Jemand nicht in Urlaubslaune?
Noch lecken sich die Wahlverlierer die Wunden, in Pokerrunden wird eine neue Regierung ausgespielt. Katalonien hat das Ass. Überall sind Fiestas, da können alle tanzen, singen und glücklich sein. Nur Frauen haben nichts zu lachen. Sie werden auf dem Heimweg belästigt und vergewaltigt. In Gruppen gehen ist ein Schutzmittel, das Nottelefon in die Handfläche geschrieben. Begleitdienste werden organisiert von helfenden Gutmenschen. Der Machismus wird nicht bekämpft, sondern reproduziert, auch bei Fiestas.
Abuztua heißt der August auf Baskisch. Für die Medien der Saure-Gurken-Monat, weil nichts passiert – abgesehen von den Bränden im Mittelmeerraum und der erwarteten Welle von Boatpeople. Italien und England erwarten sie mit Gefängnissen und Deportation.
(2023-08-28)
REPUBLIK GEGEN MONARCHIE
Pablo Picasso legte einst in seinem Testament fest, dass sein berühmtestes Gemälde erst dann wieder nach Spanien zurückkehren darf, wenn die Republik wiederhergestellt ist. Das war zwar nie der Fall, aus dem franquistischen Staat wurde eine korrupte Monarchie, doch die Politik kümmert sich einen Dreck um die Wünsche von Künstlern, die einmal Kommunisten waren. 1981 kam das Bild zurück, nicht nach Gernika, sondern als Tourismus-Attraktion nach Madrid.
Nach dem Tod des Massenmörders Franco war alles recht, was nicht direkt nach Diktatur stank. Eine Republik wäre das allerletzte gewesen, was die Alt-Franquisten als politischen Wechsel zugelassen hätten. Denn die Republik von 1936 war schließlich die Ausrede für den Militärputsch vom 18. Juli gewesen, dieser Gedanke war für die Ewiggestrigen unerträglich. Stattdessen räumten sie sogar eine regionale Aufteilung mit Autonomien ein.
48 Jahre danach wird den meisten – die keine unmittelbaren Anhänger Francos sind, wie die von PP und VOX – immer klarer, dass die Änderungen von 1979 nicht ausreichen, um einen funktionierenden Staat zu führen. In der KP, im Baskenland und auch in Teilen der Sozialdemokratie (Podemos sowieso) wird schon lange über Föderalismus diskutiert (wie in Deutschland, der Schweiz oder den USA) und auch eine Republik wird immer wieder ins Spiel gebracht. Die diese Staatsform am stärksten vorantreiben, sind ausgerechnet die, die am stärksten daran festhalten: die post-franquistische Rechte und die neo-franquistische Ultrarechte. Mit ihrer Dauerkorruption, ihren anti-regionalistischen Diskursen, ihrer ignoranten Politik gegen die historischen Sprachen an der Peripherie, mit ihrem Anti-Feminismus-Diskurs, Rassismus, Homophobie und Transphobie eingeschlossen. Vor allem aber die Dauerskandale im Königshaus, von Ehebruch bis Elefantenjagd und Steuerexil. Um es klar zu sagen: Republik wäre die Abschaffung der Monarchie
Nicht dass eine Republik die Lösung dieser Probleme wäre, vielleicht ist es lediglich eine Fatamorgana. Aber sie gewinnt an Kraft. Vor allem im Baskenland. Hier gibt es drei Parteien, die zu fast 100% dieses Modell bevorzugen: die christdemokratisch nationalistische PNV, die liberal nationalistische Geroa Bai und die sozialdemokratische EH Bildu der alten baskischen Linken. Aber auch unter bisher monarchistischen Spanier*innen wächst die Unterstützung für die Option eines Referendums. Bei kürzlichen Umfragen sprachen sich fast 60% der Bevölkerung für ein Referendum aus, um zwischen Monarchie und Republik zu entscheiden. Fast 51% würden für einen Formwechsel stimmen, wobei die höchste Unterstützung in den Regionen Baskenland und Navarra zu verzeichnen ist.
Electomania heißt das Institut, dass die Umfragen regelmäßig durchführt, nachdem das staatliche CIS-Institut sich nicht mehr die Finger verbrennen will an jenem heiklen Thema. “Wir wollten sehen, wie die spanische Gesellschaft auf den Abgang von Juan Carlos oder den Verzicht auf das Erbe von Felipe VI. reagierte."
Die Zustimmung zu einer Volksbefragung schwanke zwischen 40 und 55%, mit wenig Unentschlossenen und der Besonderheit, dass nun eine "große Mehrheit" eine Konsultation zu diesem Thema unterstützt. "Die Unterstützung für die Monarchie war wechselhaft, die Unterstützung für das Referendum wird stärker.“
Ihren Höhepunkt hatte die Unterstützung für ein republikanisches Modell, als der abgedankte König seine Steuerflucht nach Saudi Arabien antrat, während die größte pro-monarchistische Unterstützung (die die republikanische knapp übertraf) in der Zeit lag, in der sich der derzeitige König von seinem korrupten Vater distanzierte, und nach dem Unabhängigkeits-Referendum 2017 in Katalonien.
Die größte Sympathie für einen Wechsel zur Republik ist in Gipuzkoa zu verzeichnen (84%), gefolgt von Bizkaia (79%) und Girona, Katalonien (75%), gefolgt von Lleida, Kat (73%), Nafarroa und Araba (72%). An siebter und achter Stelle liegen Barcelona (69%) und Tarragona (68%), die Top Ten werden komplettiert von Sevilla (54%) und Pontevedra, Galicien (52%). Im Staat insgesamt liegt die Zustimmung bei 50,7%, während 46,6% die Beibehaltung der Monarchie bevorzugen und sich nur 2,7% unentschlossen zeigen.
