hunde11In der Steinzeit domestiziert

Seit Jahrhunderten gelten Hunde als beste (tierische) Freunde des Menschen. Wann tatsächlich der erste Hund domestiziert wurde, hat die Wissenschaft womöglich lange unterschätzt. Ein Knochenfund im Baskenland (Zestoa, Gipuzkoa) hat jetzt neue und überraschende Hinweise auf die Ursprünge der Kultur der Haushunde ergeben. Ein Oberarmbein (Humerus), das einer Höhle gefunden wurde, dürfte dem ersten domestizierten Hund Europas gehört haben. Ein Bericht im “Journal of Archaeological Science Reports“.

Die ersten domestizierten Hunde sahen den heutigen Wolfshybriden und wilden Hunden sehr ähnlich. Die in Zestoa-Gipuzkoa gefundenen Haushund-Knochen sollen 17.000 Jahre alt sein, wie Forscher der Universität des Baskenlandes in einer wissenschaftlichen Studie erklärten.

Hunde waren die ersten domestizierten Tiere. Aber wie lange schon? Es mag wie eine Anekdote erscheinen, doch ist das Wissen über diese Domestizierung der Wölfe wichtig für die Erforschung der Lebensweise der Jäger- und Sammlergruppen des Jungpaläolithikums (frühe Altsteinzeit). Die Unterscheidung zwischen den Überresten von Haushunden (Canis lupus familiaris) und Wölfen (Canis lupus) in den archäologischen Aufzeichnungen ist kompliziert, da die Morphologie und Größe dieser beiden Caniden (Hundespezies) in der Altsteinzeit (Paläolithikum) sehr ähnlich waren. Was die Klärung schwierig macht, wann und wo der Domestizierungs-Prozess stattfand. (1) (2)

hunde22Bisheriger Wissensstand

Bislang hatte ein Hund, dessen Überreste in Deutschland gefunden worden waren, als ältester domestizierter menschlicher Lebensgefährte gegolten. Er soll allerdings vor "nur" ungefähr 14.500 Jahren gelebt haben. Nun hat das Team für Menschliche Evolutionsbiologie der Universität des Baskenlandes (UPV/EHU) unter der Leitung von Professorin Conchi de la Rúa einen Knochen untersucht, der in der Erralla-Höhle in Zesztoa-Gipuzkoa gefunden wurde. Dabei wurde festgestellt, dass der zu einem Haushund gehören muss, der vor 17.000 Jahren lebte und damit der älteste bisher in Westeuropa gefundene domestizierte Hund ist.

Die größte Herausforderung für die baskischen Wissenschaftler*innen, war zunächst herauszufinden, von welchem Tier der gefundene Knochen aus dem Zestoa-Fund stammen könnte. Mithilfe der Radiokarbon-Methode stellten sie das ungefähre Alter des Knochens fest. Vor allem die Frage, ob es sich tatsächlich um einen Hundeknochen oder doch den eines Wolfes handelte, war nicht einfach zu beantworten. Schließlich gab es während der historischen Epoche der Domestizierung eine längere Übergangsphase zwischen Wolf und Hund.

Seit wann gibt es Hunde?

"Unsere Ergebnisse bestätigen die Identifizierung dieses Exemplars als Canis lupus familiaris", schrieben die Studienautor*innen. Sie erklärten, dass die erzielten Daten darauf hindeuten, dass dieses Exemplar "einen der frühesten domestizierten Hunde in Europa darstellt". Die "mitochondriale Abstammung" (DNA) der Probe weise darauf hin, dass diese Spezies ihren Ursprung vor rund 22.000 Jahren hatte. (3)

"Die Ergebnisse legen die Möglichkeit nahe, dass die Domestizierung von Wölfen früher als bisher angenommen stattfand, zumindest in Westeuropa, wo die Interaktion steinzeitlicher Jäger und Sammler mit wilden Arten wie dem Wolf in Eisgebieten möglicherweise beschleunigt wurde", erklärte Co-Studienautorin Conchi de la Rúa in einem Statement.

Ein alter Fund

Der Humerus (Oberbeinknochen) von Erralla ist kein neuer Fund. Er wurde Ende der 1970er Jahre von dem Archäologen und Paläontologen Jesús Altuna bei der Ausgrabung der Höhle in Zestoa gefunden und 1985 in einem Artikel in der Zeitschrift "Munibe" veröffentlicht. Aufgrund der damaligen technischen Beschränkungen konnte damals jedoch nicht genau festgestellt werden, um welche Art von Knochen es sich handelte. Dennoch "stieß der Fund auf großes Interesse", erklärte Conchi de la Rúa, Professorin an der UPV/EHU und Dozentin in der Abteilung für Genetik, physische Anthropologie und Tierphysiologie. In seinem damaligen Text schrieb der Entdecker Altuna, dass es sich für ihn um einen Hund oder einen Rothund (Cuon Alpinus) handeln könnte, eine wilde Canidenart, die damals im Baskenland lebte und heute nur noch in Asien vorkommt. Er entschied sich für den Hund, ohne sich absolut sicher zu sein".

