kloak1Lügen, Kloaken, korrupter Staat

Neue Dokumente haben unter Beweis gestellt, wie die Linkspartei Podemos schon in ihren Anfängen von Polizei, Geheimdienst, Medien und Politik mit erfundenen Skandalen und Lügen bekämpft wurde. Im Zentrum der Angriffe stand der ehemalige Podemos-Vorsitzende Pablo Iglesias. In den polizeilichen “Kloaken des Staates“ wurden Nachrichten gezimmert und von der willfährigen Presse publiziert, um der Partei der großen Protestbewegung von 2010 zu schaden und sie als korrupt darzustellen. Keine Ausnahme im Staat.

Die Skandalberichte gegen Podemos aus deren Gründungszeit haben sich als gezielte Lügen staatlicher Stellen herausgestellt. Politik, Geheimdienst, Polizei und Justiz haben gemeinsam einen “schmutzigen“ Krieg gegen die Protestpartei geführt. Wie zuvor schon gegen Baskinnen und Katalaninnen.

Über Jahre war die spanische Linkspartei Podemos Opfer einer öffentlichen Schmutzkampagne. Das beweisen am 11.07.2022 vom Recherche-Portal Crónica Libre (Freie Chronik) veröffentlichte Audio-Aufnahmen aus dem Jahr 2016. Damals hatte das rechtslastige Onlinemedium “Ok Diario“ einen vermeintlichen “Skandal“ aufgedeckt. Demnach habe der venezolanische Präsident Nicolás Maduro 272.325 US-Dollar auf ein Konto überwiesen, das auf den Namen des damaligen Podemos-Vorsitzenden Pablo Iglesias lief und in einem Steuerparadies lag. Die Überweisung erfolgte angeblich im März 2014, nur zwei Monate nach der Registrierung von Podemos ins spanische Parteienregister.

“La Sexta” und “Ok Diario”

Die Nachricht vom “Korruptionsskandal“ verbreitete sich schnell, unter anderem über den TV-Sender La Sexta. Dessen Starmoderator Antonio García Ferreras ließ in seinem Mittagsprogramm “Al Rojo Vivo” den Chef von Ok Diario, Eduardo Inda, auftreten, um das Märchen vom Schwarzgeld flächendeckend zu verbreiten. Als Quellen wurden angebliche polizeiinterne Dokumente genannt, daneben eine Untersuchung durch die US-Antidrogenbehörde DEA. Bereits einen Tag nach der Ausstrahlung konnte das Onlineportal Eldiario nachweisen, dass es sich bei der Nachricht um eine Lüge handelte. Auch die Bank, über die das Geld geflossen sein soll, widersprach der Publikation.

Nun (12-7-2022) veröffentlichte Crónica Libre mehrere Audio-Mitschnitte sowie deren Transkriptionen. Aufgenommen wurde ein Gespräch zwischen dem korrupten Ex-Polizei-Chef José Manuel Villarejo (2) und García Ferreras von La Sexta. Dabei versichert Ferreras gegenüber Villarejo, die Geschichte sei ihm von Beginn an “trübe” erschienen. Zum Chef von Ok Diario habe Ferreras gesagt: “Eduardo, das ist sehr ernst, ich mache mit, aber das ist sehr heikel und zu plump.”

Kloaken-Komplizen

kloak2Ein weiteres brisantes Detail: Die Nachricht über angebliche Zahlungen an Podemos aus Venezuela wurde nur zwei Monate vor den spanischen Parlamentswahlen in Umlauf gebracht. Zu diesen trat die Linkspartei erstmals gemeinsam mit dem alten Wahl-Bündnis “Vereinigte Linke” (IU) an. Im Dezember 2015, als Podemos zum ersten Mal bei spanischen Parlamentswahlen antrat, erreicht die Formation mehr als 20 Prozent – ein großer Erfolg, der in der Rechten (und Ultrarechten) des Landes entsprechende Ängste auslöste. Nicht zuletzt die Medienkampagne vor dem Urnengang 2016 führte dazu, dass das neu gegründete Bündnis “Unidos Podemos“ (Podemos und Vereinigte Linke) im Vergleich zur Wahl ein Jahr zuvor rund eine Million Stimmen weniger erhielt. Ein erster Erfolg der Lügenkampagne.

In einem Interview mit Eldiario bezeichnete Iglesias die Audios als eine “äußerst schlimme Geschichte”. “Ferreras gibt zu, dass er eine Information verbreitet, von der er weiß, dass sie falsch ist.” Aus Kreisen der Linkspartei hieß es, Ziel des Komplotts sei es gewesen, “vermeintliche Beweise für die illegale Finanzierung von Podemos zu fabrizieren”. Beteiligt am Komplott seien der Exkommissar Villarejo und weitere Polizisten gewesen sowie der damalige Innenminister Jorge Fernández Díaz von der postfranquistischen Volkspartei (PP). Ranghohe Politiker*innen wie die skandalträchtige Maria Dolores Cospedal war en ebenfalls informiert und zeigten sich begeistert.

