. In Cordoba stieg das Thermometer auf 38,7 Grad. Damit wurde der bisherige April-Rekord aus dem Jahr 2017 um sogar 4,7 Grad pulverisiert. Neue Hitze-Rekorde wurden auch in zentral-spanischen Städten wie Madrid aufgestellt. So ist es kein Wunder, dass sich knapp 30 Prozent ganz Spaniens bereits wegen Wasserknappheit im Alarm- oder Notstand befindet. Die große französische Tageszeitung Le Monde titelte im Aufmacher kürzlich: „Klima: Spanien von Wüstenbildung bedroht.“ Die Zeitung verweist auf den Wissenschaftler Salvador Sanchez-Carillo und zitiert ihn so: „Wenn sich das Wassermanagement in Spanien nicht ändert, wird das Land zu einer Wüste werden.“
Die Lage, meinen Aemet-Meteorologen, werde sich in den nächsten Monaten wohl kaum bessern. „Es scheint“, dass sich im Mai nichts ändert, sagt Rubén del Campo. Danach kommt der Sommer, in dem es in Spanien „nicht viel regnet, bis auf einige starke Gewitter“, erklärt der Sprecher weiter. Überall wird um die Ernten gefürchtet, an immer mehr Orten finden Gebete und Prozessionen statt, wie es sie seit vielen Jahrzehnten nicht gab. Im französischen Perpignan wurde kürzlich nach 150 Jahren wieder begonnen, wo die Dürre auch längst dramatische Ausnahme angenommen hat.
Jetzt beten auch Landwirte im ganzen spanischen Staat wieder für Regen. Vor einer Woche fand eine Prozession des „Heiligen Schwarzen Christus“ in Perelada statt. Aber auch bis tief im Süden in Andalusien wird für Regen gebetet. Landwirtschaftsverbände erklären, 60 Prozent aller Agrar- und Weideflächen seien schon vom Wassermangel betroffen, was Kosten weiter in die Höhe treibe. Landwirte trauen sich nicht, die Aussaat vorzunehmen. In der nord-spanischen Region Navarra, wo das geschehen ist, gilt die Ernte von 40.000 Hektar nicht bewässerter Getreidefelder praktisch schon als verloren. Man kann sich ausmalen, welche Wirkung das auf ohnehin wegen Spekulation explodierten Lebensmittelpreise haben wird. Die schwere Dürre lässt nun sogar die Oliven-Produktion einbrechen, obwohl die Bäume Trockenheit gewohnt sind. Auch die Preise für Olivenöl schießen in die Höhe, weil während der Blüte das nötige Wasser fehlt.
Landwirtschaft versus Tourismus
Marc Ibeas, der Sprecher der katalanischen Vereinigung „Prodelta“ sieht auch „Konflikte“ ums Wasser, da „Nahrungsmittelproduzenten schon das Wasser abgestellt wird“. Er beklagt einen „wenig verantwortlichen Wasserverbrauch im Tourismus“. In Prodelta sind die Bewässerungs-Gemeinschaften und die großen Reis-Kooperativen im Ebro-Delta zusammengeschlossen: „Unserer Meinung nach ist die Nahrungsmittel-Produktion wichtiger als Golfplätze oder Tourismus“, erklärt er. Wie andere Organisationen sieht er längst auch die Nahrungsmittel-Versorgungssicherheit gefährdet.
Ibeas kritisiert zudem, dass, weil Reis zu einem immer rareren Gut in Europa wird, sogar Grenzwerte für Belastungen von Pflanzenschutzmitteln zur Einfuhr nach Europa angehoben werden, deren Einsatz in Europa sogar komplett verboten ist. So waren die Einfuhr-Grenzwerte für das Fungizid Tricyclazol mit der Verordnung (EU) 2017/983 auf die Bestimmungsgrenze von 0,01* mg/kg abgesenkt worden. Im Februar hat die EU-Kommission vorgeschlagen, den Grenzwert sogar auf 0,09 zu erhöhen. Bisher wurde dagegen sogar Reis zum Teil zurückgerufen, der mit dem Schadstoff belastet war.
Während der Reisanbau im größten spanischen Anbaugebiet um das andalusische Sevilla herum, wegen Wassermangel vermutlich ausfällt, steht im Ebro-Delta viel auf dem Spiel. Denn im drittgrößten Reisanbaugebiet des Landes wurde schon ausgesät. Hier ist man sauer auf die katalanische Regierung wegen des Umgangs mit der Dürre, aber vor alle auf die spanische Wasserbehörde CHE, die für das Delta zuständig ist. Gerade protestierten die Mitglieder der Landwirtschaftsvereinigung „Unió de Pagesos“ (UP) mit ihren Traktoren in verschiedenen Städten.
