kolu43x00Ungeklärte Fälle

Die Erinnerung im Mai beinhaltet die Auflösungs-Erklärung von ETA im Jahr 2018, wie auch die faschistischen Morde am Montejurra-Berg 1976. In Almeria wurden 1981 drei Jugendliche aus Santander von der Guardia Civil gefoltert und ermordet, weil sie für ETA-Leute gehalten wurden. 2007 starb die Schriftstellerin Eva Forest, die den Tod von Carrero Blanco in Operation Menschenfresser dokumentierte. 1937 wurden die Nazis in Paris bei der Weltausstellung mit dem Guernica-Gemälde von Picasso konfrontiert.

Maiatza-Mai ist der Monat des Euskara. Erst in Iparralde (Senpere: Herri Urrats) und später in Bizkaia (Ibilaldia) werden mit Hunderten von Freiwilligen große Feste für die baskische Sprache organisiert, zu denen bei gutem Wetter bis zu 100.000 Personen kommen. Mit dem Erlös werden Baskisch-Schulen gebaut und renoviert.

(2023-05-31)

WUNDEN LECKEN

Die baskischen Christdemokraten von der PNV lecken nach der deftigen Wahlschlappe ihre Wunden. Und finden Schuldige, wie nicht anders zu erwarten. Der baskische PNV-Ministerpräsident Iñigo Urkullu verbindet das Ergebnis vom 28. Mai mit der “Streikwelle“ in Euskadi. Er interpretiert das deprimierende Wahlergebnis mit "sozialer Müdigkeit" und der Zunahme von "Streiks, Demonstrationen und Protesten", die er gegen seine Partei gerichtet sieht und die er "in einem führenden Gebiet" nicht versteht.

kolu43x31Führend ist das Baskenland in der Tat in dreierlei Hinsicht. Die schärfste Preissteigerung, die besten Aussichten auf Unternehmens-Gewinne und die stärksten Gewerkschaften. An dieser Stelle wurde wiederholt auf die Erfolge der baskischen Gewerkschafts- und Streikbewegung hingewiesen, die offenbar die richtigen Antworten gefunden hat auf die Profit-Kampagne des Unternehmertums. Streiks richten sich eigentlich gegen die entsprechenden Unternehmer und nicht gegen die Regierung. Außer, die Regierung würde sich systematisch auf Seiten der Kapitalklasse positionieren. Genau das praktiziert die PNV mit täglicher Beständigkeit.

Zum Beispiel beim Streik der Reinigungskräfte im Guggenheim-Museum gegen fatale Arbeitsbedingungen. Anstatt die Streikenden bei ihrem legitimen Anliegen zu unterstützen, ihren Partei-Einfluss geltend zu machen und den Konflikt schnellstmöglich über die Bühne zu bringen, schickte das PNV-Rathaus Bilbao eigene Putzkräfte, die als Streikbrecher zum Einsatz kamen. Illegal, aber egal. Der Streik zog sich in die Länge. Ergebnis: die Streikenden erreichten am Ende alles, was sie wollten und was ihnen hinsichtlich würdiger Arbeitsbedingungen zustand.

Urkullu gab zu bedenken, dass die Euskadi die autonome Gemeinschaft sei, die im spanischen Staat "an der Spitze der Streiks, Demonstrationen und Proteste" stehe. Wie recht er doch hat mit seiner Beobachtung – auch wenn die Interpretation dieser Tatsache antagonistisch ausfallen. Wenn drei Prozent der Bevölkerung in der Lage sind, 50 Prozent der Streiks zu führen, verdient dies allemal eine Würdigung. Danke Urkullu, für den Hinweis.

Was der Regierungschef nicht erwähnte: dass seine Partei nicht nur Streikbrecher schickte, wo es eben möglich war, sondern regelmäßig auch seine Polizei. Um die Interessen des Unternehmertums zu schützen, wenn es sein musste mit Schlagstöcken, gegen den Rest von Klassenbewusstsein in der baskischen Arbeiterschaft. Danke Urkullu.

(2023-05-30)

80% DER STIMMEN VERLOREN

kolu43x30Die Protestpartei Elkarrekin Podemos hat in acht Jahren 80 % ihrer Stimmen verloren. Die damals noch Podemos genannte Organisation hatte ihren Höhepunkt bei den Wahlen 2015 und 2016, seitdem hat sie einen enormen Niedergang erlitten und 80% ihrer damaligen Unterstützung verloren. Die gesamte Verantwortung dafür der Madrider Führung zuzuschieben, wäre nicht fair; auch hier im Baskenland wurden eklatante Fehler gemacht.

Vor acht Jahren erreichte die neu gegründete Podemos im Süd-Baskenland ihren Höhepunkt und gewann bei den spanischen Wahlen fast 450.000 Stimmen. Monate später war sie bei der Wiederholung dieser Wahlen ebenso erfolgreich, doch seitdem ging es bergab, und es ist schwer abzuschätzen, wann der Tiefpunkt erreicht ist.

Im Moment beträgt der Verlust in acht Jahren 80% der Wahlstimmen. Das ist schnell gesagt, aber die Zahl ist beeindruckend. Es ist schwer zu verstehen, dass in so kurzer Zeit - kaum zwei Legislaturperioden - eine Partei mit so viel Unterstützung einen solchen Rückschlag erleiden konnte. Insgesamt erhielt sie bei den Wahlen am 28. Mai 2023 rund 90.000 Stimmen, also 6,76%.

Euskadi: Niedergang und Dummheit

"Von der Podemos-Welle ist nur noch die Schaumkrone übrig geblieben". Mit diesem Absatz begann eine Analyse von Elkarrekin Podemos im Jahr 2019 nach den Wahlen. Diese Worte machten deutlich, dass in den Ergebnissen dieser Partei nur noch der Schatten der Wählerwelle zu erkennen war, die vier Jahre zuvor ganz Spanien überschwemmt hatte. Heute leidet die von Ione Belarra geführte Partei unter den Folgen einer weiteren Welle in der entgegengesetzten Richtung.

Die Ergebnisse auf Staatsebene waren sehr schlecht, in vielen Großstädten und Parlamenten ist Podemos nicht mehr vertreten. Es bleibt abzuwarten, welche Form dieser Sektor bei den spanischen Wahlen im Juli annehmen wird, ob Podemos sich der Sumar-Plattform anschließt. Wenn die Wahlen im Sommer so schlecht verlaufen wie die im Frühjahr, ist die Zukunft schwarz.

Auf jeden Fall wäre es nicht richtig, die Madrider Führung allein für die Niederlage verantwortlich zu machen. Denn der Weg, den Elkarrekin Podemos in den letzten Jahren im Süd-Baskenland einschlug, hat nicht gerade geholfen, die Ergebnisse zu verbessern. In diesem Zusammenhang sei auf Äußerungen der Geringschätzung gegenüber der baskischen Sprache hingewiesen, die von einigen Abgeordneten und Kandidaten gemacht wurden. Oder auf die Äußerungen anlässlich der Überschwemmungen in Senpere, als Herri Urrats, das Fest der baskischen Schulen in Iparralde abgehalten werden sollte. Das provozierte viel Kritik.

Die linke Presse stellte fest, dass solche Äußerungen von explizit euskara-feindlichen Gruppen wie UPyD oder Ciudadanos hätten kommen können, es war klar, dass die lila Partei auf diesem Weg keine guten Ergebnisse erzielen würde.

In Navarra hingegen hat sich dieses politische Spektrum besser entwickelt als in Euskadi, auch wenn mit 6,08% weniger Stimmen eingefahren wurden. Anders als vor vier Jahren, als sich Podemos und die Vereinigte Linke trennten, ist es hier gelungen, eine gemeinsame Koalition mit Contigo-Zurekin zu bilden, was zur Schadensbegrenzung beigetragen hat. Podemos verlor nur anderthalb Punkte, die Hälfte von dem, was sie im Rest des Baskenlandes verloren haben.

(2023-05-29)

KATERSTIMMUNG

Die Wahlen sind vorbei, am Ende haben doch nicht alle gewonnen, nur fast alle. Dabei waren die Ergebnisse in Euskadi und Nafarroa einmal mehr völlig antagonistisch zu denen im übrigen Staat. Während in baskischen Sphären eine deutliche Links-Tendenz feststellbar war, gilt für den Rest-Staat das genaue Gegenteil: rechts und ultrarechts.

kolu43x29Im spanischen Staat gewann die postfranquistische PP des Galiciers Feijoo deutlich Stimmen dazu. In drei Regionen schaffte sie die absolute Mehrheit, in sechs anderen kann das bewerkstelligt werden mit Hilfe der neo-franquistischen Partei Vox, die ebenfalls zulegen konnte. Den Sozialdemokraten bleiben nur zwei oder drei rote Regional-Flecken, ansonsten wird das Land schwarz bzw. blau, die Farbe der Postfranquisten. Bisher war es für diese Blauen eher unangenehm, sich auf Bündeleien mit den Faschisten einzulassen. Doch nach der Koalition in Castilla-Leon im vergangenen Jahr ist die Scham vorbei. Spanien steht vor dem Eintritt der Franquisten oder Faschisten, je nach begrifflichem Geschmack, in die Zentralregierung.

