filmoteca04xxDrei Generationen baskischer Filmemacher

In Donostia (San Sebastian) fand Anfang Juli 2014 ein für die baskische Filmwelt historisches Ereignis statt: ein dreitägiger Kongress mit dem Titel "Baskischer Film: drei Generationen von Filmschaffenden". Organisiert vom Filmarchiv und im Rahmen der Sommeruniversität waren 16 aktive Filmemacher aus drei Generationen zu Gesprächsrunden eingeladen. Erst die Veteranen der 70er und 80er Jahre, am zweiten Tag die der 90er und zum Schluss Vertreter der jungen Generation.

Darüberhinaus analysierten verschiedene Experten Aspekte der baskischen Filmindustrie der letzten 40 Jahre. Parallel gab es einen kleinen Zyklus von Vorführungen in Anwesenheit der jeweiligen Regisseure und mehrerer Film-Produzenten.

Gründung des Filmarchivs

Das baskische Filmarchiv (Filmoteca Vasca / Euskadiko Filmategia) wurde 1978 gegründet und war das erste seiner Art in den neugebildeten spanischen Autonomie-Regionen. Zu den Gründern gehörten Peio Aldazabal, Juan José Almuedo, José Luis Basoco, Néstor Basterretxea und José Manuel Gorospe, motiviert durch die Notwendigkeit, das vorhandene audiovisuelle Material des Baskenlandes zu bewahren. Aufgrund ihrer Aufgabenstellung zur Erhaltung des filmischen Kulturerbes wurde der Institution von der baskischen Regierung 1997 die Gemeinnützigkeit zuerkannt. Seit 1994 ist sie Mitglied der FIAF, der Internationalen Föderation von Filmarchiven. Weil es im Baskenland keine vergleichbare Einrichtung gibt, wurde das Filmarchiv schnell zum zentralen Bezugspunkt für Forscher, Produktionsfirmen, Verlage, Fernsehsender und Studierende. Im Jahr 2004 wurde das Archiv in eine Stiftung umgewandelt, die Hauptgeldgeber sind die baskische Regierung und die Regionalverwaltung von Bizkaia. Zu Beginn seines Wirkens besaß das Filmarchiv 600 Meter Film, heute sind es 5 Millionen Meter im Kinofilm-Format und 17 Millionen im Video-Format. Aufbewahrt wird unter anderem das Material des Baskischen Fernsehens EITB und des Internationalen Filmfestivals in San Sebastián (Donostia), Zinemaldia, das 2014 seine 62. Ausgabe erlebt. (1)filmoteca03xx

Gespräch mit dem Leiter des Filmarchivs

In einem Interview sprach der Leiter des baskischen Filmarchivs, Joxean Fernández, vor Beginn des Kongresses über das Tagungs-Konzept und den Charakter der baskischen Filmwelt. Im Garten des Tagungshauses Miramar, wo es Gelegenheit gab, historische Fotos der drei Filmgenerationen zu machen, die möglichweise einmalig bleiben. (2)

F: Was hat Sie während der Kongressvorbereitungen am meisten überrascht?

A: Die positive Aufnahme, sowohl seitens der Universität als auch der Filmschaffenden, die ihre Teilnahme spontan und voller Begeisterung zusagten.

F: Viele dieser Filmemacher haben noch nie am selben Tisch gesessen ...

A: Ja, das sagten mir auch Pedro Olea, Imanol Uribe, Montxo Armendariz. Die fünf Regisseure unserer ersten Diskussions-Runde haben nie an einem vergleichbaren Forum teilgenommen. Wir werden Details aus der baskischen Filmwelt zu hören bekommen, die bisher weder zu hören waren noch irgendwo veröffentlicht wurden.

F: Zum Beispiel?

A: Hinweise darauf, dass es aus der Sicht der Filmemacher ein gewisses Generations-Bewusstsein gibt. Obwohl die drei Generationen sehr vielseitig gearbeitet haben und alle Regisseure ihren eigenen Weg gingen, werden wir feststellen, dass sie sich doch auch als Teil eines Ganzen fühlten.

F: Vermutlich war es am einfachsten, die Anwesenheit der jüngsten Generation festzuklopfen, alle aus Gipuzkoa, alle hier in Euskadi lebend: Almandoz, Altuna, Cobeaga ...

A: Wir brauchten nur einen einzigen Tag, um uns zu treffen, aber wir mussten eine Auswahl treffen. Ein Runder Tisch mit 15 Personen wäre unmöglich gewesen.