Auch die Zeitabfolge war ein Problem. "Altuna konnte das genaue Alter des Humerus (Oberarmbein) nicht angeben, da es nicht möglich war, ihn zu datieren". Das Problem war, dass damals 300 Gramm Knochen benötigt wurden, um sie mit der C-14-Methode zu datieren". Die Datierung des Stücks hätte seine Zerstörung bedeutet. "Was vor 40 Jahren gemacht wurde: sie haben Tierknochen aus der gleichen Fundstelle genommen und sie datiert, was uns eine ungefähre, aber relativ breite chronologische Spanne gibt“.

hunde33Neue Erkenntnisse

Mittlerweile wurden also zwei neue Erkenntnisse erzielt, über eine Studie, die laut De la Rúa noch “einen vorläufigen Charakter" hat. "Wie sind wir vorgegangen? Erstens haben wir eine direkte Datierung des Knochens vorgenommen". Heutzutage ermöglichen Teilchen-Beschleuniger-Techniken die Datierung aus einer winzigen Probe. Es wurde festgestellt, dass der Erralla-Hund vor 17.000 Jahren lebte. “Die direkte Datierung des Oberarmbeins mit Hilfe von Kohlenstoff-14, der mittels Teilchen-Beschleuniger-Massen-Spektrometrie analysiert wurde, ergibt ein Alter von 17.410 bis 17.096 cal. BP“ (Abkürzung für kalibrierte Jahre vor der Gegenwart). Das heißt, die erzielten Ergebnisse werden um die Veränderungen der gesamten Radiokohlenstoff-Konzentration im Laufe der Zeit bereinigt.

"Zweitens haben wir eine genetische Studie durchgeführt, die es ermöglicht, mit Sicherheit zu sagen, dass der Knochen einem Exemplar von 'Canis lupus familiaris', also dem Haushund, entspricht". Damit sind Altunas einstige Zweifel ausgeräumt. Neben der Genugtuung über die Klärung dieses Rätsels betont De la Rúa die Bedeutung dieses Ergebnisses: "Es ist wichtig, die wissenschaftliche Gemeinschaft darauf aufmerksam zu machen, weil dieser Knochen in vielen Veröffentlichungen anderer Autoren erwähnt wurde, in einigen Fällen mit falschen Schlussfolgerungen". Tatsächlich ist der Erralla-Knochen ein Fundstück, das in Artikeln über die ersten Hunde aus der frühen Steinzeit (Jungpaläolithikum) häufig vorkommt. Jungpaläolithikum ist der jüngere Abschnitt der eurasischen Altsteinzeit vor rund 45.000 Jahren bis zum Ende der letzten Eiszeit, der Beginn des Jungpaläolithikums wird mit dem Beginn der Einwanderung des anatomisch modernen Menschen (Homo Sapiens) nach Europa gleichgesetzt.

Eiszeit-Höhepunkt

"Innerhalb der Magdalénien-Epoche ist Zestoa der älteste Fund. Der nächste stammt aus Bonn-Oberkassel (Deutschland), etwa 14.000 Jahre alt, was für uns keine so große Bedeutung hat“, so De la Rúa. Unter Magdalénien zu verstehen ist der jüngere Abschnitt des Jungpaläolithikums in Mittel- und Westeuropa am Ende der letzten Eiszeit, 18.000 bis 12.000 Jahr vor Christus.

"Wichtig ist, dass wir eine endgültige Datierung haben. Sie hat es uns ermöglicht, die Hypothese eines Domestikations-Schwerpunkts in der französisch-kantabrischen Region aufzustellen", und zwar zu einem Zeitpunkt, als das Gebiet während des Höhepunkts der letzten Eiszeit zu einem Rückzugsgebiet wurde. "Die Interaktion der altsteinzeitlichen Jäger und Sammler mit Wildtieren wie dem Wolf könnte in dieser Zeit der Klimakrise verstärkt worden sein".

De La Rúa und ihr Team haben die Ergebnisse ihrer Forschung in einem Artikel mit dem Titel “The Domestic dog that lived ~17.000 years ago in the Lower Magdalenian of Erralla site (Basque Country): A Radiometric and Genetic Analysis“ veröffentlicht, der im “Journal of Archaeological Science: Reports“ (2022) erschien und von Conchi de la Rúa, Montserrat Hervella, Asier San-Juan-Nó, Aloña Aldasoro-Zabala, Koro Mariezkurrena und Jesús Altuna unterzeichnet wurde.

ANMERKUNGEN:

(1) “Viel älter als gedacht: Überreste vom vielleicht ersten Haustier-Hund gefunden“, TAG24.de, Autor: Niklas Perband, 2022-12-01 (LINK)

(2) “El perro doméstico más antiguo encontrado hasta ahora en Europa vivió en una cueva de Zestoa hace 17.000 años” (Der älteste bisher in Europa gefundene Haushund lebte vor 17.000 Jahren in einer Höhle in Zestoa), Tageszeitung El Correo, 2022-11-21 (LINK)

(3) Als Mitochondrium oder Mitochondrion wird ein Zellorganell bezeichnet, das von einer Doppelmembran umschlossen ist und eine eigene Erbsubstanz enthält, die mitochondriale DNA. Mitochondrien kommen als kugel- oder röhrenförmige Gebilde in den Zellen fast aller Eukaryoten vor, nicht aber bei Prokaryoten. Mitochondrien regenerieren über die Atmungskette das energiereiche Molekül Adenosintriphosphat (ATP). Neben dieser oxidativen Phosphorylierung erfüllen sie weitere essenzielle Aufgaben für die Zelle, beispielsweise sind sie an der Bildung von Eisen-Schwefel-Cluster beteiligt. (Wikipedia)

ABBILDUNGEN:

(1) Hunde, Wölfe (elcorreo)

(2) Hunde, Wölfe (elcorreo)

(3) Hunde, Wölfe (msn)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-12-07)

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