Alles wird schwarz-blau – außer dem Baskenland. In Nafarroa wie in Euskadi gelang der reformierten baskischen Linken der größte Erfolg ihrer Wahl-Geschichte. Auf Kosten der PNV und vielleicht auch von Podemos gewann sie praktisch überall hinzu. In Gasteiz wurde sie ebenso Mehrheitspartei wie bei den Provinzwahlen in Gipuzkoa. Die Verlierer sind benannt. Der baskischen Rechten fielen ihre Erfolgs-Arroganz und ihre schmutzigen Wahltricks auf die Füße. Durchweg zwei bis 5 Mandate Verlust. Bei Podemos fiel das Absacken geringer aus, bei weniger Mandatsvolumen geht die Partei stramm auf die Bedeutungslosigkeit zu, dank der ewigen Streitereien, die auch den letzten Protestfans auf den Zeiger gehen.

EH Bildu schadete noch nicht einmal der von Opferverbänden angezettelte “Skandal“, dass ehemalige ETA-Mitglieder auf den Wahllisten Platz fanden. Warum auch nicht! Alle haben ihre Strafen längst abgesessen und nichts mehr anhängig. Doch der spanische Hass ist auf ewig programmiert. Auch die PNV ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und schlug auf ihre härteste Konkurrenz ein. Ein Rohrkrepierer.

Pikant wird es in Nafarroa. Die Sozialdemokratin Chivite hat gute Chancen, den Job als Ministerpräsidentin zu wiederholen, mit Duldung von EH Bildu. Dieses Entgegenkommen könnte die PSN im Stadtparlament erwidern, dort hat der Bildu-Kandidat beste Chance, sein vor 4 Jahren verlorenes Bürgermeisteramt zurückzuholen. Doch eine sozialdemokratische Unterstützung würde im ganzen Staat als “Unterstützung für ETA“ interpretiert, das letzte, was man in der Madrider Parteizentrale brauchen kann.

Dort zog Noch-Staatschef Pedro Sanchez aus dem Wahldebakel direkt Konsequenzen und rief vorgezogene Neuwahlen aus (23. Juli). Denn schnelle Reaktion geht mit Schadensbegrenzung einher. Auf einen monatelangen Wahlkampf folgt somit ab sofort gleich der nächste, acht Wochen können zur Ewigkeit werden, angesichts ständiger Dumpfparolen hier und da. Im Baskenland ist das egal, hier gehen die Uhren ohnehin anders. Vorwärts, von rechts nach links.

(2023-05-28)

WAHLSIEGER

Am Ende sagen alle, sie hätten die Wahlen gewonnen. Die Wahlen vom 28. Mai 2023. Überall im Staat werden die Stadträt*innen gewählt, in der Mehrheit der Regionen auch die Parlamente (nicht so in Euskadi). Der Wahlkampf war gezeichnet von Schlammschlachten zwischen rechts, ultrarechts und sozialdemokratisch, linke Positionen waren keine zu hören. Argumente waren ebenfalls eine Seltenheit, die Kritik am Gegener ist immer einfacher, wenn nicht gleich seine Verunglimpfung, Fake News eingeschlossen.

kolu43x28Im Staat

Soziolog*innen sprechen von einer Symbolwahl, denn im Winter soll im Staat gewählt werden. Rechts gegen liberal – unvermittelbar. Im Staat versucht die postfranquistische PP eine Generalprobe für die Staatswahlen, dabei soll die rechte Konkurrenz Ciudadanos vollends über die Klinge springen und die Abhängigkeit von der faschistischen Vox-Partei (für Mehrheiten) so klein wie möglich gehalten werden.

Die Faschisten hingegen suchen den Erfolg, um die PP wie in Castilla-Leon, Murcia oder Andalusien in Koalitionen zu zwingen. Die Strategie besteht darin, ständig von ETA zu schwadronieren und das Verbot aller baskischen und katalanischen Parteien, linke wie rechte, zu fordern. Diktator Franco lässt grüßen.

Weder Podemos noch die interne Abspaltung Sumar glauben an einen eigenen Erfolg, überall stehen die Zeichen auf Verluste, das Rathaus von Barcelona könnte ebenso fallen wie das von Cadiz oder Valencia. Was der Staatsschutz mit seinen Kriminalisierungs-Strategien nicht schaffte, schaffen interne Egoismen und Spaltungen in der Protestpartei. Mit Podemos steht und fällt das Schicksal des Ober-Sozialdemokraten Sanchez, der die Protestler zur Mehrheit braucht.

Im Baskenland?

In Nafarroa könnte es in der Hauptstadt einen Wechsel von stark rechts nach halb links geben. Die Rechte ist gespalten, die sozialdemokratische Regionalregierung, mit Hilfe von der baskischen Rechten und Linken, scheint halbwegs stabil.

In der gipuzkoanischen Grenzstadt Irun versucht die Sozialdemokratie, eine ihrer letzten Bastionen gegen die PNV zu verteidigen, Kopf an Kopf, ohne programmatische Unterschiede. In Galdakao versucht die baskische Linke, ihren Überraschungs-Erfolg von vor 4 Jahren zu wiederholen, nachdem sich der Ortsteil Usansolo unabhängig gemacht hat. In Laudio (Araba) liegen baskische Rechte und Linke gleichauf, das Zünglein an der Waage könnten Sozialdemokraten oder Unabhängige abgeben.

In Bilbao geht es nur darum, ob die baskischen Christdemokraten der PNV die absolute Mehrheit kriegen oder nicht, alles andere ist Ballast. Die Hauptstadt bleibt in der Hand des Massen-Tourismus. In Gipuzkoa liegen baskische Linke und Rechte Kopf an Kopf, niemand wagt eine Prognose für die Provinz und die Hauptstadt. In der Industriestadt Barakaldo (vor den Toren von Bilbo) will die baskische Rechte ihren Vorsprung ausbauen, nachdem sie die frühere sozialdemokratische Hochburg schon lange gestürmt hat.

Im mondän-oligarchischen Getxo suchen die baskische Linke und die Postfranquisten hinter der unschlagbaren PNV die zweite Position zu ergattern. In Durango, der Stadt der vergessenen Legion-Condor-Bombardierung, sucht die basksiche Rechte, zu normalen Umständen zurückzukehren und die Linke aus dem Rathaus rauszuwerfen. Noch Fragen? Alle werden gewinnen. Und sei es nur, dass sie besser abschneiden als in den negativen Prognosen vorhergesagt.

(2023-05-26)

WER WÄHLEN DARF – UND WER NICHT

kolu43x26Im Baskenland (und im ganzen spanischen Staat) werden am Wochenende die Kommunal-Parlamente neu gewählt. Wusstest du, dass reiche Leute bei Wahlen verhältnismäßig eher ihre Stimme abgeben als arme Leute? Das bedeutet, bei den Wahl-Ergebnissen sind sie über-repräsentiert. Kein Wunder also, dass in den Rathäusern Politik für die Wohlhabenden gemacht wird. Und warum gehen Arme weniger wählen? Weil sie keine Alternative sehen, weil keine Partei für ihre Rechte einsteht. “Die machen ohnehin nicht das, was sie versprechen”, ist ein bekannter und vielfach wiederholter Satz. Ohne Zweifel, das ist wahr.

SOS Rassismus in Navarra beklagt, dass 60.000 dort lebende Menschen nicht wählen dürfen. Sie dürfen sich also nicht in die Politik einmischen und Stimmen abgeben, die ihren Interessen entsprechen.

“Ich gehe nicht zur Wahl, weil mich nichts überzeugt”, sagte mir ein Freund aus Pamplona, der eigentlich wählen dürfte. “Aber mein Wahlzettel soll dennoch nicht verloren gehen. Ich gehe mit einer Frau aus dem Senegal ins Wahllokal, sie füllt den Zettel aus und entscheidet, was sie wählen will. Ich gebe dann ihren Stimmzettel ab. Sicher keine Lösung für das große Problem im Hintergrund, dass bei Wahlen niemals die wirklichen Interessen vertreten werden. Vielleicht ein Tropfen auf den heißen Stein. Über Rassismus und Kapitalismus wird nicht nur an den Wahlurnen entschieden.”