F: Ein paar Abwesenheiten fallen auf, z.B. die von Alex de la Iglesia, der gerade dreht. Wer fehlt noch?
A: Es fehlen viele aktive Filmschaffende oder Regisseure, die sich außerhalb des Kommerzkinos bewegen und es fehlen Namen aus dem Trickfilm, der gerade in Euskadi sehr einflussreich war. Es fehlen auch Film-Pioniere wie Nestor Basterretxea und Fernando Larruquert, die seit Jahrzehnten nicht mehr drehen. Rein platzmäßig war es gar nicht möglich, alle mit einzubeziehen.

F: Vielleicht in zukünftigen Kongressen?

A: Ich weiß nicht, ob wir nächstes Jahr Geld dafür haben werden. Dieses Mal haben wir uns auf aktive und bedeutende baskische Filmschaffende konzentriert, auf die Autorinnen selbst. Möglicherweise ist in einer nächsten Ausgabe Platz für weitere Profis: Schauspielerinnen, Art-Direktoren, Fotografen oder Musikerinnen. Der baskische Film hat eine beeindruckende Liste von Professionellen hervorgebracht, auch in anderen Berufsverbänden. Da kämen fantastische Diskussions-Runden zustande.

F: Wird der Kongress Antworten suchen auf immer wiederkehrende Fragen wie: Gibt es einen baskischen Film? Wie definiert er sich? Nur der Film, in dem baskisch gesprochen wird?

A: Es wird Vorträge zu diesen Themen geben. Das Eröffnungsreferat von Santos Zunzunegui mit dem Titel "Warum und wie sprechen wir weiterhin vom baskischen Film?" gibt Einblick in die verschiedenen Definitionen. Wir sind an einem Punkt, an dem wir uns glücklicherweise mehr damit beschäftigen, Filme zu machen, als den baskischen Film zu definieren. Das ist positiv. Außerdem drehen viele Regisseure heutzutage ihre Filme ganz selbstverständlich auf Baskisch, die Vertreter der letzten Gesprächsrunde. Das wäre in den 70er, 80er oder 90er Jahren undenkbar gewesen. Zum einen ist es ihre Muttersprache und zum anderen hat sich die Gesellschaft verändert. Wir wollen den Kongress nicht auf den Gesichtspunkt Definition zuspitzen. Wir wollen über das reden, was gemacht wurde und wird. Die Diskussionen der 70er Jahre neu aufzulegen, hielte ich nicht für angebracht.

F: Ist es nicht schade, dass die Regisseure der verschiedenen Generationen nicht am selben Tisch zusammenkommen?

A: Ich hoffe, dass sich eine generationsübergreifende Debatte ergibt, weil die jüngste Generation der ältesten zuhören und sich sicher auch einmischen wird.

F: Werden die Meister auch den Schülern zuhören?
A: Manche nicht, weil sie nicht mehr in der Stadt sein werden, einige haben nur die ersten beiden Tage Zeit. Mehr als einer der Veteranen hat sich für die jüngere Generation interessiert und mich nach technischen Details von Kimuak gefragt, einem vom Filmarchiv organisierten Kurzfilmprogramm. Wir haben die Generationen nicht gemischt, weil wir uns für ein bestimmtes Konzept entscheiden mussten. Aber mit Sicherheit werden sie einander zuhören, z. B. beim Essen. Wer weiß, was daraus entsteht. Ich war an Gesprächen zwischen Alex de la Iglesia und Borja Cobeaga beteiligt, bei denen am Ende gemeinsame Projekte ins Auge gefasst wurden. Wir werden sehen.

F: Das Zielpublikum des Kongresses?

A: Sicher kommen Studierende der baskischen Universität, aus den Studiengängen Kommunikation und Geschichte, Kunst, Film. Aber auch Leute aus der Filmindustrie, Regisseure, junge Produzenten, Leute, die in dem Bereich arbeiten. Einige Regisseure haben sich als Teilnehmer angemeldet und ich musste mich bei ihnen entschuldigen, sie nicht als Referenten eingeladen zu haben. Aber es war einfach nicht genug Platz. Sicher kommen auch viele Kinoliebhaber.

F: Wer nicht teilnimmt, kann später eine Veröffentlichung lesen, die das Filmarchiv herausgeben wird?

A: Ja, das Buch wird alle 19 Vorträge umfassen sowie eine Mitschrift der drei Gesprächsrunden, die Kongressvorstellung und eine Einleitung. Wenns gut läuft, ist das Buch zum Jahresende fertig und wird hoffenlich zu einer Referenz im baskischen Filmgeschäft.

F: Das Filmarchiv spricht von einem historischen Ereignis, was in manchen Ohren vielleicht etwas großspurig klingt.

