Chillida in Gijón – Ibarrola in Llanes
Baskische Kunst gibt es nicht nur im Baskenland zu sehen, Eduardo Chillida und Agustín Ibarrola gibt es auch im nördlichen Asturien zu begutachten, an jeweils besonderen Orten in die Landschaft integriert. Wer in Bizkaia Urlaub macht und an der Nordküste interessante Besuchsziele sucht, kommt über das bergige Kantabrien ins schöne Asturien und verzichtet auch nicht auf baskische Kunstgeschichte. Auf fast 400 Autokilometern erinnern wir uns an Legenden der baskischen Malerei und Bildhauerei.
Baskische Kunst ist in der asturischen Stadt Llanes im Hafen zu finden – eine große Skulptur ziert den höchsten Punkt der Küste hinter der regionalen Hauptstadt Gijon. Damit sind zwei Reiseziele an der kantabrischen Küste benannt, die von Bilbo gesehen 183 bzw. 267 km entfernt liegen. (2016-04-19)
Über Colombres nach Llanes
Llanes ist die erste große Stadt in Asturien, durch die westwärts Reisende kommen, nachdem sie die Region Kantabrien durchquert haben. Wer nach Llanes gelangt, hat hoffentlich in Colombres angehalten, gleich hinter der kantabrisch-asturischen Grenze, um das beeindruckende Migrations-Museum zu sehen. Sowohl das Museumsgebäude selbst, alsauch die historische Ausstellung sind ebenso sehenwert wie das Auswanderer-Museum in Bremerhaven. Die dargestellte Geschichte schildert praktisch und einleuchtend die Realität der früheren Bewohnerinnen der Regionen an der Nordküste der Iberischen Halbinsel. Diese Geschichte gilt nicht nur für Asturien, das Museum könnte genausogut auch im Baskenland oder in Galicien stehen, denn in den vergangenen Jahrhunderten waren Leute aus allen Regionen aufgrund ihrer Existenzbedingungen dazu gezwungen, in Übersee, vor allem in Südamerika ihr Glück zu suchen. Manchmal war es auch pure Abenteuerlust.
Llanes und die bunten Quader
Vom Grenzort Colombres sind es noch knapp 20 Minuten, um in die Küstenstadt Llanes zu gelangen, ein Ort mit 14.000 Einwohnerinnen. In der historischen Altstadt sind viele Gebäude erhalten, aus baskischer und künstlerischer Sicht interessiert jedoch insbesondere die Kolorierung, die der Hafen von Llanes erfahren hat. Hinter den dicken schützenden Kaimauern liegen wie in vielen Häfen der Welt riesige Steinquader, die die Wellen brechen und die Stadt vor Sturm und Meer schützen sollen. Das besondere ist, dass diese Quader unter Anleitung des baskischen Künstlers Augustín Ibarrola bunt bemalt wurden. Unter Anleitung heißt, dass Ibarrola die künstlerische Ausführung nicht allein und von Hand durchgeführt hat, dafür stand ihm vor ca. 15 Jahren ein Team von einheimischen asturischen Künstlerinnen zur Seite. „Erinnerungs-Quader“ heißen die Wellenbrecher (Cubos de la memoria), von Weitem sind sie bereits zu sehen, von der San Antón Promenade oder vom Aussichtspunkt am Leuchtturm. Die Bemalung der Quader besteht aus asturischen Objekten und symbolisiert verschiedene Orte. Anders als in jedem Museum wirkt diese Kunst im öffentlichen Raum je nach Wetter und Perspektive sehr verschieden, stellen wir uns nur die Extreme von Nebelregen und strahlendem Sonnenschein vor – die Farbquader hören nicht auf zu überraschen.