Sie werden bis Saragossa vor die Wasserbehörde CHE ziehen, denn die hatte erst kürzlich beschlossen, die Wassermenge im Ebro-Delta auf 50 Prozent zu beschränken. Albert Pons kritisiert das gegenüber Overton. Der Mann mit dem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht ist derzeit von früh bis spät mit seinem grünen Overall auf den Reisfeldern tätig. Er repariert Leitungen, um „jeden Tropfen zu nutzen“. Hätte die CHE die Beschränkungen früher beschlossen, hätten er und andere weniger angebaut, um mögliche Verluste zu begrenzen. „So etwas hat es noch nie gegeben“, sagt Pons . Stets habe die CHE versichert, dass es keine Beschränkungen geben werde, bestätigt auch Ibeas von Prodelta.
Als die dann doch kamen, waren die Böden schon aufwendig nivelliert, was mit Laser geschieht, damit das Wasser auch alle Bereiche erreicht. Die Düngemittel waren eingearbeitet, Saatgut gekauft und ausgebracht. „Viele werden ruiniert, wenn es ab Juli gar kein Wasser mehr gibt.“ Pons baut seit Jahrzehnten Reis an und ist der Verantwortliche für den Reis-Sektor in der Landwirtschafts-Vereinigung UP. Er beziffert die Kosten auf etwa „1.500 Euro pro Hektar“. Bei derzeitigen Preisen müssten die Produzenten im Delta Einnahmeausfälle von etwa 60 bis 70 Millionen Euro verkraften. „Das wäre ein harter Schlag für die Region.“
Ein weiteres Problem ist, dass die CHE die Hälfte des Wassers sogar nur bis Juli garantiert. „Dann steht der Reis in der Blüte und ist verloren, wenn kein Wasser mehr kommt“, fügt Pons an. „Wir hatten bisher Angst, vom Meer gefressen zu werden“, erklärt er mit Blick auf den steigenden Meeresspiegel am Delta-Rand, „doch nun sticht uns die Dürre von hinten ab“.
Strukturelle Probleme
Die katalanische Wasserbehörde bringt als Lösungs-Ansätze vor allem eine aufwendige, teure und energie-intensive Verdoppelung der Meerentsalzung und eine verstärkte Wiederaufbereitung ins Spiel. Was sie nicht anspricht, darauf verweist Pons, der das Problem längst für „strukturell“ hält. Ein weiteres wichtiges Problem spricht die ACA nicht an und es ist in Spanien kaum ein Thema für die Verantwortlichen, dass bis zu 25 Prozent in maroden Rohrleitungen verloren gehen. Dazu kommt ein guter und größer werdender Teil von Wasser, das einfach verdunstet.
Dass ein strukturelles Wasserproblem vorliegt, bestätigt die Wissenschaft. Annelies Broekman vom Zentrum für ökologische Forschung und forstwirtschaftliche Anwendungen (CREAF) erklärt, auch in Zeiten mit normalen Niederschlägen werde „mehr Wasser verbraucht, als für unser System vertretbar wäre“. Sie schließt sich damit dem von Le Monde zitierten Experten an. Es werde gerne auf das Klima oder die Dürre abgestellt, „während es an einer Debatte über das wahre Problem mangelt: die chronische Wassernachfrage, die durch unser nicht nachhaltiges Entwicklungsmodell verursacht wird.“
Die CREAF ist ein öffentliches Forschungs-Konsortium, das sich aus der katalanischen Regierung, dem Institut für Katalanische Studien, dem Institut für Agrar- und Lebensmittel-Forschung und -Technologie, der Autonomen Universität Barcelona, der Universität Barcelona und dem spanischen Wissenschaftsrat (CSIC) zusammensetzt, dem Sanchez-Carillo angehört. Die Experten warnen davor, dass sich Dürre-Situationen von nun an häufiger wiederholen. Sie schlagen vor, „unser Modell des Wasserverbrauchs, der im Namen des ‚Wohlstands‘ unbegrenzt zunimmt, neu zu gestalten“ und „unsere hydrologischen Systeme wie Flüsse, Bäche und Grundwasserleiter wiederherzustellen und zu schützen“.