(2023-05-24)

WAHLSTIMMEN KAUFEN

Wer an Wahlen teilnimmt, will sie auch gewinnen. Mit Argumenten, einem Programm, Überzeugung, waghalsigen Versprechen, mit Provokation, Polarisierung, mit der Diffamierung der Konkurrenten. Oder gleich mit Lügen und erfundenen Nachrichten, heutzutage fake news genannt. Erfolg also mit allen Mitteln. Im Baskenland wird am Sonntag gewählt.

kolu43x24Ein solches Verfahren Demokratie zu nennen und das daraus folgende Ergebnis Volksvertretung, ist eigentlich absurd. Wo Nichtseriosität und Unwahrheit im Spiel ist, sollte besser auf Durchzug geschaltet werden. Mit allen Mitteln – darunter verstehen einige auch, nicht nur zu wählen, sondern sich die Stimmen anderer gleich direkt anzueignen. Tatort Postamt. Dort gehen Briefwahl-Stimmen ein, die eigentlich an die Wahlbehörde weitergeleitet werden sollten. Oder doch nicht. Sie werden abgefangen und “umgestimmt“. Jemand kassiert gut dabei. So geschehen in Melilla, der spanisch-afrikanischen Enklave. Bitter, dass ausgerechnet die wenig demokratie-kompatible Guardia Civil den Skandal ans Licht brachte.

Ist es denn so wichtig, bei Wahlen die Nase vorn zu haben? Abgesehen von politischen Programmen, sind heutzutage große Geschäfte im Spiel. Wer bekommt die Kommunalen Aufträge, welche Subunternehmen werden beglückt? Wo wird aus Grünfläche Bauland gemacht, welche Firma kriegt den Zuschlag?

Bei so viel Geld im Spiel liegt es doch viel näher, sich mit ein paar Dollar die Stimmen gleich direkt zu besorgen. Ohne Wahlurne. In Mojacar wurde Wahlberechtigten Geld für ihre Stimmen angeboten – warum eigentlich nicht! Jeder ist seines Glückes Schmid. Stimmen verkaufen wie ein gebrauchtes Auto. Wenn im ersten Fall die demokratischen Postfranquisten dahinter steckten, so sind es im zweiten Fall die demokratischen Sozialdemokraten. Neben Geld wurden den lateinamerikanischen Mitbürgern mit Kommunal-Wahlrecht auch noch Jobs angeboten, eine ganz besonders seltene Ware: Stimmen gegen Geld und Jobs, ohne Stimmen weder das eine noch das andere. Wer wollte da nein sagen – wenn nicht erneut die ungeliebte Polizei den Braten gerochen hätte. Spanische Demokratie, spanische Wahlen? Nein danke.

(2023-05-23)

DONOSTI: BRUTALE STADTENTWICKLUNG

Hunderte von Menschen demonstrieren in Donostia, um die "brutalen" Stadtentwicklungs-Maßnahmen der PNV-Stadtregierung anzuprangern. Die Plattform Donostia Defendatuz (Donostia verteidigen), der fünfzig Körperschaften und Vereinigungen angehören, fordert einen "Modellwechsel", bei dem die Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen.

kolu43x23Hunderte von Menschen demonstrierten am 22.5.2023 im Zentrum von San Sebastián, um deutlich zu machen, dass die Stadt "nicht zu verkaufen" ist, und um von der Stadtverwaltung einen "Modellwechsel" zu fordern, um die Tendenz zu stoppen, eine Stadt zu entwerfen, "die auf die Tourismus-Industrie zugeschnitten ist". In der Koordinierungsstelle Donostia Defendatuz sind rund fünfzig Organisationen, Nachbarschafts-Vereinigungen und soziale Bewegungen zusammengeschlossen. Sie schätzt, dass etwa 3.000 Menschen an dem Marsch teilgenommen haben, der vom Easo-Platz aus startete, angeführt von einem Banner mit dem Slogan "Donostia ist nicht zu verkaufen; holen wir uns Donostia zurück", und durch mehrere Straßen im Stadtzentrum führte.

Dem Koordinationsgremium Donostia Defendatuz gehören unter anderem Vereine wie Ondare-SS, Haritzalde, Satorralaia, Belartza 2 Gelditu, Dendartean, Ba Gera, Uliako Auzo Elkartea, Bizilagunekin, Heriz Plataforma, Parkea Bizirik und Amara Bai an. Betont wird, dass dieser Protestmarsch notwendig sei, um der Stadtverwaltung ihre "Misswirtschaft" vor Augen zu führen, die sich in einem "ständigen Angriff auf die Identität, das architektonische, natürliche und soziokulturelle Erbe und die kleinen Unternehmen in Donostia" äußere. Die verschiedenen Organisationen nahmen mit jeweils eigenen Transparenten an der Demonstration teil.

"Heute prangern wir einmal mehr die fortschreitende Demontage der Stadt an. Wir prangern die Tatsache an, dass eine Stadt für die Tourismus-Industrie entworfen wird, eine Stadt, die weit davon entfernt ist, den Bürgerinnen von Donostia zu dienen", erklärten die Organisatoren in einem Kommuniqué nach dem Marsch. Zu den städtischen Maßnahmen, die beklagt wurden, gehören unter anderem das Projekt zum Bau eines zweiten Gebäudes für das Baskische Kulinarische Zentrum in den Parks von Manteo und Zemoria, das Projekt eines Einkaufszentrums auf dem Hügel San Bartolomé, der Abriss des Nordbahnhofs und des Gebäudes der Schönen Künste sowie die "Verschwendung" von fünf Millionen in Hondalea auf der Insel Santa Clara.

"Alarm und Unzufriedenheit

Laut den Organisatoren sind "die Beunruhigung und die soziale Unzufriedenheit, die durch diese und viele andere Aktionen hervorgerufen wurden, die treibende Kraft hinter diesem gemeinsamen Bürgeraufruf, dem sich 48 Organisationen und Hunderte von Anwesenden angeschlossen haben". Sie fügten hinzu, dass dies nur einige Beispiele "für ein Problem sind, das wir als endemisch und nicht als einmalig betrachten; ein direktes Ergebnis der Kommunalpolitik, die systematisch große wirtschaftliche Interessen wie Bauträger, Investmentfonds, Franchise-Unternehmen und große Supermärkte begünstigt".

(2023-05-22)

DIE FRAUEN VON EZKABA

Frauen wurden und werden aus allen Ecken der Geschichte verbannt, ignoriert, so als stünde ein geheimer Plan dahinter. Das gilt auch für die Erinnerung an die Schrecken des Spanienkrieges von 1936 bis 1939. Ezkaba zum Beispiel, die in den Berg gegrabene Gefängnisfestung vor den Toren von Pamplona (baskisch: Iruñea). Dort waren mehr als 7.000 Männer eingesperrt, und unmenschlichen Bedingungen.

kolu43x22In der Vergangenheit wurden diese Gefangenen jedes Jahr geehrt. Doch ganz im Hintergrund gab es auch Frauen, die Repression erlitten. Andere Formen, zuallererst mussten sie allein für das Fortkommen ihrer ganzen Familie kämpfen, denn die Männer waren an der Front oder gefangen oder tot. Die Vereinigung Txinparta-Fuerte San Cristóbal organisiert die jährliche Veranstaltung vor den Toren des Gefängnisses von Ezkaba. Sie erinnerten dieses Jahr an die Frauen, die neben dem Schmerz über den Verlust ihrer Ehemänner, Väter, Söhne oder Brüder auch die Schikanen, die Verachtung und die wirtschaftliche, körperliche und sexistische Unterdrückung durch die Faschisten ertragen mussten. Unter diesen schrecklichen Bedingungen waren sie dennoch in der Lage, ihre Familien und die Gefangenen zu unterstützen.

Beweis dafür waren die Beiträge von vier Angehörigen, die nicht nur die Sicht von Gefangenen darstellten, sondern aus der Sicht der gesamten Familie sprachen und die Situation beschrieben, in der sie sich befanden. Der Urenkel eines Gefangenen aus Valladolid, die Enkelin eines auf der Flucht verstorbenen Gefangenen, die Tochter eines Gefangenen, und der Enkel eines Gefangenen, ergriffen das Wort.

Bei Txinparta arbeitet man immer noch daran, alles zu klären, was an diesem Ort geschehen ist. Demnächst würden weitere 300 Namen auf die Liste der Gefangenen gesetzt werden. "Sie werden vielleicht denken: wie immer! Wir haben uns immer vorrangig um die Familien gekümmert. Wenn es stimmt, dass es keine lebenden Häftlinge mehr gibt, von denen wir wissen, so sind es jetzt ihre Töchter, Enkelinnen und Urenkelinnen, die nicht bereit sind, das Unrecht zu vergessen, dem sie ausgesetzt waren, und die eine eigene gesellschaftliche Anerkennung fordern", betonte der Präsident der Vereinigung.