Kloakenstar Villarejo

Tatsächlich kam in den vergangenen Jahren eine Reihe von Justiz- und Medienskandalen ans Licht, deren Ziel die Diskreditierung von Podemos war. Die zentrale Rolle spielte dabei Villarejo, der sich bereits ab 2014, also kurz nach der Gründung der Linkspartei, um deren geheimdienstliche Bekämpfung bemühte. Ab 2012 regierte in Spanien wieder die PP (Rajoy ersetze Zapatero). Die Postfranquisten – über das Innenministerium – arbeiteten an der Diskreditierung ihrer “politischen Gegner”. Darunter verstanden wurde einerseits Podemos, andererseits die erstarkende Unabhängigkeits-Bewegung in Katalonien. Die Tageszeitung El País spricht von einem “Modus Operandi” der Jahre 2012 bis 2018, der darin bestand, Polizeiberichte mit belastenden Informationen über Politiker zu erfinden, die dann bestimmten Medien zugespielt wurden. Polizei, Politik, Presse – ein perfekt eingespieltes Kloakenteam.

Am Montag (11.07.2022) erklärte die Ko-Sprecherin von Podemos, die Audioaufnahmen seien “der Beweis für das, was Podemos seit Jahren anprangert”: dass es “eine antidemokratische Allianz von Unternehmern, rechten Politikern, korrupten Polizisten und Journalisten gab, mit der Podemos zerstört werden sollte”. Auch Vizeregierungschefin Yolanda Díaz sprach Pablo Iglesias ihre Solidarität aus, ebenso wie eine ganze Reihe lateinamerikanischer Präsidenten, darunter der mexikanische Staatschef Andrés Manuel López Obrador und sein bolivianischer Amtskollege Luis Arce. Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez, der immerhin mit dem Linksbündnis Unidas Podemos in einer Regierungs-Koalition steht, äußerte sich hingegen nicht.

Viele Stimmen behaupten schon lange, dass die “Kloaken des Staates“ immer wieder in wirtschaftliche und politische Prozesse eingreifen und die öffentliche Meinung manipulieren. Ein Kommentar bei der linken Online-Tageszeitung Publico hingegen trägt den Titel “Es sind nicht die Kloaken, es handelt sich um die Grundfesten“. Für einen Staat, der eine vorangehende faschistische Diktatur nie aufgearbeitet hat, ist dies eine überaus logische und konsequente Feststellung. (1)

Kloaken oder Grundfesten

kloak3Das hat nicht mit dem schmutzigen Krieg gegen Podemos begonnen. Es gibt ausreichend Beispiele, um einen ganzen Zug anzuhalten. Auch wenn wir in dieser speziellen Kriegsetappe deutlich sehen konnten, wie die Kloaken funktionieren, dank einer Partei, die trotz allem noch Teil der Regierung ist, gibt es viele andere Fälle, die schon vorher passiert sind und denen nur sehr wenige Menschen Aufmerksamkeit schenkten. Weil die Opfer weder das Umfeld noch die Öffentlichkeit hatten, die eine politische Partei genießt. Die Tatsache, dass zum Beispiel die 84. Kammer von Madrid in erster Instanz so weit ging, die Falschmeldung gegen Iglesias als "wahrheitsgemäß" zu bezeichnen, weil sie mit "polizeilichen Quellen" verglichen worden sei, zeigt nur, dass diese "polizeiliche Quellen" und damit auch gerichtliche Entscheidungen mehr als einmal unter Quarantäne gestellt werden sollten. (3)

Das Ganze kostete den ehemaligen Vizepräsidenten 30.000 € an Prozess-Kosten. Heute ist bewiesen, dass Pablo Iglesias Recht hatte, aber niemand wird ihm die 30.000 Euro zurückerstatten oder den Schaden ausgleichen, der seiner Partei durch diese gezielte Desinformation am Vorabend der Parlamentswahlen entstanden ist. Ein Schaden, der, wie Iglesias kürzlich betonte, in Wirklichkeit der Demokratie selbst zugefügt wurde. Denn Wahlen mit Lügen zu beeinflussen, indem man sich mehrerer Komplizen bedient, ist ein Angriff auf jedes System, das sich als demokratisch versteht.

Diese Woche hat jemand die Aufregung ausgenutzt und sich auf Twitter zu Wort gemeldet: "An diesem Punkt sollte es niemanden überraschen, dass es eine Symbiose der faulen Stellen zwischen Behördenvertretern, Presseleuten und Berufspolitikern gibt", sagte ein junger Mann aus Vallecas, der mehrere Jahre im Gefängnis verbrachte, weil er eines Verbrechens beschuldigt wurde, das er immer bestritten hat, und dessen Prozess von Unregelmäßigkeiten gezeichnet war. “Baskische und katalanische Unabhängigkeits-Befürworter, Aktivisten verschiedener linker sozialer Bewegungen aus ganz Spanien und Journalisten verschiedener Medien, die uns daran erinnern wollten, dass die Kloaken immer funktioniert haben. Wie mein Freund schon sagte: ich bestehe darauf, dass sie Teil des Staates sind. Denken wir nur an Pegasus. Hier ist nichts passiert und wir haben es bereits vergessen“. (3)

ANMERKUNGEN:

(1) „“Konstruierter Skandal um Iglesias. Schmutzige Kampagne“, Tageszeitung Junge Welt, Autor: Frederic Schnatterer, 2022-07-13 (LINK)

(2) José Manuel Villarejo, ehemaliger hoher Beamter der Nationalpolizei, mehrfach der Korruption und illegalen Spionage verdächtig, saß zwei Jahre in U-Haft. Wikipedia (LINK)

(3) ”No son las cloacas, son los cimientos” (Es sind nicht die Kloaken, es handelt sich um die Grundfesten) Tageszeitung Publico, Miquel Ramos, 2022-07-13 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Lügenskandal (okdiario)

(2) Villarejo, Cospedal (vanguardia)

(3) Villarejo, Iglesias (okdiario)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-07-14)

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