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Mit Mord und Enteignung reich geworden

Eine folgenreiche Nachricht zum Jahresende: Carmen Franco, die alleinige Erbin des spanischen Diktators ist 91-jährig gestorben. Experten schätzen, dass sie ein Vermögen von bis zu 600 Milionen Euro hinterlässt. Wenig wahrscheinlich ist, dass der Diktator dieses Vermögen mit seinem Gehalt als General und Diktator zusammengespart hat. Von Plünderung ist die Rede, von systematischer Bereicherung an allen Enden. Die galizische Regierung will einen Palast zurück haben. Doch das ist nur der Anfang.

Der Tod der alleinigen Franco-Erbin hat im spanischen Staat erneut die Frage aufgeworfen, wie der Diktator zu seinem immensen Reichtum kam und ob der Fortbestand dieses Vermögens moralisch vertretbar sei angesichts von Hunderttausenden von Faschismus-Opfern.

„Das immense Vermögen der Franco-Familie begann mit einem Gründungs-Massaker“ – so titelt die spanische Internet-Tageszeitung Público am 30. Dezember, nachdem einen Tag zuvor die Franco Tochter Carmen als Alleinerbin gestorben war. (1) Mit deren Tod ist der Familienreichtum der Francos einmal mehr in den Blickpunkt geraten. Die Frage ist weniger, ob diese Vermögens-Ansammlung rechtmäßig zustande gekommen ist. Wer hierauf pocht, ist automatisch den franquistischen Ultras zuzuordnen. Die übrigen sind sich einig, dass hier eine systematische Bereicherung und Plünderung stattgefunden hat. Die einen schweigen dazu, andere wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Denn ein Diktator und Schlächter vom Range Francos müsste schon vor 40 Jahren enteignet worden sein. So ist die Frage bis heute offen. Jedoch nicht die Frage der Enteignung, sondern die nach dem Umgang. Denn erst vor wenigen Jahren konnte diese Diskussion überhaupt erst öffentlich begonnen werden.

Francos Soldatensold

erbe02Als Franco den Krieg anzettelte hatte er nicht viel außer seinem Sold, immerhin als General der Republik! Als der Krieg 1939 zu Ende war, waren es bereits 34 Millionen Peseten. Heute wird das Familien-Vermögen des Franco-Clans auf satte 500 Millionen Euro geschätzt, es könnten auch 600 Millionen sein. Der einzigen Tochter kam der gesamte Reichtum zu, den der Putschist von 1936 erst im Krieg und dann während seiner 36-jährigen Diktatur ansammelte. Grundlage dieses Reichtums waren ein Staatsstreich und eine regelrechte „Schlächterei“ während des Krieges und in den ersten Jahren der Diktatur. Die Franquisten selbst haben diesen Massenmord als „ausreichende Ausrottung“ bezeichnet – „exterminio suficiente“ ist der Originalbegriff. Seither und bis in unsere Tage erfreuen sich die Erben des Diktators einer sehr „angenehmen finanziellen Situation“, auch wenn die kürzlich Verstorbene sich vor nicht allzu langer Zeit darüber beschwerte, wie teuer es sei, all diese Besitztümer zu verwalten. Solche Probleme haben 95% der Normalbevölkerung nicht.

Das Familien-Imperium

Der Journalist und Schriftsteller Mariano Sánchez schätzt das Vermögen der Familie in seinem Buch „Die Franco GmbH“ (Los Franco S.A.) auf 500 bis 600 Millionen Euros. Dazu gehört eine große Anzahl von Wohnungen und Immobilien. Er beschreibt, wie Tochter Carmen und ihr Gatte 1975 (im Jahr von Francos Tod) in den Genuss von 22 Besitztümern kamen. Dazu gehörte der Meirás-Palast in Galicien und der Palast Canto del Pico, der bereits damals auf 300 Millionen Peseten geschätzt wurde. Dazu der riesige Bécquer-Komplex, in dem die Erbin ihre letzten Tage verbrachte. Zusätzlich sieben Landhäuser und Villen, die verteilt sind auf Guadalajara, Marbella, Puerta de Hierro, La Moraleja, eine sogar in Miami. Der Journalist Jesús Ynfante schätzte in der Zeitschrift Posible den Reichtum des Franco-Clans Ende der 1970er Jahre auf eine Milliarde Peseten. Solche Zahlen sind heute schwer kalkulier- oder nachvollziehbar.