Nach vielen Jahren der Arbeit, der Forschung und der Sammlung von Zeugenaussagen durch Txinparta ist es gelungen, "den Mantel des Schweigens und der Täuschung zu brechen, mit dem der Franquismus versuchte, die Schandtaten zu verbergen und zu entstellen, denen die mehr als 7.000 Gefangenen ausgesetzt waren, von denen die meisten Verteidiger der Republik waren". Einer von zehn Ezkaba-Gefangenen kehrte nicht nach Hause zurück. Viele starben an Hunger, Kälte und Elend, wie die 203, die auf den Friedhöfen des alten Friedhofs von Ansoain begraben sind. Andere wurden erschossen, wie die 21, die kürzlich in Berriozar geborgen wurden, oder die vier aus Artika.

Wieder andere wurden "wie Kaninchen in den Tälern von hier bis zur französischen Grenze eliminiert: die 206 Personen, die an der Flucht von 1938 (heute vor 85 Jahren) teilnahmen. 14 wurden erschossen, weil sie als Verantwortliche für die Massenflucht angesehen wurden, andere waren der Tuberkulose ausgeliefert, Hunger, Kälte, Überfüllung und Elend, wie die 131, die zwischen 1942 und 1945 auf dem Flaschenfriedhof landeten".

(2023-05-18)

BASKEN UNERWÜNSCHT

Josetxo Mujika stand bei den Langdistanz-Triathlon-Weltmeisterschaften auf Ibiza aus zwei Gründen im Rampenlicht. Zum einen, weil der Athlet aus Zumarraga den Titel gewann, und zum anderen, weil ein Organisations-Mitglied bei der Preisverleihung versuchte, ihm die die Ikurriña, die baskische Fahne wegzunehmen, die er sich umgehängt hatte.

kolu43x18Es geschah in Sekundenschnelle bei der Siegerehrung, nach Abschluss aller Weltcuprennen. Josetxo Mujika aus der Kategorie der Veteranen betrat das Podium, mit der Ikurriña auf seinen Schultern und wartete auf die Medaille, ebenso wie ein weiterer Sportler mit der Fahne seines Landes. In diesem Moment erscheint ein Mann mit einer Akkreditierung um den Hals, die ihn als Organisations-Mitglied ausweist, mit großer Geschwindigkeit auf der Bühne und reißt an der Ikurriña mit der Absicht, sie wegzunehmen.

In den Aufnahmen, die während der Zeremonie gemacht und in die Netzwerke hochgeladen wurden, ist die überraschte Geste des Triathleten aus Gipuzkoa zu sehen, der mit einem der Organisatoren spricht. Der verlässt die Veranstaltung, während Mujika seinen Titel feiert, den er nach 3 Kilometern Schwimmen, 110 Kilometern Radfahren und 30 Kilometern Laufen errungen hat.

"Sie haben mir gesagt, dass ich keinen Preis bekomme"

"Als ich an der Reihe war, kam einer, der von der Organisation geschickt wurde, um mir die Ikurriña wegzunehmen. Ich fragte warum, er sagte, ich könne damit nicht aufs Podium, ich sei bei den Weltmeisterschaften in Vertretung von Spanien. Ich sagte ihm, dass ich sie nicht abnehmen würde. Dann sagte er zum Bürgermeister, er solle mir den Preis nicht geben, aber als er sich umdrehte, kam der Bürgermeister von Ibiza und gab mir die Medaille, und damit war die Sache erledigt", erzählt Josetxo Mujika, Sieger in der Altersgruppe 65 bis 70 Jahre.

Der 66-jährige Ruheständler aus Zumarraga bedauert den Zwischenfall. "Ich messe dem keine Bedeutung mehr bei, ich bleibe bei meiner Leistung, die ich in diesem Alter als wertvoll erachte. Aber jetzt wird viel darüber gesprochen, das tut mir leid. Was mich überrascht, dass jemand kommt und versucht, mir die Ikurriña wegzunehmen". Mujika: "Wir gehören nicht zur Elite, in unseren Kategorien müssen wir unsere Reise, Unterkunft und Kleidung selbst finanzieren. Ich verstehe nicht, warum sie Forderungen an uns stellen und schon gar nicht, dass die Ikurriña verboten sein soll, wo ist das Problem bei einer Veranstaltung, die ein Fest war".

(2023-05-16)

SPRECHEN SIE BASKISCH?

Nach 45 Jahren “Demokratie“, offizieller Zweisprachigkeit und ohne “Sprachverbot“ hätte das Ergebnis besser ausfallen können. Das Resultat der siebten sozio-linguistischen Untersuchung zur Entwicklung des Euskara. Zwar wurden Fortschritte gemacht, aber in so kleinen Etappen, dass es fast peinlich wirkt. Tatsache ist, dass die “kleinen“ Sprachen, die “Minderheiten-Sprachen“ im Schatten der „großen“ wenig Licht bekommen und schlecht gedeihen. Von ständigen Anfeindungen ganz zu schweigen.

kolu43x16Vorweg sei bemerkt, dass die Förderung der baskischen Sprache nicht einheitlich geregelt ist. Drei verschiedene Verwaltungen kümmern sich in unterschiedlicher Weise darum. Im baskischen Norden, den französischen Baskenland, ist die Sprache nicht einmal offiziell, jeder noch so kleine Schritt nach vorne muss mühsam erkämpft werden. Dafür gibt es seit vier Jahren den Verband baskischer Gemeinden, die erste rein baskische Verwaltungseinheit überhaupt. Jedoch ohne viel Kompetenzen, alles wird zentral gesteuert. Private Baskisch-Schulen müssen bezahlt werden, um wenigstens der Jugend ihre Kenntnisse mit auf den Weg zu geben.

Besser sieht es im Süden aus, doch auch da teilen sich zwei Verwaltungen die Verantwortung. Die Autonome Region Baskenland (Araba, Bizkaia, Gipuzkoa) macht langsam Fortschritte, dank der baskischen D-Schulmodells, das perfekt zweisprachig erzieht. Doch wer Baskisch kann, spricht es nicht automatisch, wenn auf der Arbeit oder im Freundeskreis diese Kenntnisse fehlen. So wird häufig nicht die Kenntnis selbst als Problem bezeichnet, sondern die Nutzung der Sprache.

Düster sieht es auch im baskischen Navarra aus. Dort warf die spanische Rechte jahrzehntelang Knüppel in die Räder der Entwicklung. In dieser Region gibt es noch nicht einmal eine einheitliche Förder- und Benutzungs-regelung. Der Pyrenäen-nahe Norden ist offiziell zweisprachig, im Zentrum um Pamplona kommt es auf den konkreten Ort an, und der Süden muss ohne Euskara auskommen. Das war schon immer so, und weil es schon immer so war und sich am besten auch nicht ändern soll, ist dort die Förderung auf Eis gelegt. Gerade dort, wo es am meisten notwendig wäre.

Die Zahlen der Studie sprechen für sich. Seit der ersten Erhebung 1991 wurden zwar tatsächlich Fortschritte gemacht, doch teilweise folgten Rückschritte oder Stillstand. Eigentlich unverständlich, denn die große Mehrheit der Schüler*innen lernen Baskisch, und die alten, die im franquistischen Verbot lebten. Sterben langsam aus. Ein großes Problem ist, dass es den heutigen Migrant*innen nicht einfach gemacht wird, die Sprache zu lernen. Denn es erfordert viel Zeit und ist teuer, sich in Baskisch-Schulen für Erwachsene anzumelden. Eine ernst gemeint Förderung von Seiten der Regierungen müsste von einem Gratissystem ausgehen, das niemanden benachteiligt. Stattdessen ist das Euskara ein Geschäftszweig. Wie alle anderen auch.

(2023-05-14)

DIE DÜSTERE AMNESTIE-WOCHE

kolu43x1446 Jahre ist es her. Dennoch erinnert Pamplona jedes Jahr erinnert an José Luis Cano, der am 13. Mai 1977 von der spanischen Polizei erschossen wurde. Cano befand sich in einer Bar, die Beamten zwangen ihn auf die Straße und schossen ihm in den Kopf. Das Verbrechen ereignete sich während der Pro-Amnestie-Woche, er war nicht das einzige Opfer. In diesem Zusammenhang wurden auch Rafael Gómez (Renteria), Clemente del Cano (Oiartzun), Manuel Fuentes (Ortuella), Luis Santamaría (Pamplona), Gregorio Marichalar (Renteria) und Francisco Javier Fernández (Bilbo) durch Polizeigewalt getötet.