Das pluri-nationale Element ist im Panorama der Umfrage-Ergebnisse deutlich zu erkennen. In den Provinzen der kastilischen Hochebene (das tiefe Spanien), in Kantabrien und in den galicischen Provinzen Lugo und Ourense erhält das korrupte Königshaus die größte Unterstützung (mit Ávila und Salamanca an der Spitze, mit 60% und 59%). In Regionen, in denen nicht (nur) die spanische Identität vorherrscht oder direkt abgelehnt wird, wächst die Unterstützung für die Republik. Dies ist der Fall auf den Balearen und den Kanarischen Inseln (52%) sowie in Asturien und A Coruña, Galicien (51%). In Aragon und Extremadura ist der Vorsprung der Monarchie minimal. In der Hauptstadtregion Madrid, dem Epizentrum der wirtschaftlichen und medialen Macht des spanischen Nationalismus, schneidet die Monarchie mit 53% gegenüber 45% Republikanern nicht optimal ab. Die Situation weist jedoch eine Besonderheit auf: Bei der Frage nach dem Referendum gewinnen die Befürworter mit 53,6% und nur 40% lehnen ein Referendum ab.
Interessant ist die Aufschlüsselung nach politischen Parteien. Nach den Antworten der Befragten (die angeben, wem sie ihre Stimme gegeben haben) gibt es von allen politischen Parteien in Spanien nur drei, die sich praktische komplett für die Republik aussprechen, alle drei aus dem Baskenland: EH Bildu (100%), Geroa Bai (100%) und PNV (99,7%). Die katalanischen Parteien JxCat (konservativ, Unabhängigkeit) und die CUP (links, Unabhängigkeit) mit je 97%, Podemos (95%) und die BNG (sozialdemokratisch, Unabhängigkeit, Galicien) mit 90% folgen dicht dahinter. Für eine Überraschung sorgen diejenigen, die angeben, ihre Stimme der sozialdemokratisch-katalanischen Esquerra Republicana zu geben: nur 72%.
(2023-08-25)
VOM UNERTRÄGLICHEN ALLTAGS-SEXISMUS
Es muss schon viel passieren, wenn das öffentliche baskische Fernsehen in seinen Nachrichten von einem „offen rechtsradikalen Diskurs“ spricht. Die Rede des Präsidenten spanischen Fußball-Verbands vor einer außerordentlichen Vollversammlung rechtfertigt die Bezeichnung allemal. Am Vortag war noch die Rede von einem bevorstehenden Rücktritt des Funktionärs, der sich mehrfach in übel sexistischer Manier verhalten hatte, nachdem die spanischen Fußballfrauen die WM gewonnen hatten.
Doch plötzlich war von Rücktritt keine Rede mehr, der Sexist ging zum frontalen Gegenangriff über. Er griff Politikerinnen aus der Zentralregierung an, die sein Verhalten zu Recht scharf kritisiert hatten. Und er stellte sich selbst als Opfer dar. Zitat: “Der falsche Feminismus sucht nicht nach der Wahrheit, sondern will die Menschen zerstören. Dieser falsche Feminismus ist eine Geißel in diesem Land. Es wird ein gesellschaftlicher Mord verübt. Sie versuchen, mich zu töten.“ Harte Kost. Machismus pur.
Für solche Beleidigungen und verbale Aggressionen wurde er in der Vollversammlung beklatscht. Vom Frauen-Trainer, vom Männer-Trainer. Zugegeben, einige blieben sitzen und klatschten nicht, den TV-Kommentatoren fiel das offenbar nicht auf.
Auffällig war, dass abweichende Stimmen aus der Fußballwelt (fast) ausschließlich aus dem Baskenland kamen. Die Regionalverbände Baskenland und Navarra nahmen nicht an der Versammlung teil und forderten den Rücktritt des Sexisten, der Präsident des baskischen Verbands trat sogar aus Protest zurück. Alle baskischen Proficlubs verurteilten das Verhalten, ausgerechnet der Präsident von Real Sociedad San Sebastian Aperribay, im Übrigen ein Rüstungsfabrikant, forderte den sofortigen Rücktritt des Funktionärs.
Einzig beachtenswerte Reaktion eines Fußballers war die des Andalusiers Borja Iglesias. Er erklärte, nicht mehr für das Nationalteam spielen zu wollen, bis sich im Verband etwas geändert habe. Bravo Borja! Allein auf weiter Flur … Die spanische Noch-Regierung arbeitet an der Absetzung des Typen, den sie jedoch nicht selbst entlassen kann, weil sie dem Neutralitätsgebot im Sport unterliegt.
Bei allem geht es um deutlich mehr als um die Absetzung eines sexistischen Funktionärs. Es geht auch um die Frage, wie so einer überhaupt in diese Funktion kommen konnte. Langsam kommt ans Licht, dass sein jüngstes Verhalten eine lange Vorgeschichte in derselben Richtung hatte. Es geht auch darum, ein Beispiel zu setzen für die fußball-begeisterte Jugend, die das widerliche Spektakel beobachtet: wenn solches Verhalten “durchgeht“, können vor allem die kleinen Jungs dies als Beispiel verstehen, “was ihnen rollenmäßig zusteht“ und “was sie zu Männern macht“: eine spärlich bekleidete Spielerin kurz mal über die Schulter zu legen, sich in die Eier zu greifen, um einen Sieg zu feiern, oder eine am Kopf zu packen, ihr einen auf den Mund zu drücken (von Kuss zu sprechen wäre bereits unmoralisch).