Doch war das noch nicht alles, es gab weitere Reichtümer. Tochter Carmen und ihr Gatte kannten keine Austerität, die Franco als Lebensstil nachgesagt wurde – eine propagandistische Legende. Das Ehepaar erhielt Jobs in den großen Verwaltungsräten des Staates – in jener perfekten Kommunion zwischen der franquistischen Diktatur und dem nationalen Großkapital. Bis zuletzt war Carmen Franco in den Verwaltungsräten von 21 Unternehmen vertreten. Das Portal El Espanol schreibt, dass die Erbin alleinige Verwalterin war bei zwei Unternehmen im Wert von zusammen 38 Millionen Euro.

Wie kam dieser Reichtum zustande?

Müsste eine Demokratie nicht eigentlich das Millionen-Erbe überprüfen, das der Diktator hinterlassen hat? Ist es legitim, dass eine Familie vom Reichtum profitiert, den sich ein Diktator unrechtmäßig angeeignet hat? Bereits an diesen Fragen scheiden sich die Geister. Der Regierungschef Rajoy, auf den Tod von Carmen Franco angesprochen, vermied den Begriff Diktatur und benutzte stattdessen die Ausdrücke „nichtdemokratische Regierung“ und „kein demokratisches Regime“. Das wirft ein Licht auf die Geisteshaltung des obersten Spaniers (nach dem König).

erbe03Rajoy ist Vorsitzender einer Partei, die sich nie vom spanischen Faschismus distanziert oder losgesagt hat. Im Gegenteil, viele Parteikollegen halten den Führer von damals bis heute für ein Vorbild, der getan hat, was ein General tun muss, wenn die Revolution droht. Dieser Umstand ist ein Grund, weshalb der Franco-Reichtum bisher nie zum Thema wurde. Stattdessen wurden der Franco-Stiftung in der Vergangenheit auch noch Millionen an staatlichen Subventionen in den Hals geworfen (auch von den Sozialdemokraten).

Der bekannte Historiker und Faschismus-Forscher Ángel Viñas beschreibt in seinem Buch „Das andere Gesicht des Führers“ (La otra cara del Caudillo) wie Franco von Beginn an staatliche Quellen anzapfte. Wie er Schenkungen für „die nationale Sache“ in die eigenen Taschen steckte. Oder dass er keinerlei Hemmungen hatte, 600 Tonnen Kaffee weiterzuverkaufen, die Brasilien „dem spanischen Volk“ geschenkt hatte und die ein Vermögen einbrachten. Von der staatlichen Telefongesellschaft Telefonica erhielt Franco monatlich eine Zahlung von 10.000 Peseten.

Soweit die Nachforschungen, 1940 hatte Franco 34 Millionen Peseten jener Zeit auf seinen Konten. Das wären auf heute gerechnet ungefähr 388 Millionen Euro, nach einem Umrechnungs-Kalkül von José Ángel Sánchez Asiaín. Kein Zweifel, dass dieses Vermögen nicht auf Francos Sold zurückgehen kann, den er vor dem Krieg vom Staat erhielt. 1935 lag sein Verdienst bei 2.493 Peseten und 1940, bereits als Diktator, erhielt er 50.000 Peseten – pro Jahr. „Nicht einmal, wenn er alle seine Einkommen gespart hätte, als Staatschef und als General plus die Telefonica-Vergütung, hätte er 1940 ein solches Vermögen auf seinen Konten haben können,“ unterstrich der Historiker.

Müsste die Demokratie das Millionenerbe untersuchen, das der Dikator hinterließ?

Auch in dieser Frage steckt eine Falle. Denn vorher müsste die Frage geklärt werden, ob es sich beim postfranquistischen Staat um eine Demokratie handelt oder ob es sich nicht um eine fortgesetzte Diktatur unter anderen Vorzeichen handelt. Viele Anzeichen sprechen für die zweite Interpretation: die Amnestie für die Verbrechen des Franquismus, die politische Kontinuität vieler Politiker, Militärs, Polizisten, Folterer und Juristen. Die Nichtuntersuchung der Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen ...