Die Amnestie-Woche war eine Mobilisierung in ganz Hego Euskal Herria (Süd-Baskenland), die in der spannungsgeladenen Atmosphäre des sogenannten “demokratischen Übergangs“ nach der Diktatur organisiert wurde. Im Februar, Mai und Oktober waren Mobilisierungen angesagt. Zwei Jahre nach dem Tod Francos waren für Juni 1977 Wahlen angesetzt, jeder politische Sektor machte seine Positionen deutlich. Viele Leute begannen, Freiheit und Amnestie für die baskischen politischen Gefangenen zu fordern. Neben der Freilassung der Gefangenen forderten sie auch Demokratie für das Baskenland.

Die spanische Regierung ging nicht in vollem Umfang auf die Forderungen ein, der Kampf für eine Amnestie begann sich zu verstärken. Das politische Klima war alles andere als ruhig: ETA führte zahlreiche Aktionen durch, auf die die Regierung mit Repressionen reagierte. Während die erste Amnestie-Woche im Februar etwas ruhiger verlief, fand die zweite im Mai am Vorabend der Wahlen statt, und das Vorgehen von Polizei und Guardia Civil war besonders brutal.

Am 13. Mai wurde in Pamplona zu einer Demonstration aufgerufen, und als die Polizei angriff, begannen die Menschen zu rennen. José Luis Cano betrat mit anderen Demonstranten zusammen eine Bar, um sich zu schützen. Die Polizei stürmte das Lokal, schlug Cano und zwang ihn auf die Straße. Er war 28 Jahre alt, als er erschossen wurde.

(2023-05-13)

ES REGNET (NICHT)

Herri Urrats. Wer weiß schon, was das ist. Es ist Baskisch und bedeutet “Des Volkes Schritt“ und ist der Name des jährlichen Euskara-Fests in Iparralde, dem Baskenland im französischen Staat. Ein Kultur-Fest, zu dem 100.000 oder mehr Baskisch-Freundinnen erwartet werden. Am morgigen Sonntag soll es wieder so weit sein. Falls es nicht zu viel regnet.

kolu43x13Szenenwechsel, Bilbao. Die aktuell anwesenden Touristen schauen besorgt in den Himmel und fragen sich, womit sie es verdient haben, ausgerechnet mit einer Regenwoche in der Guggen-Stadt begrüßt zu werden, “wo doch drei Monate lang so gutes Wetter war“ – scheiß Regen. 95% der örtlichen Bevölkerung sehen das anders. Jeder Regenguss ist Gold wert, angesichts des Tiefstands in den Stauseen und der bereits im April ausgetrockneten Weiden und Wiesen.

Zweiter Szenenwechsel, Portugal. Auf 89% der Landesfläche hat es seit 100 Tagen nicht mehr “relevant“ geregnet, die Katastrophe droht nicht, sie ist längst angekommen. Die Landwirte haben die Hoffnung aufgegeben.

Dass das große Euskara-Fest in Gefahr ist, liegt an den Regengüssen, die in den vergangenen Tagen gefallen sind, in den Orten Sara und Etxalar wurden viele Keller überschwemmt. Das naheliegende Festgelände am Stausee von Senpere ist matschig und nur beschränkt begehbar, es droht die Absage. Weil der Erlös aus dem Baskisch-Fest den Euskara-Schulen in Iparralde zu Gute kommt, ist der Schaden doppelt: keine Fiesta, keine Kohle, kein Euskara.

Selten zuvor wurde Regen oder Nichtregen so ambivalent aufgenommen. Klimakatastrophe, Trockenheit, Überschwemmungen, Dürre. Es regnet nicht mehr normal, entweder gar nicht oder zum Absaufen. Die baskische Landwirtschaft steht noch nicht mit dem Rücken zur Wand, die Seen sind noch drittelvoll. Die Touristen wünschen sich Trockenheit, wie sie in Andalusien und Katalonien bereits eingetreten ist. Südlich der Pyrenäen wurde wegen Wassermangels ein Kanal geschlossen, der sonst Apfelplantagen versorgt. Die Obstanbauer haben die Ernte bereits abgeschrieben. Die Touristen wünschen sich von ganzem Herzen Sonne und die Besitzer von Golfplätzen müssen sich keine Sorgen machen, dass ihr saftiges Grün aus H2O-Mangel strohgelb wird. Unterschiedliche Interessenlagen. Kollateralschaden für das Euskara.

(2023-05-12)

GARANTIERTES GRUNDEINKOMMEN

kolu43x12Verschiedene Personen aus Gewerkschaften und Unabhängige haben in dieser Woche ein neues Projekt vorgestellt: Das neue Kollektiv Orain! (Jetzt!) steht für ein “Bedingungsloses Grundeinkommen“ (Renta Básica Incondicional). Darunter zu verstehen ist ein individuelles, universelles und bedingungsloses Grundeinkommen, das allen Personen im Baskenland zusteht, die dieses Grundeinkommen brauchen. Orain! soll in den vier baskischen Südprovinzen (Hego Euskal Herria) in offenen Versammlungen organisieren, alle Interessierten sind zur Teilnahme aufgerufen.

"Wir fordern dieses Grundeinkommen JETZT, weil wir jeden Tag sehen, wie Armut und soziale Ungleichheit in unseren Vierteln, Städten und Gemeinden zunehmen", heißt es in der Vorstellungs-Erklärung. Viele der Personen, die dazu ermutigt wurden, sich dieser Gruppe anzuschließen, haben sich an der außerparlamentarischen Gesetztes-Initiative (ILP) beteiligt, die am 5. Mai letzten Jahres im baskischen Parlament vorgestellt wurde. Eine ILP mit mehr als 20.000 Unterschriften, mit der Unterstützung von mehr als 80 Kollektiven und sozialen Organisationen, die eine starke Unterstützung erhielt. Die Gesetzes-Initiative wurde jedoch in der Plenarsitzung von der PNV (Christdemokraten), PSE (Sozialdemokraten) und PP (Postfranquisten) abgelehnt, im Zusammenspiel mit der neofranquistischen VOX-Parteil. Dem gegenüber standen die Stimmen der Linkskoalition EH-Bildu und der Protestpartei Elkarrekin Podemos-IU.

Während der Pressekonferenz bekräftigte das Kollektiv Orain!, wie wichtig es ist, eine Grundsicherung zu erreichen, insbesondere in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, zunehmend prekärer Arbeitsbedingungen und Löhne, steigender Inflation und folglich steigender Lebenshaltungskosten. "Während die Mehrheit von uns ein zunehmend unsicheres und verarmtes Leben führt, steigert der Markt weiterhin seine Gewinne auf unsere Kosten."

Die Gruppe setzt sich nachdrücklich für eine Politik der öffentlichen Dienstleistungen ein, die den Reichtum umverteilt und das Recht aller Menschen auf "menschenwürdige Lebensbedingungen, ohne Auflagen und Bedingungen" garantiert. Aus diesem Grund kämpfen sie für ein individuelles, universelles und bedingungsloses Grundeinkommen.

(2023-05-10)

DIE BASKINNEN STERBEN AUS

In der Autonomen Region Baskenland (Euskadi) wurden im Jahr 2022 erstmals weniger als 14.000 Geburten verzeichnet, das entspricht dem niedrigsten Stand seit Beginn statistischer Aufzeichnungen. Die baskische Regierung spricht von einem "demografischen Ungleichgewicht", unter dem Europa leide und das im Baskenland in besonderem Maße zuträfe. Euskadi ist eine der Regionen mit der höchsten Lebenserwartung, des spätesten Auszugs der jungen Generation und der niedrigsten Kinderzahl pro Frau.

kolu43x10Was waren das für Zeiten im Babyboom, als die Zahl der kleinen Baskinnen und Basken noch vier Mal so hoch war, über 60.000. Das war in den 1960er Jahren, im Franquismus, da gab es wenig mehr als die Familie, die Wohnung … Konsum und Reisen jedenfalls nicht. Nun herrscht Ernüchterung: nur noch 13.613 Babys, 644 weniger als im Jahr 2021, dem bisher geburtenärmsten Jahr. Sagt das Baskische Institut für Statistik (Eustat).

Der “fehlende Generationswechsel“ könnte bis 2050 zu einem Defizit von 400.000 Personen auf dem Arbeitsmarkt führen. Für die Unternehmer ist das ein Problem, weil nicht für den Konsum produziert wird, sondern für den Profit. Doch die Regierung ist empathisch, sieht die "Herausforderung ersten Ranges" und will die Geburtenrate von 1,28 Kindern pro Mutter in einem Zeitraum von sieben Jahren bis 2030 auf 1,5 erhöhen. So hört sich das an, wen Bürokraten über soziale Probleme reden. Interessant auch die Unterschiede des Rückgangs nach Provinzen: insgesamt 4,5%, Gipuzkoa liegt vorn mit 8,7%, Araba folgt mit 4,3%, in Bizkaia war es nur 1,6% weniger. In Gipuzkoa scheint die Lust auf Sex vier Mal Geringer zu sein. Oder in Bizkaia werden vier Mal mehr Verhütungsmittel benutzt.