Der spanische FB-Verband ist auf dem besten Weg, sich als Macho-Verein mit Kriterien aus dem 19. Jahrhundert darzustellen. Männer entscheiden, wie Frauen Fußball zu spielen haben, Männer machen die Regeln und die Aufstellungen, Männer entscheiden, wie die jungen Frauen betatscht werden dürfen.
Die betroffene Kickerin hat über ihre Gewerkschaft Anzeige gemacht, die übrigen Kickerinnen halten sich in ihren Aussagen zurück, weil der Trainer voll hinter dem Sexisten steht. Den WM-Titel kann ihnen niemand mehr nehmen, doch wird er in der Erinnerung auf ewig mit dem Skandal verbunden bleiben und von ihm besudelt sein. Im Grunde gäbe es nur eine Vorgehensweise: sich mit der Kollegin zu solidarisieren und (wie Borja Iglesias) gemeinsam in den Streik zu treten. Gegen den Funktionär und seinen Vasallen.
(2023-08-22)
FRAUEN AUFSCHWUNG – MÄNNER ABGANG
Die Frauen der spanischen Auswahl (darunter zwei Baskinnen) haben überraschend, aber nicht unverdient die Fußball-Weltmeisterschaft gewonnen. Dem häufig unter den Teppich gekehrten Frauen-Kicksport wird dies enormen Auftrieb geben, Tausende von Mädchen werden sich Bälle schnappen und üben.
Auf dem Weg zum Erfolg müssen die Mädchen und Frauen jedoch nicht nur die Ignoranz der Mainstream-Medien ertragen, sie müssen zudem ein noch schwerwiegenderes Hindernis überwinden: die Männerherrschaft. Denn der Frauen-Fußball im Lande wird weitgehend von Männern regiert, von den Trainern bis zu den Verantwortlichen. Auf welch erschreckend niedrigem Niveau sich die die Verantwortlichen bewegen, zeigte Verbands-Präsident Rubiales nach dem Finalsieg. Nach heftigem Klatschen fasste er sich in bester Macho-Manier in die Eier – fünf Schritte von der Königin und ihrer Tochter entfernt – die Kameras sehen alles.
Als wäre das nicht schon genug Beweis seiner intellektuellen Mickrigkeit, setzte er beim VIP-Schaulaufen nach der Medaillen-Verleihung noch einen drauf. Er fasste eine der Spielerinnen mit beiden Händen am Kopf, zog sie zu sich und küsste sie auf den Mund. Nicht dass sie eine engere Verwandte gewesen wäre – Skandal! Das sei nicht angenehm gewesen, sagte die Betroffene im Anschluss. Der mächtige Funktionär musste einsehen, dass er sich nicht alles leisten kann. Sogar aus Regierungskreisen kam deftige Kritik. Die Podemos-Politikerin Irene Montero brachte es auf den Punkt.
“Ein Zwangs-Kuss ist ein Eindringen in die Privatsphäre, ein Angriff auf die Intimität und den Willen einer anderen Person, umso mehr, wenn er von einem Vorgesetzten kommt, einem Chef oder einem Vorsitzenden. Das sagen nicht nur wir verrückten hysterischen Feminazis, sondern auch die Statuten des Spanischen Fußballverbands, die solche Akte als sexistische Gewalt betrachten. Auch das Gesetz Nur-Ja-Ist-Ja stuft das als Vergehen ein. Das Gesetz über die sexuelle Freiheit besagt, dass jede sexuelle Handlung ohne Zustimmung eine Aggression ist, sie ist eine Form von unsichtbarer sexistischer Gewalt. Ein geraubter Kuss, ein Kuss, der von der anderen Seite nicht erwidert wird, ist ein klares Beispiel für diese Art von Vergehen. Wenn Rubiales uns als Idioten bezeichnet, weil wir seine Handlung als verwerflich anprangern, stellt er sich mit seinem widerlichen und machohaften Verhalten nur selbst zur Schau. Jemand sollte Rubiales die rote Karte zeigen, und zwar sofort.“
Bei so viel Männlichkeits-Exzess wollte auch der Trainer nicht im Schatten stehen. Er weigerte sich standhaft, die erfolgreichen Frauen als “Weltmeisterinnen“ zu bezeichnen und versteifte sich auf die sprachliche Macho-Form. Sein patriarchaler Führungsstil hatte in der Vergangenheit zu heftigem Widerspruch unter den Spielerinnen geführt. Verletzung der Intimsphäre wurde ihm vorgeworfen, nachdem er sich herausnahm, die Frauen im Trainingslager auf ihren Zimmern zu kontrollieren. Fünfzehn gingen daraufhin in den Streik und boykottierten die Auswahl, mit der Forderung nach Ersetzung des Trainers. Angesichts des eben beschriebenen Verbands-Präsidenten war dies utopisch. Dennoch wurde hinter den Kulissen eingelenkt. Sechs der Verweigerinnen kamen zurück, die übrigen zeigten sich kompromisslos. Umso erstaunlicher der nun eingefahrene Erfolg “ohne neun Trümpfe“.
