Die Piraten der Stadt
Illegale Touristen-Unterkünfte sind in Bilbao zu einem Problem geworden. Der Nutzen des Tourismus ist nur dann positiv, wenn er zu einer gerechten Umverteilung des dadurch erzeugten Wohlstands führt. Doch das ist im Fall der Touristen-Wohnungen nicht der Fall. Jede an Reisende vermietete Wohnung steht dem einheimischen Markt nicht mehr zur Verfügung. Gentrifizierung und Vertreibung ist die Folge. Wenn dann noch nicht einmal die üblichen Steuern und Abgaben bezahlt werden, ist der Schaden doppelt.
Airbnb ist zum Inbegriff für Wohnungen für Reisende geworden. Ein lohnendes Geschäft, das immer mehr Anhänger findet. Dabei gilt es Regeln zu beachten und bestimmte Abgaben zu bezahlen. Eigentlich. Denn der Schwarzmarkt spricht eine andere Sprache. Zum Nachteil der einheimischen Wohnungssuchenden.
Es ist alltäglich geworden, durch die Hauptstraßen im Zentrum von Bilbao und sogar in einigen Stadtvierteln zu gehen und zu sehen, dass viele Türen die Zeichen AT, HT oder VT tragen. Sie belegen, dass sich in dem Gebäude eine Wohnung oder ein Zimmer befindet, die für touristische Zwecke genutzt werden. Sie zeigen auch, dass die Vermietung ordnungsgemäß registriert ist und alle städtebaulichen und steuerrechtlichen Anforderungen erfüllt.
Illegaler Betrieb
In den letzten Jahren haben jedoch verschiedene Organisationen und Studien vor der immensen Zunahme von Touristen-Unterkünften gewarnt, die außerhalb der Gesetze betrieben werden. Laut einer Studie über touristische Unterkünfte und Wohnungs-Vermietung im Baskenland, die von der Baskischen Beobachtungsstelle für Wohnungswesen durchgeführt wurde, waren im Juni 2019 in Bilbao 366 Wohnungen für die touristische Nutzung registriert. Gleichzeitig wurden in der Vermietungs-Plattform Airbnb 498 Objekte beworben. Mit anderen Worten: 132 Objekte oder 26,5% waren nicht registriert und arbeiteten daher außerhalb der Vorschriften.
Dieser Trend hat sich fortgesetzt. Nach Angaben von Aparture, dem baskischen Verband für touristische Unterkünfte, war im März 2020 die Zahl der in Internetportalen für touristische Vermietungen gelisteten Objekte um 40% höher als die Zahl der ordnungsgemäß registrierten Immobilien dieser Art von Geschäft. Nur 59,6% des variierenden Angebots entsprachen den Vorschriften. Mehr als 370 Wohnungen wurden außerhalb der Vorschriften betrieben. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Vermieter im Zusammenhang mit touristischen Unterkünften, die die Pflicht zur Registrierung bei der baskischen Regierung ignorieren und Stadtplanungs- und Steuervorschriften missachten, sprunghaft angestiegen.
Folgen für die Bevölkerung
Der Betrug mit der Vermietung an Reisende hat erhebliche Folgen für die Bevölkerung von Bilbao. Und Konsequenzen für diejenigen, die ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den Vorschriften eine Touristen-Unterkunft unterhalten. Denn nachdem sie die Formalitäten erledigt und die entsprechenden Gebühren und Steuern gezahlt haben, stellen sie fest, dass es andere (Unternehmen oder Einzelpersonen) gibt, die "unter der Hand" arbeiten und somit einen vorteilhaften Zugang zum selben Markt haben. Die sich an die Vorschriften halten, haben weniger Vorteile als diejenigen, die dies nicht tun. Die Gemeinde-Verwaltungen tun nichts oder viel zu wenig, um dies zu kontrollieren und zu ändern.
Für die Bewohner*innen der von Tourismus-Wohnungen betroffenen Stadtviertel hat dies Konsequenzen, ob legal oder illegal. Denn diese Art von regulierten und unregulierten Geschäften “entführt“ einen Teil des Wohnungsangebots der dauerhaften Vermietung mit angemessenen Preisen. Es bedeutet eine Verringerung des Angebots an Mietwohnungen für die lokale Bevölkerung, was den Zugang zu dauerhaftem Wohnraum verteuert. In bestimmten Fällen und bestimmten Stadtvierteln wird dadurch der Einzug des Tourismus und der Gentrifizierung / Vertreibung gefördert.
Was ist rentabler?
Nach den Schlussfolgerungen der Beobachtungsstelle "wären mehr als die Hälfte der für die touristische Vermietung bestimmten Wohnungen im Baskenland rentabler, wenn sie zur Vermietung an Privatpersonen vermittelt und entsprechend besteuert würden. Dies würde den Druck vom regulären Mietmarkt nehmen, das verfügbare Angebot erhöhen und die durchschnittlichen Mietpreise senken". In den Jahren der Pandemie ging die Nachfrage nach Tourismus-Unterkünften stark zurück, viele Wohnungen standen komplett leer. Für manche Vermieter*innen ein Grund, doch wieder auf einheimische Interessent*innen zurückzugreifen. Doch lässt die Post-Pandemie einen Rückschritt in die Zeit des Massentourismus befürchten, mit allen Konsequenzen auf dem Wohnungsmarkt.
