Im zweiten Anlauf Erste Liga
Erstliga-Aufsteiger Alaves schlug im Camp Nou den FC Barcelona und sorgt für Furore. Hinter dem Erfolg steckt ein weitsichtiger Präsident und das doppelte Setzen auf die Jugend. Wie kleine Jungs marschierten die Spieler von Deportivo Alaves in den Bauch des Camp Nou. Mit großen Augen, gezückten Smartphones und der Faszination, die einen nun mal überfällt, wenn man sich in einen der legendärsten Fußballtempel begibt. Coolness, dicke Kopfhörer und Fokus? Fehlanzeige. Nur Selfies für Erinnerungen.
Ziemlich überraschend schlug der baskische Aufsteiger Deportivo Alaves den großen Favoriten FC Barcelona, dazu noch in dessen Stadion. Damit hatten sie nicht einmal selbst gerechnet. Denn sie begannen mit Selfies für Instagram und Erinnerungen, um sich an den Tag zu erinnern, als man gegen den FC Barcelona und Lionel Messi spielte. Das Ergebnis: zweitrangig. Denn zu holen gäbe es gegen Barca sowieso nichts. Nicht als Aufsteiger aus dem kleinen Baskenland.
Gut drei Stunden später ist vom kindlichen Respekt gegenüber der vielleicht besten Mannschaft der Welt nichts mehr übrig. Im Gegenteil: Alaves nimmt sein Herz in die Hand, wehrt sich gegen die Barca-Elf, die zunächst ohne Messi, Suarez und Iniesta auf Sparflamme zum Sieg kommen will, nach Kräften und macht das Unmögliche möglich. Zwei Unachtsamkeiten in der Barca-Defensive nutzt man eiskalt, am Ende siegen sie, die No Names, mit 2:1 gegen Messi und Co.; am Ende brachte Luis Enrique sie doch, seine Stars.
Mehr als nur 2001
Auf der Tribüne jubelten einige vereinzelte Fans beinahe ungläubig, ein vielleicht 15-jähriger Junge brach in Tränen aus, dass sein Verein gegen das Nonplusultra des Landes gewonnen hatte. Und auch die Spieler jubelten verständlicherweise so leidenschaftlich, als hätten sie gerade einen Titel gewonnen. Wirklich besonders wird die Geschichte von Deportivo Alaves aber, wenn man sich den Aufstieg in den letzten Jahren vor Augen führt, der im vergangenen Mai in der spanischen Beletage seinen vorläufigen Höhepunkt fand.
Und dort sorgen sie für hochgezogene Augenbrauen bei den Experten, die die Basken neben Leganes als den Absteiger Nummer eins tippten. Denn die Babazorros sind noch ohne Niederlage, trotzten neben den Blaugrana auch Atletico Madrid. Die Mannen aus Vitoria-Gasteiz, einer Baskenstadt mit bezaubernder Altstadt und ereignisreicher Geschichte, sind bis zum heutigen Tage vor allem dafür bekannt, 2001 den großen FC Liverpool im UEFA-Cup-Finale an den Rand einer Niederlage gebracht zu haben und sich erst per Golden Goal geschlagen geben zu müssen.
Danach hatten die Fans von "El Glorioso", wie ein weiterer Spitzname lautet, lange nichts zu lachen. Der ukrainische Unternehmer Dmitry Piterman häufte einen Schuldenberg von über 20 Millionen Euro an, 2010 spielte man nur noch in der 3. Liga.
Präsident mit Weitsicht
Der Mann, der Alaves wieder auf Kurs gebracht hat, hat schmale Schultern, schwarze Haare und ein asymmetrisches Lächeln bei dem nur der rechte Mundwinkel wirklich nach oben gezogen wird. Alfonso Fernández de Troconiz, von Beruf Rechtsanwalt, übernahm 2013 das Präsidentenamt – und setzte Strukturänderungen durch, sanierte den Verein und setzte auf die eigene Jugend
"Basken sind sehr stolz, ihnen ist die eigene Region wichtig. Sie achten sehr darauf, dass sie den Glauben an ihre Traditionen nicht verlieren. Darauf besann sich auch Troconiz wieder", schreibt Rodrigo Sanchez, Jugendkoordinator Alaves' in einer Mail. "Seitdem haben wir unsere Kräfte gebündelt und auf junge Spieler gesetzt und nicht auf alternde Ex-Stars, die den schnellen Erfolg bringen sollen."