Die Macho-Machenschaften machen deutlich, wie viel Weg vor den Frauen liegt, um respektiert und anerkannt zu werden. Vor drei Jahren forderte die neu gegründete Spielerinnen-Gewerkschaft mit der Baskin Ainhoa an der Spitze eine Minimal-Bezahlung für alle. Die Mehrheit der Vereine stellten sich taub, sie fanden es normal, dass kickende Männer für ihre Arbeit 15 oder 20 Mal mehr Minimal-Lohn erhalten als Frauen. Daraufhin gingen sie in Streik, die Liga wurde lahmgelegt. Die Männerwelt rotierte. Nach zwei Spieltagen gab das Patriarchat nach, zugestanden wurde ein Minimum von 16.000 Euros pro Jahr – ein Taschengeld. Unterstützt wurden die Frauen übrigens nur von Barcelona und Athletic Bilbao, die schon vor dem Streik mehr als das Geforderte an ihre Kickerinnen zahlten.
(2023-08-20)
OHNE MACHISMUS, TRANSPHOBIE, HOMOPHOBIE
Bei aller Liebe zu den baskischen Fiestas – sie sind mit einem schwarzen Fleck verbunden. Im Schutz der Masse oder der Dunkelheit nutzt eine Minderheit von Sexisten die Gelegenheit zu Übergriffen gegen Frauen. Appelle, Beratungsstellen und Plakate nutzen wenig und sind dennoch wichtig. Schon bevor etwas passiert. In Bilbo warnen Feministinnen: Machismo, Transphobie und Homophobie haben bei den Festen in Bilbao nichts zu suchen. Die Feministische Bewegung hat die Aste Nagusia eröffnet und betont, dass jede Aggression gegen einen anderen Körper oder eine andere Identität "ein Angriff gegen uns alle ist".
"Ohne uns gibt es keine Feste", verkündete vor dem Startschuss der Fiestas die Feministische Bewegung von Bilbao, die sich aus Frauen zusammensetzt, die jedes Jahr an der Aste Nagusia teilnehmen, als Organisatorinnen der Feste, Teilnehmerinnen, Komparseras, Dantzaris, Musikerinnen. Immer stehen unter der Spannung, "den Schatten sexistischer, transphober und homophober Aggressionen" über sich schweben zu sehen. Eine Realität, die tragischerweise "das Zentrum der Plätze und der Fiestas einnimmt".
Deshalb animiert die Bewegung wie jedes Jahr zu feministischer Selbstverteidigung und gegenseitiger Fürsorge. "Frauen, egal ob wir trans, lesbisch oder Migrantinnen sind, wir sind uns darüber im Klaren, dass jede Aggression gegen einen anderen Körper oder eine andere Identität ein Angriff gegen uns alle ist", versicherten sie mit der Entschlossenheit, auch in diesem Jahr wieder bereit zu sein, sich jeder Art von Aggression zu stellen. Sie weisen darauf hin, dass die Verantwortung für die Aggressionen nicht bei ihnen liegt, sondern jenen, die mit schlechtem Benehmen zu den Fiestas kommen. "Da gibt es welche, die uns beim Pissen betatschen, die uns bedrängen, mit ihnen zu trinken, obwohl wir nein sagen, ekelhafte Leute, die sich an unseren Körpern reiben, ohne dass jemand sie dazu einlädt. Und die Komplizen-Freunde". - "Ihr habt keinen Platz in der Aste Nagusia!".
Auch in diesem Jahr wollte die Feministische Bewegung einen Ort organisieren, um das universelle Recht auf Fürsorge einzufordern und den für den 30. November geplanten Aufruf zu einem feministischen Generalstreik zu bekräftigen. "Das Pflegesystem, das auf Frauen basiert, erlaubt uns nicht, die Fiestas zu genießen und vertreibt uns aus dem öffentlichen Raum, der auch uns gehört", erklärten sie.
Aus diesem Grund umfasst das diesjährige feministische Programm zwei verschiedene Aktionen. Am Mittwoch, 23. August, wird um 13 Uhr ein Rundgang organisiert, um den feministischen Pflegestreik anzukündigen; und am Freitag, 25. August, werden nach dem Feuerwerk zwei große "Kreise" von Frauen gebildet, die den nächtlichen und festlichen Raum markieren sollen. Hinzu kommen Transparente an Balkonen und Txosna-Ständen, und die Präsenz der Bewegung "Freude und Freiheit" mit ihren klaren Grundsätzen: "Die Aste Nagusia wird feministisch sein oder es wird sie nicht geben". (ecuador etxea)
(2023-08-17)
ZUM STREIT GEHÖREN IMMER ZWEI
Viele nicht besonders Informierte denken, der baskisch-spanische Konflikt ließe sich allein auf die (nicht mehr vorhandene) Existenz der Untergrund-Organisation ETA zu reduzieren, sei also im Baskenland selbst entstanden. ETA war die Antwort auf eine blutige, folternde, zensierende, anti-baskische Diktatur im spanischen Staat, die auf einen Militärputsch und einen Krieg gefolgt war. Dieser Franquismus war nicht die erste Etappe in jenem Konflikt. Ein mittelalterlicher Staat, das Königreich Navarra, war vom wachsenden Imperium Kastilien militärisch angegriffen und Stück für Stück annektiert worden. Jene Ereignisse sind lange her, 800 und 500 Jahre, dennoch ist eine Tatsache, dass das Baskenland einst ein eigenständiger Staat war.
Nach den Einverleibungen musste das neue Imperium den Basken ein gewisses Selbstbestimmungsrecht einräumen, um ihre Unterwerfung zu abzusichern: die sogenannten Fueros. Doch nicht alle kastilischen Herrscher hielten sich daran, mitunter wurde sogar die Sprache, das Euskara, verboten. Der Franquismus war nur eine Episode in dieser repressiven Geschichte.