Indianos sind keine Indianer
Schade wäre es, Llanes zu verlassen, ohne neben der Altstadt die Reste der mittelalterlichen Stadtmauer und die Indiano-Häuser gesehen zu haben. Mit diesen Indiano-Häusern, die auch im Baskenland, vor allem in Süd-Bizkaia (Enkarterri) häufig zu finden sind, kehren wir erneut zum Thema Auswanderung zurück. Nur ein kleiner Teil der Migranten konnte im Exil den Traum von Reichtum und Glück verwirklichen. Einige von dieser Minderheit (oder ihre Nachkommen) kehrten zurück und ließen es sich nicht nehmen, den eingeheimsten Reichtum demonstrativ darzustellen. Dazu dienten protzige Villen und kleine Paläste, wie das Colombres-Museum, oft mit bunter Bemalung. Als Statussymbol wurden neben diesen Villen für die iberische Nordküste unübliche Palmen gepflanzt, die bis heute von diesem Teil der Geschichte zeugen, auch wenn ein Teil dieser Reichtumssymbole mittlerweile dem Verfall ausgesetzt ist. Besonders schöne Exemplare von Indiano-Häusern sind in Gordexola zu sehen, in der Bizkaia-Provinz. Neben Altstadt und Indianos beeindrucken Paläste, Kirchen und Sidrerias, in denen das Lieblingsgetränk der Asturierinnen – der köstliche Sidra-Most – zu gutem Preis gereicht wird.
Ibarrola, der Facettenreiche
Agustín Ibarrola Goicoechea, Jahrgang 1930, und aus dem bizkainischen Basauri, gehört zur alten Garde der baskischen Kunstschaffenden. Ibarrola führte ein unruhiges und wechselhaftes Leben, denn er war nicht nur Maler und Bildhauer, sondern auch aktiver Kommunist. Weil sich diese Aktivität während des spanischen Faschismus abspielte, ist es kein Wunder, dass Ibarrola vom Franco- Regime mehrfach eingesperrt wurde. Früh begann Ibarrola als Autodidakt. Per Stipendium kam er nach Madrid und entdeckte den Kubismus. Bei einem langen Aufenthalt in Paris kam er in Kontakt mit der Künstlergruppe „Equipo 57“, und auf diesem Weg mit dem Konstruktivismus als künstlerischer Stilrichtung. Zurück in der Heimat folgte die Repression. In London wurden seine Bilder ausgestellt und mit Goyas „Schrecken des Krieges“ verglichen. In den 80ern zog sich Ibarrola auf ein Gehöft im Baskenland zurück und arbeitete an Skulpturen. „Zu seinen bekanntesten Motiven als Bildhauer gehört der Bemalte Wald. Zunächst bemalte er Bäume in der Nähe seines Wohnsitzes. Später schuf er in Salamanca gemeinsam mit Studierenden der dortigen Kunsthochschule durch Bemalen vertrockneter Ulmen den Verzauberten Wald und bald darauf den Wald der Totems (in einer Bahnstation in Madrid). Weitere Beispiele für Großskulpturen sind seine aus einhundert Eisenbahnschwellen hergestellte Installation Totems auf der Halde Haniel im Ruhrgebiet“ (1). In den 90er Jahren wechselte Ibarrola die politischen Fronten und integrierte sich in die spanische Rechte, insbesondere im Baskenland brachte ihm das heftige Anfeindungen ein. Sein Bemalter Wald wurde teilweise sabotiert – gleichzeitig wurden seine bemalten Bäume aber auch gefällt, weil sie zu einem privaten Waldstück gehörten. Der Eigentümer zeigte kein Kunstverständnis, er wollte einfach sein Holz verkaufen.
Wald, Quader, Xixón
Xixón ist der asturische Name für Gijón, die asturische Hauptstadt, die Sprache ist leider fast ausgestorben. Nur 86 Kilometer sind es von Ibarrola in Llanes zu Eduardo Chillida, bzw. zu dessen Riesen-Skulptur hoch über der Atlantikküste. Auf dem Cerro Santa Catalina (Berg) steht das Werk mit dem Namen „Huldigung für den Horizont“ (Elogio del horizonte), dahinter ist nur Meer, insofern ist der Titel gut gewählt. Santa Catalina ist eine Halbinsel, die sich weit ins Meer hinauslehnt und lange Zeit eine Militärfestung beherbergte, von der noch einiges zu sehen ist. Die „Huldigung für den Horizont“ besteht aus 500 Tonnen Beton, die auf 10 Metern Höhe und 15 Metern Breite verteilt sind. Zwei Säulen sind die Basis einer offenen Ellipse, die über die Jahre zu einer touristischen Attraktion geworden ist. Mitunter hat die Skulptur nicht nur eine visuelle, sondern auch eine akustische Dimension: wenn starker Wind sich zwischen den Betonarmen bemerkbar macht.