Sarkasmus beiseite: nach den Gründen für die Kinderfeindlichkeit wird gar nicht erst gefragt. Weil es dann schnell ans Eingemachte geht. Das erste Problem ist das “hohe Emanzipationsalter“, das heißt, viele jungen Leute wohnen bis 40 oder noch länger zu Hause. Weil es keine Jobs gibt, die Mieten teuer sind und der Wohnungskauf ohnehin nicht zur Debatte steht, solange es keine zwei Verdiener*innen gibt, die sich am Kredit beteiligen. Der baskische Emanzipations-Schnitt liegt bei 30,2 Jahren, vier Jahre über dem europäischen. Es kursiert der Witz, dass die Baskinnen viel von Unabhängigkeit reden, das auf der persönlichen ebene aber nicht auf die Reihe kriegen.

Ohne eigene Wohnung keine Lust auf Kinder, wo man schon zum Sex zu Freunden oder ins Hotel gehen muss. Doch das ist lange nicht alles. Paare, die das Auto in der Garage und den Kredit am Laufen haben, wollen schließlich erstmal das Leben genießen, sprich kräftig reisen, nach Thailand, Hawaii, Vietnam oder Kolumbien, da sind Kinder lästig. Das sind sie auch für Kultur-Interessierte, denn Kleinkinder sind bei Rockkonzerten nicht gerne gesehen. Generell steht der Konsum weit vor der Überlegung, für Nachwuchs zu sorgen. Wie hoch die Zahl derjenigen ist, die es nicht mehr verantworten können, angesichts eines Panoramas am Rande der Klimakatastrophe und eines großen Krieges noch mehr Kinder in die Welt zu setzen, ist nicht bekannt, es dürften mehr als dreißig sein.

Da ändern auch die 200 Euro pro Monat und Kind bis zum Alter von drei Jahren wenig, die die Regierung nun zahlen will, immerhin 42.530 Familien haben in sechs Wochen einen entsprechenden Antrag gestellt. Dass die Vorschule von Null bis zwei Jahren kostenlos sein soll, ist ebenfalls nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch soll es Mietsubventionen von 300 Euro pro Monat geben, für zwischen 25- und 29-Jährige mit einem Jahres-Einkommen unter 28.000 Euro.

Die Frauen sind immer älter, wenn sie Kinder bekommen. 80% waren über 30 Jahre alt. Fast doppelt so viele 40-Jährige wurden Mütter im Vergleich zu den unter 25-Jährigen (12,8% gegenüber 7,3%). Das Gebäralter lag bei spanischen Frauen bei 34,7 Jahren und bei den ausländischen Frauen bei 31,1 Jahren. Obwohl sie insgesamt in der Minderheit sind, machen sie einen großen Teil der Geburten aus. Im vierten Quartal kamen 30,6% der Frauen, die im Baskenland ein Kind bekamen, aus einem anderen Land. Gut, dass Bask*innen relativ wenig ausländerfeindlich eingestellt sind, von “Überfremdung“ hat jedenfalls noch niemand geredet. Zumindest nicht öffentlich, das sei den rechten Spanier*innen überlassen.

(2023-05-08)

MIETPREISE REGULIEREN

Spekulation, Inflation, Massentourismus und Airbnb haben die Mietpreise derart nach oben getrieben, dass immer größere Teile der baskischen Bevölkerung nicht mehr wissen, wie die horrenden Mieten bezahlt werden sollen. Ganz zu schweigen von den Steigerungsraten im Fall von Mieterwechsel. Folge ist die zunehmende Verdrängung einkommens-schwacher Schichten aus den Zentren, oder aus den Barrios neben den Zentren. Klassische Gentrifizierung.

kolu43x08Nun hat eine Umfrage ergeben, dass 78% der Basken für eine Regulierung der Mietpreise sind. In der Umfrage vom Februar nannten 3,9 Prozent der Befragten das Wohnungsproblem als Hauptproblem in Navarra, ein Prozentsatz, der nun leicht auf 3,8 Prozent sinkt und auf der Skala der Probleme der Region um einen Platz auf den siebten Rang zurückfällt. In Araba, Bizkaia und Gipuzkoa hingegen ist der Prozentsatz derjenigen, die das Wohnen als Hauptproblem in der Region Baskenland bezeichnen, von 5,5% auf 7,7% gestiegen und liegt damit an vierter Stelle der genannten Probleme. Das mag unbedeutend erscheinen, aber ein Anstieg um mehr als zwei Punkte in nur zwei Monaten deutet darauf hin, dass sich in diesem Zeitraum etwas getan hat.

Das neue spanische Wohnungs-Gesetz ermöglicht trotz aller Beschränkungen eine Verbesserung der Situation vieler Mieter und setzt dem Missbrauch durch Immobilienmakler und Vermieter ein Ende. Die neoliberale Regierungspartei PNV wettert gegen das Gesetz und gegen die Zustimmung durch die baskische Linke.

Die Umfrage enthält zwei weitere Fragen zum Thema Wohnung. Zuerst, ob die Befragten der Meinung sind, dass "keine neuen Wohnungen gebaut, sondern leerstehende Wohnungen auf den Markt gebracht werden sollten". Die Mehrheit mit 60,7% der Befragten ist eindeutig, nur 26,5% sind dagegen. Hier gibt es zwischen den Parteigängern größere Unterschiede, nur 49% der PNV- und 50% der Sozialdemokratie-Wähler stimmen dem zu. Eine knappe Mehrheit. Bei den Anhängern von EH Bildu und Podemos sind dagegen immer 79% dafür. Bemerkenswert ist, dass in Navarra die Befürworter in der Sozialdemokratie (72%) und bei Geroa Bai (69%) eine deutlich größere Mehrheit haben als in den entsprechenden Parteien in Euskadi.

Die letzte Aussage ist die am heftigsten umstrittene. Sie bezieht sich auf die Zusatz-Besteuerung für Besitzer leerstehender Wohnungen. Rund 43,5% stimmten dem zu, aber 40,8% waren dagegen. Bei der PNV sinkt der Anteil der Befürworter einer Steuererhöhung auf 38% (kein Wunder, als Vertreter der Unternehmerseite, aber auch bei den Anhängern von EH Bildu (53%) und Podemos (48%) ist die Ablehnung hoch. Der Konsens in diesem Punkt ist also schwächer als bei der Mietpreis-Regulierung. In zwei Monaten ist die Zahl derjenigen, die das Wohnungsproblem für das Hauptproblem in Euskadi halten, von 5,5% auf 7,7% gestiegen. Von diesen sind 17,5% der Meinung, dass die Partei EH Bildu die besten Lösungen für das Problem bietet, gegenüber 11,1% für die PNV. Kein Ruhmesblatt für die baskische Linke. Bei Sozialdemokraten und Podemos sinkt der Prozentsatz auf 4,8%.

(2023-05-07)

DAVID GEGEN GOLIATH

kolu43x07Gut, dass das Spektakel vorbei ist, tagelang war im Baskenland von keinem anderen Thema die Rede. Wirtschaftskrise, Streiks und Wahlkampf standen weit in der zweiten Reihe. Denn im Vordergrund stand die Droge Fußball. Opium fürs Volk, wie es so schön heißt. Das bescheidene Team von Osasuna CF aus Pamplona stand im Cup-Finale dem universellen Fußball-Goliath Real Madrid gegenüber. Nicht einfach nur ein Fußballspiel. Auch: Baskenland gegen Kastilien, Klassengegensätze, multinationale Unternehmer gegen lokale Handwerker.

Das Spiel endete – entgegen der Erwartung vieler, “nur“ mit 2 zu 1 für die Hauptstädter, Osasuna konnte die millionenschweren Tiger im Zaum halten. Bereits im Halbfinale war klar, dass einer der Finalisten aus dem Baskenland kommen würde, Osasuna (was auf Baskisch übrigens Gesundheit heißt) und Athletic Bilbao standen sich gegenüber. Die Navarros hatten die Nase vorne.

Das Finale fand, wie zuletzt üblich, in Sevilla statt, 20.000 Fans aus der baskischen Region machten sich auf den Pilgerweg. Osasuna konnte einfach nicht verlieren, die Euphorie war grenzenlos. David gegen Goliath, eine Sensation war möglich gegen ein Imperium, das solche dummen Pokalfinale nicht wirklich ernst nimmt, weil sie nichts darstellen im Vergleich zum internationalen Ruhm, der kommende Woche ansteht: Halbfinale in der Champions-League. Da ist das große Geld zu verdienen, das gibt es die Ruhmes-Lorbeeren für die Ewigkeit.