Dann kam die Demokratie und alles hätte besser werden können. Doch der Konflikt ging weiter, weil die alten franquistischen Machthaber nur das Hemd gewechselt hatten und Wahlen zuließen. Ausgerechnet Sozialdemokraten waren es, die den Kampf gegen ETA “mit allen Mitteln“ führen wollten. Auch und vor allem mit illegalen. Todesschwadronen wurden aufgestellt, die tödliche Jagden auf baskische Linke veranstalteten, bei “Terrorismus-Fahndung“ wurden keine Gefangenen gemacht: “nur ein toter Etarra ist ein guter“. In diesem Sinn das folgende Ereignis, das sich heute zum 30sten Mal jährt.
Am 17. August 1993 entdeckte die Guardia Civil ein ETA-Kommando in einer Wohnung im Donostia-Stadtteil Morlans. Das Haus wurde mit 4 Stunden lang mit Kugeln eingedeckt und gestürmt, die drei ETA-Mitglieder wurden erschossen, als sie keine Munition mehr hatte, getötet mit aufgesetzten Schüssen, im Polizei-Jargon heißt das: aus allernächster Nähe. Eine Hinrichtung im besten franquistischen Stil.
Was diese Polizei-Operation deutlich macht – abgesehen von Toten und Verhafteten – ist die Praxis des Staates, einem nicht erklärten “schmutzigen Krieg“, der mit geheimen Geldern an den demokratischen Institutionen vorbei geführt wurde. Was weder Medien noch Berufspolitiker damals erzählten, beschrieben 2018 zwei Söldner der Guardia Civil, die an der Operation teilgenommen hatten: "Ich hatte das Vergnügen, den ETA-Mitgliedern in die Eingeweide zu spucken (...) Sie wurden brutal mit Kugeln durchlöchert (...) Sie wurden erschossen, ohne hinzuschauen (...) Es gab mehr als 600 Einschläge von Kugeln an den Wänden (...) Es gab Kameraden, die die Eingeweide der ETA-Leute an den Absätzen ihrer Stiefel trugen, sie hatten sie in ihrer Brust versenkt".
Vor 30 Jahren. Wenig demokratisch und rechtsstaatlich. Zum Streit gehören immer zwei. Auch zwei, die damit aufhören wollen.
(2023-08-13)
HARTE BANDAGEN IM GASTRO-TOURISMUS
Die Rückkehr des Massentourismus verschärft die Regeln im Gastronomie-Sektor, die Kunden (Touristen) beschweren sich über die Einschränkungen bei der Reservierung von Tischen und beim Sitzen auf einer Terrasse, während die Preise steigen. Bis vor Kurzem war es peinlich, mitten in den Reisemassen allein im Restaurant zu speisen. Jetzt ist das Risiko ein anderes: die Lokale erlauben Kunden nicht, sich ohne Begleitung an einen Tisch zu setzen. Dies geschieht bereits in Barcelona, der von Tourismus am meisten betroffenen Stadt im Staat. Potenzielle Kunden berichten von einer Praxis, bei der die Gastro-Unternehmer versuchen, die Kosten für ihre Tische zu maximieren. Kellner sagen, der Tisch sei reserviert, Kunden hätten nur 20 Minuten Speise-Zeit, Terrassen seien nur für Gruppen.
Hintergrund der Kontroverse: das Gleichgewicht zwischen den Rechten der Hotel- und Restaurantbesitzer und den Rechten der Kunden; der Wandel der gesellschaftlichen Gewohnheiten und die zunehmende und massive Touristifizierung der Städte, nun ist jeder Zeitpunkt für ein Menü geeignet, die Rotation der Kundschaft muss sichergestellt werden, die Preise gehen in die Höhe. Nach der Verbraucher-Organisation (OCU) haben Betreiber das Recht, einzelnen Person den Tisch zu verbieten, auch wenn dies als "missbräuchlich" bezeichnet wird. Die OCU erinnert daran, dass die eingeschränkte Nutzung des Restaurants sichtbar bekannt gemacht werden muss: "reserviertes Einlassrecht", mit Stempel der Verwaltung.
Weiterer Reibungspunkt ist die maximale Verweildauer sowie die Frage, ob es einen Mindest-Konsum-Betrag gibt. Oder ob Rechnungen ausgestellt werden können, wenn Gäste trotz Reservierung nicht kommen, oder mit weniger Gästen als angegeben. 20 Minuten pro Getränk pro Person: So steht es auf dem Schild einer Bar in Valencia, die beschlossen hat, die Stoppuhr gegen Kunden zu ziehen, die lange an einem Tisch sitzen, ohne etwas zu konsumieren. Die Strafe für Nichtstornierung einer Reservierung ist die Mutter aller Schlachten, es um hohe Geldbeträge, Ausfallgelder für Nichterscheinen, denn die Lokale riskieren große Verluste. Chefköche leiden unter diesen "Phantomkunden". Der Streit geht weiter vor Gericht. Im April bestätigte ein Richter in San Sebastian, dass drei Gäste, die ihre Reservierung nicht storniert hatten, eine Strafe von 170 Euro pro Person (insgesamt 510 Euro) zahlen müssen. Die (Nicht-)Kunden klagten, doch das Gericht drückte ihnen sogar noch die Kosten des Verfahrens auf.
Der Besucheransturm im Zuge der Pandemie hat die Preise in Bars und Restaurants in die Höhe getrieben und die Regeln verschärft, wer willkommen ist und wer nicht. Edel-Restaurants errichten Barrieren für allein reisende Kunden: "Stellen Sie sich ein gehobenes Restaurant vor, wo nur sechs Personen an sechs Tischen sitzen, statt 24. Wir verlieren 70% unserer Einnahmen.“ Harte Bandagen.