Neben der Säule der eigenen Jugendarbeit hat man eine zweite ebenso wichtige errichtet. Sanchez sagt: "Wir haben uns auch angeschaut, welches Interesse besteht, bei einem Verein wie Alaves zu spielen. Gerade nach dem Aufstieg ist das vor allem dieses: Talente, die bei ihren Klubs nicht zum Einsatz kommen, erhalten bei uns Spielpraxis und auch Förderung neben dem Platz."
Talente der Top-Klubs
Denn die ist in Alaves ganz wichtig. "Die ganzheitliche Förderung des Individuums und die Identifizierung mit den Zielen des Vereins", werden als zentrale Aspekte auf der Homepage beschrieben. Und genau das verspricht Alaves großen Vereinen: dass man die Talente nicht nur sportlich fördert, sondern auch menschlich.
Gegen Barca standen so Theo Fernandez, 18-jähriger Franzose von Atletico und eines der größten Talente der Liga, und Marcos Alonso, 21, ausgeliehen von Real Madrid auf dem Platz. Beide sind Leistungsträger und kehren als gestandene Erstligaspieler zu ihren Stammvereinen zurück. Auf dem Weg dorthin helfen sie Alaves, den Klassenerhalt zu schaffen – und für Furore zu sorgen.
"Wir haben auch unser Scouting erweitert und kaufen gezielter ein. Nur Spieler, die wirklich zu dem Fußball passen, den der Trainer spielen lassen will, kommen hierher." Spieler wie Daniel Torres, der als Unbekannter aus Kolumbien kam, und jetzt der Schlüsselspieler ist, aber auch Spieler wie City-Talent Manu Garcia.
"Garcia ist ein gutes Beispiel, wie beides verknüpfen. Unsere Talente-Leihen und das neue Konzept, nach dem nur noch Spieler kommen, die zu uns passen. Wir haben früh Gespräche mit Manchester begonnen und ihn mehrmals beobachtet. Erst nachdem der neue Trainer sein Ok gab, holten wir ihn zu uns", sagt Sanchez.
Argentinischer Trainerfuchs
Der Trainer sagt, welche Taktik gespielt wird – und ist darin gut. Er heißt Mauricio Pellegrino, arbeitete früher als Co-Trainer von Rafa Benitez und zuletzt bei Independiente. Er gilt als Querkopf, aber auch als exquisiter Taktiker. So überraschend es kam, dass Aufstiegstrainer Pepe Bordalas' Vertrag nicht verlängert wurde; Pellegrinos Maßnahmen geben ihm recht.
Er hat ein Team geformt, das eine Symbiose aus Talenten und Erfahrenen bildet. Taktisch hat er einen brandgefährlichen Konterstil kreiert, der gegen Barca vollends zum Erfolg kam. "Wir verfolgen natürlich nicht im ganzen Verein eine Taktik, da man immer den besten Weg wählen muss, den man mit den vorhandenen Spielern gehen kann. Aber wir achten darauf, dass Fähigkeiten, wie Umschaltspiel und kluges Verhalten nach Ballverlusten schon früh im Training vorkommen", so Sanchez.
Genau diese beiden Elemente zeigte Alaves im Camp Nou. Damit sein Team seine Ideen umsetzt, macht Pellegrino auch nicht vor den wenigen Namen im Team Halt. Gegen Barcelona setzte er etwa seinen Landsmann Cristian Espinoza auf die Bank, der mit sieben Millionen Euro der mit Abstand wertvollste Spieler im Kader ist.
Zeit für Alaves-Fußball
CD Alaves ist zurück! Man ist nicht mehr länger das Team, das man nur kennt, weil man 2001 ein Finale verlor, sondern künftig eines, das man kennt, weil es mit klugem Fußball den Großen trotzt. Atletico, Barca und bald auch Real? Am 02. April kommenden Jahres geht es in die Hauptstadt zu den Königlichen, dem anderen Riesen der Liga. Die Spieler werden mit großen Augen im Bernabeu ankommen, staunen, Selfies machen wie Kinder, die vor einem Treffen mit ihren Idolen stehen. Wenn der Ball rollt, werden sie ein anderes Gesicht zeigen, ein böses, ein aggressives, ein furchtloses – wie wilde Kerle, die den Großen trotzen.
QUELLE:
(1) Der Artikel wurde auf goal.com publiziert (Link)
FOTOS:
(1) Fans von Deportivo Alavés aus der baskischen Hauptstadt Gasteiz-Vitoria (alaves.incondicionales.com)
(2) Jordi Cruyff, einer der Stars bei den Alavés-Erfolgen vor 15 Jahren (futbolplus.com)
(3) Ibai Gomez, Neuverpflichtung von Athletic Bilbao (estadiodeportivo.com)
(4) Vereinswappen Deportivo Alavés (deportivoalaves.com)