A: Was die Teilnehmenden betrifft handelt es sich tatsächlich um einen historischen Kongress. Die Liste der Regisseure ist beeindruckend für unser kleines Land, einige der bedeutendsten Leute an drei Tagen zusammenzubringen ist ein großer Erfolg. Außerdem ist es das erste Mal in der baskischen Filmgeschichte, dass drei Generationen aktiver Regisseure zusammentreffen. Lass uns eines nicht vergessen: oft sprechen wir von der Zensur, mit der der Film "Ama Lur" (Mutter Erde) von Basterretxea und Larruquert im Jahr 1968 konfrontiert war. Mir erscheint jedoch die Durststrecke zwischen 1936 und 1968, geprägt von den Kontrollmechanismen des Franquismus fast schlimmer. Vor dem Krieg von 1936, in den 20er und 30er Jahren, gab es Filmregisseure wie Nemesio Sobrevilla oder Azcona, die ins Exil gehen mussten. Abgesehen von wenigen Ausnahmen war es in Euskadi 30 Jahre lang unmöglich, Filme zu produzieren. "Ama Lur" markiert einen bedeutenden Wendepunkt. Damals entstand eine erste Generation des baskischen Films, heute sind es drei. Das gab es noch nie hier in Euskadi aufgrund der speziellen und schrecklichen Einschränkung von Freiheiten in diesem Land. Weil nie zuvor drei aktive Generationen gleichzeitig existierten, erlauben wir uns, von einem historischen Kongress zu sprechen.

Die Unerwünschten

Die Generation der 90er Jahre bezeichnet sich gerne auch als die "Unerwünschten" unter den baskischen Regisseuren. Aufgrund mangelnder Unterstützung sahen sie sich zum Auswandern gezwungen, vor allem nach Madrid. Diese "zweite Generation" machte während der Konferenzen deutlich, dass sie ein neues audiovisuelles Konzept entwickelt hatte. Ideologische Differenzen mit der baskischen Regierung, bei denen es vorwiegend um die Politik der Sprachförderung ging, führten zum Ausbleiben finanzieller Unterstützung, was gleichzeitig zur Ursache der Abwanderung wurde. (3) Diese zweite Generation war beim Kongress in Donostia vertreten von Juanma Bajo Ulloa, Daniel Calparsoro, Helena Taberna und Enrique Urbizu. Der auch international bekannte Julio Medem konnte nicht teilnehmen, weil er in Dreharbeiten steckte. Diese vier stimmten überein in der Einschätzung, dass ihre Art Filme zu machen, einen Wechsel in der bis dahin üblichen Filmkunst einleitete. "Vorher lief das mehr literarisch, wie gefilmtes Theater. In meiner Generation ist die audiovisuelle Arbeitsweise stärker ausgeprägt", sagte Bajo Ulloa. Calparsoro pflichtete bei. "Ich war in den USA und kam für zwei Wochen zurück. Doch schließlich blieb ich hier, weil sich plötzlich die Filmsprache änderte. Im positiven Sinn bekam der Aspekt des Schauspiels mehr Gewicht." Urbizu ergänzte, dass sich die in den 60er Jahren Geborenen bei Francos Tod (1975) im jugendlichen Alter befanden und die Einflüsse von Modernität bei ihnen zum Ausdruck kamen. Sie erzählten, dass ihre Generation keine ausreichende Unterstützung seitens der Behörden erhielt, um eine eigene baskische Film-Industrie aufzubauen. "Es ist völlig offensichtlich, was es hier an Potential gab", sagte Bajo Ulloa. Eine Generation von Filmschaffenden hatte einige bedeutende Filme produziert, daneben etablierte sich eine Reihe von Schauspielerinnen und Technikern. "Diese geballte Energie ging nach Madrid, weil es im Baskenland keine Hilfen gab. Uns ging es nicht um Almosen, sondern um die Anerkennung dieser kreativen Energie." Für Urbizu liegt ein Teil der Erklärung in ideologischen Aspekten. "Zufall oder nicht, wir vier hier sprechen alle kein Baskisch. Wir machen baskische Filme, aber nicht in baskischer Sprache. Kann sein, dass wir nicht unter die damalige Definition von baskischer Kultur fielen." - „Sie zeigten uns die kalte Schulter und deshalb gingen wir", sagte Calparsoro, der seine ersten drei Filme komplett im Baskenland drehte, in den Orten Sestao, Urnieta und Pasaia. Finanzielle Unterstützung erhielt er nicht. "Wir waren die Unerwünschten, vielleicht wegen der Sprache, vielleicht aus politischen Gründen ...". Helena Taberna geht nicht davon aus, dass es reale Möglichkeiten der Finanzierung einer Filmindustrie gegeben hatte. Tatsache ist, dass Madrid voller Baskinnen ist. "Du kannst dort keinen Film drehen ohne baskische Beteiligung."SilencioRoto1x