(2023-08-12)
SPEKULATION AUF ZORROTZAURRE
Zorrotzaurre ist ein baskischer Ortsname, der “vor der Spitze“ bedeutet. Es ist der Name einer in den franquistischen 1950er Jahren geschaffenen Halbinsel, auf der mittelgroße Industriebetriebe angesiedelt waren. Zorrotzaurre gehört zum Bilbo-Stadtteil Deustu. Doch die Industrie-Zeiten sind vorbei, viele Betriebe haben dicht gemacht, die Halbinsel wurde zur Insel und zum großen Spekulationsobjekt. Die größeren Industrieanlagen wurden platt gemacht, stattdessen entsteht dort ein Wohnpark, der nicht gerade dazu geeignet ist, das wachsende Wohnproblem der Stadt zu lösen.
Nun hat der börsennotierte britische Investment-Fonds M&G in Zorrotzaurre zwei Türme gekauft, die als private Mietwohnungen genutzt werden sollen. Das hat die Immobiliengesellschaft Urbas mitgeteilt, sie ist die Verwalterin eines Teils der in Zorrotzaurre derzeit entstehenden Wohntürme. Preis 98 Millionen Euro, Gegenstand 314 Wohnungen, bezugsfertig voraussichtlich 2026. Die auf einer Fläche von 29.000 m² errichteten Türme werden über Gemeinschafts-Einrichtungen mit Gärten und Kinderspielplätzen sowie 360 Quadratmeter Gewerbefläche verfügen.
Das Immobilien-Unternehmen Urbas verwaltet 4.300 Wohnungen, dazu kommen mehr als 850 Wohnungen auf der Insel, wobei der Anteil der Mietwohnungen angeblich bei 45% liegt. Der Vorstandsvorsitzende erklärte, man sei "sehr zufrieden" mit dieser Transaktion, die einen unternehmerischen Meilenstein darstelle und die Attraktivität der Projekte von Urbas und deren Rentabilitätspotenzial bestätige. In anderen Worten: Rendite ist garantiert, so wie sich Investment-Fonds das vorstellen, sonst wären sie keine.
Kontroversen
Viele Stimmen in Bilbo kritisieren jedoch den elitären Charakter des Zorrotzaurre-Projekts, das ohne einen strategischen Plan seitens der Institutionen seit Anfang der 2000er Jahre auf der Grundlage von Privatinvestitionen verändert wurde. Die Mehrheit des Stadtrats besteht darauf, dass es sich um ein Projekt zur Umwandlung von Zorrotzaurre in ein Jugend-, Universitäts- und Innovations-Viertel handele. Einige Sozialwohnungen wurden gebaut, an Universitäten haben sich bisher nur drei gefunden für mini-Niederlassungen. (gara-naiz)
Mit diesem aktuellen Verkauf von Wohnraum ist erneut eine Kontroverse entstanden, zu einem Zeitpunkt, an dem das Wohnungsproblem dringlich wie nie ist und verschiedene Gremien die Förderung der öffentlichen Vermietung und den Ausbau des öffentlichen Wohnungsbaus fordern. Die linke Koalition EH Bildu erinnert daran, dass seit einiger Zeit beklagt wird, dass "Zorrotzaurre ein elitäres Projekt ist, das nicht auf die Bedürfnisse der Bewohner des Viertels eingeht". Betont wird, dass dieser neue Verkauf von Wohnungen für den privaten Markt "eine verpasste Gelegenheit ist, ein anderes Stadtmodell zu entwickeln".
Weiter wird darauf hingewiesen, dass die derzeitigen öffentlichen Einrichtungen wie das Sportzentrum, die öffentliche Ikastola-Schule oder das Gesundheits-Zentrum "klein und veraltet“ geplant wurden und nicht den aktuellen Bedürfnissen des Viertels entsprechen". Aus diesem Grund ist er der Meinung, dass "anstelle von spekulativen städtebaulichen Maßnahmen, wie sie hier geplant sind, dieses Viertel dringend öffentliche Einrichtungen und Grünflächen braucht, die den Bedürfnissen der Bewohner auf würdige Weise entsprechen".
"Während andere europäische Städte sich an die aktuellen Bedürfnisse anpassen, geht die Stadtverwaltung von Bilbao weiterhin keine echte und ehrgeizige Verpflichtung ein, um den Klimanotstand zu bekämpfen, obwohl sie sich dazu verpflichtet hat, und hält weiterhin an einem veralteten Modell fest, das auf Zement basiert", fügte die Partei hinzu.
(2023-08-09)
SOMMERSCHLUSS-VERKAUF BEI PODEMOS
Nach den verheerenden Wahlergebnissen wird bei Podemos an der Personalschraube gedreht. Die Protestpartei hat einen Sozial- und Entlassungsplan angekündigt, von dem die Hälfte der Belegschaft betroffen sein wird: Entlassungen sind angesagt und – wer weiß – Prozesse vor Arbeitsgerichten. Die „lila“ Formation wird ihre Zentralen in neun autonomen Regionen schließen, in denen sie bei den Wahlen am 28. Mai keine parlamentarische Vertretung erreicht hatte: Aragon, Asturien, Balearen, Kanarische Inseln, Kastilien-La Mancha, Kantabrien, Galicien, Madrid und die Comunidad Valenciana.