Mit anderen Worten: Die Sättigung mit Touristenwohnungen in bestimmten Stadtvierteln (vor allem in solchen, die nicht als touristisch interessant gelten), dezimiert direkt das Recht hunderter einheimischer Wohnungsuchender aus Bilbao auf Zugang zu Wohnraum in ihrem Viertel. Private wirtschaftliche Vorteile haben somit Vorrang vor dem Recht auf Zugang zu einem Grundrecht. Der Durchschnittspreis für Mietwohnungen in Bilbao lag im Februar 2022 bei 1.103 Euro pro Monat, wie ein auf dieses Thema spezialisiertes Portal berichtet. Eine Person, die den garantierten Mindestlohn bezieht, müsste 110% ihres Einkommens ausgeben, um dies zu bezahlen. Weil viele Personen mit Einnahmen unter diesem Mindestlohn leben müssen, wird der Wohnungsmarkt für sie stark reduziert.
Steuerverluste
Drittens haben diese betrügerischen und ausweichenden Praktiken Folgen für die öffentlichen Kassen. Die nicht registrierten und nicht nach den örtlichen Vorschriften funktionierenden Touristen-Wohnungen sind ein riesiges Steuersieb, sowohl für den regionalen, wie auch für den kommunalen Fiskus, da die entsprechenden Steuern und Abgaben nicht entrichtet werden.
Viele dieser "City-Piraten" arbeiten mit "Piraten-Lizenzen" unter dem Schirm von Investmentfonds, die Eigentümer der betreffenden Immobilien sind. Oder von großen Unternehmen, die im Immobilien-Gewerbe aktiv sind. Sie haben ihre Sitze mitunter in Steuerparadiesen (wie der Insel Man oder Delaware) und zahlen dort ihre Steuern (oder auch nicht).
Aus genau diesem Grund und in vollem Problem-Bewusstsein hat die Provinzverwaltung von Bizkaia in ihrem diesjährigen Plan zur Bekämpfung des Steuerbetrugs die Aktivitäten illegaler Ferienwohnungen in den Mittelpunkt gestellt. Angekündigt wurde ein Programm zur Verfolgung und zum Abgleich der Daten von verschiedenen sozialen Netzwerken und Online-Plattformen für die touristische Vermietung, um Betrug und Steuerhinterziehung aufzudecken.
Fehlende Kontrolle
Diese ersten, zaghaften Bemühungen stehen jedoch im Widerspruch zu der großen Passivität der Verwaltungen von Bilbao und Bizkaia, die kaum Ressourcen zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften bereitstellen. Zudem soll an dieser Stelle nicht die Frage beantwortet werden, ob die Vorschriften und Beschränkungen zum Betrieb von Tourismus-Unterkünften ausreichend restriktiv sind.
Oder ob die lange Liste von Steuer-Vergünstigungen, die bestimmte Betreiber von Touristen-Unterkünften in Bilbao genießen, nun gerecht ist oder nicht (obwohl dies Gegenstand einer ausführlicheren Debatte sein müsste). Es geht hier ausnahmsweise allein um Kontrolle. Um die Einhaltung von Vorschriften.
Fehlende Kontrolle hat schwerwiegende Folgen für all jene, die keine eigenen Wohnungen haben und auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen sind. Das Recht auf Wohnen sollte ein Grundrecht sein – der Zugang zu diesem Grundrecht ist jedoch verstellt: durch die maßlose Förderung von Tourismus, mit all seinen Begleiterscheinungen (Preissteigerungen, Privatisierung von öffentlichem Raum, Störung des Zusammenlebens, Verteuerung und Verknappung von Wohnraum).
Tausende von einheimischen Wohnungssuchenden beobachten, wie sich das Phänomen Tourismus in ihren Vierteln breit macht, wie sich die Gentrifizierung mit erheblichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Folgen durchsetzt, und wie in der Folge das Recht auf Wohnung unmöglich gemacht wird. Vertreibung in Randviertel ist die Folge. Nachbar*innen aus der Arbeiterklasse, Migrant*innen, Flüchtlinge, Rentner*innen und Zwangsgeräumte sehen sich konfrontiert mit Finanz- und globalen Vermarktungs-Eliten. Dass letztere die Oberhand gewinnen liegt nahe. Die politisch Verantwortlichen schauen weg, die Stadt wird den Piraten überlassen.
Abgesehen von der Ausarbeitung einer konkreten Regelung in Bezug auf Stadtplanung und Nutzung von touristischen Unterkünften müssen sich die Stadtverwaltungen und die Provinzverwaltung an die Arbeit machen, verstärkte Mechanismen zur Kontrolle dieser Einrichtungen zu schaffen. Dies könnte durch mehr Personal für die Steuerprüfung vor Ort geschehen. Gleichzeitig muss der Datenabgleich zwischen den Verwaltungen verbessert werden, um betrügerische Aktivitäten aufzudecken.
Nur so kann gewährleistet werden, dass sich der Sektor der Tourismus-Vermietungen nicht der öffentlichen Kontrolle entzieht. Nur so kann das “Recht auf die Stadt“ aller Nachbarinnen und Nachbarn garantiert werden. Nur so kann gesichert werden, dass Tourismus sich in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht positiv und erträglich auswirkt, und dass sich das in den öffentlichen Kassen niederschlägt. Denn die Vorteile des Tourismus sind nur dann begrüßenswert, wenn sie mit einer gerechten Umverteilung des dadurch geschaffenen Wohlstands einhergehen.
ANMERKUNGEN:
(1) “Corsarios de ciudad: el problema de la vivienda turística ilegal en Bilbao” (Piraten der Stadt: das Problem der illegalen Tourismus-Wohnungen in Bilbao) Eldiario 2022-03-15 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Tourismus (ayto bilbao)
(2) Tourismus (freetour)
(3) Tourismus (youtube)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-03-21)