Ist es legitim, dass eine Familie die Reichtümer genießt, die sich ein Diktator angeeignet hat? Das fragt – hypothetisch – die Tageszeitung Publico. Hypothetisch, weil die Antwort ziemlich klar ist. Denn das Franco-Vermögen begann sich zu häufen nach dem Staatsstreich vom 18. Juli 1936. Während die aufständischen Truppen die berüchtigte „ausreichende Ausrottung“ durchführten, die für jeden spanischen (baskischen und katalanischen) Ort eine ganz spezielle Schlächterei bedeutete, füllte Franco sich die Taschen. Er musste vorsichtig vorgehen. Der Krieg konnte gewonnen werden und verloren gehen. Aber es musste sicher gestellt werden, dass sich so viel Opfer gelohnt hatten, wenigstens für die Familie.

Francos „Ausrottungsplan“

erbe04In seinem Buch „Die Verschwundenen Francos“ (Los desaparecidos de Franco) schreibt der Historiker Francisco Moreno, dass der franquistische „Ausrottungsplan ganz grundsätzlich“ mit der Diktatur in Zusammenhang steht. Hitler könne nicht verstanden werden ohne die Gaskammern, Franco nicht ohne die „ausreichende Ausrottung“. „Wer den Ausrottungplan leugnet, negiert den Charakter des europäischen Faschismus und des Franquismus. Um ein Klima des Terrors aufrecht zu erhalten, musste nicht immer weiter gemordet oder Blut vergossen werden. Nach einer Phase des blutigen Terrors kann ein Staat eine Zeit lang von den Nachwirkungen leben. Es reicht die Drohung mit weiterem Terror, das lässt die Leute weiter in Angst leben“, schreibt Francisco Moreno. Historiker und Lehrer.

Carmen Franco hat nie einen Schritt gemacht, das ursprüngliche blutige Verbrechen ihres Vaters einzugestehen (Originalbegriff: „matanza fundacional“) und die Opfer um Verzeihung zu bitten. Die Massengräber sind nach wie vor voller Leichen, sie bleiben schweigende Zeugen von Francos Blutdurst. Die Tochter des Diktators hingegen war Vorsitzende der Franco-Stiftung und versah diese Arbeit mit Leib und Seele, um das Bild ihres Vaters weiß zu waschen. Sein Reichtum geht nun an die Erben weiter.

Das ist es was heute von vielen „Demokratie von 1978“ genannt wird. Denn 1978 wurde die sogenannte neue demokratische Verfassung beschlossen, mit den Stimmen der alten Franquisten. Ein Jahr zuvor war eine Amnestie für alle Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschlossen worden. Ensprechend dieser Amnestie konnte nie auch nur ein einziger Faschist vor Gericht gestellt werden. Der Begriff „Demokratie von 1978“ ist etwas zynisch, weil es sich um alles andere als eine Demokratie handelt. Demgegenüber setzt sich in der aktuellen Diskussion um Aufarbeitung von Franquismus und Diktatur, sowie um eine sogenannte zweite Transicion, einen zweiten demokratischen Übergang" der Begriff Regime von 1978" immer mehr durch.

Korruptes Netz zur systematischen Bereicherung

Auf die Frage, wie die systematische Bereicherung von Franco und seiner Frau Carmen Polo funktionierte, haben die Journalisten und Historiker Carlos Babío und Manuel Pérez Lorenzo eine Antwort vorgelegt. (2) Nach 21 Jahren Nachforschungen haben sie ein Buch publiziert, in dessen Zentrum die Aneignung des Meirás-Palastes in Galicien steht: „Meirás. Un pazo. Un caudillo. Un expolio” (Meirás. Ein Palast. Ein Führer. Eine Plünderung). Die beiden haben Tausende Dokumente studiert und sich mit enteigneten Personen unterhalten – was mitunter nicht einfach war, weil nach wie vor Angst vorherrscht und nur ungern über diese Geschichten gesprochen wird.

Auf den historischen Meirás-Palast hatten es die Francos bereits während des Krieges abgesehen. Organisiert wurde die Aneignung über eine in die Wege geleitete „Volksschenkung“. Vorher wurden viele Bewohner*innen zu „Spenden“ gezwungen, bei Beamten wurden die Konten geplündert, ebenso bei der Provinzbehörde. Mit der „Schenkung“ hatte die Aneignung offiziellen Charakter. Dennoch fordert die Behörde den Palast heute zurück – der Clan weigert sich. Möglicherweise kommt es zum Rechtsstreit.