Die von Ione Belarra geführte Partei befindet sich nach mehreren Wahlniederlagen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Nach dem 23. Juli hat sie mit Sumar zusammen nur noch 31 Abgeordnete im spanischen Parlament, was sich auch auf die Wahlsubventionen auswirkt, die sie entsprechend ihrem Stimmanteil erhält. Das macht es unmöglich, den Verwaltungs-Apparat der Partei aufrechtzuerhalten.
Sinkende Einnahmen
Die Kündigungs-Ankündigung wurde per Brief einen Tag nach den Parlaments-Wahlen verschickt, was darauf hindeutet, dass sich die Partei der Schwierigkeiten, in denen sie sich befand, bereits bewusst war: 70% weniger Einnahmen auf nationaler Ebene und 90% weniger auf regionaler Ebene. Diese Situation erfordere "eine tiefgreifende Umstrukturierung der Partei auf allen Ebenen", so die Begründung. “Diese Umstrukturierung", so die Führung weiter, "erfolgt mit dem erklärten Ziel, das politische Handeln von Podemos zu gewährleisten und die Kontinuität des Fortschritts der transformativen Politik der Partei zu garantieren. Im Baskenland erreichte Podemos gerade noch einen Sitz, das Damoklesschwert der Büroschließung ging vorbei.
Die Personalabteilung verhandelt jetzt mit den betroffenen Mitarbeitern. "Wir stehen unseren Kolleginnen und Kollegen weiterhin zur Verfügung in der Überzeugung, dass wir gemeinsam die besten Lösungen finden können, um unserer Organisation auf regionaler und nationaler Ebene neuen Schwung zu verleihen, mit der Gewissheit, dass es möglich ist, weiterhin Rechte zu erlangen", heißt es in dem Schreiben.
Ob dies gelingt, scheint fraglich, denn nach der feindlichen Übernahme der Partei durch das Sumar-Projekt von Yolanda Díaz und dem Sumar-Veto gegenüber wichtigen Führungsfiguren bei Podemos ist die ehemalige Protestpartei völlig ins Hintertreffen geraten, nicht nur wirtschaftlich. In Windgeschwindigkeit hat sich Podemos in eine übliche Partei verwandelt, mit ständigen Streitereien, der Egomanie einzelner Persönlichkeiten, Spaltungen und inneren Anfeindungen. All das ist dem Wahlvolk nicht entgangen und wurde von der feindlichen Presse leidlich ausgenutzt. Die Proteststimmen sind vorbei, das Wahlvolk kehrt zu den traditionellen Parteien zurück.
(2023-08-08)
WER ZUM TEUFEL IST JON ARRETXE?
Jon Arretxe ist alles Mögliche: Reisender, Opernsänger, er war auch schon Hochschullehrer, vor allem aber und zu guter Letzt ist Jon Arretxe Schriftsteller. Soeben ist der neunte Teil seiner literarischen Krimi-Saga erschienen, “Zeit für Lyrik“, dazu wird aus seinen Büchern gerade ein Film gedreht, alles etwas viel auf einmal für einen schlichten Schreiber.
Ein sicherer Arbeitsplatz, ein Acht-Stunden-Tag, ein festes Gehalt – Jon Arretxe war schon immer entsetzt über die Vorstellung, in bürgerlicher Bequemlichkeit zu leben. Deshalb klammert er sich an die Literatur, die ihm die Ungewissheit und die Aufregung gibt, nicht zu wissen, was mit jedem neuen Buch passieren wird. Er weiß nicht mehr, wie viele er geschrieben hat, mehr als dreißig, einige davon waren entscheidend: das Reisetagebuch Tubabu, seine Hooligan-Studentengeschichten, die zu einem unerwarteten Bestseller wurden. Deshalb gab er seinen Job als Uni-Professor auf und widmete sich ausschließlich dem Schreiben. “19 Kameras“ war der erste seiner Krimi Serie von Touré, dem aus Burkina Faso stammenden Detektiv, der im Arbeiter- und migranten-Stadtteil San Francisco von Bilbao herumschnüffelt und unlösbare Fälle löst.
Um sich in das Ambiente besser hineinversetzen zu können, um glaubwürdiger zu wirken, zog Jon Arretxe in eine kleine Wohnung im selbigen Stadtteil und wurde zu einem Unikum desselben. Arretxe schreibt auf Baskisch, später werden die Krimis ins Spanische übersetzt, viele im Stadtteil wollen ihn lesen, beherrschen aber die baskische Sprache nicht. Nun wurde begonnen, seine Romane zu verfilmen, am originalen Schauplatz, versteht sich, in San Francisco, benannt nach einem Franziskaner-Kloster aus dem 15. Jahrhundert.
Eines Tages wird Schluss sein mit Touré und den Krimis aus dem ärmsten Stadtteil der Guggenheim-Stadt. Jon Arretxe ist darauf vorbereitet. "Wenn ich den Detektiv Touré satt habe, bringe ich ihn um, aber bisher merke ich, dass er den Leuten ans Herz gewachsen ist“. So lange darf er weiterleben, fiktiv, seine Leser*innen erfreuen und dem Stadtteil eine kleine Portion Selbstwertgefühl zukommen lassen. Dem verachteten Barrio San Francisco, das vor hundert Jahren die kämpferischen Reden der Pasionaria hörte und mittlerweile zur billiger Touristen-Unterkunft wird.