Rein rechnerisch verloren die Navarros zwar, doch blieben sie haushohe moralische Sieger. Selten wurde Finalverlierer so gefeiert, nicht einmal die mitgebrachten Kinder heulten. Ihr Team hatte alles gegeben, die anderen waren eben stärker. Baskinnen und Basken sind es gewohnt, zu verlieren. Das kleine Volk hat in der Geschichte immer wieder den Kürzeren gezogen, in den Karlistenkriegen des 19. Jahrhunderts, im Spanienkrieg von 1936, beinahe auch im Kampf um ihre Sprache, das Euskara. Wer Niederlagen gewohnt ist, verliert leichter, ohne Trauma, mit größerer Vorfreude auf das nächste Fest, sei es, weil gewonnen oder verloren wurde. Gora Osasuna – es lebe die Gesundheit!

(2023-05-05)

BEFREIUNG VON MAUTHAUSEN

kolu43x05Am 3. Mai 1945  flüchteten die letzten Nazi-Wachleute aus dem Konzentrationslager Mauthausen, dem größten KZ der Nazis auf dem Gebiet Österreichs. Zwei Tage danach, am 5. Mai 1945, wurden die KZ-Insassen durch US-amerikanische Truppen befreit. Das KZ befand sich 20 Kilometer östlich von Linz und bestand seit dem 8. August 1938. Im KZ Mauthausen und seinen Nebenlagern wurden rund 200.000 Menschen inhaftiert, von denen mehr als 100.000 ums Leben kamen. Bis 1945 wurden ins die Mauthausen-KZs etwa 200.000 Personen deportiert. Es waren Menschen mit über 30 Nationalitäten. Etwa 2,5 Prozent der Insassen waren Frauen. Auch Jugendliche und Kinder wurden inhaftiert und ermordet.

Wenig bekannt ist, dass sich unter den Gefangenen und Ermordeten auch Basken befanden. Sie befanden sich auf der Flucht vor den Franquisten in Frankreich. Denn im Baskenland endete der Spanienkrieg bereits im Juni 1937, wer irgendwie konnte, entzog sich den Schlächtereien der siegreichen Faschisten. Im April 1939 war der Spanienkrieg dann vollends zu Ende, eine neue Fluchtwelle über die Pyrenäen setzte ein. Fünf Monate später starteten die Nazis dann ihren Ostfeldzug, im folgenden Jahr im Juni überfielen sie Frankreich und setzten Petain als Marionette ein.

Plötzlich standen die geflüchteten Republikaner, Basken, Katalanen erneut Faschisten gegenüber. Insgesamt 60.000, darunter 1.3000 Basken. Hinter sich hatten sie die Franquisten, die verhinderten, dass sie über die Grenze zurück gingen, vor sich hatten sie die Nazis. Aus Flüchtlingen wurden Gefangene, viele wurden in die Konzentrationslager im Osten gebracht, unter anderem nach Mauthausen. Dies war das Ergebnis der Vereinbarung der Franquisten mit Hitler. In der ersten Phase waren es vor allem Kommunisten und Anarchisten, die ins KZ gebracht wurden, in der zweiten Phase Leute aus dem Widerstand in Frankreich, von 158 Deportierten überlebten 100. “Insgesamt haben wir 258 Fälle von Deportation dokumentiert“, sagt der baskische Historiker Etxahun Galparsoro, “davon hat etwa die Hälfte das KZ nicht überlebt.“

(2023-05-04)

PERLEN VOR DIE SÄUE

Andere Orte wären stolz auf solche Funde, die ihre historische Bedeutung hervorheben, ein Museum füllen und Generationen von Schulklassen zur Ansicht dienen könnten. Anders in Gasteiz, Hauptstadt der Region Baskenland. Bei den Bauarbeiten zum ohnehin unnützen Hochgeschwindigkeits-Zug AHT wurde eine ausgesprochen gut erhaltene calzada romana entdeckt, eine jener mit groben Steinen gepflasterte römische Straße, in diesen Fall die Verbindung von Astorga nach Bordeaux, ohne die die alten Imperatoren kein Weltreich hätten aufbauen können. Im Baskenland gibt es etliche davon, selten in so gutem Zustand.

kolu43x04Gefunden wurden bei den Arbeiten zur Schnellzugstrecke auch Reste einer steinzeitlichen Siedlung aus der Zeit von 3.000 vor Christus. So überraschend die Funde sein mögen, so schnell sind ihre Tage schon wieder gezählt. Überrascht hat der gute Erhaltungszustand der Siedlung, die Entdeckung von Elementen wie Lehm, Holz oder Holzkohle, die es einfacher machen, herauszufinden, wann sie gebaut wurde und wie lange sie instand gehalten wurde. Der freigelegte Abschnitt ist 95 Meter lang und 4 Meter breit. Ein archäologischer Leckerbissen sozusagen.

Doch reichen diese Qualitätsmerkmale des urzeitlichen Kulturguts nicht aus, für ihre Erhaltung zu sorgen. Es handelt sich um Perlen vor die Säue. Der Schnellzug, bei dessen Sichtungsarbeiten die Funde gemacht wurden, und der die Metropolen Paris und Madrid verbinden soll, hat absolute Priorität. Er wird gebaut, dabei geht man auch über archäologische Leichen. An anderen Orten wurde (in Navarra zum Beispiel) bei ähnlichen Funden beschlossen, die Baupläne zu ändern, um die Güter zu erhalten und der Nachwelt zugänglich zu machen. Nicht so in Gasteiz. Die 3.000 Jahre alten Reste werden mit Stahlbeton aus dem 21. Jahrhundert platt gemacht und verschwinden in der Ewigkeit.

Es wirkt wie eine billige PR-Maßnahme, dass die baskischen Behörden über das zuständige Ausgrabungs-Unternehmen vor dem Betonieren zu einer Besichtigungstour eingeladen haben, eine Art von vorgezogener Begräbnisfeier, bevor das schwere Gerät der Bulldozer anrückt. Selbstverständlich wird es keine Erklärungstafel geben, auf der stehen könnte: „An dieser Stelle wurde römisch-baskische Geschichte im Interesse der kapitalistischen Bauindustrie nutzlos dem Erdboden gleichgemacht. Rest in Peace“.

(2023-05-03)

KATALONIENS STAUSEEN TROCKNEN AUS

Im Baskenland hält sich die Katastrophe noch in Grenzen, aber in anderen Regionen des spanischen Staates hat die Trockenheit schon vor der sommerlichen Hitzewelle begonnen. Seit 36 Monaten regnet es weniger als üblich Für die ersten vier Monate wird ein Viertel bis ein Drittel der Regenmenge verzeichnet wie sie in den letzten 10 Jahren üblich war. Die Wasserspeicher im Nordosten, also Katalonien, sind nur noch zu sieben Prozent gefüllt –die Aussichten sind nicht nur schlecht, sondern schlimmer.

kolu43x03Temperaturen bis zu 40 Grad – und das im April. Die iberische Halbinsel erlebt derzeit eine historische Hitzewelle. Doch Ausnahmezustand herrscht im Land schon länger. Denn der Hitze ging eine lange Trockenheit voraus. Iberien zählt 36 aufeinanderfolgende Monate mit Niederschlägen weit unter dem Durchschnitt. In Katalonien fielen im März und April nur 14 Prozent des Niederschlags, der basierend auf den Durchschnittswerten zwischen 2009 und 2021 hätte erwartet werden können. Aus der Luft erkennt man das an den Stauseen, die regelrecht zusammengeschrumpft sind: In Katalonien im Nordosten und in Andalusien im Süden sind ihre Pegel auf ungefähr 25 Prozent gefallen.

Zwei Satellitenbilder zeigen den Pantà de Sau und den Pantà de Susqueda, zwei Stauseen in Katalonien. Sie liegen rund 108 Kilometer landeinwärts von Barcelona und versorgen den Ballungsraum mit Trinkwasser. Das obere Bild zeigt die vollen Speicher im März 2021, das untere Bild wurde vor einer Woche aufgenommen. Die hellbraunen Ränder, “Badewannenringe“ genannt, zeigen die freigelegten Felsen, die normalerweise unter Wasser liegen. Nicht nur die tauchten durch die Dürre auf. Das Niedrigwasser des Pantà de Sau legte in den vergangenen Monaten auch einen einst überfluteten Glockenturm aus dem 11. Jahrhundert wieder frei. Dieser See, der linke im Satellitenbild, ist besonders stark von der Dürre betroffen. Nach Angaben der katalanischen Wasserbehörde ist er derzeit nur noch zu sieben Prozent gefüllt.