Mar Catala, die Reis-Expertin des katalanischen Forschungs-Instituts „IRTA“, erklärt, dass im Ebro-Delta „niemand damit gerechnet hat, dass das Wasser eingeschränkt würde“, wie es aus Andalusien schon bekannt war. Sie kennt auch die Lage in Italien gut. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass der Po-Fluss fast kein Wasser mehr führt“, erklärt sie. Schon jetzt sei der Fluss stellenweise nur noch ein Rinnsal, da die Schneefelder in den Alpen, die ihn speisen, um 75 Prozent zurückgegangen sind.
Öko-System Ebro-Delta in Gefahr
Catala forscht seit 35 Jahren in Amposta, auch, wie man sich an Veränderungen anpassen kann. Unter anderem untersucht das Institut auch die Trockensaat. Die breite sich im Ebro-Delta schon aus, verweist Catala auf die umliegenden Felder. Bisher ging es vor allem darum, einen gefürchteten Schädling zu bekämpfen: die Apfelschnecke. Untersucht werden hier auch Auswirkungen der Anbaumethoden auf die Biodiversität und auf die Freisetzung von Treibhausgasen. Wie viel CO2 oder des besonders schädlichen Methan bei den Anbaumethoden freigesetzt wird.
Der Spielraum beim Anbau sei begrenzt, weil der Salzgehalt im Boden „hoch, sehr hoch oder extrem hoch“ sei, erklärt die Forscherin.. „Hier kann man nichts anderes als Reis anbauen“, erklärt Ibeas. Wasser brauche man spätestens mit der Blüte, um die Reispflanze durch eine Wasserschicht vom salzigen Boden zu isolieren, erklärt die Forscherin. Trockensaat hat den Vorteil, im Frühjahr weniger Wasser zu brauchen. Aber man brauche dann viel mehr im Sommer, wenn es eigentlich noch knapper ist.
Für alle hier geht es aber nicht nur ökonomische Fragen und die Nahrungsmittel-Sicherheit. Das gesamte Ökosystem hier, eines der bedeutendsten Feuchtgebiete im Land, sei in Gefahr. Da schon jetzt zu wenig Süßwasser kommt, kam es gerade zu einem Fischsterben, da der Salzgehalt im Wasser schon zu hoch wurde. Auch die Zahl der Vögel im Natur-Reservat Riet Vell ging schon vor der Wasser-Rationierung zurück. Die Flamingo-Kolonie hat im Winter schon ihre bisherige Brutstätte im Delta verlassen, weil den Lagunen wie „La Tancada“ das Wasser wegen der Ausbreitung des Trockenanbau gefehlt hat. Erst vor fünf Jahren war durch eine Renaturierung die Situation in einigen Lagunen verbessert worden.
Reis
Wie sich die Wasser-Beschränkung auf 50 Prozent jetzt auswirkt, weiß bisher niemand genau, aber nicht nur Ibeas von Prodelta oder Catala befürchten, dass die gesamte Biodiversität des Deltas auf dem Spiel steht. Jetzt fehlt noch mehr Wasser für das Feuchtgebiet, das eigentlich der Reisanbau liefert.
Dass die Reisbauern nun angewiesen werden, das Wasser nicht mehr abzuleiten, die Ableitungen zu verstopfen, könnte der Todesstoß für das Feuchtgebiet sein. Das Wasser auf den Feldern zirkulieren zu lassen und auf den Feldern zu halten, sei auch schlecht für den Reis, meint der Reisbauer Pons. „Mit der Hitze verdunstet es und ist nicht mehr mit genug Sauerstoff angereichert“, erklärt er und ist überzeugt. „Der Reis braucht jeden Tag frisches Wasser.“
Das würde auch das bedeutsame Feuchtgebiet schützen, weshalb Prodelta fordert, die Wassermenge für den Reisanbau in die ökologischen Restwasser-Mengen aufzunehmen. Mit sogenannten Umweltströmen wird die Menge, der Zeitpunkt und die Qualität von Wasserströmen festgelegt, die erforderlich sind, um Süßwasser- und Mündungs-Ökosysteme sowie die von diesen Ökosystemen abhängigen Lebensgrundlagen und das Wohlergehen der Menschen zu erhalten. All das ist jedenfalls am Ebro-Delta nun in Gefahr.
ANMERKUNGEN:
(1) „Wir hatten Angst, vom Meer gefressen zu werden, nun sticht uns die Dürre von hinten ab“, Overton-Magazin, 2023-05-15, Autor: Ralf Streck (LINK)
ABBILDUNGEN:
(*) Klimakat (Ralf Streck, Overton)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-05-22)