Eduardo Chillida
Eduardo Chillida (Donostia - San Sebastián 1924-2002) war einer der drei in den vergangenen 14 Jahren verstorbenen Legenden der baskischen Kunst und Bildhauerei, neben Jorge Oteiza (2) und Nestor Basterretxea (3). Chillidas Werke „sind große Skulpturen mit raumgreifenden Strukturen“ (4). Er studierte in Madrid von 1943 bis 1946 Architektur, um danach zur Kunst zu wechseln. In seinem späteren Atelier in Paris versuchte er sich an ersten „figürlichen Plastiken aus Gips und Ton“. Neben Xixón sind Werke von Chillida in Österreich und Deutschland gut vertreten, unter anderem in Münster, München, Köln, Frankfurt am Main, Wien, Düsseldorf, dem Saarlandmuseum, vor dem Bundeskanzleramt in Berlin – und natürlich in seiner Heimatstadt Donostia. 1951 kehrte Chillida nach Donostia (San Sebastián) zurück und richtete sich in Hernani ein Atelier mit eigener Schmiede ein. „Die hier geschaffenen Entwürfe und erste Arbeiten in Schmiedetechnik schufen die Grundlage zu seinen späteren großen Werken in Eisenplastik“ ist über Chillida zu lesen. „Von 1959 bis 1977 nahm er an den documenta-Ausstellungen 2, 3, 4 und 6 in Kassel teil. In den 80er und 90er Jahren gab es bedeutende Retrospektiven seines Lebenswerks in New York, Bonn, Münster, Berlin, Frankfurt am Main und San Sebastián. Noch zu Chillidas Lebzeiten eröffnete 2000 in Hernani das seinem Werk gewidmete Chillida-Leku-Museum mit einem Skulpturenpark, der sich über 12 Hektar erstreckt. Zum Jahresende 2010 wurde das Museum jedoch aufgrund von finanziellen Problemen infolge der Finanzkrise für die Öffentlichkeit geschlossen“ (4).
Nachschlag
In Donostia am Hondarreta-Strand schließt sich mit dem „Windkamm“ (Peine de vientos) ein in Xixón (Gijón) eröffneter Kreis einer (alles andere als vollständigen) Reihe baskischer Künstler an der kantabrischen Küste. Nicht, ohne in einem Seitental neben Gernika Halt gemacht zu haben. Den baskischen Ortsnamen „Oma“ vergisst sicher niemand so schnell, dort ist Ibarrolas lebendige Kunst an der Rinde eines Kiefernwäldchens nur nach einem anstrengenden Marsch von 50 Minuten zu begutachten. Will sagen, Kunst muss erarbeitet werden, erst von den Autoren, dann von den Betrachterinnen, entweder auf 287 Autokilometern oder auf einem ansteigenden Fußmarsch. Weit ab von den Farbimpressionen am Hafen oder im Wald zeigt das im Museum der Schönen Künste Bilbao hängende Werk von Ibarrola eine andere Etappe seines Schaffens: die Welt der Fabriken und der dort ausgebeuteten Arbeiterinnen, schroff in schwarz und weiß gehalten, aus den 60er Jahren, als er noch Kommunist war. Wie erwähnt, Bilbo – Bilbao, wie es auf Spanisch heißt – war der Ausgangspunkt für die heutige Exkursion.
ANMERKUNGEN:
(1) Augustín Ibarrola (Link)
(2) Jorge Oteiza (Link)
(3) Nestor Barrenetxea (Link)
(4) Eduardo Chillida (Link)
FOTOS:
(1) Colombres (Asturien) Migrations-Museum. (Foto Archiv Txeng – FAT)
(2) Ibarrola-Werk, Ansicht der Kaimauer in Llanes. (Foto Archiv Txeng – FAT)
(3) Xixón (Gijon, Asturien), Chillida-Skulptur. (Foto Archiv Txeng – FAT)