Die neben dem Palast existierenden Häuser armer Leute wurden ebenfalls beschlagnahmt, die Bewohner*innen rausgeschmissen. Einige erinnern sich, darunter Josefa Portela Abel, die Großmutter des Buchautoren Carlos Babío. Sie lebte in einem schlichten Haus neben dem Palast mit drei ihrer fünf Kinder. Ohne Ankündigung wurde sie aus dem Haus geholt und bedroht, sie solle sich nicht wieder blicken lassen. Ohne Entschädigung stand sie auf der Straße. “Dass die Francos das Haus meiner Familie geraubt haben war bei uns zu Hause ein Tabu. Mein Vater sprach kaum darüber, meine Tanten weigerten sich, darüber zu sprechen. Der Schmerz und die Angst waren so groß, wenn sie gefragt wurden begannen sie zu heulen“, erinnert sich Josefa.

erbe05Die Francos nahmen sich, was sie wollten, so das Fazit der Buchautoren. Nicht nur Paläste, zum Beispiel auch mittelalterliche Statuen aus der Kathedrale von Santiago, eine Villa im Zentrum von La Coruña, die vorher der Gemeinde gehört hatte. In einem Fall zwangen sie die Behörden, eine Versteigerung zu organisieren, ein weiterer Schachzug, um sich „legal“ einen Besitz unter den Nagel zu reissen. Dazu kamen auch Unternehmen, wie die Holzfabrik Pazo de Meirás, die nicht nur neues Eigentum bedeuteten, sondern auch Gewinne abwarfen.

Korruptes Umfeld der Eliten

Für diese korrupten Machenschaften hatten die Francos ein Umfeld aus Freunden, die bei den schmutzigen Machenschaften halfen und sich so die Gunst der Francos erwarben. Das bedeutete, sie konnten sich selbst bedienen. Das ganze herrschende System war korrupt, es gab niemand, der widersprechen konnte, alles lief völlig willkürlich, rücksichtslos und brutal. Es ist kein Wunder, dass die politischen Nachfahren dieses korrupten Franquismus heute in hunderte von Korruptionsfälle verwickelt sind, weil sie sich nach dem Vorbild der alten Franquisten an öffentlichen Geldern bedient haben.

Zum korrupten Umfeld Francos gehörte (im beschriebenen Fall) ein guter Teil der Elite von La Coruña. Sie taten Gefallen und profitierten an anderer Stelle. Das Buch enthält die Namen von Bankern, Unternehmern, Industriellen und Eigentümern von Kommunikationsmedien, die sich heute als Verteidiger der „demokratischen Verfassung“ geben. Sie alle waren Protagonisten von unglaublichen Geschichten. Die Nachkommen von einigen dieser korrupten Elite sitzen heute in den wichtigsten Institutionen des Staates. Ein weiteres Wesensmerkmal des „Regimes von 1978“.

Staatliche Vertuschung

erbe06Weil es nach dem Franquismus nie einen politischen Schnitt gab, nie eine Aufarbeitung, nie die Wahrheit ans Licht kam und kommen durfte, ist dieser postfranquistische „demokratische Staat“ als Handlanger für die Verdeckung all jener Bereicherungen verantwortlich. Denn in diesem neuen Staat war Franco ein Tabu, sein Erbe war unantastbar, er genoß völlige Straffreiheit, sowohl für seine Bluttaten wie für seine Plünderungen. „In Meirás gab es keinen demokratischen Übergang“, sagen die Buchautoren nach all dem, was sie bei ihren Nachforschungen in Erfahrung gebracht haben. „Ein Jahr nach Francos Tod flog der von Franco ausgesuchte König per Hubschrauber zum Meirás-Palast zu einer Ehrung für Francos Witwe. Bereits vier Tage nach seiner Krönung hatte er für sie den Adelstitel Señorío de Meirás erfinden lassen“.

ANMERKUNGEN:

(1) Information aus dem Público-Artikel vom 30.12.2017: „Los Franco, una inmensa fortuna que arrancó con una gran matanza fundacional” (Das immense Vermögen der Franco-Familie begann mit einem Gründungs-Massaker); es handelt sich um keine Übersetzung (Link)

(2) Zitate aus dem Público-Artikel vom 30.12.2017: „Red corrupta de Franco para engordar su patrimonio” (Korruptes Netzwerk Francos, um sein Vermögen zu vergrößern); es handelt sich um keine Übersetzung (Link)

ABBILDUNGEN:

(*) Historische Fotografien Franco

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