Während das Land austrocknet, blüht der Tourismus. Bereits an Ostern waren alle Reisenden glücklich über das “Sommerwetter“, ohne viel über die Hintergründe nachzudenken. In Katalonien wurde wegen Wassermangel bereits ein Kanal geschlossen, mit dem sonst Apfelplantagen bewässert werden. Die Landwirte geben die Ernte bereits für verloren. In anderen Regionen gilt dasselbe für andere Produkte. Knappheit lässt die Preise steigen, Trockenheit wird dazu führen, dass der Rekord an Waldbränden aus dem vergangenen Jahr mit großer Sicherheit übertroffen wird. Asturien ging bereits im April mit schlechtem Beispiel voran. Einmal mehr gilt der Satz: Gestern standen wir am Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter …

(2023-05-02)

ERSTER MAI VORBEI

Der Erste Mai ist vorbei – gespalten wie eh und je. Gemeint sind nicht die Rechten, denn die haben ohnehin nichts zu melden, was die Arbeiterklasse betrifft. Denn solange deren Bewusstsein nicht zum langen Arm wird, stehen die Räder nicht still.

kolu43x02In Iparralde durfte die baskische Gewerkschaft LAB nicht innerhalb der Intersindical teilnehmen, dem Verbund aller französischen Gewerkschaften am 1. Mai, weil es um “nationale“ Angelegenheiten ging, sprich “französische“. Da haben die Baskinnen nichts zu suchen. So musste man sich mit einem Block in der Demo zufrieden geben. Die Mobilisierungen standen stark unter dem Eindruck des kürzlich verabschiedeten Rentengesetzes, das in Frankreich das Eintrittsalter von 62 auf 64 Jahre erhöht. In Baiona blieb es “friedlich“, in Paris brannten die Straßen.

Im baskischen Süden war die größte Gewerkschaft ELA alleine unterwegs, um deutlich zu machen, dass Streiks das beste Argument sind, um Arbeitgeber zu überzeugen, viel zu häufig habe sich gezeigt, dass Gewerkschaften bei Verhandlungen zu lange hingehalten werden. Deshalb sei es besser, frühzeitig zu härteren Maßnahmen zu greifen. Der Vorsitzende fragt sich, wo denn die Linke geblieben sei, und verweist auf deren Zustimmung zu den neoliberalen Staatshaushalten in Madrid. Dazu setzt ELA auf einen Generalstreik für den nächsten Internationalen Kampftag der arbeitenden Frauen am 8. März.

Mit diesem Vorschlag sind mann und frau bei LAB gerade noch einverstanden. Danach wird der starke Protagonismus von ELA scharf kritisiert. Über die linke Abstimmungspolitik in Madrid wird ein Mantel des Schweigens gelegt. Es ist kein Geheimnis, dass die Kampfkraft von LAB durch die Koalition EH Bildu angesägt wird.

Gemeinsam auf die Straße gingen die ex-kommunistische CCOO und die sozialdemokratische UGT. Man ist sehr stolz auf Erhöhung des garantierten Mindestlohns, den “die fortschrittlichste spanische Regierung nach Franco“ veranlasst habe. Rhetorisch wird mit dem Zeigefinger gedroht, man werde härtere Saiten aufziehen, wenn sich die Arbeitgeber nicht bewegen. Aber wer sich einmal der Sozialpartnerschaft verschrieben hat, der wird nicht mehr ernst genommen. Dass sich – sowohl in Euskadi wie auch in Nafarroa – an diesen Montagsspaziergängen auch sozialdemokratische Politikerinnen von PSE und PSN beteiligen, spricht nicht gerade für kämpferische Einstellungen. Ministerpräsidentin Maria Chivite steht für neoliberale Politik. Aber die Internationale klingt überall gleich, an einer linken Faust lässt sich die Geisteshaltung nicht erkennen. “Völker hört die Signale“.

Eine Alternativ-Demonstration gab es in Ezkeraldea, dem Industriegürtel vor Bilbao, am linken Flussufer. Hier fanden sich die kleine Gewerkschaft ESK, die anarcho-syndikalistische CNT, die kämpferische CGT sowie besetzte Zentren und andere soziale Bewegungen in einer Reihe. Darüber wurde in den Medien nicht berichtet. Ebenso wenig davon, dass die Busse der neuen kommunistischen Jugendorganisation GKS auf ihrem Weg zur zentralen Demo in Iruñea (Pamplona) von der Guardia Civil abgefangen wurden. Was deutlich macht: Demonstrationsrecht ist Makulatur, oder es gilt nur für jene, die nichts oder wenig in Frage stellen.

(2023-05-01)

FASCHISTISCHE KANDIDATEN

Wenn am 28. Mai in Bilbao der neue Stadtrat gewählt wird, werden die Wähler*innen auf den ausgelegten Stimmzetteln den Namen Carlos García Juliá entdecken. Auf der Kandidatenliste der faschistischen Falange. Doch selbst unter den Rechtsradikalen ist dieser CGJ nicht irgendwer. Er hat blutige spanische Geschichte geschrieben. Denn er gehörte zu jenem ultrarechten Kommando, das am 24. Januar 1977 in Madrid-Atocha in ein Anwaltsbüro eindrang und fünf der Anwesenden ermordete. CGJ wurde für seine Beteiligung am fünffachen Mord verurteilt, verbüßte 14 Jahre Haft und nutzte einen Freigang zum Untertauchen. Danach war er 26 Jahre lang auf der Flucht.

kolu43x01Die Liste “Falange Española de las JONS“ ist eine faschistische Minipartei in alter franquistischer Tradition, sie gehört zu den rechtsradikalen Gruppierungen im Umfeld der neofranquistischen Vox-Partei. Bei den Europawahlen 2019 trat sie unter anderem Namen an, bei den Wahlen 2019 erhielt die Gruppe in der Bizkaia-Hauptstadt 41 Stimmen. Die Chancen, dass CGJ zum Stadtrat gewählt wird, sind gleich null, aber seine bloße Anwesenheit als Kandidat lässt eine Zunahme der Spannungen erwarten. Es ist nicht das erste Mal, dass die Falangisten versuchen, Bilbao als Lautsprecher zu nutzen. An der Spitze der Liste in Bilbao stand vor vier Jahren Jesús Fernando Fernández Gil, am 11. September 2013 verurteilt für den Anschlag auf das katalanische Kulturzentrum Blanquerna in Madrid. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt. Die Listen-Präsenz von Fernández Gil blieb unbemerkt. Die von CGJ hingegen nicht.

Das Attentat von Atocha steht für die erschütterndsten Momente des gescheiterten demokratischen Übergangs nach dem Franquismus. CGJ war 22 Jahre alt und gehörte zu den Bewaffneten, die das Büro der mit der Kommunistischen Partei und den Comisiones Obreras (CCOO) verbundenen Arbeiteranwälte im Zentrum von Madrid stürmten. Sie waren auf der Suche nach einem Führer der damals noch illegalen Kommunistischen Partei PCE. Als sie ihn nicht fanden, eröffneten sie das Feuer auf die Anwesenden. Im Vertrauen auf die vielen Sympathisanten innerhalb der Polizei machten sich die Attentäter nicht einmal die Mühe, aus Madrid zu fliehen. Sie wurden schnell verhaftet.

Im Jahr 1980 verurteilte die Audiencia Nacional CGJ und einen weiteren Attentäter wegen fünf Morden und vier Mordversuchen zu 193 Jahren Gefängnis. Im Jahr 1994 wurde ihm ein Freigang genehmigt, den er zur Flucht nach Paraguay nutzte. Zwei Jahre später tauchte er in Bolivien auf, wo er wegen der Finanzierung paramilitärischer Gruppen und Drogenhandels inhaftiert wurde. Er wurde in einem Hochsicherheits-Gefängnis festgehalten, 2001 gelang ihm erneut die Flucht, nachdem die bolivianischen Behörden seine Auslieferung an Spanien abgelehnt hatten.

Seine Rückführung erfolgte erst 2020, als er von Brasilien ausgeliefert wurde. Seit 2009 lebte er dort unter falscher venezolanischer Identität in Sao Paulo und arbeitete als Fahrer. In Madrid kam er sofort ins Gefängnis, doch nur wenige Monate. Die Audiencia Nacional ließ ihn wegen guter Führung vor der Flucht frei.

Die Entscheidung wurde vom Verfassungsgericht bestätigt. Nun kann der Mörder von Atocha 1978 in Bilbao gewählt werden. Spanische Demokratie. Gescheitert.

ABBILDUNGEN:

(*) Tagespresse

(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-05-01)

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