(2023-08-07)
DAS KZ AM KAI
Britische Regierung will ab sofort Geflüchtete auf einem riesigen Lastkahn im Hafen der Insel Portland unterbringen, sie sollen britischen Boden überhaupt nicht erst betreten. Sie sollen eingesperrt bleiben, bis über ihre Asylanträge entschieden ist. Nach einer Verschärfung des Asylrechts ist es kaum mehr möglich, Asyl zu bekommen, viele werden den Antrag erst gar nicht mehr stellen können. Eine baskische NGO sprach von einem “schwimmenden Konzentrationslager“. Weiter: “In Italien werden Migrantenschiffe gerammt und umgeworfen, Rettungsschiffe wie die Aita Mari werden bei ihrer Arbeit massiv behindert. Großbritannien zieht auf andere Art mit. In Italien spricht alle Welt von der faschistischen Regierung Meloni – und was ist mit der legendären englischen Demokratie?“
Bis Ende der Woche sollen 500 Asylsuchende in Großbritannien auf einem enormen aus Containern bestehenden Lastkahn auf der Insel Portland untergebracht werden, hatte Innenministerin Sarah Dines angekündigt. Die ersten Geflüchteten hätten bereits vergangenen Mittwoch auf der Bibby Stockholm ankommen sollen. Wegen Sicherheitsbedenken hat sich ihre Ankunft aber verschoben.
Die Gewerkschaft britischer Feuerwehrleute warnte vor einer “potenziellen Todesfalle”: Es bestehe die Gefahr, dass es auf dem Bibby Stockholm genannten Lastkahn zu einer Überbelegung kommt. In den 222 Kabinen sollen 500 Geflüchtete untergebracht werden. Außerdem seien die Brandschutz-Maßnahmen und Fluchtwege an Bord laut des Feuerwehrbundes nicht ausreichend sicher.
Kurz vor Ankunft der Bibby Stockholm hatte die britische Regierung das Asylrecht verschärft: Das sogenannte “Gesetz gegen die illegale Migration” soll es ermöglichen, Geflüchtete sofort in Haft zu nehmen, wenn sie über irregulärem Weg, also zum Beispiel in kleinen Booten über den Ärmelkanal, nach Großbritannien kommen. Das neue Gesetz erlaubt, Geflüchtete wieder in ihre Heimat oder in ein Drittland abzuschieben, ohne dass sie überhaupt erst Asyl beantragen können. Nach letzten Meldungen sind die ersten Migranten auf dem Lastkahn angekommen und eingesperrt worden.
(2023-08-02)
NICHT EINE EINZIGE MEHR
Die folgende Nachricht ist aktuell und leider nicht unerwartet. Erandio ist eine kleinere Industriestadt am rechten Nervion-Ufer, neun Kilometer von Bilbao entfernt. Dort sind gerade Fiestas – das abgebildete Aufruf-Plakat erklärt den Rest des Geschehens.
“Achtung! Eine Frau erlitt eine Machista-Aggression in Altzaga-Erandio. Von Seiten der Erandioko Mugimendu Feminista – Feministische Bewegung Erandio wird dazu aufgerufen, an morgigen Donnerstag, 3. August, um 19:00h mit einer lauten Kundgebung auf dem Metroplatz von Altzaga unsere absolute Ablehnung solcher sexistischer Aggressionen zu demonstrieren.“
Begleitet wird die Kundgebung von einer Cacerolada, Topfschlagen. “Eine Nachbarin aus Erandio hat eine sexistische Aggression erlitten. Wir haben die Schnauze voll. Keine einzige mehr! Wenn sie eine angreifen, greifen sie alle an!“
(2023-08-01)
DER GEFÄHRLICHE HEIMWEG
Fiesta in Algarta (fiktiver Name). Auf dem Weg nach Hause wird eine 19-Jährige von einem Unbekannten überfallen. Sie hat Glück, dass der Vorfall beobachtet wird und eine Nachbarin Alarm schlägt. Das Rathaus von Algarta ruft für den nächsten Tag zu einer Kundgebung gegen Sexismus auf. Fiesta in Rakaldo (fiktiver Name). Am Geldautomaten wird eine junge Frau von zwei Unbekannten überfallen, betäubt und vergewaltigt. Stunden später wird sie von Passanten in orientierungslosem Zustand entdeckt. Die Parteien des Stadtrats von Rakaldo rufen auf zu einer Protest-Kundgebung gegen sexistische Gewalt. Routine. Normalität.
Fiestas sind mit Übergriffen verbunden wie die Pflanze mit der Wurzel. Unter 10.000 Fiesta-Besuchern reicht ein Durchgeknallter. Eine Gelegenheit oder dunkle Ecke findet sich immer, wo es bei Fiestas doch so locker zugeht und alle viel offener sind als im Alltag. Zehntausende von jungen Frauen, wenn sie nicht mit ihrem Freund unterwegs sind, sind gezwungen, sich Gedanken über den Heimweg zu machen. Der Service "Sichere Heimkehr" der Fiestas von Santurtzi soll genau dazu dienen. Er funktioniert zwischen 2 und 6 Uhr in der Frühe, ein Anruf genügt, um freiwillige Begleiter*innen zu ordern, die auf dem Nachhauseweg Gesellschaft leisten. Auch junge Männer können den Dienst in Anspruch nehmen.
Mit dem Angebot “Sichere Heimkehr“ wird das Problem der Rückkehr nach Hause gelöst, individuell, nicht überall gibt es solche Angebote. Das Problem der sexistischen Aggressionen existiert weiterhin. Für Frauen und Mädchen ist der Spaß bei der Fiesta immer nur halb. Nicht nur Vorsicht auf dem Heimweg, auch Vorsicht, dass nicht etwas Betäubendes im Bierglas landet. Immer aufmerksam, immer gespannt. Nur 50% Feststimmung.
ABBILDUNGEN:
(*) Tagespresse
(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-08-01)