Gescheitertes Projekt

Die vier gestanden ohne Umschweife das Scheitern ihrer geplanten baskischen Produktionsfirma ein. Eine Idee, die vor allem Bajo Ulloa vorangetrieben hatte. "Aus Mangel an Struktur, aber auch weil zu viele Egos im Spiel waren", blieb das Projekt auf der Strecke. "Die Idee war, uns zusammen zu tun und einen gegenseitigen Schutz zu schaffen: einen Film von Urbizu zu verkaufen und den Käufer zum Kauf meines Films zu veranlassen. Mein Vorschlag war sogar, dass jeder von uns alle Projekte unterstützen sollte", sagte Bajo Ulloa, "eine romantische Vereinigung von Verrückten."

Die Aktualität

Aktuelle Tendenzen betreffend erläuterte Bajo Ulloa: "Die Jugendlichen, die ins Kino gehen, wollen Videospiele sehen, sie sind stark beeinflusst vom Fernsehen. Die spanischen Staatsangehörigen sind heute ungebildeter als vor 20 Jahren, weil sie seit zwanzig Jahren private Sender wie Antena3 und Tele5 sehen. Schon auffällig, dass gerade diese Unternehmen bestimmen, welche Art von Filmen gemacht wird." Auffällig war auch, dass Urbizu sich vorzeitig vom Interview verabschieden musste, weil er ein Treffen bei Tele5 hatte, um über seinen nächsten Film zu verhandeln, den er "2014 Hurensöhne" nennen will. "Er trifft sich mit einem, der seine Sprache nicht spricht und von dem abhängt, ob er arbeitslos wird oder ein baskischer Künstler im Aufwind", kommentierte Bajo Ulloa. In eigener Sache dachte Helena Taberna einst, dass sie nach ihrem Film "Yoyes" viele Angebote von Produzenten erhalten würde, doch es kam anders. "So war ich gezwungen, eine eigene Produktionsfirma zu gründen. Ich habe erst vier Filme gemacht, das gibt dir zwar Freiheit, bringt aber auch finanzielle Einbußen und ist begleitet von einigen negativen Erscheinungen."

Filmvorführungen beim Kongress

In insgesamt elf Vorstellungen wurden beim Kongress Filme zeigt, die von den Regisseuren selbst vorgestellt wurden: Am ersten Tag: Akelarre (Hexentanz) von Pedro Olea, 1983; La muerte de Mikel (Mikels Tod) von Imanol Uribe, 1984. Am zweiten Tag: Paisito (Kleines Land) von Ana Díez, 2008; La vida mancha (Das Leben hinterlässt Spuren) von Enrique Urbizu, 2003; Obaba (Obaba) von Montxo Armendáriz, 2005. Dritter Tag: La madre muerta ( Die tote Mutter) von Juanma Bajo Ulloa, 1993; El sol del membrillo (Die Sonne des Quittenbaums) von Víctor Erice, 1992; Vacas (Kühe) von Julio Medem, 1991. Vierter Tag: Salto al vacío (Sprung ins Leere) von Daniel Calparsoro, 1995; La buena nueva (Die gute Nachricht) von Helena Taberna, 2008. Sowie eine Auswahl von Kurzfilmen der jüngsten Generation von Regisseurinnen: Koldo Almandoz, Asier Altuna, Borja Cobeaga, Jose Mari Goenaga, Isabel Herguera und Pablo Malo.

Neuer Sitz des Filmarchivs

In Kürze wird das baskische Filmarchiv umziehen in ein Gebäude, das mit modernster Film- und Archiv-Technologie ausgestattet ist. Das Gebäude – die ehemalige Tabakfabrik "Tabakalera" in Donostia – wird derzeit noch umgebaut zu einem Internationalen Zentrum Zeitgenössischer Kultur mit Schwerpunkt visueller Kultur. Dieses Zentrum wird eines der Schmuckstücke sein, wenn die gipuzkoanische Metropole sich im Jahr 2016 europäische Kulturhauptstadt nennen darf.

Quellen:

(1) Baskisches Filmarchiv: Selbstdarstellung
(2) Tageszeitung Deia, 30.Juni 2014
(3) Tageszeitung Gara, 4.Juli 2014

Fotos:

Filmszene aus Silencio Roto (Gebrochene Stille) von Montxo Armendariz (Internet)
Txeng: Fotomuseum Zarautz

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